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Luxus

William Lauder: «Kunden wollen mehr als Konsum»

William Lauder, Executive Chairman der Estée Lauder Companies, über Luxus, Leadership und die Herausforderung, das Gute aus der Krise zu bewahren und aus dem Rest die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Iris Kuhn Spogat

Lauder

William P. Lauder, Executive Chairman der Estée Lauder Companies, vor dem Headquarter in Manhattan.

Dina Litovsky für BILANZ

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Herr Lauder, wie haben Sie die letzten eineinhalb Jahre erlebt?
Als sehr lehrreich. Die Pandemie ist für mich ja nicht die erste Krise, die ich erlebe. Ganz und gar Unerwartetes gab es für uns aber auch diesmal nicht.

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Wie bitte?
Ich habe in meinem Büro ein Coffee-Table-Book von Andy Grove mit dem Titel «Only the Paranoid Survive». Und so halten wir es auch: Im Managementteam praktizieren wir eine Art produktive Paranoia. Sie hilft uns dabei, resilient zu sein, weil wir alles Mögliche überlegen und durchdenken. Auch das Szenario, was wäre, wenn wir eines Tages unsere Kunden nicht wie gewohnt bedienen könnten, haben wir durchgespielt.

Und?
Wir haben enorm viel Geld in Technologie und in unser Onlinebusiness gesteckt. Gott sei Dank. Dank Digitalisierung konnten wir trotz Lockdown intern in Verbindung bleiben. Und wie! Ich habe in sogenannten Townhall-Reden jedes Mal über 2500 Mitarbeitende auf einmal erreicht. Vor der Pandemie hätte ich für diese Reichweite ins Flugzeug steigen und um die Welt jetten müssen und wohl ein ganzes Jahr gebraucht.

Ihre Prioritäten in dieser Zeit?
Unsere oberste Verantwortung war es, Wohlergehen, Gesundheit und Sicherheit unserer Mitarbeitenden sicherzustellen. Und dann ging es darum, diese Krise als Unternehmen durchzustehen und zu überleben. Wir blieben dafür nicht nur in Verbindung mit unseren Mitarbeitern, sondern auch mit unseren Kunden.

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Und wie lief das Geschäft?
Der Detailhandel hat teils sehr gelitten, es war ja phasenweise alles zu. Dafür ist der Onlineumsatz dramatisch gewachsen. Ich würde sagen, dank Covid haben wir da in einigen Monaten geschafft, wofür wir unter normalen Umständen zehn Jahre gebraucht hätten. 2020 haben wir unter dem Strich leicht Umsatz eingebüsst. Das letzte Geschäftsjahr, das per 30.  Juni endete, haben wir mit einem Rekordergebnis abgeschlossen.

Was ist derzeit die grosse Herausforderung?
Die Expertise unserer Beauty-Berater und Make-up-Artisten sind der Schlüssel unseres Erfolgs. Hat eine Kundin aufgrund der Beratung erst einmal gefunden, was sie will und braucht, kommt sie immer wieder. Und davon leben wir. Im Konsumgüterbusiness will man ein Produkt ja nicht nur einmal verkaufen. Daher muss es beim ersten Mal so gut sein, dass die Kundin es wieder haben will. Allerdings: Um zu wachsen, brauchen wir nicht einfach Produkte, welche die Kundin will, sondern Produkte, von denen sie nicht wusste, dass sie sie haben will, bis sie sie probiert hat.

Gibt es schon einen neuen Bestseller?
Nein, da hat sich noch nichts verändert. Nach wie vor ist das Advanced Night Repair von Estée Lauder Bestseller. Es funktioniert unglaublich und verkauft sich unglaublich.

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Wie verkauft man Kosmetik online?
Indem wir das, was wir High Touch nennen, in die virtuelle Welt transferieren, präsent und erreichbar und zugänglich sind, mit Livechats, Livestreams und virtuellem Ausprobieren. Wir müssen es hinbekommen, dass wir digital für unsere Kundinnen so interessant und aufregend sind wie in den Geschäften, das ist eine reizvolle Herausforderung dieser Zeit.

Kommt jetzt das grosse Ladensterben?
Nein. Beispiel Düfte: Die muss man riechen, um zu entscheiden, ob man sie mag oder nicht. Wir sind zwar auf dem Weg in eine Star-Trek-Welt, aber noch längst nicht da. Wir bleiben darum vorderhand auf reale Begegnungen angewiesen, insbesondere um neue Kunden zu gewinnen oder auch Neuheiten zu präsentieren. Kaufen kann man die Produkte per Mausklick, erleben kann man sie nur live. Kunden, die in ein Geschäft gehen, um einzukaufen, wollen mehr als nur Konsum.

Was erwarten sie?
Viele Menschen sind inzwischen zum Schluss gekommen, dass Onlineshopping gar nicht so schlecht ist, wie sie gedacht haben. Und sie gewinnen Zutrauen und ändern ihr Einkaufsverhalten. Der Detailhandel wird sich weiter wandeln, klassische Verkaufsformate werden zugehen und innovativere Ideen sich durchsetzen.

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Das heisst, das Kosmetikgeschäft verändert sich?
Es hat sich schon sehr verändert, nichts ist, wie es vorher war. Vor der Pandemie liefen zum Beispiel Make-up und Schminke extrem gut, in der Pandemie, da die Leute im Homeoffice sassen und draussen Masken trugen, schwächelten diese Segmente. Dafür waren Pflegeprodukte stark: Die Leute sehen sich plötzlich selber auf dem Bildschirm, wollen eine schöne Haut haben und gepflegt wirken. Zugelegt haben auch Düfte fürs Zuhause, während Parfums selbst weniger gefragt waren. Produktionsseitig sind die Lieferketten viel komplizierter geworden. Es dauert länger, bis man die Komponenten hat und die Ingredienzen. Schiffe stehen vor den Häfen im Stau, weil es zu wenige Trucker gibt, die die Ladungen wegschaffen können.

Lauder

William P. Lauder im Estée-Lauder-Hauptquartier. Es befindet sich seit 1969 im General Motors Building an der 5th Avenue.

Dina Litovsky für BILANZ
Lauder

William P. Lauder im Estée-Lauder-Hauptquartier. Es befindet sich seit 1969 im General Motors Building an der 5th Avenue.

Dina Litovsky für BILANZ

Wann wird sich alles normalisieren?
Gar nicht. Es gibt kein Zurück. Hybride Arbeitsmodelle werden bleiben, die Zeiten, da man stur fünf Tage die Woche am Morgen ins Büro ging und abends wieder heim, sind vorbei. Alle, auch ich, haben gemerkt, dass man von überall aus arbeiten kann. Das Herumjetten fehlt mir übrigens überhaupt nicht. Ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, für ein zweistündiges Meeting um die halbe Welt zu jetten.

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Sondern?
Wir haben uns an Onlinesitzungen gewöhnt und ganz neue Routinen entwickelt. Zum Beispiel teilen wir die zwölf Stunden Zeitdifferenz mit Asien, treffen uns einmal, wenn es bei uns Nacht ist und dort Morgen, und das nächste Mal machen wir es umgekehrt, um fair zu sein. In diese Meetings können wir zudem Leute einbeziehen, die sonst ausgeschlossen waren, allein schon, weil wir nicht mehr durch die Anzahl Stühle im Sitzungszimmer limitiert sind. So hören heute auch junge Karrieristen zu, die früher allenfalls einen Bericht zu lesen bekommen haben. Sie sind nun viel näher am Geschehen und am Management dran als früher und lernen so sehr viel über Leadership und unseren Geist.

Ihr Geist?
Einfach gesagt: Effektiv werden durch andere. Ich sorge dafür, dass meine Leute ihren Job bestmöglich machen können. Mache ich das gut, hinterlasse ich selbst weder einen Finger- noch einen Fussabdruck. Man muss konsistent und hartnäckig sein, um seine Visionen im Unternehmen zu verankern und die Ziele zu erreichen, die man sich steckt. Dafür muss man intensiv kommunizieren, wieder und wieder, bis es zum Mantra wird.

Der Familie verpflichtet

William Lauder (61) ist der Enkel von Estée Lauder, die vor 75 Jahren in New York den Grundstein zum heute weltweit führenden Hersteller von Premiumkosmetik legte. Der Konzern beschäftigt 60 000 Mitarbeitende weltweit und besitzt 26 Topmarken, von Estée Lauder über Clinique bis Bobby Brown und Jo Malone. Im letzten Jahr wurden 16,2 Milliarden Dollar Umsatz erzielt. Lauder ist seit 1986 im Unternehmen, hat sich bis 2004 zum CEO hochgearbeitet. Seit 2009 amtet er als Präsident.

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Und wie lautet das Mantra?
Bringing the best to everything we touch. Das gilt natürlich für die Produkte, die wir herstellen. Aber auch ganz generell: Wir wollen etwas von Bedeutung schaffen, für uns und auch für andere. Ich bin mit dem Credo aufgewachsen: Wer Erfolg hat, muss der Gesellschaft etwas zurückgeben. So hat jeder von uns Themen gefunden, um wirksam zu werden.

Wo engagieren Sie sich?
Mein grösstes Anliegen sind Kinder und Bildung. Ich unterstütze zum Beispiel ein Camp für jeweils rund 3000 unterprivilegierte Kinder in New York, wo jedes Kind zu Beginn einen Augentest macht. Und wissen Sie was? Jedes zweite braucht eine Brille. Es ist unglaublich, was in diesen Kindern vorgeht, wenn sie realisieren, dass sie in der Schule nicht nicht nachkommen, weil sie dumm wären, sondern weil sie eine Sehstörung haben. Auch die Brustkrebs-Stiftung meiner Mutter liegt mir sehr am Herzen, und wir machen grosse Fortschritte: Wenn man damals bei der Gründung vor 25 Jahren mit Brustkrebs im Stadium 1 diagnostiziert worden ist, hatte man eine 25-Prozent-Chance, noch fünf Jahre oder länger zu leben, heute liegt die Chance bei 92 Prozent.

Damit haben Sie die 23-jährige Amanda Gorman angelockt?
Nachdem sie bei der Inauguration von President Biden «The Hill We Climb» vorgelesen hatte, war uns sofort klar, dass wir mit ihr arbeiten wollen, weil ihre Werte und unsere sehr gut zueinanderpassen. Wir haben sie davon überzeugen können. Und nun ist die Estée Lauder Company die erste und einzige Firma, auf die sie sich eingelassen hat.

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Was hat sie davon?
Das Gleiche wie wir: Sie ist unser erster «Global Changemaker» und bekommt Strahlkraft von uns, wir von ihr.

Und sonst?
Sie hat unzählige lukrative Angebote von anderen Unternehmen ausgeschlagen, weil sie keine Kompromisse machen will, um Erwartungen von Unternehmen zu erfüllen. Wir haben mir ihr eine Partnerschaft für drei Jahre besiegelt, und es geht nicht darum, dass Berühmtheit für Umsatz sorgt. Amanda steht für etwas, das weit über das Geschäft hinausreicht. Und dergleichen wird immer wichtiger auch für uns als gewinnorientiertes Unternehmen. Generation Z und Millennials erwarten von ihrem Arbeitgeber, dass er für etwas steht, auf das sie so stolz sind, dass sie zum Fussballmatch ihres Kindes ein Sweatshirt mit dem Firmennamen tragen. Amanda wird Estée Lauder ab nächstem Frühling in Werbekampagnen repräsentieren und an Events mit dem, was sie zu sagen hat. Auf Konzernstufe wird sie «Writing Change» gründen, eine Initiative gegen Analphabetismus, die wir mit drei Millionen Dollar finanzieren.

NEW YORK, NEW YORK - SEPTEMBER 13: Co-chair Amanda Gorman attends The 2021 Met Gala Celebrating In America: A Lexicon Of Fashion at Metropolitan Museum of Art on September 13, 2021 in New York City. (Photo by Theo Wargo/Getty Images)

Amanda Gorman, entdeckt bei der Inauguration von US-Präsident Joe Biden, ist die neue Botschafterin. Die 23-Jährige ist nicht engagiert, um Lippenstift und Make-up vorzuführen. Als «Global Changemaker» ist sie das Gesicht für das Philanthropische im Konzern.

Getty Images
NEW YORK, NEW YORK - SEPTEMBER 13: Co-chair Amanda Gorman attends The 2021 Met Gala Celebrating In America: A Lexicon Of Fashion at Metropolitan Museum of Art on September 13, 2021 in New York City. (Photo by Theo Wargo/Getty Images)

Amanda Gorman, entdeckt bei der Inauguration von US-Präsident Joe Biden, ist die neue Botschafterin. Die 23-Jährige ist nicht engagiert, um Lippenstift und Make-up vorzuführen. Als «Global Changemaker» ist sie das Gesicht für das Philanthropische im Konzern.

Getty Images

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Wird sie auch das Gesicht für neue Produkte?
Nein, sie wird im Frühling das Gesicht sein in einer Kampagne mit einigen unserer führenden Produkte.

Was bezahlen Sie ihr dafür?
Darüber haben wir Stillschweigen vereinbart.

Wie weit ist die Lauder-Familie heute noch ins Geschäft involviert?
Wir sind nicht eine Familienfirma, sondern eine Familie in der Firma. Die Familie ist nicht besonders gross: Drei von vier von der dritten Generation, der auch ich angehöre, sind im Geschäft. Die vierte Generation ist noch jung und muss erst herausfinden, was sie will. Einige sind durchaus interessiert, hier einzusteigen und Karriere zu machen. Wir haben die Regel, dass Familienmitglieder mit Ambitionen mindestens drei Jahre woanders gearbeitet haben müssen. Da sind jetzt einige dran.

Was ist Luxus für Sie?
Sich etwas Spezielles zu geben, vielleicht auch etwas, von dem man denkt, dass man es gar nicht verdient hat. Für die einen ist dies, am Morgen auszuschlafen, andere gönnen sich ein edles Kleidungsstück.

Was gönnen Sie sich?
Mich ab und zu und ohne Schuldgefühle auszuklinken, um zu entspannen und nachzudenken.

Und was daran haben Sie nicht verdient?
Das Geschäft ist weltumspannend, läuft 24/7. Wenn gewisse Leute anrufen, weiss ich sofort, dass ich sogleich wissen muss, was sie zu sagen haben. So gesehen kann ich mich heute nicht mehr komplett ausklinken. Immerhin habe ich das aber einmal erlebt, vor Jahrzehnten zwischen zwei Jobs. Den alten hatte ich nicht mehr, den neuen noch nicht. Ich war eine Woche auf einem Kanu-Trip in der Wildnis zwischen Maine und Kanada, ohne Freundin, ohne Telefon, ohne grosse Verantwortung – total für mich, total entspannt.

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Über die Autoren
Iris Kuhn Spogat

Iris Kuhn-Spogat

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