Guten Tag,
Wer die Ursachen des Übels ergründen will, muss die Eingeweide der Chaos-Bank inspizieren.
In einer Hinsicht war die Credit Suisse schon immer verlässlich: Skandale und neue Chefs – Urs Rohner, Tidjane Thiam, Thomas Gottstein, António Horta-Osório (hinten, von links), Axel Lehmann (vorne).
Imago Images, Daniel Winkler / 13 Photo, Keystone, Mark Chilvers / Blick, Reuters; Fotomontage: BILANZWerbung
Schon seit Jahrzehnten liegt die CS, was Negativschlagzeilen betrifft, ganz vorne. Es mag andere Banken gegeben haben, die UBS in den Jahren der Finanzkrise unter Marcel Ospel etwa oder die Zürcher Kantonalbank unter dem windigen CEO Hans Vögeli, aber irgendwann hatten sich die Institute wieder gefangen und waren in ruhigen Gewässern gelandet. Nicht so bei der CS. Dort war das Chaos, das nun zum Untergang geführt hat, Dauerzustand, und dies seit fast 30 Jahren.
Wer die Ursachen des Übels begreifen will, muss bei dem Mann beginnen, der als Architekt der modernen CS gilt: Rainer E. Gut, Langzeitpräsident von 1983 bis 2000. Der war als einer von wenigen Schweizern in der fremden Welt des Investmentbankings tätig gewesen. 1972 hatte der Präsident der Schweizerischen Kreditanstalt (SKA), wie die Credit Suisse noch hiess, dem soeben von Lazard Frères in New York zur CS gestossenen Jungbanker den Auftrag gegeben: «Put Credit Suisse on the map in international business.»
1990, zuerst als CEO und später als Chairman längst zum unangefochtenen Alleinherrscher in der Bank aufgestiegen, trat Gut an, den Auftrag zu erfüllen – und kaufte eine US-Investmentbank. Doch mit ihr holte er sich ein Gespenst ins Haus, das seither keiner mehr bändigen konnte: masslose Gier. Und weil er sich mit First Boston auch eine der übelsten aller Investmentbanken ausgesucht hatte, war es auch eine besonders üble Gier.
Bis dahin war die 166 Jahre alte CS lange das, worauf sie sich noch heute gern beruft: eine Bank für Unternehmer, stark im Corporate Banking und mit wachsender Bedeutung im Privatkundengeschäft. Mit First Boston änderte sich die DNA.
Die Übernahme von First Boston war zunächst aus der Not geboren, hatte Gut doch schon in den achtziger Jahren eine Minderheit erworben, doch dem Milliardeninvestment drohte der Verlust, weil sich First-Boston-Banker mit allerlei Geschäften arg verspekuliert hatten. Mit der vollständigen Übernahme unter das Dach der kapitalstarken Schweizer Bank konnte der Zusammenbruch verhindert werden.
Grossmachtsträume mit Nebenwirkung: Mit dem Kauf der US-Investmentbank First Boston holte er das Gespenst der Bonusgier in den Schweizer Konzern – Rainer E. Gut, Präsident von 1983 bis 2000.
Keystone/Niklaus StaussDer Chef machts vor, warum sollen wirs lassen: liess sich seine zwei Halbtagesjobs bei CS und Swiss Re mit mehrfachem Millionensalär vergolden – Walter Kielholz, Präsident von 2003 bis 2009.
KEYSTONE/Dorothea MuellerWasser predigen und Wein trinken: gönnte sich Maledivenflüge mit dem Firmenjet und lockeres Brechen von Corona-Regeln – António Horta-Osório, Präsident von 2021 bis 2022.
imago/GlobalImagensMit dem Kauf von First Boston beginnt aber auch ein zweites Übel, das die Bank bis heute begleitet: das teure Hätscheln verwöhnter Grossaktionäre. Mit der Gründung der Vorgängergesellschaft CS First Boston waren auch institutionelle Investoren begrüsst worden, unter anderem ein saudi-arabischer Geschäftsmann namens Suliman Olayan. Der war mit der Performance in höchstem Masse unzufrieden, worauf Gut beschloss, ihm bei der mehrheitlichen Übernahme 1990 eine Prämie anzuzahlen.
Werbung
Noch heute ist die Olayan-Familie mit fünf Prozent einer der bestimmenden Grossaktionäre der CS. Noch schlimmer sollte es unter Guts Nachfolger in der Finanzkrise kommen, als der damalige Präsident Walter Kielholz den Staatsfonds aus Katar als Aktionär holte, um nicht wie die UBS auf Staatshilfe angewiesen zu sein. Für die Milliarden, welche die Katarer einschossen, verlangten sie Rekordzinsen von bis zu elf Prozent.
Die CS musste in zehn Jahren 5,8 Milliarden Franken in den Wüstenstaat abliefern, was die Bank bis ins Mark schwächte und zusätzlich dazu verleitete, die ausfallenden Gewinne mit vermehrtem Risikogebaren hereinzuholen. Erst unter Thiam hörten die Zahlungen auf. Beide Grossaktionäre, Olayan wie Katar, waren eine Zeit lang im VR vertreten, brachten aber wenig Befruchtendes. Von Jassim Al Thani aus Katar wissen Beobachter, dass er in den Sitzungen nie etwas sagte – aufgefallen ist er nur durch seine Rauchpausen.
Bei der CS beherrschen heute rund ein halbes Dutzend Grossaktionäre die Bank, sie halten zusammen rund ein Drittel. Nebst den gierigen Arabern gibt es noch eine amerikanische Anlagegesellschaft namens Harris Associates, deren Anlagechef David Herro zur CS gerne seinen Senf abgibt, etwa als er im Skandal um Thiam den Abgang von Präsident Urs Rohner forderte oder jetzt, als er Horta-Osório stützte und dessen Verfehlungen als Petitessen abtat. Was ihn nicht daran hindert, bei jeder neuen Entwicklung sofort wieder umzuschwenken, wie aktuell, wo er die Übergabe an Lehmann begrüsst. Bis heute fragen sich die Leute ganz oben in der Bank, ob es reine Geschwätzigkeit oder Machtgehabe ist und, wenn ja, was das Ganze soll: Herro verliert mit seinem CS-Investment seit Jahren Geld.
Werbung
Nicht viel bringen auch jene grossen Anlagegesellschaften wie Blackrock, die wegen ihrer schieren Grösse an Anlagegeldern in fast allen Blue-Chip-Firmen der Welt vertreten sind. Statt mal richtig zu schauen, was bei der Bank los ist, werden lieber schablonenhaft Listen abgehakt und wird geschaut, ob auch wirklich alle Nachhaltigkeitskriterien erfüllt sind. Wer also die Gründe für das jahrelange CS-Debakel erforschen will, tut gut daran, sich an eine eherne Weisheit zu erinnern: Der Fisch beginnt am Kopf zu stinken. Und die oberste Instanz ist nun mal das Aktionariat.
Sprüche und Machtspielchen statt Besonnenheit: David Herro, Anlagechef von Harris Associates.
Federico Bernini/BloombergRauchpausen statt engagierte Teilnahme: Der arabische Grossaktionär konzentrierte sich vor allem darauf, die Bank mit Rekordzinsen auszubluten – Jassim Bin Hamad J.J. Al Thani, Mitglied von Katars Herrscherclan und ehemaliger CS-Verwaltungsrat.
ZVGSchablonenhaftes Nachhaltigkeitsgeschwurbel statt harte Kontrolle: Larry Fink, Chef von Blackrock.
Alex Kraus/BloombergDass es auch besser laufen kann, zeigen Firmen wie Roche, die in Familienbesitz sind, oder die Partners Group, wo die Gründer als starke Ankeraktionäre weiter ein Auge auf den Entwicklungen haben. Für die CS wäre es am besten, «wenn ein namhafter Schweizer Investor auf den Plan treten würde», so Ex-CS-CEO Oswald Grübel im Interview mit der «NZZ am Sonntag», um jene Führungsrolle zu übernehmen, «vor der die anderen Investoren anscheinend zurückschrecken».
Werbung
Was die Grossaktionäre vormachen, leben auch die Mitarbeiter. Ihre Gier hat einen anderen Namen: fette Boni. Das Gespenst liess nach der Übernahme von First Boston nicht lange auf sich warten. Verzweifelt versuchte Gut den Gesamtkonzern davor zu schützen, etwa 1993 mit der Entlassung des Obmanns Archibald Cox. Doch mit dessen Nachfolgern sollte es nur noch schlimmer kommen. Mit Allen Wheat, der sich öffentlich dazu bekannte, sein Ziel sei es, «möglichst viel Geld zu verdienen», brachen alle Dämme.
1995 gab es für Wheat neun Millionen Dollar Jahressalär. In der Truppe um Wheat war auch ein aufstrebender Investmentbanker, der später mit anderen Rekorden auf sich aufmerksam machen sollte: Brady Dougan, CEO der CS von 2007 bis 2015, der 2010 mittels PIP-Optionen eine Jahreszahlung von 70 Millionen Franken einstrich. Im Zaum halten konnte die Bonus-Banker niemand richtig, denn längst hatte sich ein weiteres Grundübel bei der Bank eingeschlichen: schwache Chefs.
Gut galt zwar mit seinem arroganten Auftreten als knallharter Lenker, überliess die strategische Arbeit aber gerne anderen. Inspirieren liess er sich von Leuten, die er besonders bewunderte: Strategieberater von McKinsey.
Werbung
Vor allem ein Mann hatte es ihm angetan: Lukas Mühlemann, in jenen Jahren Chef von McKinsey Schweiz und ein brillanter Kopf. Leider aber kein Banker, was sich fatal auswirken sollte. Mühlemann galt Mitte der neunziger Jahre als Managementstar, wurde zum CEO der Swiss Re berufen und sorgte dort mit einem typischen McKinsey-Move für Wertsteigerung: Er trennte einen Bereich ab.
Gut war so beeindruckt, dass er Mühlemann 1997 zum neuen CEO der CS berief. Der Job war frei geworden, weil der bisherige CEO Josef Ackermann das Weite gesucht hatte. Dies, weil ein anderer McKinsey-Mann, Thomas Wellauer, für Gut eine der unzähligen Neuorganisationen gebastelt hatte und auf den Blaupausen für Ackermann nur der Job eines Spartenchefs vorgesehen war. Wellauer durfte als Dank später die Kernsparte der Financial Services leiten – und scheiterte ebenso wie sein Chef Mühlemann. Beide mussten die Bank später verlassen.
Ein Versicherer löste Mühlemann ab 2003 als Präsident ab: Walter Kielholz, VR-Delegierter der Swiss Re, der einfach zusätzlich noch das CS-Präsidium übernahm. Er liess sich für seine beiden Teilzeit-Aufgaben fürstlich bezahlen. Allein bei der CS, wo er das Pensum einmal mit 60 Prozent bezifferte, kassierte er bis zu 16 Millionen Franken im Jahr.
Werbung
Der Berater wollte dann auch selber ran: Ex-McKinsey-Mann Lukas Mühlemann, CEO nach 1997, Präsident von 2000 bis 2002.
Keystone/Steffen SchmidtZeichnete als Mastermind im Hintergrund die Schablonen für seine Chefs und durfte als Dank in die Konzernleitung: Ex-McKinsey-Mann Thomas Wellauer, CEO Credit SuisseFinancial Services von 2000 bis 2002.
KEYSTONE/Martin RuetschiStrategische Nullsummenspiele und verlorene Jahre: Die Organisation, die er der CS verpasste, wurde wieder rückgängig gemacht – Ex-McKinsey-Mann Tidjane Thiam, CEO von 2015 bis 2020.
KEYSTONE/Alexandra WeyMit dem Abgang von Mühlemann und Wellauer war der Geist von McKinsey allerdings nicht vertrieben. Er fand 2015 in der Person von Tidjane Thiam, ebenfalls ehemaliger McKinseyaner und als Chef von Prudential auch kein Banker, wieder Einzug. Kritische Fragen bei seinem Antrittsauftritt vor der Presse wischte er verärgert vom Tisch. Und ging dann bald daran, grosse Pläne für eine neue Organisation zu zeichnen.
Als Folge wurde die CS neu nach Regionen organisiert. Es war die x-te Neuorganisation, die die CS aus dem Hut zauberte, und sie wurde, wie alle anderen vorher auch, bald wieder von der nächsten abgelöst – der 2021 als neuer Präsident angetretene António Horta-Osório machte jene von Thiam einfach wieder rückgängig und gliederte die von Thiam ausgelagerte Asien-Einheit wieder in die Sparten Vermögensverwaltung und Investmentbank ein. Resultat der strategischen Planspiele von Thiam: fünf verlorene Jahre.
Dieser Text ist eine editierte Version einer Story, die im Januar 2022 in der «Bilanz» erschien.
Werbung
Werbung