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Prof. Dr. Dunja Bruder warnt im Interview mit Bestsellerautorin Nina Ruge davor, welch schwere Folgen Grippeviren für Lunge, Herz und Gehirn haben können.
Nina Ruge
«Wer zu früh nach einer Grippe wieder Sport treibt, riskiert Rückfälle oder Herzschäden» sagt Prof. Dunja Bruder.
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Nina Ruge: Frau Professor Bruder, Sie forschen seit mehr als 25 Jahren an Infektionen der Lunge. Ich möchte, dass unsere Leser verstehen, wie gefährlich Grippeviren wirklich sind. Können Sie beschreiben, was passiert, wenn das Virus in die Lunge eindringt?
Dunja Bruder: Das Virus gelangt mit virushaltigen Tröpfchen in den Nasen-Rachen-Raum. Dort trifft es auf Schleimhaut-Epithelien – unsere erste Schutzschicht. Schleim, Antikörper und Flimmerhärchen fangen viele Viren ab. Gelingt es einigen doch, in die Zellen einzudringen, vermehren sie sich explosionsartig: aus einer Zelle entstehen bis zu tausend neue Viren. Wenn das Immunsystem diese erste Welle nicht stoppt, dringen die Viren tiefer in die Atemwege – dann droht eventuell eine schwere Lungenentzündung.
Nina Ruge: Ich war selbst nach einer Grippe von einer Herzbeutelentzündung betroffen. Wie kann eine reine Lungeninfektion das Herz oder das Gehirn beeinflussen?
Dunja Bruder: Die Lunge sendet nach der Infektion Signale an den gesamten Körper. Entzündungsstoffe gelangen über den Blutstrom ins Gehirn und in andere Organe. Das hat unter anderem die gefürchteten Gliederschmerzen zur Folge. Auch lösen sie Fieber aus, aktivieren Immunzellen im Knochenmark – und verändern Zellen im Zentralnervensystem. So sehen wir in weiteren aktuellen Studien nachhaltige Effekte im Gehirn: eine erhöhte Aktivität der Mikroglia-Zellen kann depressive Verstimmungen ähnlich wie bei Long COVID verursachen. Eine akute Infektion kann also das emotionale Gleichgewicht verändern.
Nina Ruge: Viele denken bei Grippe an eine Woche Bettruhe. Wie lange braucht das Immunsystem wirklich, um sich zu erholen?
Dunja Bruder: Nach einer schweren Grippe arbeitet das Immunsystem auf Höchstleistung. Antikörper, T-Zellen, Entzündungsbotenstoffe – alles läuft auf Volldampf. Ist das Virus eliminiert, muss das System wieder runter reguliert werden. Wir sehen selbst nach vier Wochen noch Veränderungen in Lunge und Knochenmark. Wer zu früh wieder Sport treibt, riskiert Rückfälle oder Herzschäden. Ältere Menschen brauchen deutlich länger zur Erholung.
Nina Ruge: Und dann kommen die Bakterien. Warum ist eine bakterielle Superinfektion nach einer Grippe so gefährlich?
Dunja Bruder: Nach der Virusinfektion ist das Epithel geschädigt, die Zilien sind zerstört. Bakterien finden plötzlich freie Andockstellen und Nährboden aus Zelltrümmern. Das Immunsystem befindet sich in einer Dämpfungsphase, die eigentlich der Heilung dient. Diese Kombination ist fatal: Pneumokokken können sich rasant vermehren, schlimmstenfalls in den Blutstrom übertreten und eine Sepsis auslösen, bei Senioren in 5 bis 10% der Erkrankungen auch Gehirnhautentzündung – durchaus mit tödlichem Verlauf.
Das ist der Grund, warum Impfung so entscheidend ist.
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Nina Ruge: Wie arbeiten diese Bakterien eigentlich?
Dunja Bruder: Pneumokokken leben im Nasenraum vieler Menschen unauffällig. Nach einer Grippe werden sie aktiv. Sie nutzen den Zellschaden in der Lunge, vermehren sich ausserhalb der Zellen und können eine überschießende Immunreaktion auslösen. Das führt zu neuen Gewebeschäden und besonders bei älteren Menschen zu Lungenentzündung. Antibiotika helfen, aber resistente Stämme nehmen zu.
Nina Ruge: Viele sagen: Ich lasse mich nicht impfen, ich bin doch gesund. Was sagen Sie diesen Menschen?
Dunja Bruder: Impfen ist keine Glaubensfrage, sondern ein effektiver Schutzmechanismus. Die Grippeimpfung sorgt dafür, dass Viren früh gestoppt werden. Die Pneumokokken-Impfung verhindert, dass Bakterien eine zweite Welle auslösen. Masernviren können sogar das immunologische Gedächtnis löschen – danach steht das Immunsystem blank. Solche Infektionen hinterlassen biologische Spuren, sie können den Körper altern lassen. Lungenentzündung, Herzmuskelentzündung, Blutvergiftung, Gehirnhautentzündung – das sind reale Risiken. Impfungen sind die wirksamste Prävention, um diese Kettenreaktionen zu verhindern.
Prof. Dr. Dunja Bruder ist Forschungsgruppenleiterin am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig und zugleich Professorin für Infektionsimmunologie am Institut für Medizinische Mikrobiologie an der Uni Magdeburg.
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Nina Ruge ist ehemalige Fernsehmoderatorin, Journalistin und Bestsellerautorin.
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Nina Ruge ist ehemalige Fernsehmoderatorin, Journalistin und Bestsellerautorin.
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