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Carrossier Rolls-Royce sieht sich an der Spitze der Luxuspyramide. Chauffeur Torsten Müller-Ötvös über die Arbeit an einer ikonischen Automarke.
Dirk Ruschmann
Torsten Müller-Ötvös hatte zuvor bereits Mini und BMW poliert. Bei Rolls-Royce lieferte er sein Meisterstück ab.
Horst Friedrichs für BILANZWerbung
Auf Reisen trifft man ihn zuverlässig frühmorgens im Fitnessraum seines Hotels, am liebsten auf der Rudermaschine. Schlank und drahtig und immer im perfekt sitzenden Anzug, hat Torsten Müller-Ötvös die leicht angestaubte Auto-Ikone Rolls-Royce modernisiert und cool gemacht, zugleich kompromisslos auf Luxus gesetzt. Im topmodernen Werk in Goodwood, das in einem herrschaftlichen Park liegt, vom schmiedeeisernen Einfahrtstor aus kaum sichtbar, treffen wir den Rolls-Royce-CEO zu seinem letzten grossen Interview.
In a nutshell: überwältigend. Ich bin wirklich stolz darauf, was wir hier erreicht haben. Unser Image ist heute ganz anders, unsere Käuferstruktur viel jünger als damals, als ich kam. Also, ich bin der BMW-Gruppe sehr dankbar, dass sie mich hier so lange hat schalten und walten lassen.
Sehr! Als ich anfing, bauten wir hier um die 1000 Fahrzeuge pro Jahr, heute ist es das Sechsfache. Viel eindrucksvoller finde ich aber den Durchschnittspreis. Ein Kunde zahlt heute im Schnitt über eine halbe Million Euro für ein Auto. Damals waren es 250 000. Also ist es uns gelungen, den Wert, oder sagen wir: die Kraft der Marke, signifikant zu steigern. Ich glaube, wenn Sie die BMW Group fragen, werden die auch sehr zufrieden damit sein, was wir zum Konzernergebnis beitragen.
Das würde ich bestätigen. Viele Kunden haben eigene Unternehmen, und sie erwarten, dass sie mit Rolls-Royce auf einer ähnlichen Flughöhe kommunizieren können. Deshalb bin ich sehr präsent in allen Märkten, sei es China, Japan, die USA, Middle East und Europa. Jedes Mal, wenn wir auf Reisen gehen, laden wir um die 15 bis 20 Kunden abends zu einem schönen Dinner ein. Für mich ist das nicht nur Relationship Management, sondern ich lerne da auch sehr viel. Was läuft im Business dieser Top-Entscheider, wie sehen die gerade die Gesellschaft, was treibt sie um? Für mich waren diese wohl Tausende von Gesprächen im Laufe der Zeit sehr lehrreich. Darüber, was uns als Marke weiterbringt, was Kunden an uns schätzen und wo sie Verbesserungspotenzial sehen. Und noch viel wichtiger: was Luxus wirklich bedeutet.
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Torsten Müller-Ötvös, 1960 in Düsseldorf geboren, hat in Augsburg und München Wirtschaft studiert. 1988 fing er als Trainee bei BMW an und avancierte 1998 als der jüngste Manager aller Zeiten in die Teppichetage der BMW-Gruppe. Dort war er unter anderem für die Strategie aller Konzernmarken verantwortlich, leitete die Marke Mini und später auch die Kernmarke BMW. Seit 2010 führt er die Tochter Rolls-Royce, die seit dem Jahr 2000 zu BMW gehört. Müller-Ötvös lebt im Süden Englands und am Lago Maggiore.
Genau. Weil immer dann, wenn du glaubst, sie erreicht zu haben, ist sie schon wieder ein Stück weiter. In mir, aber auch in unseren Mitarbeitern, ist ein ständiges Streben nach Optimierung verankert. Wir können immer besser. Und die Kunden schätzen das, weil sie in ihren eigenen Unternehmen ein ähnliches Mindset haben. Wir sind quasi Brüder im Geiste, und das eint uns. Kundenverständnis ist für mich das Blut unseres Unternehmens.
Niemand braucht einen Rolls-Royce, um von A nach B zu kommen. Alle unsere Kunden haben verschiedene Automobile in der Garage. Was wir hier betreiben, ist kein Automobilgeschäft, sondern pures Luxusgütergeschäft.
Zum Luxus gehört nicht nur ein unfehlbares, perfektes Produkt, sondern eben auch perfektes Customer-Client-Management –wirklich den Wunsch von den Augen abzulesen. Kunden sind Teil unserer Firma, fühlen sich mit uns verwachsen, sind bei uns zu Hause. Das gibt es bei nur ganz wenigen Unternehmen der Welt, glaube ich.
Ich spreche nie über unsere Kunden.
Wir lehnen niemanden ab. Jeder Kunde ist für uns ein wertvoller Kunde, ein wertvoller Mensch. Und wir haben es geschafft, die Marke so aufzustellen, dass sie heute, erlauben Sie mir dieses Wort, als sehr, sehr cool wahrgenommen wird. Unsere Klientel besteht heute zu einem Fünftel aus Celebrities. Darauf bin ich zu einem gewissen Masse auch stolz, das sah nämlich mal anders aus, als ich gekommen bin. Denn diese Klientel weiss, was hip und angesagt ist, womit man sich auf seinem Instagram-Account zeigt. Da sieht man sehr häufig einen Rolls-Royce. Viele unserer Kunden haben Millionen von Followern, und das ist auch gut für die Marke.
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Hier passt der Massanzug gut zum fahrbaren Untersatz: Torsten Müller-Ötvös am Rolls.
Horst Friedrichs für BILANZHier passt der Massanzug gut zum fahrbaren Untersatz: Torsten Müller-Ötvös am Rolls.
Horst Friedrichs für BILANZNein, mache ich nicht. Was die Öffentlichkeit erreicht, stammt von den Kunden selbst. Aber viele wollen es auch sehr diskret. Dafür haben wir hier am Hauptsitz Räumlichkeiten, wo sie sich ihren Rolls- Royce mit unseren Designern gestalten können. Gut, dass wir auch den Flugplatz in der Nachbarschaft haben. Wer eine Turboprop-Maschine hat, kann direkt hier landen, Helikopter aus London natürlich auch. Wer mit dem Privatjet kommt, kann Southampton anfliegen.
Das ist Coachbuild, eigentlich die automobile Krone der Schöpfung. So etwas machen wir auf Einladung an uns wohlbekannte Kunden, die ich einlud, ihr eigenes Auto zu entwerfen, wie wir es auch schon bei Sweptail und Boat Tail gemacht haben. Das Bedürfnis, so etwas zu machen, gibt es bei ganz vielen weltweit, und Geld ist in unserem Segment nicht wirklich eine Frage. Es muss uns nur gelingen, die Fantasie und Vorstellungskraft der Kunden so zu bedienen, dass sie emotional begeistert sind. Also geht es immer darum, noch Raffinierteres, noch Einzigartigeres zu tun. Und das ist uns mit Droptail gelungen. Boat Tail war schon ein wunderschönes Auto, Droptail ist noch mal eine ganz neue Liga.
Kam von den Kunden. Die wollten endlich einen Roadster. Ich fand das eine tolle Idee und habe gesagt, das machen wir. Das ist dann eine Reise, die ungefähr vier Jahre dauert. Der Kunde ist immer dabei, zeichnet jeden einzelnen Entwicklungsschritt ab, eine «Money Can’t Buy»-Experience. Die Kunden sind Aficionados, sie lieben Automobile, auch Luxus und Kunst, und all das kommt zusammen in einem Coachbuild-Projekt. Wir haben das vor einigen Jahren hier wieder eingeführt. Coachbuild zu realisieren, war immer mein Traum.
Coachbuild ist heute ein sehr komplexes Geschäft. Man muss für die Zulassung eine Menge technischer Hürden nehmen. Das erfordert hohe Investitionen, und das verstehen die Kunden. Insofern würde ich sagen, es gibt bei Rolls-Royce keine Preisgrenze nach oben.
Wäre technisch wahrscheinlich schwierig. Aber: Sie sind nicht der Erste mit dieser Idee. Sollten wir mal drüber nachdenken.
Na ja, das wäre arrogant zu sagen, wir schauen nirgendwo mehr hin. Ich glaube, beide Marken haben es geschafft, sich zu differenzieren. Vor 50 Jahren unterschieden sich Rolls-Royce und Bentley im Kühlergrill. Heute bedienen sie völlig unterschiedliche Segmente im Markt. Ich sage, wir sind gar nicht mehr im Automobilgeschäft, unsere Preisposition beginnt bei 300 000 Euro. Und Bentley greift das Segment ab, das unter uns liegt.
Natürlich schaue ich mir an, was andere machen. Etwa Ferrari. Auch die anderen Sportmarken sind interessant für uns. Warum? Weil viele Kunden oft auch einen Ferrari oder McLaren in der Garage haben. Ansonsten ist mein Leitstern die Luxusindustrie – und nicht die Autoindustrie.
Technisch schaue ich natürlich: Was müssen wir machen? Wir bauen ja ein Automobil auf vier Rädern mit einem Motor. Aber die Motivation, die Kunden letztlich bewegt, sich mit einem Kauf eines unserer Automobile auseinanderzusetzen, ist der Luxus. Und deswegen muss ich verstehen, wie sich Luxus entwickelt. Was wird bei Kunden in fünf bis zehn Jahren angesagt sein? Was tun Luxusmarken wie Chanel, Patek, Dior, was geschieht in der Modeindustrie? Das ist für mich die Referenz.
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★ Limousine oder SUV? SUV.
★ England oder Deutschland? England. Die Firma sitzt hier, ich lebe hier schon lange.
★ München oder London? London. Weil das die Stadt ist. Kosmopolitisch, unterschiedlichste Kulturen, jedes Mal inspirierend.
★ Euro oder Pfund? Euro.
★ Ferien auf dem Berg oder am Meer? Am See. Am Lago Maggiore. Hier in England wohne ich am Meer.
★ Herr der Ringe oder 007? James Bond. Ganz klar.
★ Beatles oder Beethoven? Beatles.
★ Rolex oder Omega? Rolex. Ich habe eine Pepsi und eine Daytona.
★ Massanzug oder Stangenware? Massanzug.
Ja, absolut. Ich behaupte, es ist die weltberühmteste Luxusmarke.
Absolut. Rolls-Royce ist Synonym für das Beste. «Der Rolls-Royce der Sofas, der Fernseher …» Sie kennen das Sprichwort sicher.
Die Marke ist weltbekannt. Fahren Sie in ein entlegenes Dorf irgendwo in Asien. Die Menschen dort werden wissen, was ein Rolls-Royce ist – aber nicht, was Patek Philippe ist. Unsere Markenbekanntheit ist durchschlagend, The Pinnacle of Luxury. Und es ist unser Anspruch, diesen Mythos zu halten. Deshalb haben wir dieses Unternehmen in ein House of Luxury transformiert, so nennen wir uns ja auch. Ich möchte noch mal zurück zum Thema Kooperationen.
Wie gesagt, wir als Marke gehen keine ein. Bei den beiden Uhrenfirmen, die Sie angesprochen haben, kam die Initiative von den Kunden, die sich kannten – und gemeinsam die Idee geboren haben. Wir haben dann Vacheron und Audemars kontaktiert. Beide Häuser gut kennend, habe ich zugesagt. Wir bauen gelegentlich für Kunden auch Rolls-Royce, die mit Leder von Hermès oder anderen Marken ausgeschlagen werden. So etwas ist öfter der Fall und geschieht immer auf Wunsch des Kunden.
Ja, wenn Sie das wollen.
Ich auch nicht.
Nicht schlecht geschätzt! Aber bestätigen kann ich trotzdem nichts.
Jedes! Hier rollt nichts vom Band, das nicht in mehreren Elementen die Handschrift des Kunden trägt. In diesem Segment möchte der Kunde nichts von der Stange kaufen. Er möchte seine eigenen Ideen einbringen, vielleicht davon auch später seinen Freunden erzählen. Sie können hier Ihre eigene Farbe gestalten lassen, die trägt dann Ihren Namen. Das ist auch der Grund dafür, warum wir so viele Kunden hier als Gäste in Goodwood begrüssen können. Auch deshalb breiten wir uns nun in die Welt aus mit unseren Private Offices.
Die Idee ist, das, was Sie hier in Goodwood erleben, in die wichtigsten Städte der Welt zu bringen. Wir haben in Dubai angefangen, dieses Jahr in Shanghai eröffnet, wir werden in die USA und nach Korea gehen.
(Lächelt.) Ich würde so sagen: Das würde ich nicht ausschliessen wollen. Aber es gibt momentan keine konkreten Pläne. Vielleicht wird es irgendwann mal ein Hotel geben, warum nicht? Und es gibt ja schon Luxusmarken, die so was machen, auch sehr erfolgreich. Aber ich möchte nicht, dass Sie spekulieren – es gibt keinen Plan derzeit, aber es würde uns, glaube ich, gut zu Gesicht stehen.
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Das Werk in Goodwood ist nagelneu und bietet, selten bei Autobauern, viel Tageslicht.
Horst Friedrichs für BILANZDas Werk in Goodwood ist nagelneu und bietet, selten bei Autobauern, viel Tageslicht.
Horst Friedrichs für BILANZIch bin nicht überrascht. Wir waren auch nicht die Ersten in diesem Segment. Meine Philosophie ist, nicht der Erste auf einer Party zu sein, sondern dann zu kommen, wenn die Party «in full swing» ist. Genau so haben wir es beim Cullinan gemacht. Heute ist fast jedes zweite Auto von uns ein Cullinan. Und interessanterweise ist das nicht nur ein westliches Phänomen. In China, Japan, ganz Asien eigentlich, früher klassische Limousinenmärkte, sieht man immer mehr SUV. Wir gehen mit der Zeit, das ist richtig für die Marke. Auch, dass wir bis Ende 2030 voll elektrisch werden.
Oh ja, wenn Sie heute bestellen, erhalten Sie Ihren Spectre nicht vor Anfang 2025.
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Ich muss so anfangen: Ich habe einen Wohnsitz am Lago Maggiore, in Ascona. Insofern liegt mir die Schweiz persönlich sehr am Herzen.
Nach meiner Beobachtung hat die Schweiz ein sehr ausgeprägtes Luxusverständnis. Die Klientel ist sehr anspruchsvoll. Man schätzt das Allerfeinste und das Allerbeste. Und ich stelle zunehmend fest, dass insbesondere jüngere Kunden keine Probleme mehr haben, zu zeigen, wenn sie es zu etwas gebracht haben. Das ist eine Entwicklung, die ich mit Freude in der Schweiz sehe, die haben wir in Deutschland schon, in England ohnehin. Auch daher läuft unser gesamtes europäisches Geschäft so gut.
Die Marke hat keinen Neidfaktor, sie hat auch kein aggressives Image. Man sieht einen Rolls-Royce selten, das soll auch so sein. Und wenn man ihn sieht, dann ist man angetan. Es gibt ein altes Sprichwort, das heisst «When a Rolls-Royce passes by, the world stands still». Und so ist es heute auch noch. Das gilt nicht nur für die Schweiz, das erleben Sie überall.
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Den gibt es immer noch.
Es ist die Realität. Mindestens 800 Stunden dauert es, einen Rolls-Royce zu bauen. Das geht bis weit über 1000. Die Herstellung unserer Kühlerfigur Spirit of Ecstasy dauert fast zwei Tage mit Polieren und feinstem Herausarbeiten der Mimik und so weiter. Jede ist leicht anders, durch das Giessen im Wachsmolding-Verfahren.
Ich verstehe den Ansatz, dass bei der BMW Group mit 63 Schluss ist. Weil man auch Jüngeren eine Chance geben möchte, nachzurücken. Und dafür habe ich Verständnis. Wenn ich mich 20 Jahre zurückerinnere – damals fand ich auch super, dass sich auf diese Weise Chancen auftun.
Ich werde sicher nicht nur fliegenfischen gehen, sondern auch den einen oder anderen Posten in Boards übernehmen. Und dann mal schauen, was kommt. Ich weiss, wie man ein Unternehmen leitet, habe viel Erfahrung in Themen wie Luxus, Markenbildung, Kundenbeziehungen, Trends erkennen. Ich bezeichne mich als Global Citizen, konnte weltweit Erfahrungen sammeln – also, etwas in dieser Richtung würde mir grossen Spass machen.
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