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Interview

Warum Investor Lars Windhorst in aller Stille in die Schweiz zügelte

Lars Windhorst galt in Deutschland als Wirtschafts-Wunderkind. Lange wohnte der Investor in London. Doch dann zog es ihn in die Schweiz.

Dirk RuschmannDirk Schütz

Dirk Ruschmann

& Dirk Schütz

Lars Windhorst

Lars Windhorst in seinem Büro in Zürich. Hier führte früher der russische Oligarch Viktor Vekselberg seine Geschäfte.

Paolo Dutto

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Es ist das frühere Büro von Russen-Oligarch Viktor Vekselberg: Lars Windhorst, der in Deutschland zu Zeiten von Kanzler Helmut Kohl als Wirtschafts-Wunderkind galt, ist still und leise in die Schweiz gezügelt. Sein Schreibtisch steht hoch über Zürich im elften Stock des Hochhauses «Zur Palme», der Blick reicht weit über Stadt und See. Die Einrichtung: herrschaftlich gediegen.

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Herr Windhorst, Sie leben seit einem Jahr in der Schweiz – unbemerkt. Warum?
Da kamen geschäftliche und private Gründe zusammen. Der Entscheid, aus London wegzuziehen, fiel bereits 2016. Damals gab es diverse Unsicherheiten, der Brexit kam überraschend. Es war nicht absehbar, wie weit der EU-Austritt Auswirkungen auf unsere Firmenstruktur haben würde.

Gab es Alternativen zur Schweiz – zum Beispiel Monaco?
Ich finde es zwar schön dort, aber meine Frau – wir haben im Oktober 2019 geheiratet – konnte damit wenig anfangen. Und es fehlt auch der Anreiz, um dort Mitarbeiter anzusiedeln. Da ist die Schweiz eine ganz andere Hausnummer, bietet auch viel Lebensqualität, und Sprache und Kultur sind uns als Deutschen näher.

Zurück nach Deutschland: kein Thema?
Das stand nicht zur Debatte. Ich bin dort vor über zehn Jahren weggegangen, habe zwischen Hongkong und London nur einige Jahre in Berlin gewohnt. Für unsere Holding-Struktur und das internationale Finanzgeschäft ist Deutschland nicht ideal. Wir tätigen dort zwar viele Investitionen, und ich bin sicher alle zwei Wochen vor Ort. Aber die Holding ist seit zwei Jahrzehnten nicht mehr in Deutschland.

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Verlagern Sie diese nun auch hierher?
Aktuell ist nichts geplant, aber natürlich sind wir offen, uns mehr in der Schweiz zu engagieren. Die Holding ist in Amsterdam, dort befindet sie sich seit 17 Jahren.

Einstiges Wunderkind

Lars Windhorst wurde in ganz Deutschland schlagartig bekannt, als der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl in den 90er Jahren den Teenager als Mitglied von Wirtschaftsdelegationen auf Reisen mitnahm; Windhorst war auch der jüngste Teilnehmer am WEF in Davos. Schon als Schüler verkaufte er selbst montierte Computer, importierte Elektronik aus China. 

Windhorst verliess die Schule ohne Abschluss. Nach Aktivitäten im Immobiliensektor und zwei Privatinsolvenzen ist der verheiratete 44-Jährige heute vor allem als Private-Equity-Investor tätig. Wichtigstes Vehikel ist die privat gehaltene Tennor Holding.

Also sind hauptsächlich Sie persönlich in die Schweiz gewechselt?
Einige Mitarbeiter sind mit mir umgezogen, wichtige Entscheidungen fallen jetzt hier. Insgesamt haben wir im Büro Zürich zwölf Mitarbeiter.

Sie wohnen im Kanton Zug. Haben Sie einen Steuerdeal abgeschlossen?
Was meinen Sie mit Steuerdeal?

Eine Pauschalbesteuerung, unabhängig von Ihren tatsächlichen Einkünften.
Ich habe mit den Behörden nicht gedealt. Mein Schweizer Steuerberater hat Umzug und Anmeldung für mich organisiert.

Die Steuerfrage spielte aber doch sicher eine Rolle – die Kombination von Job in Zürich, Wohnen in Zug ist ein Klassiker.
Einige Freunde und Bekannte aus London waren nach Zug gezogen. Die haben mir immer von der internationalen, wirtschaftsfreundlichen Kultur vorgeschwärmt, dass der Kanton Unternehmer willkommen heisst und man einen unkomplizierten, direkten Zugang pflegt. Dann haben wir unsere Freunde besucht, auch getestet, wie schnell man nach Zürich in die Stadt und zum Flughafen kommt. Und diese Erfahrung war sehr gut.

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««Wir suchen Situationen, bei denen es Komplexität gibt oder man emotionale Intelligenz benötigt.» »

Wie gross ist Ihre Firmengruppe?
Wenn man die Unternehmen mitzählt, die wir kontrollieren, sind es über 20'000 Mitarbeiter. In der Tennor Holding sind wir derzeit etwa 70 Mitarbeiter.

Die Private-Equity-Szene gilt als intransparent. Verraten Sie uns: Wie und wo investieren Sie?
Anders als viele Private-Equity-Firmen managen wir keine Fonds; das macht uns freier, unabhängiger und schneller. Wir sind auch nicht auf bestimmte Assetklassen oder Industrien spezialisiert. Wir nehmen Minder- und Mehrheitsbeteiligungen, agieren sehr flexibel. Vor allem schauen wir uns Sondersituationen an.

Das heisst?
Dass nicht der klassische Fall vorliegt, dass ein Broker oder eine Bank Hunderten von Investoren eine Private-Equity-Investition anbietet. Viele dieser Wettbewerber sind sehr grosse Fonds, haben geringere Kapitalkosten als wir und können deshalb bei Beteiligungen günstiger finanzieren und höhere Preise zahlen. Wir suchen nach eher unkonventionellen Deals, bei denen es eine gewisse Komplexität gibt oder bei denen man emotionale Intelligenz mitbringen muss. Beispiel: Der Verkäufer ist ein eigenwilliger, knorriger Typ, der dem angelsächsischen Banker-Typus oder den Apparaten eher skeptisch gegenübersteht, zu dem aber ich als klassischer Unternehmer eher Zugang finde. Wenn das klappt, stecken wir Zeit und Geld in das Projekt und schauen, dass wir zu vorteilhaften Bedingungen zum Zug kommen. Und …

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Ja?
Was wir tun, im Gegensatz zu klassischer Private Equity: Wir haben im letzten Jahrzehnt mehrfach Firmen auf der grünen Wiese gegründet und sie häufig über viele Jahre begleitet, mit einer Strategie ausgestattet und bis zum Schluss durchfinanziert. Aktuelles Beispiel: Fyber.

Die Firma verschafft App-Entwicklern über eine eigene Plattform Zugang zu Werbetreibenden, damit sie ihre App monetarisieren können.
Wir gründeten 2013 die Vorgängerfirma mit einer Idee und einem Team. Um das Wachstum zu beschleunigen, kauften wir 2014 die heutige Fyber hinzu und finanzierten sie dann über Wandelanleihen, Gesellschafterdarlehen und anderes komplett selbst. Der Erfolg liess aber auf sich warten. Das ursprüngliche Geschäft entpuppte sich als schwierig. Also wählten wir eine Vorwärtsstrategie.

Was heisst das?
Wir konnten eine Firma kaufen, die von einem sehr talentierten israelischen Unternehmer aufgebaut wurde. 2017 hat dann sein Team, alles Israelis, Fyber quasi übernommen. Wir haben sie bis zuletzt unterstützt. Jetzt gab es gerade den Exit.

Investor Lars Windhorst (M.) im Interview mit Dirk Schütz (l.) und Dirk Ruschmann

Investor Lars Windhorst (M.) im Gespräch mit Dirk Schütz (l.) und Dirk Ruschmann.

Paolo Dutto
Investor Lars Windhorst (M.) im Interview mit Dirk Schütz (l.) und Dirk Ruschmann

Investor Lars Windhorst (M.) im Gespräch mit Dirk Schütz (l.) und Dirk Ruschmann.

Paolo Dutto

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Ihnen fliesst eine halbe Milliarde Euro zu.
Wir haben da eine sehr gute Transaktion gemacht. Es gibt einerseits Cash, andererseits Aktien an dem Nasdaq-Unternehmen Digital Turbine, das Fyber gekauft hat.

Wie viele Beteiligungen halten Sie?
Rechnen wir Mehrheits- und Minderheitsbeteiligungen zusammen, sind es 25.

Und in welchem Volumen?
Wir haben einige Milliarden Euro investiert.

Wir schätzen, so sieben bis acht Milliarden, korrekt?
Nicht ganz so viel, aber eine konkrete Zahl werden Sie von mir nicht hören.

Warum ist das genaue Volumen geheim?
Wir sind komplett privat, das Unternehmen gehört überwiegend mir, direkt und indirekt, wir müssen also nichts berichten. Wir sind eher wie eine GmbH oder AG, nicht wie ein Fonds – wir nehmen Geld auf und investieren, managen unsere eigene Bilanzsumme, kaufen und verkaufen. Geld einsammeln und Verwaltungsgebühren kassieren, das machen wir nicht.

Schwarz oder weiss, Herr Windhorst?

  • Euro oder Franken? Franken – ist stabiler.
  • «FAZ» oder «NZZ»? «NZZ». Konstant unabhängig – in Deutschland finde ich fast nur Mainstream.
  • iPhone oder Android? iPhone.
  • Wein oder Bier? Wein, am liebsten Burgunder.
  • Rolex oder Patek? Patek Philippe.
  • Benz, BMW, Bentley oder Bugatti? Mercedes-Benz.
  • Massanzüge oder Stangenware? Massanzüge.
  • Zürich oder Zug? Ich habe ja beides.

Wer sind Ihre Mitinvestoren? Namen wie der Generali-Konzern oder Nahyan, also die Königsfamilie von Abu Dhabi, konnte man lesen. Wer noch?
Dazu sagen wir gar nichts. Wenn es ums Geld geht, verschafft nur Diskretion die erwünschte Ruhe. Im Übrigen stimmen die von Ihnen genannten Namen nicht.

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Aber wie investieren Dritte bei Ihnen, wenn Sie keinen Fonds aufgelegt haben und an der Holding keine Beteiligungen ermöglichen?
Die Tennor Holding gehört mir zu 98 Prozent, da sind noch einige Mitarbeiter dabei. Dritte haben häufig als Co-Investoren direkt bei den Portfolio-Unternehmen der Gruppe investiert.

Eine Ihrer Beteiligungen ist das Luxuswäschelabel La Perla. Was ist daran interessant?
Wir hatten die Chance, eine global bekannte Luxusmarke zu einem sehr günstigen Preis zu kaufen.

Die war ja auch notorisch verlustträchtig.
Ich kannte den Inhaber und wusste, dass er keine Lust hatte, die Firma weiter zu finanzieren. Da konnten wir vor knapp drei Jahren ohne langen Prozess einsteigen. Uns war klar, dass wir das, was wir am Kaufpreis gespart haben, in Aufbauarbeit und Sanierung stecken müssen, etwa in Stellenabbau und Schliessen unrentabler Filialen. Wir haben bisher gut 200 Millionen Euro investiert. Anfang 2020 standen wir kurz vor dem Break-even, doch dann kam die Pandemie. Da gingen 80 bis 90 Prozent Umsatz weg, aber die Fixkosten bleiben natürlich hoch.

Und jetzt?
Wir haben ein Jahr verloren und viel Geld investiert, aber wir machen weiter. Wir haben eine neue Produktserie von null entwickelt. Sie heisst La Perla Beauty: Lippenstifte, wiederauffüllbar, kein Plastik, keine Tierversuche. Dazu Parfums, Bodycare, Skincare, Eyeliner, Mascara …

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««Wir haben von Banken für Avatera Bewertungen bekommen, die alle im Milliardenbereich liegen.»»

Wann kommt die neue Produktlinie?
Der grosse Launch kommt in wenigen Wochen. Später wird es auch Bodycare geben, Yoga, Homewear und Swimwear, da wird noch vieles das alte Kerngeschäft Lingerie ergänzen. Aber nicht wie früher, als man Abseitiges wie Handtaschen und Jeans unter La Perla verkaufen wollte. Aber auf unserer Investment-Hitliste stehen andere Firmen als La Perla oben.

Welche denn?
Alles, was mit neuen Technologien zu tun hat. Wir haben noch ein weiteres Projekt, vergleichbar mit Fyber: Avatera Medical im deutschen Jena, 2011 auf der grünen Wiese gegründet.

Was verkauft die Firma?
Einen neuartigen Roboter für medizinische Operationen. Er ist kleiner, leiser und leichter als die bisherigen – es gibt nur einen Wettbewerber, Intuitive Surgical in den USA, und die profitieren von ihrem Monopol und dem wachsenden Markt. Denn Patienten wissen, dass eine OP mit Roboter viel präziser und schonender verläuft. Und Krankenhäuser wollen effizienter arbeiten. Der Markt steckt heute in den Anfängen und wird sich rapide entwickeln. Und es gibt da sogar einen Schweiz-Bezug.

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Welchen?
Im März 2010 konnte ich für unseren Aufsichtsrat einen hervorragenden Manager gewinnen: den Ex-ABB-Präsidenten Hubertus von Grünberg. Im Gegenzug bat er mich bei einer anderen Sache um Hilfe.

Welche war das?
Er wollte mit einem Arzt ein Konkurrenzprodukt zu dem OP-Roboter von Intuitive Surgical entwickeln. Und benötigte 15 Millionen Euro, damit die Firma loslegen konnte. Da habe ich gleich selbst investiert, zunächst privat. Später sind wir dann auch mit der Firma eingestiegen.

Wie viel haben Sie insgesamt investiert?
Rund 350 Millionen. Wir haben inzwischen Dutzende Patente weltweit gesichert, und halten über 80 Prozent der Anteile. Chairman ist übrigens Ex-ABB-CEO Joe Hogan. Die Bewertungen der Banken lagen schon vor Jahren alle im Milliardenbereich.

Planen Sie Investments in der Schweiz?
Bislang gibt es keinen konkreten Plan. Aber wenn sich etwas ergibt, schauen wir das gern an.

Sie haben 374 Millionen in die Profi-Abteilung des Fussballclubs Hertha BSC Berlin investiert. Könnte man so viel Geld nicht genauso mit einer Airline verbrennen?
Die Zahl stimmt, bereits bezahlt haben wir davon rund 300 Millionen. Warum haben wir das gemacht? Erstens ist Fussball in Europa und speziell in Deutschland mit Abstand die wichtigste Sportart, die deshalb zweitens im letzten Jahrzehnt einer der wachstumsstärksten Wirtschafts-zweige war, wenn man sich Umsätze, Werbe- und Lizenzeinnahmen oder TVRechte anschaut.

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Aber warum Hertha? Bisher war der Sex-Appeal des Clubs begrenzt.
Das hat mit Berlin zu tun: Berlin ist die einzige Hauptstadt in Europa ohne Fussballclub, der an der Spitze mitspielt. Wäre Hertha dort schon, wäre der Club unbezahlbar. Aber weil es eben Luft nach oben gibt, haben wir hier investiert, Schulden abgebaut, neue Spieler und Mitarbeiter geholt, Geld in den Nachwuchs gesteckt. Wenn wir Glück haben, ist der Verein mit unserer Unterstützung in einigen Jahren an der Spitze angekommen.

Lars Windhorst

374 Millionen Euro investierte Windhorst in die Profiabteilung von Hertha BSC Berlin.

Paolo Dutto
Lars Windhorst

374 Millionen Euro investierte Windhorst in die Profiabteilung von Hertha BSC Berlin.

Paolo Dutto

In Deutschland sind Sie viel bekannter als in der Schweiz, werden aufgrund Ihrer intransparenten Holding und der unbekannten Investoren kritisch beäugt. Wie sehen Sie selber Ihre Rolle?
Ich habe gelernt, mit dieser Kritik zu leben. Sie ist ja auch zu erklären: Ich habe im Alter von 16 Jahren, also vor 28 Jahren, angefangen, fulltime als Unternehmer zu arbeiten. Daraus ergab sich, dass ich zwar sehr viel jeden Tag im Leben lernen konnte, aber eben keine klassische Karriere, keine formalen Schulabschlüsse habe. Und ich war immer auf mich gestellt, habe nie für jemand anderes gearbeitet. Ich habe also durch Learning by doing viele Fehler gemacht und Rückschläge erlebt. Hinzu kommt, seit diesem jungen Alter bin ich auf dem Radar der Öffentlichkeit, vor allem seit mich der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl auf Reisen mitgenommen hat. Da war ich 18 Jahre alt. Und von diesem Radar kam ich nie wieder runter.

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Presse und Publikum schauen hin.
Genau. Aber natürlich will man im Markt als solide und verlässlich gelten, damit man interessante Firmen kaufen darf und gute Geschäfte machen kann – deshalb bin ich mehr als andere bestrebt, an der Reputation zu arbeiten. Es gelingt auch oft, im persönlichen Gespräch Vorurteile schnell auszuräumen. Sonst wären mir nicht immer wieder tolle Deals gelungen.

Für Kohl waren Sie eine Kühlerfigur des jungen Deutschlands. Wie ist Ihre Erinnerung an den Kanzler der Einheit?
Helmut Kohl ist für mich ein extrem beeindruckender Mensch und Politiker, der seinesgleichen sucht – und für Deutschland viel erreicht hat. Kohl hatte Prinzipien, Courage, Überzeugungen. Und natürliche Autorität.

Über die Autoren
Dirk Schütz

Dirk Schütz

Dirk Schütz

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