Guten Tag,
Der Post-Verwaltungsratspräsident stellt sich der harschen Kritik des Gewerbes, dass er mit billigem Geld Firmen im Markt wegschnappe.
Verwaltungsratspräsident Christian Levrat gibt politisch Gegensteuer. Der ehemalige SP-Präsident verteidigt die Expansionsstrategie des Staatskonzerns.
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Seit vier Jahren prasselt Kritik vonseiten des Parlaments auf den Post-Verwaltungsrat ein. Das Gewerbe stört sich an der Expansionsstrategie – der Staatsbetrieb hat viele private Firmen aufgekauft. Mit Vorstössen will eine rechte Mehrheit der Post dieses Geschäft verbieten. Gleichzeitig opponieren die SVP, die Mitte und die Linke gegen den Abbau des Filialnetzes. Und schliesslich durchkreuzt der Preisüberwacher die Pläne der Post, die ihre Preise für Briefe und Pakete offensiv erhöhen will. Wie das für die Post ausgehen soll, erklärt der angriffige Post-Verwaltungsrat Christian Levrat im Gespräch.
Auch ich beobachte meine erwachsenen Kinder. Sie erhalten Pakete und versenden Retouren. Sie nutzen Twint oder das E-Banking von Postfinance, obwohl sie die Wahl hätten, auch andere Banken zu nutzen. Sie stimmen wie Ihr Sohn brieflich ab und nutzen das Postauto. Anders gesagt: Die Post ist für sie relevant im Alltag. Einfach anders als für unsere Generation. Unsere Kundinnen und Kunden wählen, ob sie die Post physisch oder digital nutzen.
Die Veränderungen sind markant, und die digitale Transformation wird die Entwicklung nicht bremsen. Seit 2010 hat das Volumen von Briefen und Zeitungen um 40 Prozent abgenommen. Die Einzahlungen am Postschalter gingen in dieser Zeit um drei Viertel zurück. Wir schätzen, dass wir bis ins Jahr 2040 zwei Drittel des heutigen Brief- und Zeitungsvolumen verlieren werden. Bei den Einzahlungen am Schalter wird es ein winziger Bruchteil der heutigen Einzahlungen sein.
Greyerz
Christian Levrat ist 1970 geboren und in der Nähe des Schlosses Greyerz bei Bulle aufgewachsen. Er studierte Recht in Freiburg und Politologie in Leicester (Grossbritannien). Sein beruflicher Start: Jurist für Asylfragen bei der Caritas. Schach gehört zu seinen Hobbys. Und als Schach versteht er auch die Politik.
Gewerkschafter
Seinen politischen Einfluss baute er zuerst als Zentralsekretär der Gewerkschaft Syndicom und später als Vizepräsident des Gewerkschaftsbundes auf. 2003 wurde er in den Nationalrat gewählt und 2008 zum SP-Parteipräsidenten. 2012 schaffte Levrat es in den Ständerat. Dort blieb er acht Jahre. Der Politik drückte er in diesen Jahren seinen Stempel auf, ohne zu radikalisieren. Aus der Politik verabschiedete er sich 2020.
Wirtschaftsführer
Seit 2021 ist Levrat VR-Präsident des Post-Konzerns. Mit seinem Antritt begann dort eine beispiellose Expansionsstrategie zum Nachteil der Privatwirtschaft, die sich im Markt bedrängt fühlt.
Solche Investitionen sind wichtig, um neue Technologien zu nutzen. Unblu bietet unter anderem digitale Beratungstools an. Aber das Übergeordnete ist zentral. Wenn die klassische Dienstleistung zurückgeht – die Paketmenge steigt zwar, aber die Gewinnmargen sind sehr klein, und wir gehen davon aus, dass niemand wirklich Geld damit verdient –, müssen wir gemäss vier Pfeilern handeln. Erstens muss die Post die Preise nach oben anpassen. Zweitens muss die Post an ihrer Effizienz arbeiten. Wir haben Hunderte von Millionen Franken Kosten aus dem System herausgenommen …
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Ja, eingespart. Wegen rückläufiger Mengen mussten wir Effizienzmassnahmen umsetzen. Der dritte Pfeiler: Wir müssen neue Geschäfte entwickeln. Nicht per se, aber um das Bedürfnis unserer Kundschaft zu befriedigen, das sich fortentwickelt.
E-Voting ist ein gutes Beispiel. Noch immer stimmen wir brieflich ab. Das müsste nicht sein. Wir sind mit unserem System bereit und wollen E-Voting baldmöglichst flächendeckend anbieten. Dieser Entscheid liegt jedoch nicht bei uns, sondern beim Bund und bei den Kantonen.
Die sind seit 2019 gelöst. Unser E-Voting ist – das zeigen regelmässige Tests – nicht manipulierbar, und es ist in vier Kantonen testweise in Betrieb. Ein weiteres Beispiel ist das Elektronische Patientendossier (EPD). Ihren Kindern geht es wahrscheinlich ähnlich wie meinen: Wenn sie im Ausland sind und einen Notfall haben, fehlt ihnen etwa das Impfbüchlein mit den notwendigen Angaben. Mit dem EPD könnte man die Daten vom Ausland abrufen.
Levrat ärgert sich darüber, dass hohe Erwartungen an die Post gestellt werden und sie gleichzeitig immer mehr in ihrem Handlungsspielraum eingeschränkt werden soll.
François WavreLevrat ärgert sich darüber, dass hohe Erwartungen an die Post gestellt werden und sie gleichzeitig immer mehr in ihrem Handlungsspielraum eingeschränkt werden soll.
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Die heutige Situation liegt vor allem am damaligen Entscheid des Parlaments: Es verzichtete nach grossem Widerstand der Ärzte darauf, das EPD als verbindlich zu definieren. Jetzt muss das bisherige Gesetz geändert werden.
Die vierte Säule ist die Anpassung des gesetzlichen Rahmens. Zusammengefasst lautet unsere Strategie: höhere Preise, mehr Effizienz, neue Geschäftsfelder und die Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen. Letzteres sind Themen wie der A-Brief, der Zustellschluss, Leistungsziele, die umgesetzt werden. Heute sind wir im Geschäftszweck stark eingeschränkt. Uns sind Tätigkeiten in nur vier Branchen erlaubt: in der Logistik, in der Kommunikation, im Zahlungsverkehr – physisch und digital – und im Personentransport. That’s it. Wenn wir im Ausland investieren, muss ein enger Zusammenhang zum Kerngeschäft bestehen. Der Verwaltungsrat prüft sehr genau, ob bei einer Akquisition der Zweckartikel eingehalten ist.
In der letzten Strategieperiode von 2021 bis 2024 haben wir relativ viele Akquisitionen gemacht. Letztes Jahr war es eine, und das Jahr davor waren es zwei. Dieses Jahr haben wir kein Unternehmen gekauft.
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Nein, wir befinden uns in einer Konsolidierungsphase. Natürlich haben wir die Kritik gehört und sehr früh darauf reagiert: mit einer viel genaueren Überprüfung der Kriterien der geplanten Firmenzukäufe.
Aus Rücksicht auf andere mögliche Interessenten möchte ich nicht darauf eingehen.
Wir haben zum Beispiel Logistikfirmen gekauft, in der Schweiz und im grenznahen Ausland. Solche werden zusammengeführt, um Synergien zu erzeugen und ihre Effizienz zu erhöhen. Es ist ein natürlicher unternehmerischer Vorgang: akquirieren, konsolidieren und schliesslich weiterentwickeln.
Die vorgeschlagenen Anpassungen hätten eine starke Schrumpfung der Post und quasi ein Verbot ihrer unternehmerischen Entwicklung in allen Bereichen zur Folge. Die Grundversorgung wäre nicht mehr eigenwirtschaftlich zu finanzieren.
Sie betreibt Logistik. Wir holen Gebrauchtmaterial bei Spitälern ab, lassen es sterilisieren und liefern es zurück. Das ist spezialisierte Logistik. Wir transportieren Waren, wie wir das schon immer gemacht haben. Die Kundschaft lagert gewisse Arbeiten aus, weil es günstiger ist. Das sind keine erfundenen Bedürfnisse.
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Gesund einer interessanten Arbeit nachzugehen – bis im hohen Alter.
Dass wir als Land aus Angst vor der Zukunft in einer Stockstarre verharren.
Dass es ein Kraftakt ist, sehr früh am Morgen aufzustehen.
Den Schachspieler und früheren Weltmeister Garri Kasparow.
Ein neues Rennvelo.
Vorsichtig sein. In einem vernünftigen Mass ist es ganz in Ordnung. Aber meistens ist es eine Ausrede fürs Nichtstun.
Eigentlich nie.
Service public.
Ich würde gerne singen können.
Ihre Vielfältigkeit, insbesondere ihre Mehrsprachigkeit.
Das ist keine Erfindung der Post. Das ist politisch so gewollt. Als man den Postbetrieb 1998 aus der Verwaltung ausgelagert und die Post in der heutigen Form geschaffen hatte, wollte die Politik sie bewusst in den Wettbewerb zu Privaten stellen. Heute erwirtschaften wir rund 85 Prozent des Umsatzes im freien Wettbewerb. Das Monopol macht umsatzmässig nur noch rund 15 Prozent aus. Die Erträge aus dem Markt decken also das Defizit der postalischen Grundversorgung. Derzeit sind es 370 Millionen Franken. Unsere Eigenwirtschaftlichkeit ist kein Selbstläufer. Zudem erhält der Bund jährlich eine Dividende.
Ich bestreite die ungleichen Spiesse zugunsten der Post weitgehend. Im Vergleich zu einem Privatunternehmen haben wir einen gesetzlichen Auftrag und regulatorische Vorgaben. Es gibt sehr viele lukrative Tätigkeiten, denen wir nicht nachgehen, weil wir das gesetzlich nicht tun dürfen.
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Wir kaufen keine Firmen, die reinen Warenhandel betreiben. Wir kümmern uns um die Lagerung und den Transport.
Sie müssen Gleiches mit Gleichem vergleichen. Unsere Bonität ist sicher besser als die von KMU. Aber im Vergleich zu Konzernen mit gleicher Bonität sind wir nicht besser unterwegs. Es gibt keine explizite Staatsgarantie des Bundes für die Post. Ganz anders die rund zwanzig Kantonalbanken, die von der Staatsgarantie der Kantone profitieren – geschweige denn die Grossbanken mit der implizierten Staatsgarantie des Bundes.
Der ehemalige Politiker und heutige Post-Präsident ist überzeugt, dass der Staatsbetrieb auch für jüngere Generationen noch relevant ist – einfach auf eine andere Weise als früher.
François WavreDer ehemalige Politiker und heutige Post-Präsident ist überzeugt, dass der Staatsbetrieb auch für jüngere Generationen noch relevant ist – einfach auf eine andere Weise als früher.
François WavreImplizit? Das wissen wir nicht, denn wir sind noch nie gerettet worden, im Gegensatz zu Grossbanken. Unsere Bonität ist tiefer als die des Bundes. Doch die Debatte ist müssig, derzeit haben wir Nettokapital und keine Schulden.
Sollte die Wirtschaftskommission sich durchsetzen, hätte es grosse Konsequenzen für die Post. Dann muss uns jemand erklären, wer die jährlichen Kosten der Grundversorgung trägt. Heute sind es wie erwähnt 370 Millionen Franken, bald einmal 500 Millionen Franken. Das sind keine Peanuts!
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Was die Post machen soll, ist eine Debatte, die geführt werden muss. Sie ist dann fair, wenn man auch über die Folgen spricht und eine Gesamtperspektive einnimmt. Unsere Grundversorgung ist hervorragend. Dies zeigen internationale Vergleiche des Weltpostvereins. Wir sind zum neunten Mal in Folge die beste Post der Welt. Und jetzt will man uns ein engeres Korsett anlegen.
Im Vergleich mit anderen Postgesellschaften haben wir die strengsten Vorgaben beim Grundversorgungsauftrag, und gleichzeitig wollen uns gewisse Politiker den Handlungsspielraum im Markt stark eingrenzen. Sie verlangen von uns eine hohe Eigenwirtschaftlichkeit und zugleich eine hohe Dividende zugunsten der Staatskasse. Diese Rechnung geht nicht auf. Ich halte der Politik nur den Spiegel vor. Sie muss sich fragen, ob der jetzige Weg nicht der klügere ist: ein System, das ohne Steuergelder funktioniert.
Das stelle ich ebenfalls zur Diskussion.
Vor kurzem schlossen wir 21 Filialen in Regionen mit wenig Kundschaft. Darauf wurden wir im Parlament stark kritisiert. Paradoxerweise kommen solche Forderungen von den gleichen Leuten. Ich plädiere für Ehrlichkeit. Das heisst, zu sagen, dass wir entweder die Grundversorgung verkleinern – oder aber, dass die Post in den Bereichen arbeiten darf, die ihr vor dreissig Jahren zugewiesen wurden.
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Nein. Ich habe die Vermutung, dass es um ein Start-up geht, in das wir Venture Capital gesteckt haben.
Für die nachhaltige Profitabilität der Postfinance ist es entscheidend, die Ertragsstruktur zu diversifizieren, indem zinsunabhängige Ertragsquellen erschlossen werden. Die Beteiligung an Tilbago unterstützt sie seit vielen Jahren dabei.
Das regelt die Geschäfts- und Zuständigkeitsordnung: ab 10 Millionen Franken der Verwaltungsrat, und darüber, ab einer gewissen Limite, konsultieren wir auch die Eignervertreterdepartemente beziehungsweise den Bundesrat.
Nein. Der Verwaltungsrat ist verantwortlich dafür, dass der Zweckartikel eingehalten wird.
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Diese sogenannt unabhängige Prüfbehörde kommt nicht von uns, auch nicht von Bundesrat Rösti, sondern vom Parlament.
Man kann sich zu Recht fragen, welcher Mehrwert sich ergeben würde. Bereits wir überprüfen jedes Mal sehr genau, ob eine Akquisition rechtskonform ist.
Eines der Hobbys des Post-Präsidenten ist Schach.
François WavreEines der Hobbys des Post-Präsidenten ist Schach.
François WavreDer Bundesrat führt die Post über die strategischen Ziele. Diese kann der Eigner anpassen. Operative Entscheide obliegen nicht dem Bundesrat. Es ist unbestritten, dass wir nach den strategischen Zielen des Bundes handeln.
Nein, das sind zwei Dinge, die komplementär sind. Jetzt, da die E-ID – wenn auch sehr knapp – angenommen ist, würden wir sie gerne für die Identifikation unserer Services nutzen.
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Nun, über drei Millionen Kunden nutzen via Swiss-ID-Log-in Onlinedienste der Post …
Zwei Dinge dazu. Erstens: Bei der Postfinance sind 100 Milliarden Franken Kundengelder angelegt. Davon muss sie einen Drittel im Ausland anlegen, weil ihr die inländische Kreditvergabe verboten ist. Man kann sich fragen, wie volkswirtschaftlich sinnvoll das ist. Wir haben 2,4 Millionen Kundinnen und Kunden. Und trotzdem dürfen wir keine Kredite anbieten. Gleichzeitig verteidigen andere Banken ihr Interesse. Die Debatte ist politisch. Zweitens ist aus der Perspektive der Grundversorgung zu sagen: Die Postfinance stellt den Zahlungsverkehr sicher und finanziert die Grundversorgung mit. Weil wir ein relativ grosses Filialnetz haben, stellen wir diese Räume auch der Konkurrenz zur Verfügung.
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Mit welchen weiteren Partnern wir in unserem Filialnetz zusammenarbeiten, ist eine laufende Diskussion. Meine Einschätzung ist, dass wir uns in Zukunft noch stärker als Post positionieren sollten und weniger als Vertriebskanal für andere.
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