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Menschen, Tiere und Donationen: Wieso der Zoo Zürich mehr als nur Unterhaltung bietet

Warum der Zoo Zürich mehr ist als nur Unterhaltung für Menschen. Ein Einblick in ein einzigartiges Business.

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Pamela Beltrame

& Anne-Barbara Luft

sd

SANFTE RIESEN Im Elefantenpark des Zoos Zürich kann man die Dickhäuter bestaunen – und erfährt, wie sich der Zoo seit zehn Jahren für den Schutz von wild lebenden Elefanten engagiert.

Enzo Franchini

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Der Himmel ist wolkenbedeckt, die Wetter-App sagt Regen voraus. Severin Dressen scheint die Prognose nicht zu stören, vom typischen Gespräch im Sitzungszimmer hält er sowieso nicht viel: «Der Rundgang durch den Zoo sorgt meist für Inspiration und guten Gesprächsstoff.»

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Dressen ist auffällig gross, sein Gesicht fast jugendlich und seine Haare zu einem Dutt gebunden. Sieht so der Direktor eines der renommiertesten Zoos der Welt aus? Seit knapp zwei Jahren sitzt der erst 34-Jährige im Chefsessel. Die ikonische Zoo-Weste kombiniert er mit einem weissen Hemd, beigen Chinos und eleganten Schuhen. Beim Spaziergang durch den Zoo hört man Besucher hier und da flüstern: «Schau mal, der Zoodirektor.»

Keine ganz normale Firma

«Mich muss man nicht kennen, aber Severin Dressen schon», betont Martin Naville, seit 18 Jahren Präsident des Verwaltungsrats des Zoos Zürich und auch wegen seines Amts als Direktor der Swiss-American Chamber of Commerce Teil der Zürcher Prominenz. Er kann nicht genug betonen, wie glücklich er über den neuen Zoodirektor ist. «Eigentlich wollten wir eine 45-jährige Schweizerin», verrät Naville.

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Schon zwei Jahre vor dem Rücktritt von Alex Rübel, Dressens Vorgänger und fast 30 Jahre im Amt, wurde der Suchprozess für den nächsten Zoodirektor eingeleitet. Ein schwieriges Unterfangen: Der Zoo geniesst ein grosses gesellschaftliches Ansehen, der Direktor ist das Gesicht gegen aussen. Entsprechend aufwendig war das Auswahlverfahren. Beauftragt wurde die Personalberatung Egon Zehnder – eigentlich bekannt für die Besetzung freier CEO-Posten bei Banken und Versicherungen.

Unter den mehr als 140 Bewerbungen – laut Naville war jeder dabei, der in der Zoo-Welt Rang und Namen hat – stach Dressen schon früh heraus. So wurde aus der gewünschten 45-jährigen Schweizerin ein 32-jähriger Deutscher. «Das Beste an ihm ist, dass er alles kann. Er kann mit den Mitarbeitenden, den Sponsoren, den Politikern – und er kann Reden schwingen», sagt Naville über den vielseitigen Jungdirektor, der das Zoo-Business zur Zufriedenheit aller führt.

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Dr. Severin Dressen ist der Zürcher Zoodirektor, fotografiert im Züricher Zoo an der Zürichbergstrasse.

ENTSCHLOSSEN Bereits mit 13 Jahren wollte Severin Dressen Zoodirektor werden – er hat seither alles getan, um dieses Ziel zu erreichen.

Sebastian Magnani / 13 Photo
Dr. Severin Dressen ist der Zürcher Zoodirektor, fotografiert im Züricher Zoo an der Zürichbergstrasse.

ENTSCHLOSSEN Bereits mit 13 Jahren wollte Severin Dressen Zoodirektor werden – er hat seither alles getan, um dieses Ziel zu erreichen.

Sebastian Magnani / 13 Photo

«Der Zoo ist eigentlich eine ganz normale betriebswirtschaftliche Firma», tiefstapelt Naville. Die Struktur des Zoos Zürich ist tatsächlich ein wenig komplizierter als die eines gewöhnlichen KMU. Anders als berühmte Zoos wie der Tiergarten Schönbrunn in Wien oder die Wilhelma in Stuttgart ist der Zoo Zürich nicht in staatlicher Hand.

Der ursprünglich als Genossenschaft gegründete Zoo wurde 1999 in eine gemeinnützige und damit steuerbefreite Aktiengesellschaft umgewandelt. Seither sind mehr als 22'000 Privatpersonen Miteigentümer an der beliebtesten Attraktion der Stadt. Weitere Aktionäre sind die Tiergarten-Gesellschaft und die Zoo Stiftung. Stadt und Kanton halten je 9,5 Prozent.

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Gut 80 Prozent seiner Mittel erwirtschaftet der Zoo ohne öffentliche Gelder. 62 Prozent der Einnahmen stammen aus Eintritten, die anderen 18 Prozent sind aus Shops, Events und Restaurants. Alle Restaurants und Shops im Zoo, wie das «Alte Klösterli», das «Zoocafé» oder der Zooshop, werden von der Zoo Restaurants GmbH betrieben, die wiederum eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der Zoo AG ist. Daher fliessen auch die Gewinne der Gastronomie und der Shops direkt in den Zoo.

Dank eines guten Managements ist der Zoo schuldenfrei und schreibt schwarze Zahlen. So war es nicht immer. Als Alex Rübel das Amt des Zoodirektors 1990 übernahm, befand sich der Tiergarten in finanzieller Schieflage. Während seiner Amtszeit hat sich die Zahl der Eintritte auf 1,3 Millionen im Jahr mehr als verdoppelt.

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Wer in Zürich etwas auf sich hält, ist Sponsor, Förderer oder in irgendeinem Ehrenamt des Zoos. So engagieren sich etwa Stadtpräsidentin Corine Mauch, Unternehmerin Carolina Müller-Möhl und Anwalt Christian «Chrigu» Wenger – um nur einige der wohlklingenden Namen zu nennen – im Stiftungsrat der Zoo Stiftung. Bei der Umwandlung der Gesellschaftsform in eine Aktiengesellschaft plagten Geschäftsleitung und Verwaltungsrat Sorgen, dass dies Spender und Sponsoren abschrecken könnte. Um einen Einbruch bei den Zuwendungen zu verhindern und die Glaubwürdigkeit zu untermauern, wurde daher die Zoo Stiftung ins Leben gerufen. Einer der Mitbegründer war der inzwischen verstorbene Privatbankier Hans Vontobel.

«Es hat sich aber schnell herausgestellt, dass die Sorgen unbegründet waren», erinnert sich Naville. Für die Unterstützung bei der Mittelbeschaffung spielt die Stiftung aber eine entscheidende Rolle. Vor allem dank des Netzwerks von sogenannten Ambassadoren, die mit älteren Leuten in Kontakt treten, die an Legate denken. Die Stiftung ist für gut die Hälfte der Legate und Donationen zuständig. Pro Jahr kommen teilweise fünf bis acht Millionen Franken zusammen.

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Glamour und Giraffen 

Eine weitere wichtige Einnahmequelle ist das populäre «Zoofäscht». Alle zwei Jahre trifft sich die Zürcher High Society in der Regel zu einem Benefiz-Event der Superlative. Wegen der Pandemie wurde die Sommernachtsgala 2020 abgesagt. Doch im August des kommenden Jahres – fünf Jahre nach dem letzten Zoofäscht –, werden die persönlich geladenen Gäste mit einem grossen Herz für Tiere und einem noch grösseren Portemonnaie wieder feiern.

Kaum ein sozialer Anlass geniesst so viel Ausstrahlung, und an kaum einem Anlass ist das Spendenvolumen grösser – über eine halbe Million Franken wird bei der Gala auf dem Zoo-Areal eingesammelt. Etwa 1000 Gäste in Smoking und elegantem Abendkleid besuchen dann den Zoo – oft das erste Mal nach vielen Jahren. «Sie sehen dann, dass es nicht derselbe Zoo wie in ihrer Kindheit ist, und sind immer begeistert», hat Naville beobachtet.

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Foto: Zoo Zürich

Das Zoofäscht-Komitee ist ein eigenständiger Verein und nicht weniger prominent besetzt als der Verwaltungs- oder der Stif-tungsrat. Das Präsidium teilen sich der Gastronom Nico Maeder und Bankerin Béatrice Hirzel. Die Tombola organisiert Andrea Bodmer, Chefin des Auktionshauses Bonhams in Zürich und Tochter des Zoofäscht-Mitgründers und Bankiers Hans Bodmer. Für die PR ist Kommunikationsprofi Christoph Richterich verantwortlich.

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Mit mehr als 43'000 Mitgliedern ist die Tiergarten-Gesellschaft weniger exklusiv. Als Förderverein oder «Fanclub», wie Naville sagt, aber ebenfalls von grosser Bedeutung – immerhin hat die Tiergarten-Gesellschaft 1929 den Zoo gegründet. Mit dem Jahresabo erhält man automatisch eine Mitgliedschaft. Ansonsten kann man für 30 Franken im Jahr beitreten. Der Verein organisiert für die Mitglieder Führungen, Veranstaltungen wie den Tag der offenen Tür und Reisen.

Auf dem Weg vom Betriebsgebäude zur Lewa Savanne kreuzen Gärtner, Tierpfleger und auch der eine oder andere Anzugträger den Weg. Dressen hebt jedes Mal zum Gruss die Hand, was stets mit einem herzlichen Lächeln erwidert wird. Es ist offensichtlich, wie viel Sympathie ihm hier entgegengebracht wird – von seinen Angestellten und auch von den zahlreichen ehrenamtlichen Helfern.

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Kaum etwas spiegelt die Begeisterung für den Zoo wie das Team aus 250 Freiwilligen – man erkennt sie im Zoo an den grünen T-Shirts. Sie präsentieren Felle oder Knochen, übernehmen Führungen, helfen bei Kindergeburtstagen oder an der «Langen Nacht der Museen», an der auch der Zoo geöffnet ist. Vor der Pandemie haben die Freiwilligen mehr als 30'000 Stunden pro Jahr im Zoo gearbeitet. «Ohne sie liefe es gar nicht», lobt Naville das ehrenamtliche Engagement, das vor allem bei Pensionierten beliebt ist. Interessierte müssen einen zehnteiligen Abendkurs absolvieren. Dann folgen zwei Schnuppertage und schliesslich eine Prüfung. Die ehrenamtlichen Helfer verpflichten sich für mindestens 50 Stunden im Jahr.

Das Verkehrschaos

Es gibt wenige Ehrenämter, die mehr Freude bereiten und mit mehr Prestige verbunden sind, als das des Verwaltungsratspräsidenten des Zürcher Zoos. Eröffnungsfeiern mit Prominenz aus Politik und Kultur, glamouröse Feste, kein anderes KMU in der Schweiz besitzt eine derart grosse und positive Ausstrahlung. «Dazu verbindet der Posten viele ganz verschiedene Bereiche», strahlt Naville und erzählt von Artenschutz, Naturschutz, Tourismus, Politik, Gastronomie und Detailhandel. Nur bei einem Thema verdunkelt sich die Miene des 63-Jährigen: dem Verkehrschaos.

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«Der Verkehr ist unser grösstes Problem. Seit 18 Jahren tun wir alles, um es zu lösen. Aber alle sind da im Weg», klagt er und kann seine Frustration nicht verbergen. Die Rede ist vom Parkplatzmangel und von den nicht ausreichenden ÖV-Kapazitäten an sonnigen Wochenenden und Feiertagen und dem Verkehrschaos, das dann regelmässig am Zürichberg entsteht.

Visualisierung Zooseilbahn

SCHLUSS MIT DEM VERKEHRSCHAOS 2000 Personen könnten pro Stunde mit der Seilbahn direkt in den Zoo gegondelt werden. Doch noch liegt das Projekt beim Verwaltungsgericht.

Zoo Zürich
Visualisierung Zooseilbahn

SCHLUSS MIT DEM VERKEHRSCHAOS 2000 Personen könnten pro Stunde mit der Seilbahn direkt in den Zoo gegondelt werden. Doch noch liegt das Projekt beim Verwaltungsgericht.

Zoo Zürich

Seit der Pandemie reisen rund die Hälfte der Besucher mit dem Auto an – pro Jahr sind das 1,4 Millionen. Es ist kaum zu glauben, aber der Zoo Zürich ist die einzige Touristenattraktion der Schweiz, die keinen einzigen eigenen Parkplatz besitzt. Die rund 600 von der Stadt bewirtschafteten Plätze sind an schönen Tagen, an denen mehr als 9000 Tierfreunde in den Zoo strömen, schnell belegt. Dann werden Absperrungen aufgestellt und der Verkehr umgeleitet – viel Frust für Besucher und Anwohner.

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Das Tram stoppt zwar im Sieben-Minuten-Takt in Gehdistanz vom Haupteingang. In den Stosszeiten ist das ein Tropfen auf den heissen Stein – bedenkt man, dass in einem Tram nur drei Kinderwagen Platz haben. Die Lösung soll eine Seilbahn sein. Diese soll Besucher vom Bahnhof Stettbach innerhalb von sechs Minuten direkt in den Tierpark befördern – wenn nötig bis zu 2000 Personen pro Stunde. «Ohne Abgase, ohne Lärm, hervorragend skalierbar und dazu noch eine Attraktion», preist Naville das Projekt an, das den Zoo-VR beschäftigt, seit ihm Naville vor 20 Jahren beigetreten ist. Eine Handvoll Gegner hat es seither immer wieder gestoppt. Seit zwei Jahren warten Naville und seine Mitstreiter nun auf den Entscheid des Verwaltungsgerichts.

Ein positiver Entscheid wird aber wohl vor dem Bundesverwaltungsgericht landen. Immerhin ist die Seilbahn ein fixer Punkt im neuen Massnahmenpaket der Stadt für die Lösung des Verkehrschaos – ausserdem ein Parkhaus, das die Situation entspannen soll.

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Arbeit mit Sinn

Mit Dressen an der Spitze hat der Zoo Zürich jemanden, der sein Leben lang nichts anderes wollte, als Zoodirektor zu werden. 1988 in Köln geboren und in Aachen aufgewachsen, bekam er Einblicke in «viele gute Zoos» – und die Tierliebe war schon immer vorhanden. Dementsprechend richtete Dressen seinen ganzen Ausbildungsweg auf dieses Ziel aus.

Nach dem Bachelor in Biologie an der Humboldt Universität in Berlin sowie dem noch mehr auf die Zoo-Tätigkeit ausgerichteten Master in Ecology, Evolution and Conservation am Imperial College London promovierte Dressen an der renommierten University of Oxford. Immer wieder absolvierte er Volontariate als Forschungsassistent und Tierpfleger, auch in Argentinien und Spanien – er spricht neben Deutsch und Englisch auch fliessend Spanisch. «Einmal die Woche habe ich auch Vorlesungen geschwänzt, um im Tierpark Berlin zu arbeiten», gibt Dressen zu. Seiner Meinung nach darf die Praxis auch während der akademischen Laufbahn nicht zu kurz kommen.

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Zuletzt arbeitete er im Zoo Wuppertal, wo er sich vom Kurator zum stellvertretenden Direktor und zoologischen Leiter hocharbeitete. Heute lebt er mit seiner Frau und zwei kleinen Kindern in Zürich-Fluntern. Der den Immigranten manchmal vorhergesagte harzige Start in der Schweiz ist nie eingetroffen. Das Leben hierzulande gefällt ihm sehr: «Meine Frau hat gesagt: ‹Auch wenn du den Job nicht behältst, wir bleiben hier.›»

Menschen beobachten die Gorillas im Zoo Zuerich am Samstag, 6. Juni 2020. Der Zoo Zuerich ist ab heute wieder geoeffnet. (KEYSTONE/Alexandra Wey)

NEUES ZUHAUSE FÜR DIE GORILLAS 2029 ziehen die Gorillas in die Kongo-Landschaft, mit den Okapis als neuen Mitbewohnern.

Keystone
Menschen beobachten die Gorillas im Zoo Zuerich am Samstag, 6. Juni 2020. Der Zoo Zuerich ist ab heute wieder geoeffnet. (KEYSTONE/Alexandra Wey)

NEUES ZUHAUSE FÜR DIE GORILLAS 2029 ziehen die Gorillas in die Kongo-Landschaft, mit den Okapis als neuen Mitbewohnern.

Keystone

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Zoodirektor zu sein, ist für Dressen mehr als nur ein Job: Der Zoo Zürich versteht sich als Naturschutzzentrum, Dressen ergo als Umweltschützer. Doch «Zoo ist nicht gleich Zoo», erinnert er. Nicht hinter jedem Zoo-Business steht ein ideeller oder wissenschaftlicher Zweck. Dressen sieht sich in keiner Weise im gleichen Topf wie diejenigen, die Zoos aus reinem Kommerz oder falsch verstandener Tierliebe betreiben.

Auf kleinstem Raum eingesperrte Löwen, triste Affenhäuser und weitere Horrorstories, die immer wieder aus Zoos in die Öffentlichkeit gelangen – zu Recht werden da Skeptiker geboren. Beim Schlagwort Zoo wird dadurch ein «enormer Reputationsschaden» angerichtet. Deswegen gibt es auch Kontrollinstanzen wie etwa den Europäischen Zooverband (EAZA), bei dem der Zoo Zürich Mitglied ist. Mehr als 400 Zoos und Aquarien in Europa und dem Nahen Osten gehören dem Verband an und werden, was den Zoo-Standard betrifft, regelmässig Screenings unterzogen. Die Anforderungen des Verbands würden ständig weiterentwickelt und den neusten Erkenntnissen angepasst.

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«Tiere halten, um einen Erholungsraum für uns Menschen zu bieten, ist nicht in Ordnung. Natürlich ist die Freizeitgestaltung aber ein wichtiger Grund, wieso Menschen in den Zoo kommen. Aber das darf nicht die Daseinsberechtigung sein», erklärt Dressen, während sein Blick über die Lewa Savanne streift. Ein guter und «wissenschaftlich geführter Zoo» habe vier gleichwertige Aufgaben: Bildung, Artenschutz, Naturschutz und Forschung. Die Kombination dieser Aufgaben sei nur in der Institution Zoo möglich, was ihn so einzigartig mache.

Der höhere Zweck

«Im Idealfall erfüllt jedes Zootier diese vier Aufgaben», sagt Severin Dressen und zeigt auf ein Grevyzebra, das durch die Savannenlandschaft trabt. Wenn das Grevyzebra in Ostafrika ausstirbt, sorgen die Zoos dafür, dass es eine Reservepopulation gibt. Idealerweise wird auch am Grevyzebra geforscht, um dessen Biologie besser zu verstehen. Ausserdem ist es Teil der Bildungsarbeit: Die Menschen erfahren im Zoo, dass das Grevyzebra stark bedroht ist. Der traurige Grund: Da es sich wegen seiner engen Streifung als Bettvorleger eignet, ist es eine beliebte Jagdtrophäe. Eine Sensibilisierung für den Naturschutz findet somit statt. «Wer Tiere kennt, wird Tiere schützen», lautet das Leitmotiv.

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Der Zoo setzt sich auch mit finanziellen Mitteln für den Naturschutz ein. Im vergangenen Jahr investierte er über zwei Millionen Franken dafür. Zwei Prozent der Einnahmen aus Gastronomie und Shops fliessen in den eigenen Naturschutzfonds. Viele Anlagen, wie etwa die Masoala Halle, sind mit einem Schutzprojekt im Ursprungsland verknüpft, «Twinning» genannt.

Barbara Koenig

BARBARA KÖNIG Die emeritierte Professorin für Zoologie, speziell Verhaltensbiologie, ist im Verwaltungsrat des Zoos Zürich.

ZVG
Barbara Koenig

BARBARA KÖNIG Die emeritierte Professorin für Zoologie, speziell Verhaltensbiologie, ist im Verwaltungsrat des Zoos Zürich.

ZVG

Verhaltensbiologin Barbara König über Forschung im Zoo und magische Momente mit Elefanten. Weiterlesen.

Hinsichtlich Artenschutz sei die Öffentlichkeit zu wenig informiert, beklagt Dressen. Als Mitglied des Zoo-Dachverbands ist der Zoo Zürich Teil internationaler Zuchtprogramme für bedrohte Tierarten. Das hat auch seinen Preis: Der Zoo muss – wenn vom Dachverband und dem Zuchtprogramm verlangt – schon mal auf ein Tier verzichten und es an einen anderen Zoo abgeben. «Man verliert dadurch ein Stück weit die Selbstständigkeit, aber für den höheren Zweck lohnt sich das absolut», erklärt der Zoodirektor.

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Keine Arche Noah 

Trotz Artenschutz-Engagement versteht sich der Zoo keineswegs nur als Arche Noah. Das ist auch gar nicht möglich. Insgesamt gibt es schätzungsweise zehn Millionen Tierarten, in zoologischen Gärten leben weltweit etwa 15'000.

Der angekündigte Regen setzt tatsächlich schnell und heftig ein. Afrikanisch anmutende Unterstände bieten Schutz. Mit dem Himmel verdunkelt sich auch Dressens Gesichtsausdruck: «Bonobos, Gorillas und Orang-Utans sind gemäss einigen Primatologen schon populationsbiologisch ausgestorben. Man nennt sie auch ‹Walking Dead Species›.» 

Zoos können für eine Reservepopulation sorgen – die jedoch aktuell in freier Wildbahn häufig keine Chance hätte. Denn das Grundproblem ist die Zerstörung des Lebensraums von Orang-Utans etwa für Palmölplantagen. «Sobald wir einen synthetischen Ersatz für Palmöl haben, ist ein grosses Problem für Orang-Utans gelöst.» Das Ziel des Artenschutzes ist es, also die Zeitspanne zu überdauern, bis Innovation eintritt oder ein Mentalitätswechsel stattfindet.

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So nobel die Aufgabe des Artenschutzes auch sein mag, ist sie Grund genug, um wilde Tiere einzusperren? «Freiheit ist ein menschliches Konstrukt, ein Tier hat kein Konzept der Freiheit», betont Dressen. In der Natur lege ein Tier die enormen Distanzen zurück, weil es das tun müsse – für Nahrung, Fortpflanzung oder zum Schutz vor Feinden. «Das Leben in der Natur wird oft romantisiert», sagt Claudia Rudolf von Rohr, Kuratorin für Primaten am Zoo Zürich.

Da Zootiere ein komfortableres Dasein fristen, könnten sie sich ganz anders entfalten: «Die Tiere haben Zeit und Energie, ihre kognitiven Fähigkeiten auszubauen», erklärt die Kuratorin, welche diese Fragestellung gegenwärtig in Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut erforscht. Keine Gefahren, regelmässige Fütterung – umso wichtiger wird es für den Zoo, die Tiere aus der Routine zu bringen. Zum Beispiel durch die Verkomplizierung der Nahrungssuche oder die Vergesellschaftung mit anderen Tieren in den Ökosystemen des Zoos.

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Foto: Enzo Franchini

Diese «Lebensraum»-Strategie soll in Zukunft noch weiter verstärkt werden. Weg von Gehegen – dem Guckkasten-System –, hin zu naturnahen Lebensräumen, in denen verschiedene Tierarten miteinander leben. Die Lewa Savanne oder die Masoala Halle sind Vorzeigeprojekte dieses modernen Zoo-Verständnisses.

Masterplan 2050

Der Entwicklungsplan des Zoos, der Ziele bis 2050 beinhaltet, sieht vor, das Areal künftig in elf grosse Lebensräume zu gliedern. In den 2030er Jahren stehen zwei Grossprojekte an: der Sumatra-Regenwald, in dem unter anderem die Orang-Utans in den Baumwipfeln zu beobachten sein werden, und die Meeresküste. Noch im laufenden Jahrzehnt in Betrieb gehen sollen aber die begehbare Pantanal-Grossvoliere (2025) und die Kongo-Landschaft (2029) für die Gorillas.

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Auch die Forschung soll weiter ausgebaut werden: Unter Dressen wurde eine Forschungskuratoriumsstelle geschaffen, die vermehrt die Zusammenarbeit mit Hochschulen fördern soll. Klar ist: Dressen will den Zoo noch stärker als Naturschutzzentrum positionieren.

Der Himmel klart auf, der Rundgang neigt sich dem Ende zu. Dressen will etwas bewirken, Natur und Tierwelt bewahren. Da nimmt er kein Blatt vor den Mund. Bedrückende Wahrheiten spricht er deutlich und voller Leidenschaft aus – doch ohne jedes Pathos.

Die Diskussion über Grundrechte für Tiere sieht der Zoodirektor, sichtlich erfreut über die mehr philosophisch angehauchte Thematik, kritisch: «Die grösste Gefahr ist, dass wir dazu neigen, Tieren menschliche Attribute zuzuschreiben. Schlussendlich wäre den Tieren viel mehr gedient, wenn wir für sie Verantwortung übernehmen. Dies ist etwas, was ein Tier nicht kann. Nur wir Menschen sind in der Lage, Verantwortung für andere Arten zu übernehmen. Ein Orang-Utan kann sich nie um einen Gorilla kümmern – nicht im Zoo und auch nicht in der Natur. Nur wir Menschen können das.»

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Über die Autoren
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Anne-Barbara Luft

Anne-Barbara Luft

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