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Chris Franzen, Direktor des Bürgenstock Resorts, schloss einst den Lehrer im Klassenzimmer ein und muss den fünften Töffausweis machen.
Chris Franzen (54) leitet seit 2024 die Bürgenstock Hotels. Zuvor war er Direktor von Luxushotels rund um die Welt, zuletzt dem «Waldorf Astoria» in Doha.
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Der prominenteste Hotelgast, den Sie je hatten?
Ich hatte Präsidenten von allen Kontinenten, Stars aus Sport, Film und Politik. Es war jedoch sehr speziell, 57 Staatsoberhäupter auf einen Schlag zu haben während der Konferenz zum Frieden in der Ukraine im Juni letzten Jahres.
Das schönste Hotel der Welt?
Es gibt sehr viele faszinierende Hotels. Einen grossen Eindruck hat das Palácio Estoril Hotel in Portugal hinterlassen, mit seinem «old world charm» und dem perfekten Service.
Ihre härteste Lebensschule?
Durch meine Tätigkeit im Ausland konnten meine Frau und ich nie an Familienfesten wie Hochzeiten, Taufen, Geburtstagen teilnehmen. Beruflich gesehen war es der Arabische Frühling 2011, als die Angestellten das Hotel, das ich leitete, mit Gewalt übernehmen wollten.
Der grösste Behördenirrsinn, der Ihnen je widerfahren ist?
Ich bin im Besitz von Motorradführerscheinen aus vier verschiedenen Ländern. Ich bin Zehntausende von Kilometern auf dem Töff gefahren, an Orten, wo 90 Prozent nie hinkommen würden – und muss trotzdem hier in der Schweiz nochmals den Motorradführerausweis machen, wenn ich weiter meinem Hobby frönen will.
Palácio Estoril Hotel, César Ritz, Helikopter der Air Zermatt, Sanipass in Lesotho (v.l.).
Philippe Rossier, Keystone, PR / BILANZ-CollagePalácio Estoril Hotel, César Ritz, Helikopter der Air Zermatt, Sanipass in Lesotho (v.l.).
Philippe Rossier, Keystone, PR / BILANZ-CollageDie schönste Motorradstrecke?
In Lesotho in den Drakensbergen: den Sanipass hinauf von 1500 auf 2900 Meter Höhe. Es ist eine Schotterstrasse, die schwierig zu befahren sein kann.
Mit welcher berühmten Persönlichkeit würden Sie gerne post mortem zu Abend essen, und warum?
Mit César Ritz. Er war ein Walliser Pionier der Luxushotellerie und hat Standards gesetzt, die bis heute gelten. Ich würde ihn fragen, wie er zu seiner Zeit Exzellenz definiert hat.
Als Kind wollten Sie sein wie …
Zuerst Helikopterpilot bei der Air Zermatt. Danach Kapitän auf einem grossen Frachtschiff. Mich fasziniert die offene, weite und raue See. Die Einsamkeit – und dass man an Orte auf der Welt kommt, wo andere nicht hingehen.
Ihr schlimmster Jugendstreich?
Als ich mich in der Grundschule einmal danebenbenommen hatte, beschloss mein Lehrer, mich zu bestrafen, und forderte mich auf, vor die Klassenzimmertür zu gehen für den Rest des Unterrichts. Auf dem Weg nach draussen ging ich am Pult des Lehrers vorbei, nahm – ohne dass er es bemerkte – den Schlüssel mit, ging hinaus und schloss die Tür von aussen ab. Die ganze Klasse musste im Raum verweilen, während ich gemütlich nach Hause zum Mittagessen spazierte.
Welches Talent besässen Sie gerne?
Ich würde gerne das Talent besitzen, Menschen auf Anhieb zu lesen – ihre Stimmung, Gedanken und unausgesprochenen Bedürfnisse. In der Hotellerie kommt es oft auf die kleinen, stillen Signale an. Wer intuitiv erkennt, was ein Gast braucht, noch bevor er es ausspricht, schafft wahre Exzellenz im Service. Dieses Talent würde mir helfen, Erlebnisse nicht nur gut, sondern unvergesslich zu machen.
Ihr erster Wagen?
Ein weisser VW Käfer, Baujahr 1978, der mir von meinem Onkel geschenkt wurde.
Ein Ort der Inspiration?
Ein Ort der Inspiration für mich ist Kyoto, Japan. Die Stadt verbindet auf beeindruckende Weise Tradition und Moderne, Stille und Energie. In den Zen-Gärten, den alten Ryokans oder den klar strukturierten Ritualen der Gastfreundschaft spürt man eine tiefe Achtsamkeit, die mich als Hotelier inspiriert. Kyoto erinnert mich daran, dass wahre Exzellenz oft in der Reduktion liegt – im Detail, im Respekt vor dem Gast und in der Kunst, Raum für Ruhe zu schaffen.
Das Verrückteste, was Sie je getan haben?
Da gibt es zwei Sachen. Einen Job in Indien anzunehmen und dort zwölf Hotels zu führen. Und dann den Job in Doha anzunehmen und das «Waldorf Astoria Doha Lusail» noch vor der Fussball WM 2022 zu eröffnen. Beides hat geklappt, mit viel Herzblut, Schweiss und Superteams!
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Der beste Ratschlag, den Sie je bekommen haben?
«Perfektion ist der Feind des Fortschritts.» In einer Branche, die nach Exzellenz strebt, kann der Wunsch nach Perfektion schnell lähmend wirken. Wir zögern Entscheidungen hinaus, optimieren zu lange – und verlieren dabei oft die Dynamik, die es braucht, um wirklich voranzukommen. Ich habe gelernt: Es ist besser, mit 90 Prozent Überzeugung loszulegen, Feedback einzuholen und flexibel zu bleiben, als auf die ideale Lösung zu warten, die vielleicht nie kommt. Fortschritt lebt vom Mut zum Unvollkommenen.
Der grösste Quatsch, der je über Sie geschrieben wurde?
Da bin ich bis jetzt noch glücklich davongekommen. Aber ich werde oft gefragt, ob ich ein Bruder von Christof Franzen vom Schweizer Fernsehen bin … Das würde ja heissen, dass unsere Eltern zwei Söhne hatten und beiden den gleichen Vornamen gegeben haben … ☺
Ein Trend, der unterschätzt wird?
Simple Luxury. Luxus ist nicht für jedermann dasselbe, und ich würde lieber eine Woche in einem Chalet in den Bergen verbringen als im teuersten Hotel auf den Malediven. Das ist mein Luxus!
Eine Person, die überschätzt wird?
In der Politik werden meiner Meinung nach einige Persönlichkeiten überschätzt, die vor allem durch populistische Rhetorik auffallen – weniger durch nachhaltige Lösungen. Sie beherrschen die Kunst der öffentlichen Inszenierung, sprechen in einfachen Schlagzeilen und werden dafür oft gefeiert. Doch wenn es um langfristige Verantwortung, konstruktiven Dialog und die Umsetzung komplexer Vorhaben geht, fehlt es häufig an Substanz. Für mich wird politischer Einfluss dann überschätzt, wenn er mehr auf Emotion als auf tatsächlichem Fortschritt beruht.
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Ihr liebster Künstler?
Für mich sind auch Köche Künstler, und ich bin ein grosser Fan von Joël Robuchon. Er war ein weltbekannter französischer Koch und Gastronom. 1989 erhielt er von «GaultMillau» den Titel «Koch des Jahrhunderts» und hielt zeitweise den Rekord für die meisten «Michelin»-Sterne weltweit – unglaubliche 32 Sterne in seinem internationalen Restaurant-Imperium.
Ihre grösste Extravaganz?
Ich besass einmal ein Boot und einen Jetski. Aber wie es das Sprichwort so schön sagt, waren auch für mich die zwei glücklichsten Tage eines Bootbesitzers der Tag des Kaufs – und der des Verkaufs!
Ihre Lieblingszigarre?
Gurkha Private Select Ron Abuelo Anejo 7 Años. Ich bin zugegeben kein Purist, wenn es um Zigarren geht. Diese Zigarre wird in einer Glaskanüle gelagert und ist mit Rum durchzogen. Einfach fantastisch!
Wer oder was wären Sie gerne einen Tag lang?
Ein Langstreckenpilot auf dem Weg nach Ushuaia, Tierra del Fuego, Argentinien.
Welchen Titel soll ein Porträt über Sie tragen?
You Never Walk Alone. Ich bin seit fast 50 Jahren Liverpool-FC-Fan, und die Liedzeile in Song heisst ja «Walk on, walk on, with hope in your heart ...» («Geh weiter, geh weiter, mit Hoffnung im Herzen …») – sie ist zum Sinnbild für Mut in schwierigen Zeiten geworden.
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