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Hubert Keller von Lombard Odier

«Die Wirtschaft wird sich komplett dekarbonisieren – es gibt keine Alternative»

Der Senior Managing Partner von Lombard Odier ist trotz Trump von nachhaltigen Anlagen überzeugt. Und sagt, warum die Bank jüngst schwächelte.

Holger Alich

<p>Hubert Keller ist der Senior Managing Partner der Privatbank Lombard Odier.</p>

Hubert Keller ist der Senior Managing Partner der Privatbank Lombard Odier.

[c] david wagnieres

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Der Blick auf den Genfersee ist spektakulär. Und er ist für Kunden reserviert. Denn die Beratungsräume des neuen Hauptsitzes der Genfer Privatbank Lombard Odier sind auf den See ausgerichtet. Das lichtdurchflutete Gebäude von den Architekten Herzog & de Meuron hat nichts mehr mit den alten, teilweise bunkerhaften Gebäuden von Banken gemein. Gleichzeitig bleibt die Diskretion gewahrt, denn vom See aus ist kaum auszumachen, wer sich da beraten lässt. Hubert Keller, Senior Managing Partner bei Lombard Odier, empfängt die Handelszeitung in einem der Beratungsräume zum Gespräch, das am Rande der Einweihungsfeier stattfindet.

Die Mitarbeitenden von Lombard Odier beziehen in den kommenden Tagen das neue Hauptquartier am Genfersee. War das Gebäude der Stararchitekten Herzog & de Meuron eigentlich teuer?

Den Preis geben wir nicht bekannt. Wir sind sehr stolz auf unser neues Gebäude. Zum ersten Mal können alle Mitarbeitenden in Genf unter einem Dach arbeiten. Bislang waren sie auf mehr als ein halbes Dutzend Gebäude verteilt. Diese Immobilien haben wir nun verkauft, einige davon an bester Lage. Der Grossteil des Erlöses floss in die Finanzierung unseres neuen Hauptsitzes am See.

Wie viel Prozent der Baukosten konnten Sie damit decken? 30, 50 Prozent?

Mehr als das.

Partner-Inhalte

<p>Neuer Hauptsitz von Lombard Odier. Der Entwurf stammt vom Schweizer Architekturbüro Herzog &amp; de Meuron. </p>

Neuer Hauptsitz von Lombard Odier. Der Entwurf stammt vom Schweizer Architekturbüro Herzog & de Meuron. 

PR/lombardodier.com
<p>Neuer Hauptsitz von Lombard Odier. Der Entwurf stammt vom Schweizer Architekturbüro Herzog &amp; de Meuron. </p>

Neuer Hauptsitz von Lombard Odier. Der Entwurf stammt vom Schweizer Architekturbüro Herzog & de Meuron. 

PR/lombardodier.com

Streng genommen ist Lombard Odier keine Genfer Bank mehr, da ihr Hauptsitz ausserhalb der Stadt liegt. Haben Sie den Handelsregistereintrag schon aktualisiert?

Der neue Standort befindet sich in Bellevue, das im Herzen des Kantons Genf liegt; wir sind also weiterhin eine Genfer Privatbank. Das Stadtzentrum von Genf liegt ebenfalls in der Nähe und ist mit dem Zug, dem Bus, dem Auto und dem Velo leicht erreichbar. Die örtliche Fährgesellschaft hat sogar eine neue Schiffsverbindung eingerichtet, sodass unsere Mitarbeitenden, die auf der anderen Seite des Sees wohnen, auch ohne Auto bequem pendeln können.

Haben Sie nicht die Sorge, dass das neue Gebäude halb leer sein wird, weil die Leute lieber von zu Hause aus arbeiten?

Nein, das ist kein Problem für uns. Die Regeln sind klar. Je nach Abteilung können die Mitarbeitenden ein bis zwei Tage pro Woche von zu Hause aus arbeiten. In der Schweiz ziehen es die meisten unserer Mitarbeitenden vor, im Büro zu arbeiten. In London und New York sieht das anders aus.

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Sprechen wir über das Geschäft. Wenn man sich die Zahlen von Lombard Odier ansieht, dann fällt auf, dass ihre Erträge derzeit ungefähr da sind, wo sie vor vier Jahren waren. Der Gewinn ist sogar gesunken. Warum tritt die Bank auf der Stelle?

In den Jahren 2020 und 2021 hatten wir starke operative Ergebnisse. Das Jahr 2024 war in der Tat eine grössere Herausforderung. Bei der Betrachtung unserer Ergebnisse muss man unterscheiden zwischen dem, was branchenspezifisch war, und dem, was durch unser Geschäftsmodell bedingt ist. Einfach ausgedrückt: In den letzten fünf Jahren musste die Vermögensverwaltungsbranche aufgrund schwierigerer Märkte und wegen des Drucks auf die Margen sinkende Verwaltungsgebühren hinnehmen. Erfreulicherweise führte der Anstieg der Zinssätze jedoch zu deutlich höheren Nettozinserträgen, was den Druck auf die Verwaltungsgebühren ausglich. Auch Lombard Odier folgte diesen Branchentrends – mit einer Einschränkung.

Welcher?

Wir verfügen über eine der kleinsten Bilanzen in der Branche, da unser Geschäftsmodell darauf ausgerichtet ist, unseren Kunden Anlagekompetenz zu vermitteln, anstatt die Bilanz zu nutzen. Ungefähr 80 Prozent unserer Einnahmen stammen aus Verwaltungsgebühren und aus anderen wiederkehrenden Erträgen, nur 10 bis 20 Prozent stammen aus dem Bilanzgeschäft. Bei unseren Wettbewerbern liegt dieser Wert bei bis zu 50 Prozent. Eine kleinere Bilanz generiert strukturell weniger Nettozinserträge.

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Zur Person

<p>Portrait de Hubert Keller, directeur de la banque Lombard Odier
Bellevue - GE, Le 03.09.2025
© David Wagnières pour Le Temps</p>
[c] david wagnieres
<p>Portrait de Hubert Keller, directeur de la banque Lombard Odier
Bellevue - GE, Le 03.09.2025
© David Wagnières pour Le Temps</p>
[c] david wagnieres

Der Banker
Der 57-jährige Hubert Keller ist seit 2021 Senior Managing Partner bei Lombard Odier. Derzeit hat die Bank sechs Partner. Schon Kellers Vater war Partner bei der Genfer Privatbank. Hubert Keller begann seine Karriere als Investmentbanker bei der S. G. Warburg in London. Von 1995 bis 2005 arbeitete er bei der Deutschen Bank, zuletzt als Leiter des globalen Aktiengeschäfts, ebenfalls in London. 2006 wechselte er nach Genf zu Lombard Odier als Partner und leitete hier zunächst das Assetmanagement.

Die Bank
Lombard Odier ist dank ihrem Gründungsdatum 1796 die älteste Privatbank Genfs. Die Bank hat zwei Bereiche: das Geschäft mit vermögenden Privatkunden und das Assetmanagement für institutionelle Kunden. Zuletzt verwaltete die Bank 211 Milliarden Franken an Kundengeldern.

Fokus auf Nachhaltigkeit
Die Privatbank setzte schon früh auf den Trend von nachhaltigen Anlagen und ist überzeugt, dass Investments in die Gewinner des Transformationsprozesses für Kunden höhere Renditen abwerfen. Zudem steht Lombard Odier hinter der Initiative «Building Bridges», die zum Ziel hat, Politik und Wirtschaft an einen Tisch zu bringen, um den Mittelfluss in eine CO₂-arme Wirtschaft zu beschleunigen. Der Kopf dahinter ist Patrick Odier, Kellers Vorgänger als Senior Managing Partner.

Warum bauen Sie dann das Bilanzgeschäft nicht aus? Andere Banken setzen stark auf das Kreditgeschäft als Wachstumstreiber.

Einfache, durch Portfolios besicherte Kredite gehören natürlich zu unserem Angebot. Die Kunden verlangen jedoch zunehmend nach komplexeren Kreditlösungen. Und da sind wir vorsichtig. Die jüngsten Probleme einiger unserer Mitbewerber bestärken uns in diesem Ansatz. Wir ziehen es vor, uns auf ein kundenorientiertes und anlageorientiertes Geschäftsmodell zu konzentrieren.

Sie sprachen die Branchentrends der letzten Jahre an. Dabei haben Sie aber ein wichtiges Ereignis vergessen: das Verschwinden der Credit Suisse. Wenn ich Ihre Zahlen so ansehe, hat Ihnen das kaum geholfen.

Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal unseres Geschäftsmodells besteht darin, dass wir uns verpflichtet haben, unseren Kundenstamm ausschliesslich organisch zu vergrössern, also ohne Zukäufe. Wir glauben, dass die Fähigkeit, neue Kunden zu gewinnen, der Beweis für die Stärke unseres Geschäfts ist.

Aber Sie stellen ja neue Berater ein, wie das 13-köpfige Team der CS in Zug.

Wir stellen zwar Banker von anderen Banken ein, aber wir übernehmen keine Private-Banking-Geschäfte oder Banken. Unser Ziel ist es, neue Kunden im Umfang von 3 bis 5 Prozent unserer verwalteten Vermögen zu gewinnen. Das haben wir in den letzten zehn Jahren jedes Jahr erreicht. Unser Einstellungsprogramm sieht vor, dass wir jedes Jahr dreissig bis vierzig Kundenberater einstellen. Wir sind dabei aber sehr wählerisch; die neuen Banker müssen zu unserer Kultur passen.

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Und Sie glauben wirklich, dass die hochgetakteten CS-Banker zu einer Privatbank wie der Ihren passen?

Wir haben schon immer Banker von der CS eingestellt, aber nicht ausschliesslich. Wir rekrutieren auch bei anderen Banken. Nach dem Zusammenbruch der CS hatten wir die Möglichkeit, gewisse Teams zu übernehmen, so auch jenes in Zug. Das Team soll uns helfen, unser Geschäft in der Deutschschweiz auszubauen, insbesondere mit Unternehmern. Ehrlich gesagt verstehe ich nicht, warum das Zuger Team so viel Aufmerksamkeit in den Medien erregt.

Weil es so schlecht zu Lombard Odier zu passen scheint?

Ich sehe das anders. Unsere neu eingestellten Mitarbeitenden zeigen in der Regel innerhalb von 12 bis 18 Monaten Ergebnisse. Und wenn Sie mich fragen, ob das Zuger Team bisher unsere Erwartungen erfüllt hat, lautet die Antwort: Ja, absolut.

<p>Hubert Keller glaubt, dass bei Lombard Odier die Kosten nicht mehr stark steigen sollten.</p>

Hubert Keller glaubt, dass bei Lombard Odier die Kosten nicht mehr stark steigen sollten.

[c] david wagnieres
<p>Hubert Keller glaubt, dass bei Lombard Odier die Kosten nicht mehr stark steigen sollten.</p>

Hubert Keller glaubt, dass bei Lombard Odier die Kosten nicht mehr stark steigen sollten.

[c] david wagnieres

Wie gross ist das Geschäft mit Schweizer Kunden?

Der Schweizer Heimmarkt ist für uns wichtig und macht 20 bis 30 Prozent unserer Kunden aus. Man darf aber auch nicht vergessen, dass die Schweiz nach wie vor eine sehr wichtige Plattform für internationale Kunden ist, die ihr Vermögen in der Schweiz verbuchen lassen wollen.

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Zurück zu den Kennzahlen. Hier fällt auf, dass die Kosten seit Jahren nur eine Richtung kennen: nach oben. Braucht die Bank ein Sparprogramm?

Nein, denn wir denken, dass sich die Kostenentwicklung auf natürliche Weise verbessern wird.

Wie das?

Wir haben drei Arten von Kosten. Erstens die Kosten für das Wachstum unseres Geschäfts, etwa für die Einstellung neuer Kundenberater. Wir investieren kontinuierlich und vermeiden Stop-and-Go-Strategien. Diese wiederkehrenden Kosten werden bleiben. Zweitens hatten wir bei einigen operativen Kosten etwas Nachholbedarf. Doch diese Ausgaben sind jetzt richtig kalibriert; wir erwarten, dass sie nun langsamer als das Geschäft wachsen. Drittens mussten wir einige wichtige Investitionen tätigen, wie etwa die Modernisierung unserer IT-Infrastruktur, zudem fielen Zusatzkosten im Zusammenhang mit dem Umzug in unseren neuen Hauptsitz an. Diese Kosten sind Einmaleffekte, sie sollten in den nächsten zwei Jahren verschwinden.

Zugabe

Welche lebende Person bewundern Sie?

Unseren ehemaligen geschäftsführenden Partner Yves Oltramare, der hundert Jahre Geschichte miterlebt und mitgestaltet hat.

Was ist Ihre grösste Extravaganz?

Pferde.

Welche menschliche Eigenschaft schätzen Sie am meisten?

Demut und Respekt.

Was würden Sie als Ihre wichtigste Erkenntnis bezeichnen?

Führungskräfte haben beziehungsweise nehmen sich zu wenig Zeit, um in Ruhe nachdenken zu können. Man muss etwas Abstand nehmen können, innehalten, nachdenken und umdenken.

Was bedeutet Glück für Sie?

Ich ziehe Freude dem Glück vor, das für mich nur durch Loslassen und das Leben im Hier und Jetzt erreicht werden kann.

Was betrachten Sie als Ihre wichtigste Eigenschaft? 

Meine Frau davon überzeugt zu haben, mich 35 Jahre lang auszuhalten.

Was ist Ihr Lieblingsessen? 

Käsefondue, 100 Prozent Vacherin.

Ist die Schliessung Ihres Büros in Abu Dhabi Teil der Bemühungen um Kostensenkungen?

Nein, die Schliessung hat einen ganz anderen Grund. Wir hatten zwei Büros in den Vereinigten Arabischen Emiraten: in Abu Dhabi und in Dubai. In Dubai haben wir nun eine erweiterte Lizenz erhalten, die es uns ermöglicht, unsere Kundenberater dort zu konsolidieren und mehr Dienstleistungen anzubieten.

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Neben dem Private Banking bietet Lombard Odier auch Assetmanagement für Profikunden an. Ergibt das noch Sinn? Das Assetmanagement steht unter enormem Druck – selbst Riesen wie die Axa werfen das Handtuch.

Das Assetmanagement bleibt ein Geschäft mit wiederkehrenden Verwaltungsgebühren und bietet eine andere Einnahmequelle als das Private Banking. Aber ja, das Assetmanagement hat in den letzten Jahren eine schwierige Phase durchlaufen.

Dennoch halten Sie daran fest. Warum?

Unser Geschäftsmodell konzentriert sich auf wiederkehrende Verwaltungsgebühren. Wir glauben, dass das Assetmanagement eine andere Kundenbasis für unser Anlage-Know-how bietet. Das bedeutet aber nicht, dass wir versuchen, die Portfolios unserer Privatkunden mit unseren Assetmanagementprodukten zu bestücken.

Wie viel Prozent der Kundenportfolios bestehen aus hauseigenen Fondsprodukten?

Wir geben diese Information nicht bekannt, aber die Zahl ist sehr niedrig. Wir waren schon immer der Meinung, dass es riskant ist, die Portfolios von Privatkunden mit Strategien zu überladen, die von unserem eigenen Assetmanagement verwaltet werden. Denn wenn ein Privatkunde uns verlässt, leiden beide Geschäfte.

Befindet sich das Assetmanagement in einer Krise?

Die letzten Jahre waren für alle hart. Der Trend zum passiven Investieren macht den aktiven Fondsmanagern das Leben schwer. Bei den Aktien hat der Aufstieg der sogenannten Magnificent Seven das aktive Management praktisch zerstört. Aber ich glaube, dass das Pendel zu weit in Richtung passives Investieren ausgeschlagen hat und dass sich der Trend abschwächen wird.

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Und wenn nicht?

Wir bleiben dem Assetmanagement treu. Das Geschäft wächst, aber die Margen schrumpfen. Wir müssen also die Margen verbessern, indem wir Produkte mit Mehrwert und höherer Rendite anbieten.

Sie meinen Hedgefonds und Private Equity?

Genau. Hedgefonds, Direktinvestitionen in nicht börsennotierte Vermögenswerte und nachhaltige Anlagen.

<p>Dank des 7 Meter hohen Atriums aus Glas gibt es im neuen Hauptsitz Tageslicht auf jeder Etage.</p>

Dank des 7 Meter hohen Atriums aus Glas gibt es im neuen Hauptsitz Tageslicht auf jeder Etage.

[c] david wagnieres
<p>Dank des 7 Meter hohen Atriums aus Glas gibt es im neuen Hauptsitz Tageslicht auf jeder Etage.</p>

Dank des 7 Meter hohen Atriums aus Glas gibt es im neuen Hauptsitz Tageslicht auf jeder Etage.

[c] david wagnieres

Lombard Odier ist wohl die Privatbank, die am konsequentesten auf Nachhaltigkeit setzt. Ist das Thema in der Ära eines Donald Trump aber nicht obsolet geworden?

Nein. Der ökologische Wandel verändert die grossen Wirtschaftssysteme und schafft echte Anlagechancen. Unser Ziel war immer, überdurchschnittliche Renditen für unsere Kunden zu erzielen, und wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass Nachhaltigkeit eine wichtige Quelle für die Performance sein wird.

Wer in den letzten Jahren nicht in Öl- und Gasfirmen investiert war, hat viel Rendite liegen gelassen ...

Es gab Anlagen, die sich noch besser entwickelt haben. Wissen Sie, welche Aktien sogar die Magnificent Seven übertroffen haben?

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Sagen Sie es mir …

Europäische Banken. Nachhaltigkeit geht weit über die Öl- und Gasbranche hinaus und wird ein wichtiger Faktor – wenn nicht sogar der wichtigste – für das Erzielen langfristiger Renditen sein. Unsere Wirtschaft wird sich vollständig dekarbonisieren und ihren negativen Fussabdruck auf die Natur drastisch reduzieren – es gibt einfach keine Alternative.

Die USA gehen doch exakt in die andere Richtung, und Trump ruft: «Drill, baby, drill!»

Politischen Lärm um Nachhaltigkeitsthemen hat es schon immer gegeben. Heute ist der Lärm grösser, und dieser Lärm weist in die falsche Richtung. Aber glücklicherweise bewegt sich die Realwirtschaft mit einer Geschwindigkeit und in einem Ausmass, die oft unterschätzt werden. Der Übergang zu einem nachhaltigeren Geschäftsmodell ist wirtschaftlich oft einfach sinnvoll. Ob es uns nun gefällt oder nicht, das Geschäftsmodell eines Öl- und Gasunternehmens wird in einer vollständig dekarbonisierten Wirtschaft ernsthaft infrage gestellt werden. Warum also in diese Unternehmen investieren? In einer freien Marktwirtschaft wird der Übergang mehr als die Politik von zwei Schlüsselfaktoren bestimmt.

Die da wären?

Pain-Points und Wirtschaftlichkeit. Die Pain-Points sind die negativen wirtschaftlichen Folgen der ständigen Überschreitung planetarischer Grenzen – wie des Klimawandels. Diese Pain-Points werden immer akuter und sind auf der ganzen Welt spürbar. Die zweite Triebkraft ist die kalte wirtschaftliche Logik. Nachhaltige Geschäftsmodelle sind in zunehmendem Masse wirtschaftlicher. So hat beispielsweise China dank seiner Führungsrolle bei erneuerbaren Energien und Batterien in Rekordzeit eine äusserst wettbewerbsfähige Elektrofahrzeugindustrie aufgebaut, die eine ernsthafte Bedrohung für die europäischen Hersteller darstellt.

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Die ist aber nur dank massiven Subventionen entstanden ...

Aber auch die ölabhängigen Sektoren werden weltweit stark subventioniert.

«Für den Ausbau der Stromproduktion ist Kernkraft heute nicht wettbewerbsfähig.»

Um eine kohlenstoffarme Energieversorgung sicherzustellen, erlebt die Kernkraft ein Comeback. Eine Investmentchance?

Wir haben kein Problem mit der Kernkraft, aber für den Ausbau der Stromproduktion ist sie heute nicht wettbewerbsfähig. Die billigste Art des Ausbaus der Stromkapazitäten ist die Solar- oder Windenergie in Kombination mit Batterien. Aus diesem Grund entfallen fast 95 Prozent aller weltweit neu installierten Stromkapazitäten auf Solar- und Windenergie. Sie sind einfach die kostengünstigste Lösung.

Sie lehnen also den Bau neuer Kernkraftwerke in der Schweiz ab?

Rein wirtschaftlich gesehen machen neue Kernkraftwerke wenig Sinn.

Von der Kernkraft zur Tradition. Keiner der heutigen Bankpartner stammt aus den Gründerfamilien Lombard oder Odier. Ist das ein Problem?

Die Entscheidung, wer Managing Partner wird, ist wahrscheinlich unsere strategischste Entscheidung. Wir versuchen, sicherzustellen, dass unsere geschäftsführenden Partner die richtige Mischung aus Fähigkeiten, DNA und Kundenkontakten mitbringen. Wir haben immer versucht, Partner aus den Familien aufzunehmen, die das Unternehmen im Laufe seiner Geschichte aufgebaut haben. Letztes Jahr wurde Xavier Bonna geschäftsführender Partner. Er repräsentiert die fünfte Generation der Familie Bonna in der Bank. Heute haben wir aber tatsächlich keinen Vertreter der ursprünglichen Gründerfamilien, das könnte sich jedoch in Zukunft ändern.

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Auch Ihr Haus hat noch alte Rechtsfälle. So klagt die Bundesanwaltschaft die Bank an wegen Mängeln bei der Geldwäschekontrolle. Es geht um die Annahme möglicher Schmiergelder der Tochter des Ex-Präsidenten von Usbekistan. Angst vor einer Verurteilung?

Der Fall ist noch nicht abgeschlossen, daher kann ich dazu nichts sagen. Natürlich sind wir mit Blick auf den Ruf der Bank nicht glücklich über die Vorwürfe. Aber ich möchte betonen, dass es die Bank selbst war, welche die verdächtigen Transaktionen gemeldet hat. Wir glauben, dass die Anschuldigungen unbegründet sind.

Es gab aber auch ein Finma-Enforcementverfahren.

Ja, das wurde im Jahr 2014 abgeschlossen. Die Finma war mit unseren verbesserten Kontrollen zufrieden, was durch ein Audit bestätigt wurde.

Gibt es schon einen Termin für den Prozess?

Nein, das kann noch einige Zeit dauern.

Eine letzte, politische Frage: Wirtschaftsvertreter sind sich uneins, ob die Schweiz das neue Vertragspaket mit der EU annehmen soll. Wo stehen Sie in dieser Frage?

Ganz klar, wir sollten es akzeptieren. Die Schweiz ist eine Exportwirtschaft, und wir sollten dafür sorgen, dass wir möglichst wenig Reibungsverluste mit einem unserer grössten Handelspartner haben.

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Über die Autoren
Holger Alich

Holger Alich

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