Guten Tag,
Was macht ein Firmenchef, wenn alles super läuft? Über Freud und Leid eines Milliardengewinns.
Urs Baumann, Chef der ZKB, surft auf einer Welle des Erfolgs – die Erträge fliessen der Bank nur so zu.
kornel.ch für BILANZWerbung
Kann ein Unternehmen auch zu viel Gewinn machen? Absurde Frage, möchte man meinen, doch genau damit hat sich Urs Baumann, Chef der Zürcher Kantonalbank (ZKB) auseinanderzusetzen. Einen Konzerngewinn von sage und schreibe 1238 Millionen Franken konnte die Bank an ihrer Jahrespressekonferenz vom 9. Februar bekannt geben. Der Geschäftserfolg ist gar auf 1469 Millionen gestiegen – ein Plus von fast vierzig Prozent in nur einem Jahr.
Problem dabei: Der Ertragssprung basiert zu einem grossen Teil auf der Zinswende, die der Bank Millionen in die Kassen brachte, ohne dass sie viel dafür tun musste. Viele Kunden stellten sich als träge heraus und zögerten über Monate, ihre Gelder in besser verzinsliche Anlagen umzuschichten – das liess die Erträge angesichts der anderseits schnell steigenden Einnahmen förmlich explodieren. Die unsicheren Zeiten, geprägt durch den Ukraine-Krieg und das Beben auf dem Bankenmarkt mit dem Untergang des Konkurrenten Credit Suisse, sorgten zudem dafür, dass der ZKB viel Neugeld zufloss und 28 000 neue Kunden kamen, angelockt wohl nicht zuletzt von der Staatsgarantie, welche die Bank zu einem Fels in der Brandung macht. Dass sie sich zudem – im Gegensatz zu lokalen Konkurrenten wie Julius Bär – frei von Skandalen präsentieren konnte, war ein weiteres Element, das dazu beitrug, dass sich das Ganze für die ZKB zu einer perfekten Welle summierte.
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So weit, so gut, doch dass es vornehmlich äussere Umstände waren, welche die Profite beflügelten, sorgte auch für ein Problem. Denn die hohen Gewinne nach der Zinswende gelten in den Augen kritischer Beobachter als simple «Windfall Profits», und in einzelnen europäischen Ländern wie Spanien oder Ungarn wurde gar eine Sondersteuer auf Banken eingeführt, um einen Teil davon wieder abzuschöpfen. So weit kam es in der Schweiz nicht, doch auch für die hiesigen Bankenchefs stellt sich die Situation, dass sie einem erhöhten Erklärungsbedarf ausgesetzt sind. Ganz abgesehen davon, dass aus liberalem Blickwinkel die Staatsgarantie – der Kanton Zürich steht im Krisenfall für die Bank gerade – seit jeher Kritikpunkt ist: «Staatlicher Schutz ist stossend, ob bei der ZKB oder andernorts», schrieb die «Neue Zürcher Zeitung» am Tag nach der Verkündung des Rekordergebnisses.
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Wir treffen Urs Baumann im Anschluss an die Jahrespressekonferenz am Hauptsitz an der Zürcher Bahnhofstrasse. Er wirkt relaxt – kein Wunder angesichts der guten Zahlen. Eigenlob verkneift er sich: Dass die Bank heute so gut positioniert sei, «ist primär die Arbeit meiner Vorgänger, welche die Bank über Jahre erfolgreich aufgebaut haben», sagt er. Baumann ist erst seit September 2022 CEO der ZKB, der erste externe Chef in ihrer 154-jährigen Geschichte, doch er hat den Duktus der Bank bereits verinnerlicht. «Etwas mehr Demut», hatte Bankratspräsident Jörg Müller-Ganz etwa vor dem Hintergrund des CS-Untergangs von den Grossbankern gefordert. Gewinnmaximierung habe sich die ZKB nicht auf die Fahne geschrieben, Ziel der Bank sei «ein angemessener Gewinn», führt Baumann aus.
Die jetzige Gewinnexplosion geht weit über das hinaus, doch die ZKB-Chefs haben sich gut auf die Situation eingestellt – und schon vorweg praktisch sämtliche möglichen Angriffspunkte aus dem Weg geräumt. Jetzt, da das genaue Ausmass des Geschäftserfolgs bekannt ist, punkten sie auch noch mit der Verteilung des Reibachs: Alle Stakeholder bekommen etwas, aber keiner unbotmässig viel.
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Der erste grosse Brocken aus dem Topf – 225 Millionen Franken – geht in die Reserven der Bank. Das bietet einen doppelten Vorteil: Erstens sorgt man damit für schwierige Zeiten vor, und zweitens sorgt dieser Abzug dafür, dass der Konzerngewinn nicht noch deutlich höher ausfällt als ohnehin schon. «Der Anteil des Gewinns, der durch temporäre Effekte entstanden ist, fliesst direkt ins Eigenkapital», so Baumann. Der jetzt ausgewiesene Konzerngewinn von 1238 Millionen entspreche so «der effektiven operativen Leistung». Die Message dahinter: Windfallgewinne mag es gegeben haben, aber wir füllen damit nicht die Taschen der Chefs, sondern nutzen sie zur weiteren Stärkung der Bank.
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Schon 2023 beschloss die Bank, die Löhne per 1. Januar 2024 zu deckeln. Das starke Halbjahresresultat mit einem Gewinnsprung um ein Viertel, Ende August veröffentlicht, hatte schon eine Ahnung aufkommen lassen, was das für das Gesamtjahr bedeuten würde: eine Gewinnexplosion bisher nicht gekannten Ausmasses.
Wären die zuvor angewandten Vergütungsmechanismen zur Anwendung gekommen, wären die Löhne vieler ZKB-Mitarbeiter und -Mitarbeiterinnen und vor allem auch jene der Chefs durch die Decke geschossen. Das hätte die Gefahr eines Shitstorms heraufbeschworen. Ende Oktober gab die Bank bekannt, dass die variable Vergütung für 2023, die jetzt zur Auszahlung gelangt, auf dem Niveau des Jahres 2022 gedeckelt wird. Damit werden die Boni vom Gewinnsprung und von den «Windfall Profits» des Jahres 2023 entkoppelt. Gleichzeitig soll die fixe Vergütung auf ein marktgerechtes Niveau angehoben werden. «Der Bankrat hat die Stimmen aus dem Kantonsrat und der Politik gehört», begründete Präsident Müller-Ganz den Entscheid. Viele Mitarbeiter müssen nun allerdings mit ansehen, dass just in jenem Jahr, wo es mal richtig eingeschenkt hätte, die variablen Vergütungen gedeckelt werden. «Ich weiss von niemandem, der sich beklagt, er verdiene zu wenig», sagt Baumann. Ziel der ZKB sei es, in der Spanne von 50 bis 75 Prozent der Marktlöhne zu bezahlen. Das bedeute, dass es im Markt auch 25 Prozent an Leuten gebe, die mehr verdienten, aber die Hälfte verdiene weniger. Mit dem angepassten Vergütungsmodell sei man genau richtig im Markt positioniert, und so habe man das auch gegenüber den Mitarbeitenden im Herbst kommuniziert.
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Eine weitere Gruppe, die partizipieren sollte, sind die Kunden. Schliesslich sind sie es, die den enormen Gewinnsprung ermöglichten. Um 31,5 Prozent auf 1,9 Milliarden Franken ist der Bruttoerfolg im Zinsgeschäft gestiegen. Dies vor dem Hintergrund der Geldpolitik der Nationalbank und der gestiegenen Zinskurve. «Die Bank profitierte insbesondere davon, dass die Umschichtung von Kundengeldern auf höher verzinste Anlagemöglichkeiten in der ersten Jahreshälfte langsamer als erwartet erfolgt ist», schreibt die Bank. Vor allem die grossen und institutionellen Kunden hätten lange weiter stark auf Liquidität gesetzt und überraschend langsam von nichtverzinsten zu verzinsten Anlagen umgeschichtet, führt Baumann aus, dies möglicherweise auch unter dem Eindruck der nach wie vor sehr unsicheren Weltlage.
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Den Vorwurf, man habe den Gewinn vor allem auf dem Rücken der kleinen Sparer gemacht, lässt Baumann nicht gelten: Die ZKB habe die Sparzinsen 2023 drei Mal in Folge erhöht. Die ZKB zahlt heute für Sparkonten bis 50 000 Franken 0,85 Prozent Zins. Damit liegt sie im Branchenvergleich allerdings eher im mittleren Bereich. Die angebotenen Zinsen seien auch im Verhältnis zum Risiko zu sehen, betont Baumann. In der Finanzindustrie gelte ja die Regel, dass Ertrag und Risiko gekoppelt seien, und die ZKB biete ihre Zinssätze als absolut sichere Bank mit AAA-Rating.
Seit September 2022 führt Urs Baumann die Bank – bisher ohne Fehltritte.
Joseph Khakshouri für BILANZSeit September 2022 führt Urs Baumann die Bank – bisher ohne Fehltritte.
Joseph Khakshouri für BILANZWerbung
Hinter den Kulissen tüftelte die ZKB aber bereits 2023 an neuen Methoden, um die Kunden partizipieren zu lassen. Kurz vor Weihnachten wartete die Bank mit einem Knall auf: Die Gebühren für Privatkonten und Debitkarten wurden abgeschafft, das entspreche einer Ersparnis von bis zu 116 Franken im Jahr, verkündete die Bank am 20. Dezember. Die Presse reagierte mit Lobenshymnen, und die Kunden zeigten sich begeistert: «Ist denn schon Weihnachten? Vielen Dank, liebe ZKB», liess sich ein Leserbriefschreiber im «Blick» vernehmen.
Laut Insidern war es vor allem Baumann selber, der diesen Schritt gepusht hatte. Es gab auch kritische Stimmen in der Bank, die meinten, man dürfe sich nicht zu billig verkaufen, denn oft gelte, dass das, was nichts koste, auch keinen Wert habe. Es sei wichtig gewesen, dass der Finanzchef den Schritt immer unterstützt habe, sagt Baumann. Auch wenn andere Banken inzwischen nachgezogen haben, ist der ZKB damit ein veritabler Marketingcoup gelungen.
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Gut fürs Image ist sicher auch der jetzt mit den Jahreszahlen verkündete Entscheid, eine ZKB-Philanthropie-Stiftung zu gründen und 25 Millionen als Stiftungskapital einzubringen. Die Stiftung soll den Kunden für ihr philanthropisches Wirken zur Verfügung stehen, von den Bereichen Gesundheit über Ökologie bis hin zu Bildung und Forschung.
Der grösste Brocken – 528 Millionen Franken – geht an den Kanton Zürich und seine Gemeinden. Es ist die höchste Gewinnausschüttung in der Geschichte der Bank, 358 Millionen gehen an den Kanton, 170 Millionen an die Gemeinden.
In diesem Jahr werde sich das ausserordentliche Zinsergebnis von 2023 nicht wiederholen und der Geschäftserfolg nicht an das Spitzenjahr anschliessen, dämpft die Bank die Erwartungen, dass auch in Zukunft das Geld einfach wie Manna vom Himmel regnen werde. Er rechne jedoch für 2024 mit «einem ansprechenden Konzerngewinn», so Baumann.
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Das gute Ergebnis ist aber, losgelöst von den Ausschlägen des Geschäftsjahrs 2023, Zeichen einer gut positionierten Bank, die in vielerlei Hinsicht zu einem Selbstläufer geworden ist. Für das aktuelle Management stellt sich damit die Frage, ob es überhaupt in das Geschehen eingreifen oder nicht besser einfach die Hände in den Schoss legen und ruhen soll, um den bestehenden Erfolgsweg nicht zu gefährden. Gerade wenn Geld in Hülle und Fülle vorhanden ist, muss eine Firmenführung aufpassen, nicht in Aktivismus zu verfallen.
Die ZKB (Bild: Hauptsitz an der Zürcher Bahnhofstrasse) ist in unsicheren Zeiten besonders gefragt.
Joseph Khakshouri für BILANZDie ZKB (Bild: Hauptsitz an der Zürcher Bahnhofstrasse) ist in unsicheren Zeiten besonders gefragt.
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Was die ZKB betrifft, wird eine Tätigkeit besonders dann kritisch beäugt, wenn die Bank ihren angestammten Tätigkeitsraum verlässt und über die Kantonsgrenzen hinaus expandiert. Jüngst wartete die ZKB mit der Meldung auf, man eröffne erstmals eine physische Präsenz ausserhalb des Kantons Zürich: In Lausanne soll ein Vertriebs-büro entstehen, welches das Geschäft mit Pensionskassen und institutionellen Kunden in der Romandie ausbaut. Dies auch als Reaktion auf den Wegfall der CS, die in der UBS aufgegangen ist, wodurch die UBS der einzig verbliebene Platzhirsch ist. In der Vergangenheit sorgte die Expansion einzelner Kantonalbanken über ihre Grenzen hinaus wiederholt für Missmut. Kein Wunder: Keiner lässt sich gern ins eigene Gärtchen trampeln.
Die ZKB sieht im aktuellen Fall kein Problem, weil die Expansion in die Westschweiz ja nicht auf Retailkunden oder das KMU-Geschäft ziele: «Die meisten Kantonalbanken bieten unsere Dienstleistungen für Pensionskassen gar nicht an», liess sich ZKB-Firmenkunden-Chef Jürg Bühlmann in der «NZZ» zitieren. Der Leistungsauftrag der ZKB – zuletzt um Themen wie Nachhaltigkeit ergänzt – besteht im Grunde darin, die Bevölkerung des Kantons Zürich mit Bank- und Finanzierungsdienstleistungen zu versorgen. Diesen Auftrag interpretiert die Bank aber reichlich breit. So unterhält die ZKB etwa Vertretungsbüros in Singapur, Peking, Mumbai und São Paulo. Sehr wohl im Sinne der Schweizer Kunden, betont Baumann, denn viele seien weit über den Kanton Zürich hinaus als Exporteure tätig und auf weltweit funktionierende Bankverbindungen für die Abwicklung ihrer Aufträge angewiesen.
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Mit der Auslandexpansion selber hat die Bank nicht nur gute Erfahrungen gemacht. Unter Private-Banking-Chef Christoph Weber, einem engen Buddy von Ex-Chef Martin Scholl, expandierte die Bank nach Österreich und kaufte 2009 die Privatbank Privatinvest (PIAG). Und musste sich bald mit Altlasten herumschlagen: Es gab Betrugsfälle und Schadenersatzforderungen, die Justiz ordnete gar Hausdurchsuchungen an. Die ZKB schoss 18 Millionen Euro ein und machte sich ans Restrukturieren, es brauchte aber mehrere Jahre, um die Bank in die schwarzen Zahlen zu führen. Inzwischen hat sich die Sache beruhigt: An den beiden Standorten in Wien und Salzburg verwaltet die ZKB-Tochter rund drei Milliarden Euro. Derzeit sucht die ZKB verstärkt das Geschäft mit vermögenden deutschen Privatkunden, allerdings von der Schweiz aus und unter der Ägide von Weber-Nachfolgerin Florence Schnydrig Moser.
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Ist es angesichts der stabilen Ertragsströme im Kerngeschäft überhaupt nötig, auf ungewissen Expansionskurs zu gehen, oder wäre es nicht besser, sich generell zurückzuhalten? «Nichts zu machen, wäre langfristig ein Rezept für Desaster, da sich die Welt und die Kundenbedürfnisse verändern», ist Baumann überzeugt. Man dürfe sich nicht auf dem Erfolg ausruhen und müsse die Bank stetig weiterentwickeln. Man wolle aber nachhaltig wachsen, um die Bank weiter zu diversifizieren und noch sicherer zu machen. Ziel sei es, im Gleichschritt mit der Wirtschaft des Kantons Zürich zu wachsen. Dabei werde unter anderem darauf geachtet, dass sich das Verhältnis zwischen den risikogewichteten Aktiven und dem Bruttoinlandprodukt (BIP) des Kantons nicht stark verändere.
Sorgen macht sich der ZKB-CEO um die Bank nicht, eine Immobilienkrise sehe er nicht, und auch die Konjunkturaussichten seien nicht so düster, dass die Firmenkunden gefährdet seien. Achtsam bleiben müsse man aber bei Themen wie Cyberrisiken, deren Gefahren angesichts des rasant fortschreitenden technologischen Fortschritts weiter zugenommen hätten.
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Druck auf die Bank könnte aber auch bei steigender Regulierung entstehen, warnt Baumann, hier sei Augenmass angebracht: «Bei einer ungewichteten Eigenkapitalquote von 15 Prozent müsste der Kanton über 20 Milliarden Eigenkapital einschiessen, oder wir müssten 60 Prozent unserer Hypotheken kündigen.» Dass die ZKB als einer der Marktführer im Hypothekargeschäft von weitergehenden regulatorischen Massnahmen besonders stark betroffen wäre, liegt auf der Hand. Eine weitere Rekordmarke im jüngsten Jahresbericht war der Hypothekarbestand, der erstmals die Höhe von 100 Milliarden Franken übertraf.
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