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Ein gefangener Pharmakonzern

Warum Roche unter der Nähe zwischen Besitzerfamilie und Management leidet

Das enge Zusammenspiel zwischen Besitzerfamilie und Management galt lange als Erfolgsgarant. Nun zeigen sich die Nachteile.

Erik Nolmans

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Die Keyplayer aus Management und Aktionariat tun sich gegenseitig gerne Gutes: Severin Schwan, Christoph Franz, André Hoffmann und Thomas Schinecker (v.l.) an der Generalversammlung vom März dieses Jahres.

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Letzten Sommer in Ibiza lösten sie sich ab: Für den ersten Teil der mehrtägigen Hochzeitsfeier von Hans Emanuel Oeri, Spross der Roche-Besitzerfamilie, war Noch-Präsident Christoph Franz angereist, für die Hochzeit selber war Nachfolger Severin Schwan vor Ort.

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Man pflegt einen engen Kontakt im Hause Roche. Dass die Vertreter des Managements auch privat einen Austausch mit dem Oeri-Hoffmann-Clan halten, ist seit Jahrzehnten ein ungeschriebenes Gesetz. Auch die Gattinnen dürfen gerne dabei sein: Am Dinner vor wenigen Wochen anlässlich des 20-Jahr-Jubiläums des Museums Schaulager in Münchenstein bei Basel, wo die Sammlung der Kunststiftung der Familie untergebracht ist, war Schwan mit Gattin Ingeborg zu Gast.

Auf gute Umgangsformen wird viel Wert gelegt, man ist nett und freundlich miteinander, in steter Gewissheit, dass man ja auf gemeinsamem Boden steht, jenem des Traditionsunternehmens Roche.

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«Roche hat diese einzigartige Struktur, wo die Besitzer, der Verwaltungsrat und das Management gemeinsam am selben Tisch sitzen», sagt André Hoffmann, Sprecher der Besitzerfamilie und Vizepräsident des Verwaltungsrats von Roche. Es sei eine Struktur, «in der man sich nicht immer gegenseitig auseinandersetzen muss».

Ruhe und Unaufgeregtheit sind die Grundlagen. Nicht nur für die persönlichen Beziehungen untereinander, sondern auf die Länge auch für den Erfolg von Roche, ist Hoffmann überzeugt: «Roche ist ein innovationsbasiertes Unternehmen, und Innovation braucht Langfristigkeit und Ruhe, um sich zu entwickeln.» Der kurzfristige Profit stehe nicht im Vordergrund, und schon gar nicht komme man auf die Idee, «dass die Börse allein entscheiden kann, was wir machen sollen».

Nicht die Ruhe stören

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Es ist fast schon das diametrale Gegenkonzept zu jenem von Managerlegende Percy Barnevik (82), ehemals Chef von ABB, dessen Programm es war, in seiner Firma künstlich Krisen zu erzeugen, um die Leute alert zu halten und zu vermeiden, dass sie in Trägheit verfallen.

André Hoffmann ist als Sprecher der ­Besitzerfamilie und Vizepräsident des Verwaltungsrats von Roche die zentrale Figur im System.

André Hoffmann ist als Sprecher der Besitzerfamilie und Vizepräsident des Verwaltungsrats von Roche die zentrale Figur im System.

Keystone
André Hoffmann ist als Sprecher der ­Besitzerfamilie und Vizepräsident des Verwaltungsrats von Roche die zentrale Figur im System.

André Hoffmann ist als Sprecher der Besitzerfamilie und Vizepräsident des Verwaltungsrats von Roche die zentrale Figur im System.

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Hoffmann beschreibt das System Roche, die Struktur zwischen Eigentümern, Verwaltungsrat und operativem Management, als Dreieck, das die in der Vergangenheit lange bestehende Prädominanz eines einzelnen starken Mannes abgelöst habe. So war etwa Fritz Gerber in seiner Zeit bei Roche über viele Jahre gleichzeitig CEO und Verwaltungsratspräsident und danach sogar auch Sprecher der Besitzerfamilie. Die Interessen im Dreieck seien im Grunde deckungsgleich, sagt Hoffmann: «Was gut ist für Roche, ist auch gut für die Familie.»

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Doch trifft auch das Umgekehrte zu? Ist das, was gut ist für die Familie, auch gut für Roche?

Ende 2021 war es, als das Roche-Management, damals noch unter Präsident Christoph Franz, mit einem Knaller aufwartete: Roche gab den Rückkauf der Beteiligung bekannt, die der Basler Nachbar Novartis an Roche hielt. Rund ein Drittel aller Inhaberpapiere hatte der Lokalrivale besessen; das Paket war einst vom wenig geliebten Novartis-Chef Daniel Vasella aufgebaut worden. 19 Milliarden legte Roche für den Rückkauf auf den Tisch.

Was tat die Roche-Führung mit diesen Aktien? Sie vernichtete sie und reduzierte damit die Gesamtzahl der Papiere drastisch. Effekt war ein gewaltiger Sprung der Stimmkraft der Besitzerfamilie, die davor nur eine knappe Mehrheit von 50,01 Prozent gehalten hatte. Nun besass man mit einem Schlag 75,1 Prozent der Stimmen.

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Aktionärsvertreter Ethos reagierte mit einer bissigen Stellungnahme: «Ethos ist der Ansicht, dass es nicht im Interesse aller Anspruchsgruppen ist, 19 Milliarden Franken Schulden aufzunehmen, nur um Kapital zu vernichten.»

Auch im Markt gab es kritische Stimmen, und nicht wenige fragten sich, ob man diese 19 Milliarden nicht auch anders hätte einsetzen können, etwa für einen geschickten Zukauf oder ein Investment in einen aufstrebenden Biotech-Player, wodurch man auch die Pipeline neuer Medikamente hätte füllen können, statt die Macht des Mehrheitseigners zu steigern, und dies notabene «ohne dass er einen Rappen investieren muss», wie Ethos monierte.

Die Kritik muss auch vor dem Hintergrund gesehen werden, dass Severin Schwan generell in der Branche den Ruf der Übervorsichtigkeit besass. «Mehr Mut zum Risiko für eine grössere Akquisition, die gleich ein neues Feld wie etwa seltene Erbkrankheiten abdecken würde, könnte wie ein Befreiungsschlag wirken», sagt Michael Nawrath, Pharmaanalyst bei der unabhängigen Research-Boutique Octavian. Die Roche-Konkurrenten waren weniger zögerlich. AstraZeneca etwa, notabene unter dem Ex-Roche-Mann Pascal Soriot, der in Basel nicht zum Handkuss gekommen war, 2013 als CEO zum Konkurrenten wechselte, dort mit einer geschickten Akquisitionsstrategie für Furore sorgte und den Aktienkurs beflügelte.

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Man habe die Diskussion über die Frage der Kapitalallokation im Zusammenhang mit dem Kauf des Novartis-Pakets «im Verwaltungsrat sehr intensiv geführt», sagt Schwan. Er war seit 2013 zusätzlich zu seiner Rolle als CEO auch Mitglied des Verwaltungsrats und war bei der Transaktion mit Novartis an vorderster Front beteiligt. «Wir kamen zum Schluss, dass unsere strategische Flexibilität trotz diesem Zukauf gewahrt bleibt.» Die Finanzierbarkeit für etwaige Zukäufe sei weiter gegeben.

Den Vorwurf der Zögerlichkeit in Sachen Akquisitionen lässt er nicht gelten, man habe sich verschiedene Sachen angeschaut, «aber Geld rauszuschmeissen, wenn man zum Schluss kommt, dass es im Grunde nicht passt, ist ja auch Unsinn». Die Preise seien oft in keinem Verhältnis gestanden zu dem, was man bekommen hätte, vor allem für Firmen mit Produkten in der Endphase, für die ein eigentlicher Bietermarkt herrsche.

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Entflechtung

Die Stärkung der Stimmkraft der Besitzerfamilie sei eine Folge, nicht ein Beweggrund gewesen. Die beiden Familienvertreter im Board, nebst André Hoffmann noch dessen Neffe Jörg Duschmalé, seien zu diesem Thema stets ordnungsgemäss in den Ausstand getreten.

Wichtig sei für den Verwaltungsrat die Entflechtung der beiden Wettbewerber gewesen: «Das hat uns wieder die volle strategische Flexibilität gebracht.» Auch wenn die Familie in dieser Sache keine aktive Rolle gespielt habe, sei man natürlich mit dem Ergebnis nicht unglücklich, sagt Hoffmann, denn dies bringe dem Konzern auch im Aktionariat die wichtige Ruhe und der Familie zudem mehr Flexibilität, sollten einzelne Mitglieder Aktien verkaufen wollen, um eigene Pläne zu verfolgen – die Besitzverhältnisse würden nicht strukturell verändert.

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«Besitzer zu sein, ist eine Arbeit, und diese Arbeit leisten wir», sagt Hoffmann. Effekt des Deals war aber auch, dass damit noch die letzte Fusionsfantasie aus dem Markt war, denn mit rund drei Vierteln der Stimmen ist die Macht der Oeri-Hoffmanns in Zement gegossen.

In der Vergangenheit versuchten findige Angreifer wiederholt, die Trutzburg zu stürmen, nicht nur wegen der knappen Mehrheit, sondern auch wegen der sehr speziellen Kapitalstruktur, die dem Grundsatz «One share – one vote» widerspricht.

Roche hat zwei Aktienkategorien, mit Stimmrecht versehene Inhaberaktien und stimmrechtslose Genussscheine, die gegen 90 Prozent des Kapitals ausmachen. So kommt es, dass die Oeri-Hoffmann-Familie mit rund neun Prozent des Kapitals über die Firma bestimmen kann.

Dass die Aktionäre heute immer weniger bereit sind, einen Zuschlag auf die Inhaberaktie zu zahlen – eine Inhaberaktie kostet 274, ein Genussschein 254 Franken (Stand 22. August) –, weil sie mit dem Stimmrecht, das damit verbunden ist, angesichts der Prädominanz der Besitzerfamilie ohnehin nichts anfangen können, zeigt die Kursentwicklung: Mit einem Minus von 24 Prozent ist der Kurs der Inhaberaktien seit Anfang Jahr doppelt so stark gefallen wie jener der Genussscheine.

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Das fügt sich ein in das generell düstere Bild, das Roche derzeit an der Börse bietet. Roche ist in diesem Jahr mit einem Minus von 12,5 Prozent der schlechteste aller SMI-Werte. Auch die Medien, die sich schon seit den Flops mehrerer Medikamente im letzten Jahr, als der milliardenteure Hoffnungsträger gegen Alzheimer und zwei weitere Wirkstoffe in später Entwicklungsphase scheiterten, auf den Basler Pharmakonzern eingeschossen hatten, sind für Roche inzwischen nicht eben positiver geworden. «Roche steckt in der Krise», urteilte der «Tages-Anzeiger», und die «Neue Zürcher Zeitung» konstatierte: «Die Roche-Führung sieht sich mit anhaltender Skepsis konfrontiert.»

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Die Konkurrenz macht mehr Freude. Die amerikanische Eli Lilly etwa hat dieses Jahr ihren Börsenwert um über 50 Prozent gesteigert: «Die Amerikaner haben die Schweizer mit ihrer Agilität völlig abgehängt, weil sie strategisch in den ‹heissen› Themen Alzheimer und Fettleibigkeit mit zukünftigen Mega-Blockbustern vertreten sind», urteilt Analyst Nawrath.

Schatten des Vorgängers

Eine schwierige Ausgangslage also für den neuen Roche-CEO Thomas Schinecker, der diesen Frühling den operativen Chefposten von Schwan übernommen hat, als dieser ins VR-Präsidium wechseln durfte.

Schinecker soll den Konzern revitalisieren, doch die Ausgangslage für ihn ist schwierig. Denn allzu grosse Korrekturen am bisherigen Kurs sind indirekt auch eine Kritik an Vorgänger Schwan, der als Präsident weiterhin in der Machtposition ist. Genau aus diesem Grund gilt es aus Corporate-Governance-Sicht ja als ungünstig, wenn der ehemalige CEO auf den Präsidentensessel wechselt, weil sich der Neue im Schatten des Vorgängers nicht frei entfalten kann. Für die Betroffenen selber kein Problem: «Es kommt sehr darauf an, wie das konkret gelebt wird», sagt Schwan, und Schinecker hatte BILANZ bei seinem Amtsantritt wissen lassen: «Severin Schwan ist einer, der viel Freiheit lässt.»

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Dass mit Schinecker ein Eigengewächs zum Zug kommen durfte, das praktisch seine ganze Karriere bei Roche unter Langzeitchef Schwan verbracht hatte, trägt dazu bei, dass auch bezüglich Management der Eindruck herrscht, es gehe vor allem um die Zementierung des Status quo und weniger um frischen Wind an der Spitze. Die Nomination von Schwan fürs Präsidium wiederum passt gut ins System Roche, das von besagter Ruhe und Beständigkeit lebt. Den Kreis hält man eng: Der Konzern hatte in den letzten vierzig Jahren gerade mal fünf Personen in den beiden Schlüsselpositionen des Chairman und des CEO.

Auch dies ist Teil des ungeschriebenen Pakts: Fügt sich das Management ins System ein, kann es damit rechnen, seinerseits pfleglich behandelt und langfristig gehätschelt zu werden.

Dass Schwan nach 15 üppigen Jahren als CEO ins gut bezahlte Präsidium – Salär: sechs Millionen Franken im Jahr – wechseln durfte, ist keine Selbstverständlichkeit. Nicht nur aufgrund der erwähnten Corporate-Governance-Richtlinien, nach denen ein nahtloser Wechsel verpönt ist. Schwans Image als Manager hat einige arge Kratzer, hatte er doch während vieler Jahre zusätzlich zu seinem CEO-Job bei Roche das Amt des Vizepräsidenten der Credit Suisse inne und wird heute für den Untergang der Bank mitverantwortlich gemacht.

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Angriffe auf die Trutzburg: Versuche, das System Roche aufzumischen, scheiterten in der Vergangenheit wiederholt

Der Erste, der sein Glück bei Roche versuchte, war in den 1980ern ein Amerikaner jugoslawischer Herkunft, Milan Panic, Gründer der kalifornischen Biotech-Firma ICN. Still und heimlich hatte er ein Paket von 8,7 Prozent aufgebaut und drohte mit der Übernahme.

Bei der Familie weckte das tief verankerte Ängste aus der Vergangenheit. Schon einmal hatte man die Mehrheit verloren, nach 1920 war das, als die Familie Hoffmann finanziell nicht in der Lage gewesen war, bei einer Kapitalerhöhung mitzuziehen. Es war Paul Sacher, zweiter Ehemann der Witwe von Gründersohn Emanuel, dem es auf verschlungenen Wegen gelang, die Mehrheit zurückzuerobern.

Derlei sollte nicht noch einmal passieren: Panic wurde ausgetrickst. Der damalige Finanzchef von Roche, Henri B. Meier, inszenierte einen Kurssturz der Inhaberaktien, was den verschuldeten Panic zum Verkauf zwang. Das Paket landete bei der Glarner Beteiligungsgesellschaft Pharma Vision, deren Kontrolle Investor Martin Ebner und der mit ihm befreundete Christoph Blocher 1991 übernommen hatten.

Damit kam Roche vom Regen in die Traufe, denn Ebner baute das Paket auf 20 Prozent aus. Er war überzeugt, dass die Kapitalstruktur, welche der Familie mit nur wenig Kapital dank Stimmrechtsaktien die Mehrheit sicherte, in Zeiten moderner Corporate Governance keinen Bestand haben würde. Er unterschätzte die Standfestigkeit des Clans: 2001 schmiss er zermürbt das Handtuch und verkaufte an Novartis-Chef Daniel Vasella, der das Paket auf über 30 Prozent ausbaute und zur Fusion drängte. Auch er lief ins Leere: Im November 2021 kaufte Roche schliesslich diese Aktien von Novartis zurück und zerstörte sie.

Christoph Blocher (l.) und Martin Ebner (hier 1999 an der Algroup-Generalversammlung) hatten über die Beteiligungsgesellschaft Pharma Vision ein Paket an Roche-Aktien aufgebaut. Ebner forderte erfolglos die Einführung einer Einheitsaktie.

Christoph Blocher (l.) und Martin Ebner (hier 1999 an der Algroup-Generalversammlung) hatten über die Beteiligungsgesellschaft Pharma Vision ein Paket an Roche-Aktien aufgebaut. Ebner forderte erfolglos die Einführung einer Einheitsaktie.

Keystone
Christoph Blocher (l.) und Martin Ebner (hier 1999 an der Algroup-Generalversammlung) hatten über die Beteiligungsgesellschaft Pharma Vision ein Paket an Roche-Aktien aufgebaut. Ebner forderte erfolglos die Einführung einer Einheitsaktie.

Christoph Blocher (l.) und Martin Ebner (hier 1999 an der Algroup-Generalversammlung) hatten über die Beteiligungsgesellschaft Pharma Vision ein Paket an Roche-Aktien aufgebaut. Ebner forderte erfolglos die Einführung einer Einheitsaktie.

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Doch die Besitzerfamilie nahm die Konstellation nicht als Gelegenheit, die Ära Schwan zu beenden und einen frischen Mann von aussen fürs Präsidium zu holen. Sicherlich ein bewusster Entscheid: «Der Familienpool beeinflusst massgeblich, wer im Verwaltungsrat sitzt, weil wir ja die Generalversammlung kontrollieren», hatte Hoffmann selber vor rund zehn Jahren in einem Gespräch mit BILANZ betont.

Dies sei im Grunde «die eigentliche und einzige Macht des Aktionärs». Das Management sei sich der Macht des Hauptaktionärs natürlich bewusst, sagt Schwan, doch eine der Stärken sei das kollektive Bewusstsein, dass die Familie zwar in die langfristig relevanten Themen involviert sei, sich aber operativ heraushalte. Das sei bei Familienunternehmen beileibe nicht immer so.

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Das Weite gesucht

Personen mit Ecken und Kanten finden bei Roche oft auf die Länge keine Zukunft. Zu laut, zu eigenständig im Denken, und bald steht man im Ruf eines Ruhestörers. Immer wieder verliert Roche gute Leute, Art Levinson etwa, lange Chef der amerikanischen Tochter Genentech, der bis 2013 auch dem Verwaltungsrat von Roche angehörte. Ehemalige Mitglieder des Verwaltungsrats schildern, der Amerikaner habe wie ein Spaltpilz im Gremium gewirkt, was den anderen Mitgliedern im Gremium aufgestossen sei.

Bei der kürzlich erfolgten Neubesetzung des CEO-Postens kam Bill Anderson, ebenfalls Amerikaner und ebenfalls ein Ex-Genentech-CEO, letztes Jahr nicht zum Zug. Anderson gilt als wilder Typ, das deutsche «Manager Magazin» nannte den Texaner, der bei Roche als Pharmachef wirkte, jüngst in einem grossen Porträt «Cowboy-CEO». Er war auch als über 50-Jähriger noch gerne auf dem Skateboard unterwegs, bis er vom Brett fiel und liegen blieb – mit in vier Teile gespaltenen Hüftknochen.

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«Es war nicht das erste Mal, dass sie bei Roche die Köpfe geschüttelt haben über ihren verhaltensauffälligen Pharmachef», schrieb das Magazin. Anderson verliess Roche nach der Nomination von Schinecker und schaffte beim deutschen Konkurrenten Bayer den Karrieresprung: Seit dem 1. Juni ist er dort CEO. Wer weiss, vielleicht hätte der quirlige Amerikaner auch Roche gutgetan – schliesslich wartet der Markt auf ein Aufbruchsignal, auf etwas, das die Ruhe stört.

Mauerblümchen

«Es braucht bei Roche etwas, das die Leute energetisiert», so Christian Lach, Lead Portfolio Manager des Bellevue-Biotech-Fonds. Derzeit ist im Roche-Titel keinerlei Fantasie. Das sieht man nicht nur am gedrückten Kurs, auch die Umsätze sind seit Wochen auf ungewöhnlich tiefem Niveau. Kaufen oder verkaufen? Gemach – es interessiert sich schlicht keiner mehr für den Titel. Von einer «immer beklemmenderen Umsatzflaute» schreibt das Wirtschafts-portal Cash.ch, Roche führe ein «Mauerblümchendasein». Auch Kundenberater von Banken registrieren, dass sich ihre Klientel kaum für Roche interessiert.

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Es ist nun an Schinecker, das Gefüge aufzubrechen. Zuzutrauen ist es dem Neuen. Er gilt als sattelfest in den Dossiers und zudem als Anpacker. Im Bereich Diagnostik, den er vor seiner Berufung zum CEO sehr erfolgreich leitete, liess er keinen Stein auf dem anderen und krempelte unter anderem die Führungsstruktur grundlegend um.

«Der neue Chef ist ein etwas anderer Typ als Schwan – das kann schon etwas auslösen», sagt Portfolio-Manager Lach. Mit Schinecker sind weitere neue Leute in die Konzernleitung eingezogen. Innert kurzer Zeit wurde die operative Führungscrew zum grossen Teil erneuert – eine gute Voraussetzung für zusätzliche Dynamik. Am Investors’ Day vom 11. September in London kündigte Schinecker an, dass im Rahmen der Konzern- und Pharmastrategie auch grössere Akquisitionen geplant seien. Klar ist: Nicht nur die Investoren, auch die Mitarbeitenden sind gespannt, wie es weitergeht.

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Über die Autoren
Erik Nolmans

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