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Uhren

Alexandre Mille über den Generationenwechsel im Luxusuhrenhaus Richard Mille

Alexandre Mille über seinen Weg ins Reich des Vaters, über Respekt und Demut und die Idee hinter 41 Boutiquen, in denen es nichts zu kaufen gibt.

Iris Kuhn Spogat

Alexandre Mille

NEXT GENERATION Alexandre Mille (35) führt die Marke Richard Mille zusammen mit seiner Schwester Amanda. Die Tochter von Mitgründer Dominique Guenat, Cécile, verantwortet derweil das Design.

PD

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Vor 21 Jahren gründete Richard Mille nach langen Jahren in der französischen Uhren- und Schmuckbranche seine eigene Uhrenmarke zusammen mit dem Uhrmacher Dominique Guenat. Die Vision: Grenzen sprengen, die Dinge anders machen, und zwar genau so, wie er sie im Kopf hatte. Dafür arbeitete er eng mit Renaud & Papi zusammen, der Entwicklungsdivision von Audemars Piguet. Damals war sein Name kaum jemandem ein Begriff. Heute steht er weltweit für ultraluxuriöse Uhrmacherei. Morgan Stanley schätzt deren Umsatz 2021 auf eine Milliarde Franken. Der Gründer, inzwischen 71 Jahre alt, übergibt nun langsam, aber sicher an die nächste Generation, unter anderem an seinen Sohn Alexandre (35).

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Alexandre Mille, wie sind Sie in die Fussstapfen Ihres Vaters geraten?
Es spielte keine Rolle für meine Eltern, welche Laufbahn meine Geschwister und ich einschlagen wollten. Uns standen alle Wege offen, Druck gab es keinen. Ich studierte zunächst Jura und stieg dann auf Filmwissenschaften um, ich wollte Regisseur werden.

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Daraus ist offenbar nichts geworden. Warum der Richtungswechsel?
Zum Studium an der Filmhochschule gehörte ein Praktikum. Dieses absolvierte ich bei einem Lieferanten von Richard Mille und machte Videos für die Marke, ohne dass mein Vater davon wusste. Daraufhin fragte er mich, ob ich dem Unternehmen beitreten wolle. Das war 2014.

Wofür?
Um eine eigene Abteilung zur Produktion von Markenvideos aufzubauen. Und das habe ich gemacht. Wir erstellten Tutorials, um das Verkaufsteam mit den komplexen Mechanismen unserer Zeitmesser vertraut zu machen. Dabei habe ich natürlich selbst enorm viel gelernt. Zudem drehte ich Videos mit Partnern wie Rafael Nadal, Pablo Mac Donough und dem McLaren-Formel-1-Team.

Heisst: Ihr Vater hat Sie geschickt gelockt – und Sie erst einmal zum Regisseur gemacht. Wie ging es weiter?
2017 erhielt ich von unserem Vertriebspartner für Nord- und Südamerika die Möglichkeit, mit dem dortigen Team zusammenzuarbeiten, und war drei Jahre in den USA. Vor zwei Jahren, gerade als der Lockdown begann, wollte mein Vater, dass ich mehr ins Unternehmen eingebunden werde und hier Aufgaben übernehme. Er stellte mich Tag für Tag vor neue Herausforderungen, was wohl das Beste war, was mir passieren konnte. Ich habe enorm viel gelernt, war und bin im Unterschied zu ihm nie allein mit den Challenges, sondern kann auf die Unterstützung meines Teams zählen.

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Was unterscheidet Sie von Ihrem Vater?
Wir sind eine andere Generation, andere Persönlichkeiten, haben einen anderen Geschmack. Er liebt Autos, mein Herz schlägt für das Kino, Comics und Musik.

Foto: PD

Was haben Sie gemeinsam?
Respekt füreinander, für unsere Mitarbeitenden und für das Universum, das sie hervorbringen. Und wir sind uns beide bewusst, dass wir «nur» Uhren machen und keine Leben retten.

Ist er noch präsent?
Selbstverständlich! Er hat sich noch nicht aus dem Unternehmen zurückgezogen, kommt fast jeden Tag ins Büro. Wir essen gemeinsam zu Mittag, und er lädt oft andere Leute ein, aus der Firma, aus der Verwandtschaft, Freunde, Partner. Danach kehren wir zwei jeweils in mein Büro zurück und reden über dies und das, ohne eine bestimmte Agenda zu verfolgen – so funktioniert die Übergabe bei uns.

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Sind Sie jetzt CEO von Richard Mille?
Richard Mille ist kein Unternehmen im klassischen Sinn, und deshalb gibt es auch keinen CEO im klassischen Sinn. Wir teilen Aufgaben, Verantwortung tragen wir gemeinsam.

Wie ist die Zusammenarbeit mit Ihrer Schwester?
Offen gesagt: Sie ist der Hauptgrund, weshalb ich für die Marke arbeite. Ich habe den grössten Respekt vor ihr, und ich liebe sie von ganzem Herzen. Wir haben die gleiche Denkweise und streiten nie. Sie ist sehr kreativ und die geeignete Person, um sich um unsere Partner zu kümmern.

Wie wurden Sie im Unternehmen aufgenommen?
Sehr gut. Ich habe ja auch nie so getan, als ob ich alles wüsste. Ich agiere transparent, ich bin nun bereits seit einigen Jahren dabei. Die Leute hier kennen mich, sie wissen, dass ich nur im Interesse der Marke handle, mein Ego spielt keine Rolle.

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Wie können Sie sich da sicher sein?
Das ist ganz einfach: Ausserhalb des Unternehmens kennt fast niemand meinen Namen.

«Wir haben Ideen und setzen ein Ziel, aber nie ein Budget.»

Was hält Sie gerade auf Trab?
Ich kann ankündigen, dass wir im Juli eine neue Kollektion herausbringen werden – und ich versichere Ihnen, dass niemand damit rechnet, was kommt.

Wie viel Zeit steckt in so was?
Je nachdem, welche Herausforderungen zu meistern sind, gibt es grosse Unterschiede. So brauchte zum Beispiel die Entwicklung der RM 039 Tourbillon Aviation Flyback E6-B etwa vier Jahre. Nachdem wir sie vorgestellt hatten, dauerte es nochmal sechs Jahre, bis wir alle Exemplare produziert hatten.

Warum dauert das so lange?
Jedes neue Modell wird von Grund auf neu entwickelt. Neue Uhren wie auch neue technische Elemente durchlaufen zudem eine Vielzahl an Tests, welche für bestimmte Neuheiten natürlich erst noch entwickelt werden müssen.

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Apropos Tests: Es heisst, die Uhr von Rafael Nadal hält Stössen von bis zu 12'000 G stand. Wie wird das getestet?
Mit einem grossen Hammer, den wir auf die Uhr niedersausen lassen. Diesen Test entwickelten wir für Rafas erste Uhr. Heute ist er Standard für alle Uhren, ausser für die mit Edelsteinen im Baguette-Schliff verzierten. Denen bleibt das erspart. Gleiches gilt auch für den Handtaschen-Test, bei dem die Uhr stundenlang durchgeschüttelt wird.

RM 27-04 TOURBILLON RAFAEL NADAL Das Modell wurde anlässlich der zehnjährigen Partnerschaft mit dem Tennisspieler kreiert, wiegt 30 Gramm inklusive Band, hält 12 000 G stand und kostet eine Million Franken.

RM 27-04 TOURBILLON RAFAEL NADAL Das Modell wurde anlässlich der zehnjährigen Partnerschaft mit dem Tennisspieler kreiert, wiegt 30 Gramm inklusive Band, hält 12 000 G stand und kostet eine Million Franken.

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RM 27-04 TOURBILLON RAFAEL NADAL Das Modell wurde anlässlich der zehnjährigen Partnerschaft mit dem Tennisspieler kreiert, wiegt 30 Gramm inklusive Band, hält 12 000 G stand und kostet eine Million Franken.

RM 27-04 TOURBILLON RAFAEL NADAL Das Modell wurde anlässlich der zehnjährigen Partnerschaft mit dem Tennisspieler kreiert, wiegt 30 Gramm inklusive Band, hält 12 000 G stand und kostet eine Million Franken.

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Rafael Nadals Neuste wiegt nur 30 Gramm, einschliesslich Armband.
Wir arbeiten seit 2010 mit Rafa zusammen. Er spielt immer mit einer Richard Mille am Handgelenk, was für uns eine Herausforderung ist. Andererseits ist es genau das, was unsere Teams so lieben: neue Konzepte entwickeln und sich selbst übertreffen. Für unsere Tüftler sind aussergewöhnliche Herausforderungen wie jeden Tag Weihnachten.

Wie lauten die Vorgaben an die Tüftler?
Wir haben Ideen und setzen ihnen ein Ziel, aber nie ein Budget. Unsere Pipeline ist bis etwa 2030 gefüllt. Und es kommen immer neue dazu, nicht zuletzt dank unserer wachsenden Richard-Mille-Familie. Das neuste Mitglied ist Arnaud Jerald, Weltmeister im Apnoetauchen. Er wird unseren Uhrmachern demnächst all seine Herausforderungen präsentieren – und sie werden dann die Lösungen entwickeln.

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Die Neuheiten präsentieren Sie nicht mehr in Genf.
Warum? Wir haben keine Einzelhändler mehr in unserem Netzwerk. Das bedeutet, dass der Hauptzweck einer solchen Messe nicht mehr mit den Bedürfnissen unseres Unternehmens übereinstimmt. Wir wollen unseren eigenen Launch-Kalender befolgen und die Einführung neuer Produkte persönlicher gestalten.

Sie verkaufen Ihre Uhren also ausschliesslich in eigenen Boutiquen?
Ja, inzwischen besitzen wir weltweit 41 eigene Geschäfte. Die Vitrinen der meisten unserer Boutiquen sind allerdings leer.

Warum haben Sie Läden, wenn Sie keine Uhren haben, die man dort kaufen könnte?
In der Boutique können Sie die verschiedenen Universen der Marke kennenlernen, einen guten Kaffee trinken. Unsere Kunden verbringen gerne Zeit mit uns.

Haben Sie wenigstens Prototypen im Geschäft oder Modelle aus dem 3-D-Drucker?
Nein, Prototypen in unseren Geschäften anzubieten, macht in unseren Augen keinen Sinn. Denn nichts soll das Gefühl ersetzen, das man hat, wenn man seine Uhr zum ersten Mal ans Handgelenk legt. Das kann man nicht simulieren.

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RM 07-01 PASTEL BLUE Das Design stammt von Cécile Guenat, Tochter des Co-Gründers Dominique Guenat und Kreativchefin der Marke Richard Mille.

RM 07-01 PASTEL BLUE Das Design stammt von Cécile Guenat, Tochter des Co-Gründers Dominique Guenat und Kreativchefin der Marke Richard Mille.

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RM 07-01 PASTEL BLUE Das Design stammt von Cécile Guenat, Tochter des Co-Gründers Dominique Guenat und Kreativchefin der Marke Richard Mille.

RM 07-01 PASTEL BLUE Das Design stammt von Cécile Guenat, Tochter des Co-Gründers Dominique Guenat und Kreativchefin der Marke Richard Mille.

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Heisst, man kauft Uhren, die ab 100'000 Franken kosten, ohne sie je am Handgelenk gehabt zu haben?
Unsere Verkäufer sind die besten Berater, wenn es darum geht, das jeweils richtige Modell zu finden.

Wie geht es weiter, wenn es gefunden ist?
Bei Uhren, die nicht in limitierten Auflagen hergestellt werden, können Sie Ihr Interesse gegenüber unseren Teams bekunden. Das wird dann der örtlichen Zentrale gemeldet und auf eine Wunschliste gesetzt. Und dann hängt alles von unserer Produktion ab.

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Wunschliste?
Auf Wartelisten werden Bestellungen notiert. Auf unserer Wunschliste ein Wunsch.

Was hilft am meisten, um an eine Richard Mille zu kommen: Connections, Promi-Status oder Geld?
Es geht bei uns um Beziehungen von Mensch zu Mensch. Und daher ist die Beziehung wichtig, die ein Kunde zu seinem Verkaufsberater aufbaut und pflegt – selbst dann, während er wartet.

2021 erreichte Richard Mille erstmals mehr als eine Milliarde Franken Umsatz. Wie viel mehr ist drin?
Gute Frage. Wir haben keine Modelle auf Lager. Pro Jahr können wir nur etwa 5000 Uhren produzieren.

Auf immer und ewig?
Wir wollen wachsen, und wir werden das auch tun, aber wir wollen es richtig machen.

Über die Autoren
Iris Kuhn Spogat

Iris Kuhn-Spogat

Iris Kuhn-Spogat

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