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Luxus

CPO-Markt: Das Milliardengeschäft mit Secondhand-Uhren

Uhren aus Vorbesitz sind ein Milliardenmarkt, die Aussichten grossartig. Nun ist offenbar Rolex kurz davor, selbst einzusteigen.

Iris Kuhn Spogat

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BUCHERER Odilo Lamprecht, Global Head Certified Pre-Owned bei Bucherer, verantwortet 24 CPO-Abteilungen in Europa und 31 in den USA, inklusive der Timemachine in New York.

PD

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Am Eingang zu Bucherer an der Bahnhofstrasse in Zürich steht ein Schrank von einem Türsteher. Er behütet eine Empfangsdame, die begrüsst und erst einmal klärt, warum man da ist, und dann, wo man damit im fünfstöckigen Geschäft am besten aufgehoben ist. Freundlich? Ja. Angenehm? Not really.

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Das angesteuerte Ziel ist die Abteilung mit Luxusuhren aus Vorbesitz, neudeutsch Certified Pre-Owned, kurz CPO. Sie heisst «Gallery» und befindet sich in der zweiten Etage. Dort wartet Odilo Lamprecht, Global Head Certified Pre-Owned von Bucherer, grüsst, geht voraus, vorbei an den gediegenen Auslagen, zur Bar im hintersten Teil der Etage, «Prosecco, Espresso, ein Drink?», bestellt zwei Espressi und wartet auf die erste Frage. «Läuft das hier?» Die Antwort: «Wir sind sehr zufrieden, es entwickelt sich besser und schneller, als wir erwartet haben.»

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Die Gallery ist einer von 24 CPO-Shops, die Lamprecht in den letzten drei Jahren in Europa eröffnet hat. Ein Kraftakt, gewiss, die Kosten aber sind überschaubar: «Wir haben ein flächendeckendes Filialnetz an besten Lagen», sagt er, «die Läden sind die perfekte Bühne.»

Kapitalintensiv ist das Ganze nichtsdestotrotz: Jede Uhr, die als CPO verkauft wird, wurde gekauft, geprüft, wenn nötig restauriert, als authentisch und intakt zertifiziert sowie fotografiert, bevor sie mit einer zweijährigen Bucherer-Garantie angeboten wird – auch online.

Bucherer New York

BUCHERER Die Timemachine in New York.

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Bucherer New York

BUCHERER Die Timemachine in New York.

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Erfolg verleiht Flügel, und Lamprecht dreht sein Geschäftmodell – «Gallery» in Bucherer-Läden – bereits weiter: Im Globus Zürich hat er zusammen mit dem bekannten Landschaftsgärtner Enzo Enea einen Pop-up-Store eröffnet, gemäss Konzept «eine grüne Oase, in der Uhren-, Design- und Gartenliebhaber sich austauschen können». Hemmschwellenfrei – und vom Flair her ein bisschen wie Bucherer in New York: In der Timemachine an der 5th Avenue wird CPO auf 500 Quadratmetern als Lounge-Event zelebriert.

Grosse Zahlen 

Dass Bucherer im CPO-Geschäft gross anrichtet, ist kein Wunder. Es ist hochdynamisch und von grossen Erwartungen dominiert, wie Studien zu «Ist» und «Kann werden» eingängig vorrechnen. Die Boston Consulting Group etwa schätzt den aktuellen Umsatz mit Pre-Owned-Uhren auf 21 Milliarden Euro und den Zuwachs auf acht Prozent pro Jahr. Konkurrent McKinsey rechnet, dass sogar zehn Prozent drinlägen, was bombig wäre verglichen mit den ein bis drei Prozent erwartetem Wachstum im Neuuhrengeschäft.

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2025 stünde dann ein CPO-Umsatz von bereits um die 35 Milliarden dem mit Neuware über 45 Milliarden gegenüber. Und es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, bis Ersterer Zweiteren überholt. Das Potenzial ist vorhanden: CPO-fähig sind grundsätzlich alle je hergestellten Uhren, zahllose liegen in Safes und Schubladen. Die Schätzwerte hierzu sind höchst vage, wabern zwischen 500 und 900 Milliarden Franken.

Einen Teil dessen hat der grösste CPO-Händler der Welt aus den USA, Watch-Box, gebunkert: «Wir haben aktuell weltweit Uhren mit einem Marktwert von 200 Millionen Franken an Lager», sagt Patrik Hoffmann, Chef von WatchBox Schweiz. Und das bei einem Umsatz 2021 von rund 300 Millionen Franken.

Bucherer setzt mit CPO-Shops neue Standards, WatchBox schärft mit Hamstern ein eigenes Profil. 50 der rund 220 Beschäftigten machen nichts anderes. Sie heissen «Trader», Hoffmann vergleicht ihr Tun mit dem von Portfoliomanagern einer Bank. Sie evaluieren vielversprechende Modelle und Marken, kaufen dann, was es zu kaufen gibt, mitunter sogar den Hersteller selbst.

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Swiss PR Patrik Headshots

WATCHBOX Patrik Hoffmann, CEO WatchBox Schweiz, hat nach Neuchâtel kürzlich einen zweiten Standort in Zürich eröffnet. Die Locations sind nicht als klassische Läden gedacht, sondern als «Begegnungsorte» für Uhrenenthusiasten.

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Swiss PR Patrik Headshots

WATCHBOX Patrik Hoffmann, CEO WatchBox Schweiz, hat nach Neuchâtel kürzlich einen zweiten Standort in Zürich eröffnet. Die Locations sind nicht als klassische Läden gedacht, sondern als «Begegnungsorte» für Uhrenenthusiasten.

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So geschehen mit De Bethune vergangenen Herbst. Die wertvollen Uhren der Genfer Manufaktur werden weggesperrt, bis der Markt so ausgetrocknet und die Nachfrage so gross ist, dass die Zeitmesser weit über dem Listenpreis Abnehmer finden. Nach dem gleichen Muster, allerdings ohne die Akquise, wurde mit F.P. Journe verfahren. «Wir haben das Potenzial dieser Marke früh gesehen und viele Uhren auf dem Sekundärmarkt gekauft», sagt Hoffmann und fügt an: «Heute erreicht der Preis dieser Uhren teils ein Vielfaches des Detailhandelspreises.» Die Wertsteigerung ist barer Gewinn für WatchBox und Markenpflege für die Hersteller.

Coups wie mit De Bethune und F.P. Journe sind aber auch für WatchBox Glücksfälle, nicht Alltag. Das grosse Geld verdient auch WatchBox mit Uhren unter dem Listenpreis. Aber durchs Band auf hohem Niveau: Gemäss Hoffmann hat man seit der Gründung vor sechs Jahren weit über 100'000 Deals abgewickelt.

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Der Durchschnittspreis pro Deal liegt heute nahe bei 30'000 Dollar, was der Grund dafür sein mag, dass nur gerade zwei Prozent der Deals via anonymes Click & Buy abgewickelt werden. Der Rest erfolgt als «Personal Commerce», online zwar, aber nach persönlichem Austausch via E-Mail oder WhatsApp. In Neuchâtel und seit Neustem in Zürich hat Hoffmann auch je einen Laden, er nennt sie «Begegnungsorte».

Uhren wie Aktien

Auch Philipp Man, Gründer und CEO des Onlineanbieters Chronext, ist schon lange nicht mehr online only, sondern hat, als vertrauensbildende Massnahme, «Lounges» eröffnet. «Junge kaufen zu 100 Prozent online», sagt er, «eher ältere Kunden kaufen eher online, wenn sie sich versichern können, dass das Unternehmen in echt existiert.»

Man ist seit neun Jahren im Geschäft, zählt zu den grossen Mitspielern und will ein möglichst grosses Stück vom CPO-Kuchen haben, möglichst rasch. Er peilt es «mit der Übernahme anderer Firmen im CPO-Bereich» an. Das Geld dafür wollte er 2021 mit einem Börsengang hereinholen, hat das Vorhaben «aufgrund der ungünstigen Marktbedingungen» aber verschoben, «nicht aufgehoben», wie er betont.

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CHRONEXT CEO Philipp Man bringt im zweiten Halbjahr eine App heraus, mit der sich künftig Uhren handeln lassen wie Finanzprodukte, und verwirklicht seine ursprüngliche Idee.

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CHRONEXT CEO Philipp Man bringt im zweiten Halbjahr eine App heraus, mit der sich künftig Uhren handeln lassen wie Finanzprodukte, und verwirklicht seine ursprüngliche Idee.

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Sein Ziel: «Eine Milliarde Umsatz in fünf bis sieben Jahren.» 2021 hat Chronext 140 Millionen Franken erzielt und steckt noch in den roten Zahlen. Nicht wegen der Uhren, «wir verdienen mit jeder Geld» – aber weniger, als Marketing und Werbung verschlingen. Anders als Bucherer, der ein topseriöser Ruf vorauseilt, muss Chronext Vertrauen erst aufbauen. Doppelt herausfordernd, da Chronext kein klassischer Uhrenhändler ist, sondern eine Tech-Firma mit datengetriebenem Geschäftsmodell.

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30 Leute der 180-köpfigen Belegschaft sind Softwareentwickler. Und die arbeiten derzeit an einer App für die wachsende Community von Uhrenfans, denen es nicht nur um die Uhren geht, sondern auch ums Geldanlegen. Via die Chronext-App werden Uhren zu Finanzprodukten: Kunden kaufen und verkaufen, ohne die Zeitmesser bei sich zu haben. Man lagert sie – gegen Gebühr – ein.

Damit schliesst sich für den 30-jährigen Unternehmer ein Kreis: «Damals vor neun Jahren haben wir uns gefragt, was für Konsumgüter man wie Finanzprodukte handeln könnte», erzählt er, «und wollten eine Börse für Uhren bauen.»

Mit der App wächst Chronext über den klassischen Online-Uhrenhandel hinaus. Die britische Plattform Watchfinder, schon vor 20 Jahren gegründet, gehört seit 2018 dem Richemont-Konzern und wird von Arjen van de Vall geführt.

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Er will Watchfinder mit «operationeller Exzellenz» von der Konkurrenz abheben. Auch seine Ambitionen sind Wolkenkratzer: «Die Leute sollen in allen Märkten, wo wir präsent sind, beim Stichwort «Pre-Owned» an Watchfinder denken, wie das in England bereits der Fall ist.»

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WATCHFINDER Arjen van de Vall will Watchfinder in der Schweiz als Synonym für CPO etablieren und wählt den Weg über Shops-in-Shop etwa bei Grieder in Zürich und ein einzigartiges Part-Exchange-Programm.

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WATCHFINDER Arjen van de Vall will Watchfinder in der Schweiz als Synonym für CPO etablieren und wählt den Weg über Shops-in-Shop etwa bei Grieder in Zürich und ein einzigartiges Part-Exchange-Programm.

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Der Weg ist noch lang, die Ideen sind weitläufig, reichen von Shops-in-Shop in Luxuskaufhäusern wie Grieder in Zürich und Genf bis zum sogenannten Part-Exchange-Programm: Bei Watchfinder kann man seine Uhr gegen eine andere eintauschen oder in Zahlung geben – ein echter Bonus gegenüber anderen Mitspielern. Und wer weiss, vielleicht lässt sich mit einer alten Cartier Santos bei Grieder irgendwann auch mal ein neues Céline-Täschchen kaufen – Karussellstatt Kreislaufwirtschaft.

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Derzeit eröffnet Watchfinder in Madrid ein Kundenservice-Center – für van de Vall ein Meilenstein bei der Internationalisierungsstrategie, die er seit drei Jahren verfolgt. Noch werden die vorgelagerten Services – von der Echtheitsprüfung bis zur Zertifizierung – in UK gemacht. Der Brexit steht einer schnellen Abwicklung mitunter im Weg, ist aber wichtig für den Exzellenzaspekt, den van de Vall im Kopf hat. Wie natürlich auch sicherzustellen, dass die Uhren, die er verkauft – mehrheitlich Rolex (siehe Tabelle links) –, halten, was versprochen wird.

Rolex Ante Portas 

Dass ein renommierter Händler wie Bucherer mit Stil und Stolz CPO-Uhren zelebriert und verkauft, hat das Geschäft mit gebrauchten Uhren auf ein neues (Seriositäts-)Level gehoben. Das hilft den Newcomern und animiert langsam, aber sicher auch die Uhrenhersteller selbst, das Thema CPO zu traktandieren und sich zu positionieren.

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Zum einen, weil der sogenannte Graumarkt floriert. Da werden nicht Uhren aus Vorbesitz verkauft, sondern Neuuhren, die keiner haben wollte. Chronext etwa ist in ein Händlernetzwerk mit rund 1500 Retailern eingebunden, die auf der Plattform ihre Ladenhüter feilbieten, oft mit Discount. Das schwächt natürlich Preisgefüge wie Image einer Marke.

Georges Kern, CEO von Breitling, hält dagegen, indem er von seinen Retailern zweimal im Jahr alle Uhren zurückkauft, die nicht mehr aktuell sind, und diese dann in Factory Outlets verkauft. Auch testet er ein eigenes Umtauschprogramm im Stil von Watchfinder. Omega mischt im CPO-Geschäft mit dem Service mit, alte Modelle auf ihre Echtheit zu prüfen. Cyrille Vigneron, CEO von Cartier, dem grössten Uhren- und Schmuckhersteller der Welt, wolle das Pre-Owned-Heft selbst in die Hand nehmen, heisst es.

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Gleiches munkelt man von Rolex. Die Vorbereitungen, für offizielle Rolex-Händler die Authentifizierung und die Zertifizierung von Uhren aus Vorbesitz zu übernehmen, stünden kurz vor Abschluss.

Von Rolex zertifizierte Secondhand-Rolex für offizielle Rolex-Partner only: ein Gerücht. Rolex selbst ist verschlossen wie eine Oyster.

Von Rolex zertifizierte Secondhand-Rolex für offizielle Rolex-Partner only. Rolex selbst gibt sich verschlossen wie eine Oyster, generell und bei Gerüchten ganz besonders. «Es ist etwas im Tun», kommentiert dagegen Odilo Lamprecht von Bucherer, dem grössten Rolex-Händler der Welt, «aber noch ist nichts spruchreif.»

Wer jetzt denkt, dass das für Philipp Man und seine Chronext eine Hiobsbotschaft sei, liegt falsch. Darauf angesprochen, sagt der junge Unternehmer: «Wenn ich mir das wünschen kann, dann besser heute als morgen», und fügt an: «Es wird den CPO-Markt weiter befeuern, weil es zeigt, dass Pre-Owned-Uhren auch in Augen der Marken selbst eine echte Alternative sind.»

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Über die Autoren
Iris Kuhn Spogat

Iris Kuhn-Spogat

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