Guten Tag,
Erstmals seit der Finanzkrise ist das Gesamtvermögen der 300 Reichsten wieder geschrumpft – wenn auch nur um hauchdünne 0,1 Prozent. Kennzeichnend für 2022 sind die grossen Unterschiede: Einzelne verloren an den taumelnden Börsen Milliarden, andere wie die Rohstoffhändler legten zu. Auffallend: Eine neue Generation sorgt für frischen Wind.
Die 300 Reichsten werden auch dieses Jahr angeführt von den im Waadtland aufgewachsenen und eingebürgerten Gebrüdern Jonas, Peter und Mathias Kamprad, die seit dem Tod ihres Vaters Ingvar Ikea leiten. Der Wert des Möbelimperiums wird auf gegen 55 Milliarden Franken geschätzt.
kornel.ch für BILANZWerbung
Für den hypothetischen Fall, dass man das Vermögen der 300 Reichsten der Schweiz auf die acht Milliarden Bewohner der Erde verteilen würde, bekäme jeder hundert Franken. 820'975'000'000 Franken bringen die hiesigen Superreichen gemeinsam auf die Waage – das liegt nur knapp unter dem Rekordwert des Vorjahres, als 821,8 Milliarden Franken Gesamtvermögen erreicht worden waren.
Ein kleiner Rückgang von 0,1 Prozent nur – und doch bemerkenswert. Denn es ist das erste Mal seit 13 Jahren, dass die Vermögen der Reichsten der Schweiz überhaupt zurückgegangen sind. Zuletzt war das in den Jahren der Finanzkrise von 2008 und 2009 der Fall.
Hier finden Sie:
Werbung
Das Pro-Kopf-Vermögen beträgt heute rund 2,7 Milliarden Franken. Als BILANZ 1989 erstmals heimischem Reichtum auf den Zahn fühlte, stellte sich das durchschnittliche Vermögen noch auf 660 Millionen. Damit hat sich das Vermögen der Superreichen seither mehr als vervierfacht, während sich das Bruttoinlandprodukt nur etwas mehr als verdoppelte.
Der Grund, dass es dieses Jahr einen Rückschlag gab, ist vor allem die schwächere Börse. Der breit gefächerte Swiss Performance Index (SPI) ist bis zum Redaktionsschluss am 18. November um 14,2 Prozent zurückgegangen. Auch weltweit schwächelten vielerorts die Börsen.
An dieser Stelle findest du einen ergänzenden externen Inhalt. Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Werbung
Kennzeichnend für dieses Jahr sind allerdings die grossen Unterschiede: Während Einzelne angesichts der taumelnden Aktienmärkte Milliarden verloren, gewannen andere Milliarden hinzu. Zu den Gewinnern gehören etwa die Rohstoff- und Energiehändler, die in der vom Ukraine-Krieg und von der Energiekrise geprägten Zeit prächtig zulegen konnten.
Ivan Glasenberg etwa, lange CEO und mit 9,34 Prozent inzwischen Hauptaktionär des Zuger Rohstoffhändlers Glencore, legte um 2 Milliarden Franken zu, Energiehändler Torbjörn Törnqvist mit seiner Firma Gunvor um 1,5 Milliarden – die Genfer Gruppe ist der weltweit grösste Händler von Flüssigerdgas, das aktuell sehr gefragt ist. Dank der Preisexplosion und der Marktvolatilität erzielten die Händler Rekordergebnisse.
Unter die Räder kamen andererseits viele Player aus der Industrie, die stark konjunkturabhängig sind. Etwa der Luzerner Liftbauer Schindler, dessen Kurs heftig absackte, was das Vermögen der Besitzerfamilien Schindler und Bonnard um rund 7 Milliarden schrumpfen liess.
Werbung
Auch die Familie Blocher musste tüchtig Federn lassen, büssten die Hauptassets des Politiker- und Unternehmensclans, die Ems-Chemie und der Pharmazulieferer Dottikon, doch an Wert ein. Die Blochers rutschen um 5 Milliarden auf neu 14 bis 15 Milliarden ab.
Alfred Gantner wiederum, der sich wie seine Mitgründer Marcel Erni und Urs Wietlisbach mit seiner Partners Group jahrelang über steigende Kurse freuen durfte, musste lernen, dass sich der Wind auch drehen kann: Denn seit der Zinswende bieten auch andere Bereiche als Private Equity interessante Investitionsmöglichkeiten.
Auch Karsten Koerl, im Vorjahr mit seiner Sportdaten-Firma noch einer der grossen Gewinner, war den launischen Börsen ausgesetzt und verlor rund 2 Milliarden an Vermögen. (Die Vermögensberechnungen von BILANZ wurden im Oktober gemacht mit Stichtag 1. November. Das heisst, dass die aktuellsten Börsenveränderungen nicht berücksichtigt sind.)
Werbung
Die Familien Schindler und Bonnard fielen aus den Top Ten heraus, genauso wie der russische Investor und Putin-Vertraute Guennadi Timtschenko, dessen russische Hauptbeteiligung rund 40 Prozent an Wert verlor.
Nachgerutscht ist Guillaume Pousaz, dessen Zahlungsabwickungs-Start-up Checkout.com seinen rasanten Wertzuwachs auch in diesem Jahr fortgesetzt hat. Er bringt nun 15 bis 16 Milliarden auf die Waage, ein Plus von 4 Milliarden.
An dieser Stelle findest du einen ergänzenden externen Inhalt. Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Werbung
Ebenfalls neu in den Top Ten ist die Reedereifamilie Aponte. Sie hat in diesem Jahr am meisten zugelegt: Ihr Vermögen ist um 11 Milliarden auf 19 bis 20 Milliarden Franken gestiegen. Das Seefrachtgeschäft boomt seit der Corona-Krise, die Gewinne sind explodiert.
Ein Nachfrageschub in Verbindung mit der Überlastung der von der Pandemie betroffenen Häfen hat die Preise in die Höhe getrieben. So versechsfachte sich etwa der Preis eines Containers von Asien nach Europa von rund 2000 auf rund 12 000 Dollar – was die Kassen der Mediterranean Shipping Company (MSC) tüchtig füllte.
Die Firma ist bis heute Family Business: Patriarch und Gründer Gianluigi Aponte (82) ist Group Chairman, Sohn Diego Aponte (47) Vorsitzender, Tochter Alexa Aponte Vago (50) Finanzchefin.
Familienclans prägen die BILANZ-Liste auch dieses Jahr: Mehr als ein Drittel der 300 Reichsten sind reiche Familien. Sie bringen gemeinsam 346 Milliarden auf die Waage, was 42 Prozent des Gesamtvermögens entspricht.
Allerdings drängen bei den superreichen Familien neue Generationen nach, die ihre eigenen Wege gehen wollen. So etwa Kyril Louis-Dreyfus, Spross der gleichnamigen Agrarhändler-Dynastie.
Mutter Margarita wacht als Präsidentin über die Louis Dreyfus Company, doch der Sohn hat andere Interessen: Er kaufte sich den englischen Traditionsverein AFC Sunderland und amtet dort nun als Präsident. Die Fussballbegeisterung hat er von seinem 2009 verstorbenen Vater Robert Louis-Dreyfus geerbt, dessen Herz für Olympique Marseille schlug und der den französischen Club mit Millionen unterstützte.
Ebenfalls im Vorstand von AFC Sunderland ist Kyrils Zwillingsbruder Maurice.
Auch die Söhne von Bier-Magnat Jorge Lemann, Nummer acht der diesjährigen Liste, sind inzwischen eigenständig unterwegs. So wurde kürzlich bekannt, dass Kim Lemann einer der Investoren bei Stash ist, einem Schweizer Start-up, das Essenslieferungen macht.
Werbung
Will 90 Prozent ihres Erbes verschenken: Marlene Engelhorn (l.). Als Investorin selber erfolgreich – Laura Paulus (r.). Besitzer und Präsident des englischen Fussballclubs AFC Sunderland: Kyril Louis-Dreyfus (M.).
BilanzWill 90 Prozent ihres Erbes verschenken: Marlene Engelhorn (l.). Als Investorin selber erfolgreich – Laura Paulus (r.). Besitzer und Präsident des englischen Fussballclubs AFC Sunderland: Kyril Louis-Dreyfus (M.).
BilanzDie Töchter der Reichen sind ebenso umtriebig. So hat Laura Paulus, Tochter von Logitech-Gründer Daniel Borel, inzwischen selber als Unternehmerin Zeichen gesetzt. Als Investorin mit Peak Health Capital ist sie aktiv in den Themen des digitalen Gesundheitswesens, der personalisierten Ernährung und des Kinderwohls.
Zusammen mit ihrem Ehemann Michael Paulus, der eine Onlineplattform für Versicherungen aufgebaut und teuer verkauft hat, ist sie heute 1 bis 1,5 Milliarden schwer.
Anderen wiederum scheint ihr Reichtum eher eine Last zu sein. So machte etwa Marlene Engelhorn, Enkelin der jüngst verstorbenen Traudl Engelhorn, mit der Aussage Schlagzeilen, sie wolle freiwillig viel mehr Steuern zahlen.
Traudl Engelhorn war die Gattin des ebenfalls bereits verstorbenen Peter Engelhorn, einem Urenkel des BASF-Gründers Friedrich Engelhorn. Während die Töchter ein Leben abseits des Scheinwerferlichts führen, haut Enkelin Marlene gerne auf den Putz. Sie kündigte an, mindestens 90 Prozent ihres Erbes zu verschenken, das ihr ihre Grossmutter versprochen hatte. Mit ihrer Initiative «Taxmenow» setzt sich Marlene Engelhorn für die Besteuerung von Millionenvermögen ein. Ihr Buch «Geld» erschien just in den Tagen, als ihre Grossmutter starb.
Werbung
Lesen Sie hier noch mehr zu den 300 Reichsten:
In diesem Jahr werden zehn neue Reichste präsentiert, die ein Mindestvermögen von 100 Millionen Franken besitzen. Denn so hoch ist die Hürde, die für den Eintritt in die «Gold-BILANZ» zu überwinden ist.
Ganz oben in der Liste der Neuzugänge ist der bereits 96-jährige Wein- und Getränkeunternehmer Pierre Castel mit einem Vermögen von 12 bis 13 Milliarden Franken. Er fuhr jahrelang unterhalb des Radars der Steuerbehörden, weil sich der Schlaumeier mit seinem zweiten Namen Jesus angemeldet hatte und das Steueramt lange gar nicht wusste, welch reicher Mann hier residiert. Doch nun haben ihn die Genfer Behörden aufgestöbert, das Spiel durchschaut und ihn gleich zu einer saftigen Nachsteuerzahlung von 415 Millionen Franken verdonnert.
Ein anderer prominenter Neuzugang ist der norwegische Industrietycoon Kjell Inge Røkke, der sich ins steuermilde Tessin, genauer gesagt nach Lugano, abgesetzt hat. Rund 18'000 Personen beschäftigt sein Unternehmenskonglomerat in Norwegen und ist damit dort der grösste private Arbeitgeber.
Mit Immobilien reich geworden ist Beat Frischknecht, ein anderer Neuzugang. Zum Portfolio des Thurgauers gehören Gewerberäume und mehrere hundert Mietwohnungen im Thurgau und zum Grossteil in der Stadt Zürich. Ein Herzensprojekt von Frischknecht ist zudem der Audiogerätehersteller Revox, dessen Tonbandgeräte einst Kultstatus genossen. Nachdem er zunächst eine Minderheitsbeteiligung gehalten hatte, übernahm er Revox inzwischen vollständig.
Werbung
Aus den Top Ten gefallen: Alfred Schindler (l.). Gehörten im Vorjahr noch zu den grossen Gewinnern, jetzt hat der Wind gedreht: Partners-Group-Mitgründer Alfred Gantner (r.), Sportradar-Gründer Carsten Koerl (M.).
BilanzAus den Top Ten gefallen: Alfred Schindler (l.). Gehörten im Vorjahr noch zu den grossen Gewinnern, jetzt hat der Wind gedreht: Partners-Group-Mitgründer Alfred Gantner (r.), Sportradar-Gründer Carsten Koerl (M.).
BilanzBei den Managern ist Christian Sinding neu gelistet, CEO der sehr erfolgreichen schwedischen Private-Equity-Firma EQT. Sinding lebt mit seiner Frau und seinen beiden Kindern an der Zürcher Goldküste.
Die 300 Reichsten werden auch dieses Jahr angeführt von den im Waadtland aufgewachsenen und eingebürgerten Gebrüdern Jonas, Peter und Mathias Kamprad, die seit dem Tod ihres Vaters Ingvar Ikea leiten. Der Wert des Möbelimperiums wird auf gegen 55 Milliarden Franken geschätzt.
Neu auf Platz zwei aufgestiegen ist Gérard Wertheimer mit einem Vermögen von 38 bis 39 Milliarden Franken (+9 Milliarden). Das von ihm zusammen mit Bruder Alain gehaltene Haute-Couture-Haus Chanel feierte in allen Kategorien von Mode über Uhren bis hin zu Parfums neue Verkaufsrekorde.
Der in Genf wohnhafte Franzose verdrängte die Familien Oeri, Hoffmann und Duschmalé auf Platz drei – die Mehrheitsbesitzer des Pharmakonzerns Roche büssten im Zuge des schwächelnden Roche-Kurses rund 4 Milliarden ein.
Die «Gold-BILANZ» ist bereits die 34. Ausgabe. Auch in diesem Jahr haben wieder über 30 Journalistinnen und Journalisten mitgearbeitet und dazu fast zwei Dutzend weitere Mitarbeitende aus Produktion, Grafik, Bildredaktion und IT. Seit 1989 ist es ein Anliegen, nebst den Zahlen auch ein Sammelsurium von kleineren und grösseren Geschichten zu liefern – und Ihnen damit auch einiges an Lesevergnügen zu bieten.
Werbung
Als Rechercheure und Autoren haben am diesjährigen BILANZ-Ranking der 300 Reichsten mitgewirkt: Corinne Amacher, Pamela Beltrame, Erich Gerbl, Werner Grundlehner, Bastian Heiniger, Marc Kowalsky, Silvan Kuenzle, Iris Kuhn-Spogat, Anne-Barbara Luft, Stefan Lüscher, Matthias Mehl, Erik Nolmans, Bernhard Raos, Corinna Roettker, Dirk Ruschmann, Dirk Schütz, Sibylle Veigl. Von «Bilan»: Francesco Bonsaver, Ghislaine Bloch, Jean-Philippe Buchs, Luigino Canal, Daniel Eskenazi, Vincent Gillioz, Olivier Grivat, Matthieu Hoffstetter, Philippe Lugassy, Andrea Machalova, Patricia Meunier, Joan Plancade, Marat Shargorodsky, Frédéric Thomasset, Julien de Weck und Myret Zaki.
Werbung