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Die gelockerte Stablecoin-Regulierung der USA sorgt für Euphorie und Kritik. Die Schweizer Blockchain-Branche will den Zug nicht verpassen.
US-Präsident Donald Trump im Juli bei der Unterzeichung des Genius Act.
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Die Finanzwelt ist wieder im Kryptofieber. Nach ihrem Absturz in den Zollturbulenzen im April bewegen sich die Kurse von Bitcoin und Ether nun nahe an den Rekordmarken. Die Trump-Regierung hat ein Gesetz verabschiedet, das die Verbreitung von Stablecoins fördern und den USA und dem Dollar eine dominante Stellung im digitalen Währungszeitalter sichern soll. In der Schweiz fordert die Blockchain-Branche den Bundesrat in einem Brief dazu auf, die Regulierung von Stablecoins zu lockern. Was kommt da auf die Banken und das Finanzsystem zu? Und was hat die Stablecoin-Regulierung in den USA mit der Kryptorally zu tun?
Kryptowährungen sind virtuelle oder digitale Währungen, die die Transaktionen dezentral auf einer Blockchain mittels Verschlüsselungstechnik (Kryptografie) sichern. Stablecoins sind eine Untergruppe davon, die durch Vermögenswerte gedeckt sind und daher im stabilen Verhältnis in eine herkömmliche Währung oder Edelmetalle getauscht werden können. Die wichtigsten Stablecoins gemessen an der Marktkapitalisierung sind Tether (USDT, 164 Mrd. Dollar) und der USD Coin (USDC, 65 Mrd. Dollar). Sie sind wie die meisten Coins mit Dollars gedeckt. Besonders in den USA, wo die Kreditkartengebühren mangels regulatorischer Deckelung der Interchange-Gebühren höher sind als in Europa, sind Stablecoins verbreitet. Sie werden im Handel mit Kryptowährungen genutzt – wer Bitcoin verkauft, muss dank Tether und Co. nicht zurück ins regulierte Bankensystem – und für Transaktionen, von denen niemand erfahren soll. Für die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich stellen Stablecoins keine tragfähige Form von Geld dar, da die universelle Akzeptanz fehlt.
Die neue Trump-Regierung verfolgt eine kryptofreundliche Politik. Wichtige Stellen wurden mit Leuten aus der Branche besetzt. Trump und seine Familie sind selbst durch verschiedene Investments sowie die Ausgabe eigener Token auch geschäftlich involviert. Seit Mitte Juli ist der Genius Act in Kraft, das erste US-Regelwerk für Stablecoins. Laut Experten schützt das Gesetz vor gröbsten Missbräuchen und stützt die Verwendung von US-Stablecoins und damit auch die Nachfrage nach Dollars. Denn es verlangt, dass Stablecoins zu 100 Prozent mit sicheren, liquiden Dollar-Anlagen hinterlegt sind. Gleichzeitig gilt ein Zinsverbot, was Stablecoins vor allem für die Emittenten lukrativ macht. Das Finanzunternehmen Circle, das hinter USDC steht, hat letztes Jahr 1,7 Milliarden Dollar Zinsen auf den angelegten Reserven verdient. Seit sich die Regulierung abzeichnet, haben etliche Unternehmen Stablecoin-Pläne vorgestellt. Die Bank J. P. Morgan, die schon seit 2019 mit Digital-Token experimentiert, hat die Marke JPMD angemeldet.
Hat gut lachen: Tether-CEO Paolo Ardoino bei der Zeremonie im Weissen Haus zur Unterzeichung des Genius Act.
IMAGO/ZUMA Press WireHat gut lachen: Tether-CEO Paolo Ardoino bei der Zeremonie im Weissen Haus zur Unterzeichung des Genius Act.
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Trump bezeichnete das Gesetz als Wahnsinnsleistung. Es werde Amerika zur unangefochtenen Nummer eins im Bereich digitaler Assets machen. Kritiker bemängeln die vielen Schlupflöcher und befürchten, dass Tech-Konzerne, die nun ihre Coins lancieren, Finanzdaten sammeln können, ohne unter die strenge Bankenregulierung zu fallen. Der Währungsexperte Barry Eichengreen warnt vor Auswirkungen auf den US-Bondmarkt. Wenn Stablecoin-Investoren in Panik geraten und im grossen Stil Coins verkaufen würden, seien die Emittenten gezwungen, ihre sicheren Anlagen auf den Markt zu werfen, womit sie einen Kollaps verursachen und das Finanzsystem in Schwierigkeiten bringen könnten. Der Wirtschaftsnobelpreisträger Simon Johnson befürchtet, dass die mangelhafte Regulierung in einem Boom-Bust-Zyklus epischen Ausmasses mündet. Denn anders als bei den Banken fehlen strenge Kapital- und Liquiditätsanforderungen. Auch gibt es keine Pflicht zur staatlichen Einlagensicherung.
Das Potenzial der Stablecoins ist gross. Sie ermöglichen sichere Zahlungen ohne zentrale Kontrollinstanz und sind daher günstig und schnell, auch über Landesgrenzen hinweg. Die Banken müssen deshalb aufpassen, dass die Einlagen nicht aus dem Bankensystem abwandern. Auch für die grossen Kreditkartenfirmen Visa und Mastercard könnte es unangenehm werden. Ihre Aktienkurse haben zwischenzeitlich an Terrain eingebüsst, doch mittlerweile herrscht die Ansicht vor, dass ihr Vorsprung zu gross sei. Dennoch wird darauf spekuliert, dass die Stablecoins an Bedeutung gewinnen. Ausdruck davon ist der starke Kursanstieg bei der Kryptowährung Ether. Wenn der Markt für Stablecoins wie von US-Finanzminister Scott Bessent prognostiziert bis 2030 auf fast 4 Billionen Dollar wächst, werden auch mehr Ether-Token nachgefragt. Denn hinter Ether steht die Blockchain Ethereum, über die rund die Hälfte der Stablecoin-Transaktionen läuft. Um über Blockchain Transaktionen abwickeln zu können, brauchen die Investoren Ether-Coins.
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Europa spielt im Stablecoin-Markt keine Rolle. Sowohl der EURC von Circle als auch der EUR Coinvertible von Société Générale sind mit einem Marktwert von 218 und 54 Millionen Dollar Winzlinge im Vergleich zu Tether. Die Skepsis gegenüber dezentralen privaten Währungen ist grösser, die Regulierung streng. Stattdessen arbeitet die EZB am digitalen Euro. Die Implementierung der digitalen Zentralbankwährung (CBDC) ist frühestens 2027 zu erwarten. Auch die SNB testet Anwendungen von CBDC, aber nur für Transaktionen unter Finanzinstituten. Die Schweiz beheimatet die Ethereum-Stiftung in Zug, ist via die Kryptostadt Lugano mit Tether verbunden und war mit dem Blockchain-Gesetz Vorreiterin der Regulierung. Trotz zahlreicher Projekte hat sich aber kein Stablecoin etabliert. Eine mögliche Gesetzesrevision, die im Oktober in die Vernehmlassung kommt, könnte dies ändern. Angedacht ist eine separate Lizenz für Stablecoin-Emittenten. Ein von Branchenvertretern und Politikern signierter Brief an den Bundesrat soll dem Anliegen Nachdruck verleihen.
Das neue US-Gesetz zur Regulierung der Stablecoins könnte den privaten, an eine Fiat-Währung gebundenen Kryptowährungen Schub verleihen. Grosse US-Konzerne wollen sich einen Teil des Kuchens sichern. Die Banken wollen mit eigenen Token verhindern, dass der Zahlungsverkehr aus dem regulierten Finanzsystem abwandert. Europa und die Schweiz drohen den Anschluss im Stablecoin-Rennen zu verlieren. Doch Kritiker warnen vor einer zu laxen Regulierung, die der Geldwäscherei Tür und Tor öffnen und sogar eine Finanzkrise auslösen könnte. Stablecoins sind auch nicht die einzige Lösung für einen effizienteren Zahlungsverkehr. Das zeigt der Erfolg von Pix, dem brasilianischen Instant-Payment-System, das von der Zentralbank entwickelt wurde und dessen Transaktionen über das Bankensystem laufen. Die Konkurrenz durch Stablecoins dürfte aber dazu führen, dass die Transaktionskosten im etablierten System sinken. So schnell werden Bank- und Kreditkarte nicht verschwinden.
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