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Frédéric Arnault über sein erstes Jahr als CEO von TAG Heuer, seine Ziele, die bislang grösste Herausforderung und Super Mario.
JUNGCHEF: Frédéric Arnault (26) ist mit Abstand der jüngste CEO in der Schweizer Uhrenindustrie.
Gian-Marco Castelberg / PDWerbung
Weisse Sneakers, dunkelblauer Anzug, Unfrisur: So bescheiden der blutjunge Chef von 1470 Mitarbeitenden daherkommt, so unbescheiden ist sein Ehrgeiz für die 161 Jahre alte Uhrenmarke: Er will mit ihr in höhere Sphären und getraut sich dafür auch einiges. Was, das erzählt er bei einem Kaffee im Headquarter in Eysins VD zufrieden und komplett unaufgeregt.
Hinter Ihnen liegt das erste Jahr als CEO. Ihr Fazit?
Die Pandemie war für mich und die Marke eine Riesenherausforderung. Der Alltag war geprägt von Unsicherheit, unzähligen Sitzungen, Plan-Bs und kurzfristigen Entscheiden, die laufend kommuniziert werden mussten, damit die Teams verstehen, wie, was und vor allem auch warum.
Warum haben Sie nicht gewartet, bis der Sturm vorbei ist, um CEO zu werden?
Der Zeitpunkt hat gestimmt. Ich war nach einer intensiven Vorbereitungszeit mit Stéphane Bianchi, der TAG Heuer eineinhalb Jahre als CEO geführt hat, bereit zu übernehmen. Und die neue Strategie für die Marke, bei deren Entwicklung ich stark involviert war, war es ebenfalls.
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Neue Strategie?
Ja, ich bin seit Tag 1 dabei, die Marke zu transformieren.
Das erklärte Ziel?
TAG Heuer wird viel grösser und stärker.
Heute ist die Marke in der Schweiz umsatzmässig auf Rang 9. Ihr Ziel?
Wir wollen unter die Top 5. Dafür investieren wir nun erst einmal ins Kerngeschäft, die Uhrmacherei, denn wir wollen mehr und mehr als High-End-Uhrmacher wahrgenommen werden.
Der Wiederverkaufswert der Monaco Titan übersteigt den Retailpreis.
ZVGDie TAG Heuer Carrera Porsche ist ein Bestseller.
PD2000 TAG Heuer Connected x Super Mario waren in zehn Sekunden weg.
PDWerden Sie nicht?
Doch, aber es geht mehr. TAG Heuer hat eine grosse Geschichte, und die wollen wir weiter stärken und damit die Begehrlichkeit, die ihrerseits von Qualität, Know-how und Innovation abhängt und natürlich auch von einem geschickten Management des Sortiments, der Lancierungen und der Bestände. An all dem arbeiten wir parallel. Das ist wie die Uhrmacherei selbst Präzisionsarbeit.
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Haben Sie – der jüngste CEO in der Industrie – die Leute im Boot?
Ja, die Teams sitzen inzwischen mit im Boot.
Kunststück, Sie sind immerhin der Sohn des Besitzers.
Meine Familie besitzt zwar die LVMH-Gruppe, und der gehört TAG Heuer. Respekt und Vertrauen bekomme ich deswegen nicht geschenkt, sondern muss ich verdienen. Ich war zum Glück kein Fremder, als ich CEO wurde, sondern bin schon seit 2017 im Unternehmen, habe mit Teams zusammengearbeitet. Ich kenne viele hier und auch in den Märkten. Und sie kennen mich.
Im Vorfeld zu diesem Interview erging die Ermahnung, Sie nicht auf Ihre Herkunft anzusprechen. Was ist das Problem?
Ich gebe Interviews als CEO von TAG Heuer, und darüber rede ich auch gern. Über Familien- oder Privatangelegenheiten will und werde ich nicht sprechen.
Schade, wäre doch spannend zu erfahren, wie es ist, Sohn eines der reichsten Männer der Welt zu sein.
Ist für mich komplett überflüssig. Meine Lust und mein Interesse, über unsere Arbeit und Leistungen zu reden, sind dafür umso grösser, und Sie können fragen, was Sie wollen.
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Was war das Schwierigste, was Sie bislang zu meistern hatten?
Für den strategischen Kurswechsel möglichst viele Mitarbeitende ins Boot zu holen. Veränderungen verunsichern, erzeugen Widerstand. Ich habe oft gehört, «Warum etwas ändern, das funktioniert?» und «Das haben wir nie so gemacht». Da hinzustehen und zu sagen, wir machen das nun trotzdem anders, weil wir überzeugt sind, dass es funktionieren wird, war fraglos eine Herausforderung. Die ersten Ergebnisse bestärken uns nun.
Welche Ergebnisse?
Zum Beispiel unsere Kollaboration mit Porsche. Als ich hier angefangen habe, dachte ich, Porsche und TAG Heuer würden super zusammenpassen, und wunderte mich, warum da bislang nichts gegangen ist. Man sagte mir, oh, da wird nie etwas gehen, das haben wir schon oft probiert. Im Januar 2021 haben wir die TAG Heuer Carrera Porsche Chronograph lanciert. Sie ist ein Bestseller. Die Monaco Titan, von der wir kürzlich 500 Stück präsentiert haben, war schnell ausverkauft, ihr Wiederverkaufswert übersteigt bereits den Retailpreis. Das hat es bei TAG Heuer zuvor nicht gegeben. Darauf sind wir stolz. Wir wollen unsere Uhren als Investitionsgut etablieren.
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Was haben kurzlebige Smartwatches damit zu tun?
Sie sind ein neuer Pfeiler der neuen Strategie und passen zu unseren Werten, zu denen auch Sportlichkeit gehört. Zudem wollen wir mehr jüngere Kunden ansprechen.
Frédéric Arnault (26) ist zweitjüngster Spross von Bernard Arnault, Besitzer der französischen LVMH-Gruppe, zu der auch TAG Heuer gehört. Er ist seit 2017 bei der Uhrenmarke, seit 2020 als CEO. Davor hat er an der École Polytechnique in Paris studiert und bei McKinsey und Facebook Praktika absolviert. Vier Tage die Woche arbeitet der Jungchef am Hauptsitz in Eysins im Kanton Waadt, eine Woche im Monat in der Manufaktur in La Chaux-de-Fonds, sein Lebensmittelpunkt aber ist Paris.
Warum eine Smartwatch für mehr als 2000 Franken kaufen, wenn man eine für 500 Franken haben kann?
Die Konkurrenzprodukte stammen allesamt nicht von Uhrmachern, sondern von Techfirmen. Unsere ist einzigartig und bringt uns mitunter neue Kunden, insbesondere auch solche, die zuvor keine Uhr getragen haben. Die TAG Heuer Connected x Super Mario, von der wir im Juli 2000 Stück lanciert haben, war innert zehn Sekunden ausverkauft. Wir hätten zehnmal mehr verkaufen können.
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Wie haben Sie das denn hinbekommen?
Wir sind strategisch vorgegangen. Als Erstes haben wir die Kollaboration mit Nintendos Super Mario bekannt gegeben. Das war vollkommen unerwartet – und hat unter anderem jene angesprochen, die auf der Suche nach Limited Editions oder Sammlerstücken sind. In einem nächsten Schritt haben wir das Produkt präsentiert und dann Zeit und Ort kommuniziert für die Lancierung der Uhr. Das waren einige wenige Boutiquen rund um die Welt sowie online. Damit wussten alle Leute, wann sie zuschlagen müssen, falls sie die Uhr haben wollen.
So befeuern Streetwear-Labels wie Supreme und Off-White ihre Kollaborationen.
Da haben wir die Idee auch her. Wir sind einfach die Ersten, die das mit Uhren gemacht haben. Und es hat super funktioniert.
Ihre Initiative?
Ja, das war meine Idee. Es hat starke Reaktionen gegeben von euphorisch bis zu denen, die prophezeiten, dass kein Mensch für eine Smartwatch mit Super Mario 2000 Franken bezahlen werde. Zeigt: Die Figur Super Mario mag man, oder man hasst sie. Und das ist in der heutigen Welt genau das, was wir brauchen und suchen. Produkte, die jeder ein bisschen mag, bringen keine Aufmerksamkeit.
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Stolz?
Vor allem ist damit gelungen, was mir seit der Lancierung der Connected Watch seit Anfang vorschwebt: ein modernes und viel technologischeres Universum zu kreieren, um neue Kunden für TAG Heuer zu gewinnen, diesmal die Super-Mario-Fans.
Das nächste grosse Ding?
Wir haben im Oktober in Los Angeles einen grossen Launch geplant und hoffen, dass die Gesundheitslage das zulässt, sicher sein können wir aber natürlich nicht. Mit dieser Ausgangslage haben wir inzwischen leben gelernt – und haben für alles, was wir zu tun gedenken, einen Plan B.
Haben Sie als CEO auch alte Zöpfe abgeschnitten?
Als ich kam, war der grösste Kostenblock im Marketingbudget Fussball. Wir hatten alle Ligen, die Premier League, die Bundesliga, die Liga in den USA, in Japan und in Australien. Wir haben eine weltweit angelegte Marktforschung gemacht und unter anderem gefragt, mit welchen Sportarten TAG Heuer in Verbindung gebracht wird. Fussball schaffte es nicht einmal unter die ersten zehn. Ergo haben wir uns da zurückgezogen und besinnen uns auf unsere Wurzeln, den Motor- und Automobilsport. Auch in Sachen Distribution sind wir im Umbruch. Das Denken, dass wir dort sein müssen, wo die Kunden sind, und wir daher möglichst viele Verkaufspunkte haben müssen, haben wir aufgegeben. Wir wollen weniger Verkaufspunkte, dafür sollten sie grösser sein und besser situiert. Wir investieren zudem viel in die Online-Distribution. Beides entspricht unserem Ehrgeiz, hier mehr Kontrolle zu übernehmen.
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Wie wird 2021 kommerziell?
Wir haben einen soliden Plan, viele Neuheiten und Events geplant und sind positiv, da gut läuft, was wir lancieren.
Was ist eigentlich Ihre Motivation zu arbeiten? Geld kanns ja nicht sein.
Ich trage fraglos das Unternehmer-Gen meines Vaters in mir und will etwas aufbauen. Ich fühle mich als Entrepreneur und führe TAG Heuer nun seit einem Jahr entsprechend. Und ich werde viele weitere Jahre hier sein.
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Wie viele?
Bei allen Maisons der LVMH-Gruppe geht es um Langfristigkeit – das ist auch meine Philosophie für diese Marke und bei allem, was ich entscheide und in die Wege leite. Ich positioniere TAG Heuer nicht für heute, sondern für die Zukunft.
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