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Die Schweizer Uhrenbranche erlebt nach dem Corona-Boom einen Rückgang. Doch sie bleibt ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Schweiz.
Als eine der letzten grossen Schweizer Uhrenmarken befindet sich Patek Philippe bis heute in Privatbesitz. Die Familie Stern steht mit 4,5–5 Milliarden Franken Vermögen an der Spitze der Schweizer Uhrenbranche.
François Wavre / Lundi 13Werbung
Auf einen Riesenboom im Nachgang der Corona-Pandemie folgt dieses Jahr ein Negativwachstum. Was auf den ersten Blick nach Krise aussieht, erweist sich bei genauerem Hinsehen allerdings nur als eine Rückkehr zur Normalität. Mindestens fürs Erste.
Zur Veranschaulichung: Die Schweizer Uhrenexporte beliefen sich von Januar bis Juli 2024 auf 15,2 Milliarden Franken, was trotz eines Rückgangs von 2,4 Prozent im Vergleich zum Rekordjahr 2023 immer noch signifikant besser ist als vor der Pandemie. Zum Glück. Die Uhrenindustrie ist in der Schweiz nämlich ein bedeutender Wirtschaftsfaktor, und es ist im Interesse aller, dass es der profilierten Branche gut geht. Dazu einige Zahlen aus den Statistiken des Bundes: In der Branche mit rund 700 Unternehmen sind direkt rund 60’000 Personen angestellt und 100’000 weitere Arbeitsplätze indirekt von ihr abhängig. Sie erwirtschaftet einen Umsatz von 39 Milliarden Franken, trägt vier Prozent zum Schweizer BIP bei und rangiert mit einem Volumen von 24 Milliarden Franken auf Platz 3 der Exportstatistik, hinter Chemie/Pharma- und Maschinenindustrie.
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Die aktuell eher trüben Meldungen aus der Uhrenbranche hängen vor allem mit der Flaute in China und Hongkong zusammen. Denn andernorts, in Indien oder den USA etwa, blüht gemäss den Zahlen des Branchenverbands Fondation Horlogère (FH) das Geschäft weiterhin schön. Leider vermag das eine das andere nicht zu übertönen, sondern nur zu dämpfen.
Das Jahr werde die Branche mit einem Minus von fünf Prozent abschliessen, sagte der Branchenkenner Oliver Müller in seinem ersten Kommentar zur Lage der Schweizer Uhrennation im Januar 2024. Ob es besser kommt als gedacht oder schlimmer als befürchtet, wird er im Dezember-Gespräch mit BILANZ Watches ausführen.
Dank Uhren haben es einige Menschen in der Schweiz unter die 300 Reichsten gebracht. Sie sind ganz unterschiedlich positioniert – und aktuell auch mit ganz unterschiedlichen Herausforderungen konfrontiert.
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Wir stellen sie Ihnen hier vor:
Als eine der letzten grossen Schweizer Uhrenmarken befindet sich Patek Philippe bis heute in Privatbesitz. Seit 1932 übt die Familie Stern die Kontrolle aus. Und dies soll auch in Zukunft so bleiben, wie Thierry Stern (54) immer wieder betont; er leitet die Firma in der vierten Generation. Sein ältester Sohn Adrien (22) wird bald seine Laufbahn in der Manufaktur mit einem auf mehrere Jahre angelegten Ausbildungsprogramm beginnen, so wie es auch sein Vater getan hat.
Die Jahresproduktion stellt sich auf 72'000 Uhren, weltweit werden 3200 Personen beschäftigt, davon 2600 in der Schweiz. Laut einer Studie von Morgan Stanley und LuxeConsult wird ein Umsatz von über zwei Milliarden Franken erwirtschaftet. In den letzten Jahren hat Patek Philippe die Zahl ihrer Einzelhändler drastisch reduziert, heute gibt es nur noch deren 297. Im Frühjahr ist Thierry Stern noch in die Gastronomie eingestiegen: Er übernahm die Auberge du Lion d’Or in Cologny. Die Übernahme macht Sinn, empfängt Patek Philippe doch in diesem Gourmetrestaurant viele Kunden zum Essen.
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Nach einem fast halbjährigen Übergang an der Seite von Ex-CEO François-Henry Bennahmias übernahm Ilaria Resta am 1. Januar 2024 offiziell die Leitung von Audemars Piguet. Bisher ist wenig über die Strategie durchgesickert, die dem viertgrössten Akteur der Schweizer Uhrenindustrie verpasst werden soll. Die Uhrenfirma, die 2025 ihr 150-Jahr-Jubiläum feiern wird, erzielte laut einer Studie von Morgan Stanley und LuxeConsult 2023 einen Umsatz von über zwei Milliarden Franken.
Audemars Piguet wird seit 2023 von Alessandro Bogliolo präsidiert, der Jasmine Audemars folgte. Derweil fungiert Olivier Audemars als Vizepräsident. Die Vertreter der vierten Generation der Familien Audemars und Piguet halten weiterhin die Mehrheit am Unternehmen. Während in Meyrin ein neues Produktionsgebäude für Uhrenbänder und -gehäuse gebaut wird, begann in diesem Sommer der Umzug der Belegschaft in den neuen ARC Campus im Vallée de Joux. Audemars Piguet produziert derzeit 50'000 Uhren pro Jahr und beschäftigt 3000 Mitarbeitende.
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Ist nach Jasmine Audemars’ Rücktritt der einzige Familienvertreter im Präsidium des Verwaltungsrats: Olivier Audemars.
KeystoneIst nach Jasmine Audemars’ Rücktritt der einzige Familienvertreter im Präsidium des Verwaltungsrats: Olivier Audemars.
KeystoneNick Hayek führt die börsenkotierte Swatch Group, als gehörte sie ihm – und benimmt sich gegenüber Analysten und Investoren auch so: Deren aus Shareholder-Sicht formulierte Kritik lässt ihn kalt, oder er kontert mit Sätzen wie «Es ist ja niemand gezwungen, Swatch-Group-Aktien zu kaufen» oder «Ich verkaufe Uhren, keine Aktien».
Diese Einschätzungen des CEO und Grossaktionärs sind dem Firmenwert natürlich nicht förderlich. Kommt hinzu, dass die Swatch Group, der neben Tissot, Omega und Breguet 13 weitere Uhrenmarken plus zahlreiche Industriebetriebe gehören, operativ schwächelt. Dies wird nicht zuletzt durch den starken Fokus der Gruppe auf den aktuell trudelnden chinesischen Markt verursacht. Die Folge: Der Börsenwert fiel auf ein 15-Jahres-Tief. Die Familie nutzte die Baisse, um für 30 Millionen Franken privat Aktien zuzukaufen. Ihr Kapitalanteil erhöhte sich von 25,3 auf 28,5 Prozent, der Stimmenanteil von 43,3 auf 44 Prozent.
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Dass Nick Hayek Ende September in einem BILANZ-Interview verkündete, er spiele mit dem Gedanken, die Firma von der Börse zu nehmen, verschaffte den Titeln wieder etwas Auftrieb. Aber längst nicht so viel, um die erlittenen Verluste wieder wettzumachen: Um eine Milliarde ging das Familienvermögen dieses Jahr zurück. Affaire à suivre.
An der Börse mit der Swatch Group fehl am Platz: Nick Hayek.
Paolo Dutto für BILANZAn der Börse mit der Swatch Group fehl am Platz: Nick Hayek.
Paolo Dutto für BILANZRund 2,5 Milliarden Franken soll der Verkauf von Rolex Bienne an Rolex Genf vor 20 Jahren eingebracht haben; ein Grossteil des Geldes kam Daniel und Franziska Borer, den Kindern des 2002 verstorbenen Hauptaktionärs Peter Borer, zugute. Franziska Borer Winzenried (62) engagiert sich in der Stiftung Vinetum und sponsert Musikfestivals, Kunstausstellungen und Behindertensport vorwiegend im Kanton Bern. Bruder Daniel (59) ist praktizierender Arzt und machte Schlagzeilen als Aktionär der fallierten Regionalfluggesellschaft SkyWork. Daneben besitzt er Luxushotels wie das «Giardino» in Ascona. Er habe ein Faible für alles Schöne, begründete er unlängst sein Engagement für hochpreisige Herbergen gegenüber dem Branchenmagazin «Hotelière».
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Hat ein Faible für alles Schöne: Daniel Borer.
Valérie ChételatHat ein Faible für alles Schöne: Daniel Borer.
Valérie ChételatVor 60 Jahren wurde Chopard von der Familie Scheufele aufgekauft, bis heute ist sie eine der letzten grossen Luxusmarken in Familienbesitz. Die Unternehmensleitung liegt in den Händen von Caroline Scheufele, der künstlerischen Leiterin der Schmucksparte, sowie Karl-Friedrich Scheufele, Chef der Uhrensparte. Mit einem geschätzten Umsatz von 800 Millionen Franken beschäftigt die Manufaktur 2000 Mitarbeitende, davon 980 in der Schweiz. Chopard verfügt über eine vollständig integrierte Produktionsanlage und besitzt eine Manufaktur in Meyrin und zwei weitere in Fleurier.
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Die beiden Kinder von Karl-Friedrich, Caroline-Marie und Karl-Fritz, sind ebenfalls in der Gruppe tätig. Karl-Fritz Scheufele war unter anderem für die Renovation des sich in Familienbesitz befindenden Hotels «1, Place Vendôme» in Paris zuständig, das im letzten Jahr wiedereröffnet wurde. Er ist auch an dem von K&K Promotions betriebenen Caveau de Bacchus beteiligt, der in der Schweiz über drei Geschäfte verfügt, darunter ein Restaurant, das ebenfalls den Scheufeles gehört.
Kreativer Mastermind von Chopard: Caroline Scheufele.
Dave Benett/Getty ImagesKreativer Mastermind von Chopard: Caroline Scheufele.
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Seit dem Verkauf der Uhrenmarke Breitling investiert die Familie Schneider die daraus gelösten Mittel über ihr Family Office BlackWolf. So erwarb sie kürzlich wichtige Parzellen in Prangins, Genf und Zürich. Dies erfolgte mit Blick auf ihre Zusammenarbeit mit dem Westschweizer Immobilienunternehmen Swissroc, bei dem Théodore «Ted» Schneider seit 2018 Teilhaber ist. Die in Plan-les-Ouates ansässige Immobilienfirma kündigte anlässlich ihres zehnjährigen Bestehens den Bau ihres Hauptsitzes durch das dänische Architekturbüro BIG an.
Parallel zum Immobiliengeschäft betreut Ted Schneider den unabhängigen Uhrenhersteller Norqain, den er mit Ben Küffer und Mark Streit gegründet hat. Die junge Uhrenmarke nahm im Frühjahr erstmals an der Watches and Wonders teil, einer Fachmesse der internationalen Uhren- und Schmuckindustrie. Dort wurde unter den Neuinvestoren auch der Tennisspieler Stan Wawrinka begrüsst. Die Uhrenmarke ist mehrere Partnerschaften eingegangen und betätigt sich unter anderem als offizieller Zeitmesser der Marathons in New York, Berlin, Zürich und Genf.
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Zog mit Stan Wawrinka einen namhaften Norqain-Investor an Land: Ted Schneider.
PRZog mit Stan Wawrinka einen namhaften Norqain-Investor an Land: Ted Schneider.
PRDie Familie Bottinelli ist einer der bedeutendsten Aktionäre von Audemars Piguet. Die nächste Generation wird im Vorstand des Uhrenherstellers aus Le Brassus von Oliviero Bottinelli (52) vertreten, der in Singapur wohnt. Seine Eltern haben ihm und seinem Bruder Sébastien die Anteile an Audemars Piguet zu gleichen Teilen vermacht. Oliviero sitzt auch im Vorstand der Turlen Holding, die die Rechte von Richard Mille besitzt.
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Derweil ist Sébastien (50) für verschiedene Firmen tätig, etwa in den Bereichen Immobilien, Innenarchitektur, Hotellerie und Oldtimer. Der leidenschaftliche Autofan hat ein altes Sägewerk erworben; dort richtete er ein Handwerkszentrum ein, das Platz für Oldtimer, eine mechanische Werkstatt und Handwerker bietet. Zudem besitzt er Drive Vintage, die Dienstleistungen rund um Oldtimer anbietet.
Grossaktionär von Audemars Piguet: Oliviero Bottinelli.
Frederic LaverriereGrossaktionär von Audemars Piguet: Oliviero Bottinelli.
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Als Richard Mille (73) mit Dominique Guenat (72) die Uhrenmarke Richard Mille mit Sitz in Les Breuleux JU gründete, hiess das Ziel, die Grenzen höchster Uhrmacherkunst mit Innovationen und unverkennbarem Design in neue Sphären zu transportieren. 23 Jahre später steht sein Name für exorbitant teure und technologisch im Wortsinn verrückte Uhrmacherei mit null Absatzproblemen: Gemäss Schätzungen von Morgan Stanley erzielte die Familienfirma 2023 mit dem Verkauf von 5300 Uhren zum Durchschnittspreis von rund 245 000 Franken einen Umsatz von 1,3 Milliarden Franken. Die Co-Gründer haben sich vom Geschäft inzwischen offiziell verabschiedet. Die Horométrie SA, die Firma, der die Marke gehört, wird nun offiziell operativ wie strategisch von je zwei Geschwistern Mille und Guenat geführt.
Hat die Grenzen höchster Uhrmacherkunst verschoben: Richard Mille.
imago/PanoramiCHat die Grenzen höchster Uhrmacherkunst verschoben: Richard Mille.
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Elie Bernheim (43), Enkel von Firmengründer Raymond Weil, feierte 2024 sein Zehn-Jahr-Jubiläum an der Spitze des Familienunternehmens. Der unabhängige Uhrenhersteller ist im mittleren Preissegment tätig, die Verkaufspreise bewegen sich zwischen 1000 und 5000 Franken. Nach dem Rekordjahr 2023, das vor allem von der neuen Kollektion Millesime befeuert wurde, strebt der CEO eine Stabilisierung an. Im Frühjahr konnte er dank der ersten Teilnahme an der Watches and Wonders in Genf rund 60 neue Verkaufsstellen akquirieren; nun werden die Uhren in weltweit rund 2500 Läden verkauft. Zu den wichtigsten Absatzmärkten von Raymond Weil zählen die USA, Grossbritannien und Indien. Auf China dagegen entfällt nur ein Prozent des Umsatzes. Heute werden jährlich 80'000 Uhren hergestellt.
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Verkauft Raymond Weils mittlerweile in 2500 Shops: Elie Bernheim.
Lucien FortunatiVerkauft Raymond Weils mittlerweile in 2500 Shops: Elie Bernheim.
Lucien FortunatiDie Partners Group ist seit zwei Jahren grösste Einzelaktionärin der Uhrenfirma Breitling, die Georges Kern seit 2017 leitet. Offenbar hat ihn das Private-Equity-Haus selber auf den Investorengeschmack gebracht: Der 59-Jährige ist bei dem Zürcher Naturseifenhersteller Soeder mit dessen stilbildenden braunen Apothekerflaschen eingestiegen. Er wolle «die besten Schweizer Marken einem breiten Publikum zugänglich machen», begründete er seinen Anlageentscheid.
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Mehr Zeit hat er: Sein Engagement im Zürcher Vorstand der Grünliberalen Partei (GLP) gab er auf, auch aus Ernüchterung über die doch zu zähen Abläufe in der Politik. Der Börsengang-Blues macht auch vor Breitling nicht halt: Die anvisierte Bewertung von zehn Milliarden Franken – Kern hält gegen fünf Prozent an der Firma – ist derzeit an der Börse nicht zu erzielen. Kern würde sich auch über einen weiteren Privatinvestor freuen, auch einen Staatsfonds.
Derweil treibt der erfahrene Uhrenmanager die Expansion voran. Ende des vergangenen Jahres kaufte Kern die eingeschlafene Traditionsmarke Universal Genève von einem Hongkonger Investor, der von seinem Leistungsausweis beeindruckt war. Der spezielle Mikrorotor muss neu entwickelt werden, und für Georges Kern («Das ist der Bugatti der Uhrenindustrie») steht die Qualität über allem – er lässt sich nicht drängen. Die Marke wird deutlich hochpreisiger sein als Breitling. Weiteres Kaufziel: eine volumenstarke Marke im tieferen Preissegment. So soll aus der Monomarke Breitling ein kleines Uhrenkonglomerat entstehen.
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Peilt die Expansion ins volumenstarke Marktsegment an: Georges Kern.
Gerry Nitsch/13PHOTOPeilt die Expansion ins volumenstarke Marktsegment an: Georges Kern.
Gerry Nitsch/13PHOTOEr ist eine Legende der Uhrenbranche und hat Marken wie Blancpain oder Hublot zum (umsatzmässigen) Laufen gebracht. Sein dabei erzieltes Vermögen hätte Jean-Claude Biver zu einem luxuriösen Rentnerleben verholfen. Doch der 75-Jährige verwirklichte sich einen alten Traum: Vor zwei Jahren gründeten er und sein Sohn Pierre (26) mit JC Biver eine eigene, höchst exklusive Uhrenmanufaktur. Im letzten Jahr wurden mit mehr als zehn Mitarbeitern in einem alten Bauernhof in Givrins VD zehn JC Biver Carillon Tourbillon mit Minutenrepetition hergestellt, Stückpreis ab 500'000 Franken. Den horrenden Preis begründet der Senior mit den hohen Herstellungskosten, alleine der Lohn des Uhrmachers mache über die Hälfte des Verkaufspreises aus. Ende Jahr wird eine neue Uhr vorgestellt mit dem gleichen Aussehen wie das erste Modell, doch mit einem weitaus einfacheren Werk. Dafür sinkt der Preis auf unter 100'000 Franken. Vom zweiten Modell sollen 18 bis 20 Exemplare hergestellt werden.
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Wirbeln die Branche auf: Jean-Claude (l.) und Pierre Biver.
François Wavre / Lundi 13Wirbeln die Branche auf: Jean-Claude (l.) und Pierre Biver.
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