Guten Tag,
Die Beziehung zwischen Publikum und Unternehmen im Web ist häufig gestört. Doch Firmen müssen lernen, mit Feedback umzugehen.
Dirk Ruschmann
Versandhändler Amazon musste schon mehrere Shitstorms überstehen.
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Am 17. März 2010 schloss Weltkonzern Nestlé Bekanntschaft mit der Macht des unsichtbaren Publikums. Der Umweltverein Greenpeace hatte auf YouTube ein Video publiziert: Ein Büroangestellter reisst sich zum Znüni ein KitKat auf und knickt einen Riegel ab, der aber die Form eines behaarten Affenfingers hat. Gedankenverloren beisst er ein Stück ab, Blut tropft aus seinem Mund und auf die Tastatur.
Dann Schnitt: Ein Orang-Utan mit Nachwuchs im Arm klettert über den letzten Baum auf einer weiten, gerodeten Fläche. Wieder Schnitt: Eine Texttafel in KitKat-rot fordert, dass Nestlé kein Palmöl, eine KitKat-Zutat, von Firmen kaufen soll, die Regenwälder zerstören. Zuletzt liegt die offene KitKat-Packung auf dem Pult, daneben der «Finger» in einer Lache von Blut.
Nestlé liess das Video noch am selben Abend von YouTube sperren. Und löste so eine Kettenreaktion aus, die Experten bis heute als den epischsten Shitstorm der Schweizer Wirtschaftsgeschichte einordnen. Nutzer luden das zuvor kopierte Video erneut hoch und vervielfachten damit das Publikum.
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Am folgenden Tag kündigte Nestlé den Vertrag mit dem kritisierten indonesischen Palmölproduzenten Sinar Mas – nun lautete der Vorwurf «Greenwashing», Wut und Häme entluden sich, dirigiert von Greenpeace, vor allem in Nestlés Facebook-Profilen, wo der Konzern kritische Kommentare löschte, User sperrte oder in belehrendem Ton auf den richtigen Weg weisen wollte. Boykottaufrufe für Nestlé-Produkte machten die Runde, bald berichteten auch klassische Medien über die sich auftürmende Wutwelle.
Der «Tages-Anzeiger» verwechselte zwar Gorillas mit Orang-Utans, kommentierte aber höhnisch, das Internet sei eben «eine ungerechte Sache». Nestlé nahm eine von Gegnern gekaperte KitKat-Fanseite vom Netz. Alles bockige Verdrängen half nicht – zwei Monate später kapitulierte der Weltkonzern, versprach künftig Kooperation mit NGOs und verpflichtete sich zu neuen Standards beim Bezug von Rohstoffen.
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Nestlé wollte keine Stellung nehmen, aber Insider bestätigen: Der Konzern hat sich diesen Shitstorm noch immer nicht aus den Knochen geschüttelt. Zumal selbst der viel ältere Milchpulver-Skandal aus den Siebzigern, in dem es letztlich um Vermarktungsfragen ging und dessen Inhalt nur noch den wenigsten geläufig ist, Nestlé-Leuten bis heute vorgehalten wird.
Das Pflänzchen Reputation ist schnell zertreten. Und wächst quälend langsam nach.
Social Media haben die Unternehmen zunächst schwer gefordert, häufig auch überfordert. Dominik Allemann, Mitinhaber der Agentur Bernet Relations und ein Social-Media-Berater der ersten Stunde, hat die Entwicklung begleitet. «Ab 2005 bis vielleicht 2010 entstand allmählich das Bewusstsein bei den Kommunikatoren, dass da eine Kraft auf sie zukommt, der man sich nicht verschliessen kann.»
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Die Kanäle fächerten sich auf in offene Plattformen wie Twitter und Facebook oder geschlossene Chaträume, und bald wurde klar, dass nicht nur Firmen mit Kundenkontakt (B2C) die sozialen Medien würden nut-zen müssen, sondern auch B2BUnternehmen – weil auch für sie relevante Themen wie Employer Branding nun öffentlichkeitswirksam verhandelt wurden.
In den Folgejahren entstanden dann firmeninterne Strukturen für die Betreuung von Social Media: Strategie, finanzielle und personelle Ressourcen, Prozesse für den Krisenfall. «Die Unternehmen lernten, dass nun Schnelligkeit und konzeptionelles Lernen gefragt waren», sagt Allemann.
Unternehmen hätten lernen müssen, dass auf Social Media Schnelligkeit und konzeptionelles Lernen gefragt ist, sagt Dominik Allemann, Mitinhaber der Agentur Bernet Relations.
ZVGUnternehmen hätten lernen müssen, dass auf Social Media Schnelligkeit und konzeptionelles Lernen gefragt ist, sagt Dominik Allemann, Mitinhaber der Agentur Bernet Relations.
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Oder anders formuliert: Viele mussten lernen, dass Social Media keine Nebenabteilung der Corporate Communications sind. Botschaftsversand ohne Gegenrede via Communiqué, Freigabeschleifen für Interviews oder schlichtes Schweigen sind Kontrollmechanismen der alten Welt; «doch Social Media sind Authentizität, zügige Reaktion, 24/7-Dialog», sagt Eike Kraft, der beim Beratungsriesen Roland Berger Marketing und Kommunikation leitet.
Verglichen mit den Nachbarländern, war die heimische Wirtschaft früh dabei in den sozialen Medien. Die Swiss etwa war vor der Lufthansa aktiv, die dann aber mit Macht den Rückstand aufholte. Swisscom, Migros und andere starteten ebenfalls zeitig, blieben dann aber zaghaft. «Gutschweizerisch» verlief das Ganze, sagt Christian Lüdi, also langsam, aber gründlich, «heute sind Schweizer Firmen state of the art».
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Man habe jetzt «eine gewisse Reife erreicht, verfeinert und optimiert – unterschätzt werden Social Media, glaube ich, heute von keinem mehr», sekundiert Dominik Allemann. Einer aktuellen Studie seiner Agentur Bernet zufolge sind inzwischen 92 Prozent der Schweizer Unternehmen auf Social Media aktiv, fast genauso viele haben sogar eine Strategie und noch 78 Prozent ein spezifisches Budget.
Bis heute dächten zu viele Firmen Social Media aus einer Marketing-Perspektive heraus, sagt Marcel Juen, Online-Strategieberater in Zürich.
ZVGBis heute dächten zu viele Firmen Social Media aus einer Marketing-Perspektive heraus, sagt Marcel Juen, Online-Strategieberater in Zürich.
ZVGDie Zeit der Unter- oder Geringschätzung ist also vorbei – aber viele fremdeln nach wie vor mit den Plattformen, die unmittelbares Feedback in die Konzernzentralen spülen. Bis heute dächten zu viele Firmen Social Media aus einer Marketing-Perspektive heraus, diagnostiziert Marcel Juen, Online-Strategieberater in Zürich.
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Doch die sozialen Medien seien eben nicht «Kommunikation von Marke zu Menschen, sondern von Mensch zu Mensch». Wer jedoch als Unternehmen am klassischen Mindset festhält und lediglich senden möchte, statt den Dialog zu suchen, läuft umso mehr Gefahr, dass er von den Reaktionen bis hin zum berühmten Shitstorm auf dem falschen Fuss erwischt wird – und aus dieser Haltung heraus das Publikum im Netz wahlweise als «Mob» oder «Wutbürger» betrachtet, als Ansammlung feindlicher Interessengruppen oder als diejenigen, die grundsätzlich gegen alles sind (oder zumindest alles, wo «Unternehmen» draufsteht), oder jene, die Beifall für ihre gängigen bis abseitigen Ansichten im virtuellen Raum als die ganz persönlichen fünf Minuten Ruhm verbuchen. Und natürlich gibt es diese Exoten in einem Multimillionenpublikum alle.
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Doch, sagt Christian Lüdi, «wer sich als Unternehmen von Social Media vor allem bedroht fühlt, hat Social Media nicht verstanden».
Denn die Chancen überwögen klar die Risiken, sagt Thomas Blumer, Leiter Social Media bei der Migros. «Wir können ganz nah an den Leuten sein, ihre Interessen kennenlernen, Trends aufspüren», selbst die ohnehin volksnahe Migros ist noch näher an die Konsumentin herangerobbt. «Auf unsere Posts», erklärt Blumer, «bekommen wir direktes Feedback, anders als bei Plakaten oder Inseraten.»
Lüdi war einer der ersten Schweizer, die das Potenzial der neuen Plattformen in voller Schönheit am eigenen Leib spürten. Als Social-Media-Manager bei der Swiss, damals eine One-Man-Show, sass er an der Tastatur, als der Vulkan Eyjafjallajökull auf Island im März 2010 Aschewolken über Europa verteilte – und die Flieger auf die Erde zwang. «Mein Chef und ich haben uns im Schichtdienst abgewechselt», erinnert sich Lüdi.
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Christian Lüdi war Social-Media-Manager bei der Swiss als der Vulkan Eyjafjallajökull auf Island im März 2010 Aschewolken über Europa verteilte – und die Flieger auf die Erde zwang.
ZVGChristian Lüdi war Social-Media-Manager bei der Swiss als der Vulkan Eyjafjallajökull auf Island im März 2010 Aschewolken über Europa verteilte – und die Flieger auf die Erde zwang.
ZVGSelber produzierten sie rund 30 Beiträge, und «wir waren an weit über 1200 Kommunikationen beteiligt». Das war zwar noch machbar, aber «es wurde schnell klar, dass wir in Zukunft mehr Ressourcen benötigen». Heute ist Lüdi Partner bei der Beratungsfirma Tatin und unterrichtet an diversen Hochschulen.
Coop gilt als Ausnahme von der Regel, dass die grossen Versorger mit engem Konsumentenkontakt auch die sozialen Medien früh und beispielhaft bespielten – also neben Swiss und Migros auch Swisscom und vor allem die SBB. Coop allerdings, lästert ein Experte, «hat erst vor etwa vier Jahren einen abrupten Strategiewechsel vollzogen und beschlossen, man mache nun auch Social Media».
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Vielleicht führte die mangelnde Erfahrung zum Papiertaschen-Gate im Januar 2021. Eine E-Mail an den Kundendienst hatte zunächst auf die Ähnlichkeit der Dreiecksmuster mit einem mutmasslichen Erkennungszeichen krimineller Kinderschänder hingewiesen; ein angebliches FBI-Dokument von 2007, dessen Echtheit weder Coop noch BILANZ überprüfen konnten (USBotschaft und FBI reagierten auf Anfragen nicht), findet sich bis heute auf WikiLeaks. Nach einem Zeitungsbericht gab es noch rund 20 Kommentare zur Sache auf Facebook und Twitter. Coop zog die Taschen umgehend zurück.
Einen ähnlichen Fall hatte die Migros ein halbes Jahr zuvor erlebt. Sie hatte Tragetaschen-Motive von Künstlerinnen gestalten lassen. Doch kaum hingen die Taschen in den Filialen, erklärte Migros die Zeichnungen, darunter nackte Frauen, für sexistisch – und vernichtete die Taschen.
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Migros verbannte Dublers «Mohrenköpfe» und wurde dafür kritisiert.
KeystoneIhre Papiertaschen befand die Migros selbst als sexistisch und stampfte sie ein.
Screenshot YoutubeMammut kapitulierte nach nur einem Tag Shitstorm, strich sich selbst von der Liste der Gegner des CO2-Gesetzes.
Screenshot YoutubeEin weisser VW-Finger schubst einen Schwarzen.
Screenshot YoutubeDas schnell geänderte Amazon-Logo.
Screenshot YoutubeSRF-Mann Brotz vergriff sich in der Wortwahl.
Screenshot TwitterFederers porentief reines Image kann nicht mal die Klimajugend beschädigen.
Screenshot InstagramMichelle Hunziker wird für eine «rassistische» Parodie kritisiert.
Screenshot InstagramBeide Male, vermutet ein Beobachter, fehlten wohl interne Feedbackschleifen. Heute müssten Marketing, Legal, HR, PR, Kundendienst möglichst einbezogen, quasi vor einer Lancierung das externe Publikum intern nachgebildet werden – zur Not mit Beratern. Mehr Augen sehen mehr und bringen zusätzliche Perspektiven ein, um Anstössigkeiten vorab zu wittern. Denn das Netz sieht so gut wie alles – und konserviert es dank Screenshots für die Ewigkeit.
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Das Schweizer Paradebeispiel für den eiligen Kniefall lieferte Outdoor-Hersteller Mammut – es geht zurück auf das Jahr 2011. Wie derzeit stand auch damals ein CO2-Begrenzungsgesetz vor der Tür, doch Economiesuisse hatte Firmen als Gegner um sich geschart, darunter Mammut, deren CEO seinen Brand immer gern als Vorkämpfer für intakte Natur und Nachhaltigkeit gepriesen hatte.
Der Aktivist Andreas Freimüller vom Kampagnenforum hatte Mammut auf der Gegnerliste entdeckt – und als ideales Ziel für einen Stellvertreterkrieg gegen Economiesuisse erkannt. Während er auf Facebook den Sportausrüster mit bohrenden Fragen vor sich hertrieb, baute sich die Empörungswelle auf. Mammut reagierte ungeschickt mit nichtssagenden PR-Statements und kapitulierte bereits am zweiten Tag: Rückzug aus der Gegnerliste, die Nein-Front war durchlöchert. Als Nächster fiel Telekomriese Sunrise um.
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Ähnliche Folgsamkeit legte Amazon an den Tag: Das vor wenigen Wochen neu eingeführte Logo, ein gezacktes Klebeband über dem bekannten Pfeil, hatte vor allem auf Twitter Vergleiche mit Hitler und seinem Bärtchen zur Folge – Assoziationen, die den Handelsriesen veranlassten, dem Klebeband eine Falte zu verpassen. Diejenigen, die das Zacken-Logo an Charlie Chaplins Gesicht erinnert hatte, fanden kein Gehör (Hitler schlägt bekanntlich alles).
«Aus Shitstorms könne man viel lernen, sagt Thomas Blumer, Leiter Social Media bei der Migros. »
Etwas mehr Druck des Publikums war notwendig, um Adidas zum Umkehren zu bewegen. Nachdem der Sportkonzern 2019 noch fast zwei Milliarden Euro Gewinn eingespielt hatte, wollte er im ersten Lockdown vor gut einem Jahr den Vermietern seiner damals geschlossenen Filialen die Mietzahlungen aussetzen – und knickte erst nach anschwellenden Protestgesängen ein.
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Das Ganze geht aber noch schneller – man kann auch in vorauseilendem Gehorsam quasi das Urteil der Scharfrichter des Zeitgeistes erahnen und Prophylaxe betreiben. So wie es die Aussenstelle Zug der Raiffeisen versuchte, als sie dem Trägerverein «Nein zur Ehe für alle» eine Kontoeröffnung verweigerte, oder als die Migros Mitte 2020 Dublers «Mohrenköpfe» aus den Regalen zweier Filialen warf, oder wie Coca-Cola, die in einer Schulung Mitarbeitern empfahl, «weniger weiss» zu sein. Und in welchem Restaurant finden sich heute noch Zigeunerschnitzel auf der Karte?
Dumm nur, wenn das Gaspedal Richtung politischer Korrektheit zu weit durchgedrückt war. Dass «weniger Weiss» bedeuten sollte, «weniger arrogant und ignorant» zu sein, dafür «bescheidener» und gefälligst «zuhören» zu lernen, das war in seiner verallgemeinernden Plattheit «reverse discrimination» in Reinform und sogar schwarzen Aktivisten zu viel. Coca-Cola kroch zu Kreuze – mit der skurrilen Entschuldigung, «we would never encourage anyone to be any less of themselves».
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Einige bemerkenswerte Erkenntnisse zum Umgang mit dem sozialen Publikum hat Migros-Mann Thomas Blumer gesammelt. Gerade aus Shitstorms könne man viel lernen, und «wenn man adäquat auf die Kritik eingeht, kann man als Unternehmen eigentlich nur gewinnen».
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Adäquat heisst: offene, ehrliche Kommunikation, «ohne Unterton und ohne Arroganz, aber auch nicht devot». Und vor allem: Man müsse sich im Krisenfall nicht immer sofort einschalten als Firma, «eine Community reguliert sich oftmals ein Stück weit selbst» – Unterstützer springen aus Überzeugung bei und weisen Kritiker in die Schranken. Eine solche Community allerdings, ergänzt Marcel Juen, «muss man in Friedenszeiten aufbauen und pflegen, dann wird sie auch in Shitstorm-Situationen zum Brand, zum Unternehmen stehen».
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Das Ganze gilt analog für Firmen, die im Kern Personen sind: Glaubwürdigkeit und Loyalität muss man sich erarbeiten. So wie Roger Federer, den die Klimajugend vor gut einem Jahr wegen seines Sponsors Credit Suisse auf Twitter anging. Er nutzte ganz oldschool die Nachrichtenagentur Reuters für ein defensives Statement – und wie üblich perlte an seinem klinisch reinen Image alle Kritik ab.
Hingegen dürften Michelle Hunziker, die in Italiens TV per Grimasse Asiaten nachäffte oder SRF-Moderator Sandro Brotz, der Teilnehmer einer Corona-Demo pauschal als «flat earther» beleidigte, ihre Marke, und damit ihren Firmenwert, nachhaltig beschädigt haben.
Seine Zielgruppen, die dafür geeigneten Kanäle und die passenden Botschaften muss man kennen, sagt Dominik Allemann. Facebook sei trotz Unkenrufen bezüglich Überalterung und Bedeutungsschwund noch immer höchst relevant, Twitter in der Schweiz noch immer Nische, aber mit zunehmender Bedeutung stark, vor allem bei Meinungsmachern. Am stärksten lege punkto Stellenwert derzeit LinkedIn zu, «es wird eine Art neues Facebook für Konzerne», sagt Allemann, «läuft aber zugleich Gefahr, auch zu einem Plauderkanal zu verkommen».
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Wichtig fürs breite Publikum bleibe YouTube mit seinen kurzen Videos, die oft auch Auslöser für Shitstorms sind. Nebenher laufen das eher marketingtaugliche, «liebe» Instagram und das noch bildlastigere Pinterest sowie die Jugendkanäle TikTok oder Snapchat.
Eine neuere Entwicklung sind twitternde und LinkedIn aktive CEOs, in der Schweiz, angeführt vom Novartis-Chef Vas Narasimhan, sowie die «Corporate Influencer»: Mitarbeiter, die als Themenexperten ihre Firmen in den sozialen Medien möglichst glaubwürdig und sympathisch vertreten. Privat sind sie dort ja ohnehin aktiv – und diese mediale Präsenz lernen die Unternehmen allmählich gewinnbringend einzusetzen.
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Coop betreibt 20 Accounts auf Social-Media-Plattformen, Migros sogar 35 inklusive der eigenen Migipedia, Nestlé sieht sich täglich mit 2000 bis 3000 Kommunikationen im Web konfrontiert, bei denen sich Menschen auf den Konzern beziehen. Dies zu managen, sagt Eike Kraft, benötige «hohe Autarkie für das Team» und das Bewusstsein, dass «im ständigen Dialog auch kritische Themen vorkommen». Denn Kommunikation sei heute «nicht mehr vollends kontrollierbar».
Novartis-CEO Vas Narasimhan gehört zu den modernen Social-Chefs.
Screenshot FacebookNovartis-CEO Vas Narasimhan gehört zu den modernen Social-Chefs.
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Man kann es immerhin versuchen; Nestlé hat gelernt aus den Stürmen von Unrat. In Australien benannte der Konzern kürzlich, ohne vorherigen Web-Schubs, seine Lollies «Red Skins» und «Chicos» in «Red Ripper» und «Cheekies» um, also weniger rassistisch konnotierte Namen. Doch natürlich blieb nicht unbemerkt, dass «Red Ripper» der Name eines Serienkillers und -vergewaltigers der achtziger Jahre ist: «Hat denn keiner Google bei denen?», fragte ein Konsument auf Twitter.
Also Vorbeugung wie bei Nestlé, aber nie mehr volle Kontrolle. Strategien und Prozesse, aber Freiheit fürs Team. Es ist eine Gratwanderung, sagt Allemann, «man kann Social Media weder verteufeln noch überhöhen». Facebook, YouTube, Twitter, LinkedIn und Co. sorgen also dafür, dass Schweizer Unternehmen die hohe Kunst der Dialektik erlernen müssen.
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