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Fabian Cancellara ist zurück im Geschäft

Der Berner verabschiedete sich 2016 aus dem Radrennzirkus. 2025 kehrt er an die Tour de France zurück – als Unternehmer.

Iris Kuhn Spogat

<p>Für Fabian Cancellara beginnt ein neues Kapitel.</p>

Für Fabian Cancellara beginnt ein neues Kapitel.

Sven Thomann

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Fabian Cancellara (44), einer der erfolgreichsten Klassikerjäger und Zeitfahrspezialisten des 21. Jahrhunderts, ist im Radsportzirkus zurück – nicht pedalend, sondern unternehmerisch. Vor zweieinhalb Jahren gründete er mit Tudor das Tudor Pro Cycling Team, mit der Mission, das erfolgreichste Schweizer Radsportteam ever zu entwickeln. Er will keine kurzfristigen Erfolge erzwingen, sondern den «richtigen Weg» gehen: junge Talente fördern, Strukturen aufbauen, Vertrauen schaffen – und Radsport mit Schweizer Identität wieder dauerhaft auf die grosse Bühne bringen. Und zwar mit Fokus auf Mensch, Nachhaltigkeit – und Integrität. Inzwischen hat seine Equipe mehrfach geglänzt, die diesjährige Tour de Suisse wurde mit Rang  5 abgeschlossen. «Ich bin sehr stolz auf das Team», kommentiert er den Erfolg. Der nächste Meilenstein wird die Tour de France, an der Tudor Pro Cycling dank Wildcard am 5. Juli mit am Start sein wird, ein Ziel, das Cancellara in seinem Businessplan für 2026 vorgesehen hatte. Dieses Rennen ist für den Sportler Cancellara ein Highlight. Für den Unternehmer mit inzwischen über 130 Namen auf der Payroll die schönste Werbe-Kampagne überhaupt: «Wir möchten mehr Schweizer Firmen an Bord holen.» Das beste Personal ist nämlich auch in dem Geschäft nur das eine Entscheidende. Geld das andere.

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Die Mitstreiter

Die Idee für das Tudor Pro Cycling Team entstand im Sommer 2022 bei einem Mittagessen von Cancellara mit Eric Pirson. Der Chef der Uhrenmarke, die Rolex gehört, wollte als Sponsor in den Radsport einsteigen. Und Cancellara hatte den «Wunsch, dem Schweizer Radsport etwas zurückzugeben». Zusammen fassten sie den Entschluss, «das erfolgreichste Radsportteam aller Zeiten» aufzubauen. 2023 ist Tudor Pro Cycling entstanden – «eine Firma, nicht einfach ein Veloteam», betont Cancellara. Eine Firma notabene, deren Budget wie im Radsport üblich fast zur Gänze von externen Geldgebern abhängig ist. Neben Tudor spielt der Premium-Bike-Hersteller BMC unter der Führung von CEO David Zurcher als Ausrüster eine zentrale Rolle. Anfang dieser Saison ist auch Red Bull unter Leitung von Oliver Mintzlaff gross eingestiegen. Ebenfalls ein wichtiger Partner von Cancellara ist Frank Böckmann, Chairman und Mitbegründer von DT Swiss, dem Weltmarktführer im Bereich Velokomponenten. Auf den Ärmeln der schwarzen Trikots prangt das Logo von Boss, deren Boss Daniel Grieder Cancellara noch aus dessen Hilfiger-Zeit kennt. Im Juni wurde er neu mit Raphael Krucker, CEO Andermatt Swiss Alps, einig. Cancellara hätte gern einen weiteren grossen Schweizer Sponsor und denkt an sportlichen Erfolg als Lockmittel. Vielleicht helfen auch Connections, etwa im Stiftungsrat von Laureus, den er präsidiert. Mitglieder sind Networker wie Urs Lehmann, Präsident von Swiss-Ski und CEO von Similasan, sowie Christian Wenger, Partner der Kanzlei Wenger Vieli.

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<p>Eric Pirson, Daniel Grieder und David Zurcher (v.l.).</p>

Eric Pirson, Daniel Grieder und David Zurcher (v.l.).

PR, Andrea Artz, Maxime Schmid
<p>Eric Pirson, Daniel Grieder und David Zurcher (v.l.).</p>

Eric Pirson, Daniel Grieder und David Zurcher (v.l.).

PR, Andrea Artz, Maxime Schmid

Die Familie

Fabian Cancellara ist seit 2006 mit Stefanie Hauser verheiratet. Die beiden leben in Ittigen mit ihren zwei Töchtern Giuliana und Elina, 18 und 13 Jahre alt. Viel ist Cancellara zu seinem Privatleben und seiner Familie nicht zu entlocken – ausser dass er sich stets sehr darum bemüht habe, Arbeit und Familie klar auseinanderzuhalten. Da kann sein klares «Nein» auf die Frage, ob seine Leidenschaft fürs Radfahren auf die Mädchen übergesprungen sei, nicht verwundern. In Ittigen sind seine Passion und sein Erfolg indes verewigt mit einem Fabian-Cancellara-Kreisel. Im Zentrum: ein goldenes Rennrad.

<p>Fabian Canellara mit Gattin Stefanie.</p>

Fabian Canellara mit Gattin Stefanie.

Remy Steiner, Getty Images
<p>Fabian Canellara mit Gattin Stefanie.</p>

Fabian Canellara mit Gattin Stefanie.

Remy Steiner, Getty Images

Die Karriere

Fussball oder Radfahren? Die Frage hat Fabian Cancellara als Bub zu beantworten. Er lässt den Ball, widmet sich ganz dem Zweirad, wird als hoch talentierter Nachwuchsfahrer entdeckt und gefördert und fährt schon als Teenager allen davon. Mit 19 steht er zum zweiten Mal vor einer Entweder-oder-Entscheidung, diesmal zwischen Elektromonteur-Lehre und Radprofikarriere. Wieder gewinnt das Velo. Er startet im Team Mapei («damals das Real Madrid des Radsports», so Cancellara) von Giorgio Squinzi, dem Chef des gleichnamigen italienischen Bauchemiekonzerns, der inzwischen verstorben ist. 2006 fährt Cancellara im Team von Bjarne Riis, Chef der dänischen Truppe CSC, die 2009 zum Team Saxo Bank wird, wo zu dieser Zeit der heutige Chairman von Twint, Søren Mose, CEO ist. Hier schafft Cancellara den Durchbruch als Spezialist fürs Zeitfahren und für Frühjahrsklassiker. 2011 wechselt er zum neu gegründeten Team Leopard Trek. Von seinem dortigen Coach, Luca Guercilena, habe er viel in Sachen Führung gelernt, betont Neo-Unternehmer Cancellara. Sein Palmarès: vierfacher Weltmeister und zweifacher Olympiasieger im Zeitfahren. 2016 beendet er mit der Goldmedaille in Rio de Janeiro seine Karriere. Seit 2023 ist er als Inhaber und Gründer des Tudor Pro Cycling Team zurück im Radrennzirkus.

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<p>Soren Mose (l.) und Bjarne Riis.</p>

Soren Mose (l.) und Bjarne Riis.

PR
<p>Soren Mose (l.) und Bjarne Riis.</p>

Soren Mose (l.) und Bjarne Riis.

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Die Gegenspieler

Das Tudor Pro Cycling Team steht in Konkurrenz zu anderen Pro-Teams im Rennen um eine der begehrten Wildcards. Namentlich zählt etwa das norwegische Team Uno-X Mobility Cycling in Besitz des gleichnamigen Mineralölkonzerns dazu. Vier Söhne von CEO Vegar Kulset sind dort im Team als Fahrer oder im Management. Das Aushängeschild ist der Klassikerspezialist Alexander Kristoff. Oder das Q36.5 Pro Cycling Team, gegründet 2023. Es gehört mehrheitlich dem Milliardär und ehemaligen Glencore-CEO Ivan Glasenberg. Die Gründer der Radsportbekleidungsmarke Q36.5, Luigi und Sabrina Bergamo, sind Hauptsponsoren des Teams. Zu den Partnern gehört auch Breitling, die von Radenthusiast Georges Kern geführteUhrenmarke.

<p>Ivan Glasenberg (l.) und Vegar Kulset.</p>

Ivan Glasenberg (l.) und Vegar Kulset.

Bloomberg, PR
<p>Ivan Glasenberg (l.) und Vegar Kulset.</p>

Ivan Glasenberg (l.) und Vegar Kulset.

Bloomberg, PR

Die Equipe

Sein Unternehmen nennt Cancellara «Start-up». Den Sitz hat es in Sursee, trainiert wird in Andermatt. Das Tudor Pro Cycling Team besteht aus 47 Fahrern – darunter 15 Schweizer und zwei grosse Aushängeschilder: der Franzose Julian Alaphilippe und die Schweizer Hoffnung Marc Hirschi. Cancellara war bis vor Kurzem dessen Mentor. Jetzt ist Hirschi unter den Fittichen von Cheftrainer Sebastian Deckert, betreut vom Basler Facharzt für Sportmedizin, Andreas Gösele, dem Head of Medical Development der Equipe. Starkes Personal – Fahrer wie Betreuer – ins erst gerade anfahrende Team zu holen, war für Cancellara und seinen CEO und langjährigen Geschäftspartner Raphael Meyer nicht sonderlich schwierig: Einmal natürlich wegen Cancellara selbst, andererseits scheint ihr explizit menschen- statt siegzentriertes und auf lange Frist angelegtes Businessmodell anziehend zu wirken. Gerüchteweise wird auch Stefan Küng, der erfolgreichste aktive Schweizer Profi, demnächst zum Team stossen. Eine wichtige Rolle spielt seit Anfang der erfahrene Portugiese Ricardo Scheidecker. Er ist sportlicher Leiter der Mannschaft und war zuletzt beim belgischen Pro-Tour-Team Quick-Step unter Vertrag. Als Head of Innovation hat Cancellara den ausgewiesenen Performance-Spezialisten Kurt Bergin-Taylor an Bord.

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<p>Raphael Meyer, Sebastian Deckert, Marc Hirschi und Julian Alaphilippe (v.l.).</p>

Raphael Meyer, Sebastian Deckert, Marc Hirschi und Julian Alaphilippe (v.l.).

Pius Koller, Sven Thomann, Urs Flueeler
<p>Raphael Meyer, Sebastian Deckert, Marc Hirschi und Julian Alaphilippe (v.l.).</p>

Raphael Meyer, Sebastian Deckert, Marc Hirschi und Julian Alaphilippe (v.l.).

Pius Koller, Sven Thomann, Urs Flueeler

Dieser Artikel erschien in der BILANZ 07/2025.

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Über die Autoren
Iris Kuhn Spogat

Iris Kuhn-Spogat

Iris Kuhn-Spogat

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