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Der Investmentexperte Gerd Kommer empfiehlt breit diversifizierte ETF-Strategien für Privatanleger und warnt vor Risiken von Einzelwerten.
Gerd Kommer befürwortet passive Investmentstrategien.
Gerd Kommer Invest GmbHWerbung
Anlegen in Eigenregie ist grundsätzlich genauso sinnvoll, wie die Investmentaufgabe an einen Dritten zu delegieren. Geeignet ist Do-it-yourself-Anlegen in erster Linie für Menschen, die folgende Voraussetzungen mitbringen: ein solides Finanzwissen über den Kapitalmarkt und über Finanzprodukte, das nötige Zeitbudget und das nachhaltige Interesse am Thema Investieren.
Zur Person: Gerd Kommer ist Vermögensverwalter, Autor und Befürworter von passiven Investmentstrategien. Er hat eine Reihe von Büchern veröffentlicht, die sich auf wissenschaftlich fundierte Anlagestrategien konzentrieren.
Vorteil 1: Man spart die Gebühren für delegiertes Anlegen, und man vermeidet die gefährlichen Risiken aus Interessenkonflikten, die sich bei delegiertem Investieren leider häufig materialisieren. Je nach Einzelfall kann es weitere Vorteile geben. Beispielsweise macht es vielen DIY-Anlegern einfach Spass, sich selbst um ihre Kapitalanlagen zu kümmern. Tatsache ist aber auch, dass erfolgreiches Investieren in Eigenregie viel schwerer ist, als uns viele Finfluencer und viele Ratgeberbuchautoren und Finanzjournalisten glauben machen möchten.
Wer als DIY-Anleger erfolgreich unterwegs sein will, sollte zumindest einige solide Grundkenntnisse haben. Und zwar in den Bereichen Investmenttheorie (Dinge, die in einem einfachen Lehrbuch stehen würden), Investmentpraxis (wie funktioniert das Selbstanlegen in der Praxis), Investmentpsychologie (die vielen Kognitionsfehler, die wir Menschen begehen) und in der Historie der Finanz- und Kapitalmärkte. Ebenfalls hilfreich ist ein allgemein starker Instinkt, finanzielle Dinge aus einer rigoros rationalen, emotionslosen Perspektive zu betrachten.
Ja, auf Buy-and-Hold-Basis breit diversifiziert mit ETFs anzulegen, also das, was allgemein als «passives Investieren» bezeichnet wird. So sehe nicht nur ich das, sondern das ist der Konsens in der Wissenschaft.
Zunächst einmal sollte der Anleger das eherne Investmentgesetz «There is no free lunch» gut verinnerlichen. Immer dann, wenn ein Investmentvorschlag besonders attraktiv erscheint, gehen damit auch erhöhte (für den Anleger sichtbare oder unsichtbare) Risiken einher. Von dieser Risikoregel gibt es keine Ausnahme. Ein zweites, spezifisches Risiko, das viele Anleger unterschätzen, ist das Risiko von Einzelwerten. Schön ist, dass man dieses Risiko ganz leicht durch Diversifikation eliminieren kann.
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Indem sie zum Beispiel darauf achten, im Aktienteil des Portfolios mindestens 250 verschiedene Einzelwerte zu haben. Diese sollten über mindestens fünf oder sechs Sektoren (Makrobranchen) verteilt sein. Im Anleihenteil sollte man bei Unternehmensanleihen auch mindestens 30 verschiedene Emittenten im Portfolio haben. Das sind die Untergrenzen für eine sinnvolle, wirksame Diversifikation. Besser wäre es, sich hier noch breiter aufzustellen. Mit ETFs geht das sehr einfach.
Marktanalysen als Einzelanleger anzustellen oder auszuwerten, ist aus meiner Sicht vergeudete Lebenszeit. Wer auf der Basis von Marktanalysen aktiv investiert, also Market-Timing betreibt, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit eine korrekt gewählte passive Benchmark (Index) auf lange Sicht unterperformen. Wie das kurzfristige Ergebnis aussieht, ist weitgehend vom Zufall abhängig. Wer solche Risiken und solchen Arbeitsaufwand vermeiden aber auch nicht in Eigenregie investieren will, könnte beispielsweise einen Robo-Advisor als technisches Hilfsmittel nutzen.
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Robos sind digitale, internetbasierte Vermögensverwaltungen, bei denen das Mindestanlagevolumen – anders als bei einer konventionellen Vermögensverwaltung – denkbar niedrig ist, oftmals nur 1 Euro. In Deutschland existieren etwa dreissig Robos. Sie zu nutzen, ist sehr einfach. Investieren über einen Robo ist sozusagen tausendmal einfacher als das Investieren in Eigenregie.
Gute Robos nehmen den Anleger an die Hand. Der Robo eröffnet das Depot, ermittelt die passende Assetallokation, also die Portfoliostruktur, wählt die dazu passenden ETFs aus und verwaltet das Depot fortlaufend, einschliesslich eines regelbasierten Rebalancings. Sollte es an der Börse rumpeln, braucht sich der Anleger ausserdem nicht selbst zu überlegen, was dann zu tun oder nicht zu tun ist, weil das der Robo für ihn macht. Und ferner gibt es ein einfaches Performance-Reporting für den Laptop und das Smartphone, inklusive jährlicher Steuerbescheinigung. Auch monatliches Wertpapiersparen ist simpel, indem man mit nur wenigen Klicks einen Sparplan anlegt, der automatisch vom hinterlegten Referenzkonto eingezogen wird.
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Robos müssen personalisierte Anlagevorschläge anbieten, da das eine aufsichtsrechtliche Vorgabe ist. Wer mit einem Robo arbeitet, muss am Anfang eine Art Onlinefragebogen ausfüllen, mit dem die Risikotragfähigkeit und die Anlageziele des Anlegers festgestellt werden. Auf dieser Basis erfolgt ein personalisierter Anlagevorschlag, der tendenziell besser und billiger ist als das, was die örtliche Volksbank oder Stadtsparkasse zuwege bringen würde – vor allem, wenn es ein Robo ist, der sich produktseitig auf ETFs beschränkt.
Rechtliche Risiken oder Strukturrisiken gibt es bei einem Robo in der Schweiz, in Österreich oder Deutschland an sich nicht – will heissen: Wenn der Robo-Anbieter oder die von ihm verwendete Depotbank pleitegehen, hat das für den Kunden keine vermögensbezogene Relevanz, da sein Wertpapiervermögen von den Vermögenssphären des Robos und der Depotbank getrennt ist. Für reine Kontoguthaben bei der Depotbank gilt diese Grundregel allerdings nicht, aber hier würde vermutlich die nationale Einlagensicherung greifen. Wenn man Robo-Advisor Vergleich googelt, wird man laufend aktualisierte Robo-Vergleiche von mehreren Finanzportalen finden. Diese Vergleiche sollte man jedoch nicht als die letzte Wahrheit betrachten.
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Während über die Renditeperformance von Robos keine Unklarheit besteht und diese Daten allgemein in der Public Domain verfügbar sind, ist das bei menschlichen Beratern leider nicht so. Die Berater beziehungsweise ihre Arbeitgeber – vor allem Banken – werden in 99 Prozent aller Fälle ihre Performancedaten Dritten gegenüber nicht zugänglich machen. Die relativ wenigen wissenschaftlichen Untersuchungen zu den Langfristrenditen menschlicher Berater bei Banken und Vermögensverwaltern deuten jedoch fast unisono auf enttäuschende Leistungen hin.
Erfreulicherweise gibt es inzwischen eine Menge Apps die das Finanzleben eines Privathaushaltes sehr effektiv und meist zu geringen Kosten oder sogar kostenlos unterstützen. Das fängt an mit nützlichen Apps zur Führung eines Haushaltsbuches, zur Erstellung von Steuererklärungen bis hin zum Verwalten echter oder virtueller Depots, die bei einer einzelnen Bank oder verschiedenen Banken liegen können. Auch Trading-Apps existieren en masse. Von diesen rate ich aber eher ab. Generell sind Finanz-Apps heute schon erstaunlich benutzerfreundlich und mächtig. Sie werden jedes Jahr besser.
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Wenn Sie mit Automatisierung von Investments eine völlig automatisierte Vermögensverwaltung meinen, existiert diese heute als App noch nicht und kann vielleicht aus aufsichtsrechtlichen Gründen nicht existieren. Es würde sich nämlich die regulatorische Frage stellen, wer die Anlageentscheidungen trifft und verantwortet. Der Ersteller der App oder der Privatanleger, der sie nutzt? Der App-Ersteller will diese Verantwortung ganz gewiss nicht. Damit einher geht unweigerlich die Frage der Haftung für finanzielle Schäden. Das wäre ein rechtliches Minenfeld, aber wer weiss, vielleicht wird künstliche Intelligenz (KI) hier bald die bisherigen Spielregeln verändern.
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