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CS-Übernahme

Über Nacht wurde Axel Lehmann CS-Präsident – nun ist seine Bank beerdigt

Er ist schon lange in der Branche, doch weiss man wenig über Axel Lehmann. Wer ist der Mann, unter dem die CS untergegangen ist?

Erik Nolmans

Axel Lehmann

IM MACHTZENTRUM Quasi über Nacht rückte Axel Lehmann ins CS-Präsidium (Bild: Bahnhofstrasse Zürich).

Paolo Dutto für BILANZ

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Der Mann ist topfit. Seinen Tag beginnt der Frühaufsteher gerne mit ein paar Push-ups im Handstand, die Fersen an die Wand gestützt – eine Übung, die viel Kraft verlangt. Freunde, mit denen er joggt, erzählen, dass er seine Laufstrecke locker unter fünf Minuten pro Kilometer absolviert – wenn man selbst schon erschöpft sei, sei der Axel noch im Einlaufmodus. Damit klar ist: Wir reden hier von einem Mann von 63 Jahren.

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Mitte Januar 2022 war es, als die CS die Personalie bekannt gab. Vorangegangen war ein Wochenende der langen Messer, an dem der Verwaltungsrat den bisherigen Präsidenten António Horta-Osório wegen Verstössen gegen Quarantänevorschriften zum Rücktritt gedrängt und einen aus den eigenen Reihen zum neuen Chairman gekürt hatte: Lehmann, als Leiter des Risikokomitees schon bisher eine der Schlüsselfiguren im Gremium. Und so wurde der Mann, den viele bereits im Herbst seiner Karriere wähnten, quasi über Nacht zu einer der zentralen Figuren im Bankenland Schweiz.

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Mann ohne Allüren 

Nach fast 30 Jahren in verschiedenen Funktionen bei grossen Finanzplayern wie dem Versicherungskonzern Zurich Insurance oder der Grossbank UBS schaffte er es aufs oberste Podest der CS. Das Ziel war es, die unter medialem Dauerbeschuss stehende Grossbank aus den Headlines rauszuholen. 

Foto: Paolo Dutto für BILANZ

Die neue UBS

Die UBS sollte einst «United Bank of Switzerland» heissen, konnte die Marke dann aber aus rechtlichen Gründen nicht durchsetzen (weshalb «UBS» heute offiziell nichts heisst).

Doch jetzt wäre die Bezeichnung so wahr wie nie: Vereinigte Bank der Schweiz. Nach der Übernahme der gefallenen Credit Suisse wird es in der Schweiz nur noch eine einzige Grossbank geben. Die Traditionsmarke Credit Suisse wird verschwinden.

Die neue UBS wird den Schweizer Bankenplatz dominieren. Sei es im Hypothekargeschäft, im Firmenkundengeschäft, auf dem Arbeitsmarkt oder ganz einfach bei den Sparkonten; um die UBS wird künftig kaum noch jemand herumkommen.

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Lehmann gilt als bodenständig, ja fast etwas langweilig und gerade darum vielleicht dachte man, er sei der richtige Mann, um die gebeutelte Bank wieder zu beruhigen.

Dazu kommt, dass er ein Risikospezialist ist: Bei seinem ehemaligen Arbeitgeber Zurich Insurance wachte er als Risikochef über Geschäftsgebaren und Deals – und gerade im Risikomanagement liegt bei der CS ja viel im Argen. Er gilt handkehrum nicht unbedingt als grosser Stratege oder Visionär, und viele schnöden, er sei im Grunde ja gar kein richtiger Banker, habe er doch einen Grossteil seiner Karriere in der Versicherungsbranche absolviert.

Enttäuschte Hoffnung 

Begonnen hat er seine Karriere beim Versicherungskonzern Swiss Life, wo er nach seinem Studium an der HSG St. Gallen und seiner Tätigkeit am Institut für Versicherungswirtschaft 1995 einstieg. Er blieb nur kurz, dann warb ihn die Konkurrenz ab: Peter Eckert, damals Schweiz-Chef der «Zürich»-Versicherung, der Lehmann von gemeinsamen Projekten beim Versicherungsinstitut her kannte, rief ihn an und sagte: «Du kannst doch nicht zu denen, du musst zu uns kommen.»

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Eckert sei für seine Karriere ein wichtiger Mentor gewesen, so Lehmann. Lehmann sei «ein grosser Chrampfer, der sich selber nie in den Vordergrund drängte», sagt Eckert. Der Neue machte bei der «Zürich», wie sie damals noch hiess, schnell Karriere, wurde CEO Deutschland, wo er die erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Deutschen Bank aufbaute, dann Leiter Europa und später Leiter Nordamerika.

Als er es dann auch in die Konzernleitung schaffte und später die Schlüsselposition des Chief Risk Officer erhielt, sahen viele in ihm schon den Nachfolger von CEO James Schiro, der nach sieben Jahren an der Spitze abgeben wollte. Auch Lehmannselber: Freunden erzählte er offen, dass er sich grosse Hoffnungen auf den Job mache und gespannt sei, wie entschieden würde. Es war der erste grosse Anlauf zum Sprung nach ganz oben. Doch er sollte nicht klappen.

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Der Verwaltungsrat wählte im August 2009 nicht ihn, sondern Martin Senn zum Schiro-Nachfolger. Der hatte als Anlagechef einen guten Job gemacht und habe zudem den Eindruck vermittelt, ein Leader zu sein, der eine grosse Masse von Leuten hinter sich scharen könne, erinnert sich ein ehemaliger Verwaltungsrat von Zurich Insurance, der im Gremium war, das den Entscheid fällen musste. Lehmann indes habe etwas «professoral» gewirkt und sei nicht der Typus eines «Outgoing Leader» gewesen. Zudem soll der Verwaltungsrat auch nicht völlig überzeugt vom Track Rekord Lehmanns gewesen sein, so der damalige Verwaltungsrat.

Auch wenn er durchaus Leistungen vorzuweisen hatte – er steigerte die Rentabilität in Nordamerika, wo der Konzern lange kaum Geld verdiente, systematisch –, waren die Erwartungen hoch: «Das Geschäftsergebnis in Europa und in Nordamerika war nicht so brillant, wie wir erwartet hatten.» Eine andere Quelle aus dem Verwaltungsrat berichtet denn auch, dass nebst Senn nicht etwa Lehmann, sondern der damalige Chef Global Life, Mario Greco, als Topkandidat gegolten habe.

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Gut herausgekommen ist die Wahl für Zurich Insurance auf die Länge nicht: Hoffnungsträger Senn enttäuschte als CEO und musste Ende 2015 das Feld räumen, weil er dem Konzern nicht die nötige Dynamik hatte verschaffen können und die Ergebnisse schwächelten. CEO wurde dann doch noch Mario Greco, den man nach einem Intermezzo bei Generali zurückholte und der heute noch Zurich Insurance leitet. Senn schied im Mai 2016 durch Selbstmord aus dem Leben.

Zweite Karriere-Ader

Lehmann wiederum hatte vorsorglich noch eine zweite Karriere-Ader gelegt: Er liess sich im Frühling 2009 in den Verwaltungsrat der UBS wählen. Die Bank war in der Finanzkrise in Existenznot geraten. Risikoprofi Lehmann sei auf dem Markt gewesen, erinnert sich ein ehemaliges Mitglied des Nominationskomitees der UBS, und hochwillkommen: Er bildete zusammen mit einer ganzen Anzahl weiterer neuer Verwaltungsräte, unter anderem Präsident Kaspar Villiger, jenes Gremium, das bei der Bank die Grundsteine für eine nachhaltige Stabilisierung legte. Seine Leistung im UBS-VR sei tadellos gewesen, sagen ehemalige Verwaltungsräte: «Fachlich top, kollegial, ein Teamplayer, der sich aber auch nicht scheute, eine eigenständige Meinung zu äussern.»

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Laut Stimmen aus dem damaligen operativen Management soll auch die Frage aufgetaucht sein, ob Lehmann eine Funktion in der Konzernleitung übernehmen solle, aber der damalige CEO Oswald Grübel habe ihn auf keinen Fall gewollt.

Das änderte sich dann unter einer neuen Führungskonstellation; ab Herbst 2011 amtete Sergio Ermotti als CEO der UBS. Der neue Präsident Axel Weber, seit 2012 «in charge», wollte die Funktionen des Finanzchefs und COO, die bis 2015 in einer Hand waren, trennen und fand den neuen COO in den eigenen Reihen: 2016 wechselte Lehmann die Ebenen und war fortan nicht mehr Verwaltungsrat, sondern Chief Operating Officer. Nach der Übernahme einer operativen Funktion bei der UBS war eine gleichzeitige Tätigkeit in der Konzernleitung von Zurich Insurance natürlich nicht mehr möglich, und er schied dort aus. Fortan setzte Lehmann in seinen Karriereplänen voll auf die UBS.

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Zunächst mit viel Erfolg: Er konnte als COO seine organisatorischen Stärken erfolgreich ausspielen, und so wurde ihm 2018 eines der Herzstücke der UBS anvertraut – er wurde Schweiz-Chef.

Einen Frontbereich zu leiten und Kunden zu betreuen, ist natürlich eine ganz andere Sache, und so ist seine Leistung in der neuen Aufgabe denn auch umstritten: Intern mäkelte man etwa, er sei zu wenig bissig und ideenreich und habe vor allem davon profitiert, was seine Vorgänger Lukas Gähwiler und Martin Blessing schon aufgebaut hatten. Ab Herbst 2020 lenkte mit dem Holländer Ralph Hamers zudem ein neuer CEO die Geschicke der UBS, und für Lehmann, der sich mit dessen Vorgänger Ermotti stets gut verstanden hatte, ergab sich eine neue Konstellation.

Die UBS liess ihre Topleute in einem aufwendigen Prozess evaluieren, und eine Person schnitt dabei besonders gut ab: Sabine Keller-Busse, in der Konzernleitung als Group COO tätig. Für die Frau, die mit Topresultaten geglänzt hatte, musste nun eine entsprechend wichtige Aufgabe gefunden werden – im Februar 2021 übernahm sie den Bereich von Lehmann und wurde Schweiz-Chefin. Für Lehmann dürfte in jenen Monaten klar geworden sein, dass seine Chancen für einen weiteren Karriereschritt in der neuen Konstellation nicht eben zugenommen hatten – per Januar 2021 verliess er die UBS.

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Seine Cooling-off-Periode war dann sehr kurz: Nur wenige Monate nach seinem Abgang wurde er zum Verwaltungsrat beim grossen Konkurrenten CS erkoren. Geholt hatte ihn Präsident Horta-Osório, der Anfang 2021 angetreten war und nun den Verwaltungsrat nach seinen Vorstellungen umbauen wollte. Horta-Osório suchte einen Chef für sein Risikokomitee. Dass er sich mit Lehmann, der nach der ausserordentlichen Generalversammlung vom 1. Oktober antrat, seinen eigenen Nachfolger ins Haus geholt hatte, konnte er damals noch nicht ahnen.

Mit Lehmann trat zu jenem Zeitpunkt auch Horta-Osórios langjähriger Vertrauter Juan Colombas bei der CS an, mit dem der Portugiese bei der britischen Lloyds über zehn Jahre eng zusammengearbeitet hatte. Colombas war es denn auch, der als Einziger bis ganz am Schluss zu Horta-Osório hielt (siehe auch BILANZ 2/2022: «Tollhaus CS»).

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Einstimmige Wahl 

Lehmann war vom starken Mann im CS-Verwaltungsrat, Roche-CEO Severin Schwan, schon vorweg gefragt worden, ob er zur Verfügung stehen würde, wenn Horta-Osório abträte. Nach kurzer Bedenkzeit hatte Lehmann zugesagt.

Als Mitglied des Governance and Nominations Committee (GNC), dem innersten Machtzirkel des Verwaltungsrats, der sich schon seit Bekanntwerden der Quarantäneverstösse von Horta-Osório im Dezember 2021 mit der Causa beschäftigte, dürfte Lehmann wohl schon geahnt haben, dass sich da möglicherweise eine Chance für ihn auftut. Denn er entsprach von allen Verwaltungsräten am ehesten dem Profil eines möglichen Nachfolgers.

Und diesmal klappte es mit dem Sprung aufs oberste Podest: Der Verwaltungsrat stimmte einstimmig dafür, dass Lehmann neuer Chairman werden solle. Sogar Horta-Osório-Weggefährte Colombas hatte nichts dagegen, dass – wenn der Portugiese schon abtreten muss – Lehmann neuer Präsident werden soll.

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Mit Lehmann hätte im Präsidium Ruhe einkehren sollen, denn er galt als geerdet und frei von Extravaganzen. Er ist seit 37 Jahren verheiratet, seine Frau Veronika, eine gebürtige Österreicherin, ist ebenfalls sehr sportlich. Das Paar wohnt in Küsnacht, soll aber bald in ihre derzeit noch im Umbau befindliche Villa im benachbarten Herrliberg umziehen. Sie haben zwei erwachsene Töchter, die beide im Ausland leben, und Lehmann ist auch bereits stolzer Grossvater von drei Enkelkindern. Er gilt als Familienmann; dass er seine Töchter im Ausland während der Corona-Restriktionen nicht besuchen konnte, habe ihn geschmerzt, wissen Freunde.

Ex-Roche Präsident Fritz Gerber (r) mit Veronika und Axel Lehmann am 14. Opernball in Zürich.

SEIT 37 JAHREN VERHEIRATET Axel Lehmann mit Gattin Veronika 2013 am Opernball in Zürich. Rechts: der inzwischen verstorbene Ex-Roche-Präsident Fritz Gerber.

Bruno Voser/Schweizer Illustrierte
Ex-Roche Präsident Fritz Gerber (r) mit Veronika und Axel Lehmann am 14. Opernball in Zürich.

SEIT 37 JAHREN VERHEIRATET Axel Lehmann mit Gattin Veronika 2013 am Opernball in Zürich. Rechts: der inzwischen verstorbene Ex-Roche-Präsident Fritz Gerber.

Bruno Voser/Schweizer Illustrierte

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Sport spielt in seinem Leben eine wichtige Rolle, er joggt, fährt Mountainbike, geht schwimmen und gerne auch Ski fahren – die Familie hat ein Feriendomizil in Davos. Er und seine Frau reisen gerne, das Paar hat auch eine kleine Stadtwohnung in Nizza. Er verbindet das Reisen auch gerne mit Kultur, etwa mit einem Besuch einer Oper in der imposanten Arena von Verona, obwohl er eigentlich mehr auf Jazz steht. Er liest viel, vor allem Sachbücher, jüngst etwa die universalhistorischen Bücher von Yuval Harari.

An den meisten seiner beruflichen Stationen war Lehmann ein beliebter Chef, sachlich, freundlich und zugänglich. Die Harte Linie konnte er auch fahren: Als COO bei der UBS, wechselte er den damaligen IT-Chef, der in der Bank eine sehr starke Position besass, aus und ersetzte ihn mit einem Mann seiner Gnaden.

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Doch der Kampf um die Kriseninstitution CS war auch für Lehmann zu schwer.

Dieser Text ist eine editierte Version eines Lehmann-Porträts, das im Februar 2022 in der «Bilanz» erschien.

Über die Autoren
Erik Nolmans

Erik Nolmans

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