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Stablecoins sind wie Banken – wollen aber nicht wie Banken reguliert werden.
Adriel Jost
«Die Risiken sind immens – mit potenziell katastrophalen Folgen», schreibt Ökonom Adriel Jost.
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Stablecoins haben jüngst den Sprung in die breite Öffentlichkeit geschafft. Handelt es sich um einen weiteren Auswuchs der Kryptomanie, oder sind sie gekommen, um zu bleiben?
Stablecoins heissen «Coins», weil sie auf Blockchains basieren. Zahlungsinformationen werden nicht auf einem klassischen Konto erfasst, sondern in einer kryptobasierten, dezentralen Datenbank. «Stable» nennen sie sich deshalb, weil sie versprechen, dass jede Einheit jederzeit in eine klassische Währung eingetauscht werden kann. So wirbt der derzeit grösste Stablecoin Tether damit, dass 1 Tether jederzeit gegen 1 US-Dollar eingelöst werden kann.
Doch wie lässt sich dieses Versprechen einhalten? Indem Stablecoins durch Anlagen gedeckt sind, die sich bei Bedarf verkaufen und in Dollar umwandeln lassen. Aus welchen Anlagen diese Deckung genau besteht, ist ein entscheidender Punkt der Geschäftsstrategie – und der Regulierung. Tether, der grösste Stablecoin, ist in El Salvador angesiedelt: kaum Regulierung, keine Offenlegungspflicht. Bekannt ist, dass er auch in Bitcoin investiert.
Adriel Jost ist Ex-SNB-Mitarbeiter, Fellow am Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP) in Luzern und Präsident des Thinktanks Liberethica.
Wie Banken haben Stablecoins somit kurzfristige Verpflichtungen – Kunden müssen ihr Geld jederzeit abziehen können – und investieren in längerfristige Anlagen, die möglichst hohe Erträge bringen sollen. Die Hoffnung ist, dass sich diese Anlagen bei Bedarf schnell liquidieren lassen und keinen Wertverlust aufweisen. Im Kern ist ein Stablecoin heute also eine unregulierte Bank – und Tether gleicht in seiner heutigen Form einer Bank auf Steroiden.
Sowohl in der EU als auch in den USA wurden dieses Jahr Regulierungsprojekte vorgestellt. In den USA sieht die sogenannte Genius-Regulierung vor, dass Stablecoins vor allem in Staatsschulden investieren. Das Ziel: Dollar-gedeckte Stablecoins sollen zum Standard werden, damit die Nachfrage nach US-Schulden hoch und deren Verzinsung möglichst niedrig bleibt. In der EU hingegen wollen Regulatoren die Banken schützen und die Nachfrage nach Depositen hochhalten, deshalb sollen Stablecoins insbesondere durch Bankeinlagen gedeckt sein.
Beide Ansätze bergen aber enorme Risiken, weil sie Abhängigkeiten zwischen Stablecoins und Staaten beziehungsweise Banken schaffen. Wird die Zahlungsfähigkeit von Staaten oder Banken in Zweifel gezogen, geraten Stablecoins ebenfalls unter Druck. Werden hingegen Stablecoins angezweifelt, kommt es zu massiven Verkäufen von Staatsanleihen oder zu einem Run auf Bankeinlagen. Man könnte sagen: Zwei Betrunkene stützen sich gegenseitig. Die Risiken sind immens – mit potenziell katastrophalen Folgen für den Fiskus und das Vertrauen in das Geld- und Finanzsystem.
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Warum also überhaupt Stablecoins? Besonders attraktiv sind sie per se nicht, da sie nicht verzinst werden dürfen. Ziel ist es, Zahlungen günstiger und international schneller durchzuführen. In der Tat ist Wettbewerb im Zahlungsverkehr, in dem grosse Player durch Netzwerkeffekte dominieren, wünschenswert. Allerdings entstehen hohe Kosten auch durch Vorschriften zur Bekämpfung von Geldwäsche und Finanzierung illegaler Aktivitäten. Werden Stablecoins strenger reguliert, steigen ihre Kosten ebenfalls.
Auch in der Schweiz steht die Regulierung von Stablecoins auf der politischen Agenda. Dabei muss man sich bewusst sein, dass es um die Quadratur des Kreises geht. Stablecoins wollen die Rolle von Banken übernehmen, ohne deren Risiken und Compliance-Vorgaben tragen zu müssen. Selbst wenn andere Länder dieses Experiment wagen – die Schweiz tut gut daran, sich dem nicht leichtfertig anzuschliessen.
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