Guten Tag,
Der Berner Velounternehmer übernimmt kriselnde Fachgeschäfte der Migros und wird seinen Umsatz bald verdoppeln.
Thomas «Thömu» Binggeli kommt schnell auf Touren.
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Wenn man dem Velohersteller Thomas Binggeli zuhört, gibt es eigentlich keine Ausrede, sich nicht aufs Fahrrad zu schwingen. Der Unternehmer, der zwölf Bike-World-Läden der Migros und sämtliche Mitarbeitenden übernimmt, will das passende Fahrrad für jeden anbieten. Wieso das Geschäft besser laufen soll als unter der Regie des Grossverteilers? «Wir verkaufen Velos nicht nur, sondern produzieren sie auch seit 30 Jahren. Wir setzen dabei auf Innovation und Swissness.» Den 50-Jährigen nennen alle nur «Thömu». Sein Spitzname ist gleichzeitig die Marke seiner Velofirma Thömus. In Oberried BE veräusserte er einst heimlich die Schafe auf dem Bauernhof seiner in den Ferien weilenden Eltern, um Platz für eine Velowerkstatt zu schaffen. Der Sitz des Unternehmens ist heute noch dort. Die Branche war in den letzten Jahren stark gefordert. Während Covid schnellten die Verkaufszahlen in die Höhe. Danach kam die Delle, und Katerstimmung machte sich breit. Nicht so bei Thömus. «Wir sind immer gewachsen, wenn auch nicht so schnell wie gewünscht», sagt Binggeli, der mittlerweile deutlich über 20 Millionen Franken Umsatz erzielt. Durch die Bike-World-Übernahme dürften sich die Einnahmen etwa verdoppeln. Das Potenzial im Velomarkt sei weiterhin «riesig».
Ralph Näf, ehemaliger Mountainbike-Profi und -Weltmeister, ist Manager des Thömus Maxon Swiss Mountain Bike Racing Team. Aushängeschilder sind Gesamtweltcupsiegerin Alessandra Keller und Olympia-Silbermedaillengewinner Mathias Flückiger. Teamchef Näf, der Binggeli an einer Party im Jahr 2006 kennenlernte, ist auch ein wichtiger Partner in der Entwicklung der Thömus-Velos. Gute Beziehungen pflegt Binggeli zu Taizo Shimano, dem Präsidenten des traditionsreichen Herstellers von Fahrradkomponenten. Eine Delegation der Japaner wollte bei einem Besuch in Oberried den Stall sehen, wo Binggeli einst mit seinem Velobusiness begonnen hatte. Wichtige Ansprechpersonen in Sachen Innovationen sind ETH-Präsident Joël Mesot und Thomas Zurbuchen, ehemaliger Head of Science der NASA. Sowohl die NASA als auch Thömus setzen auf Motoren des Schweizer Unternehmens Maxon. Seit Anfang 2022 ist Binggeli auch Mitbesitzer des Leihvelosystems Publibike, das zuvor der Post gehörte. Mit im Boot sind der IT-Unternehmer Guido Honegger und CEO Markus Bacher. Bikesharing profitabel zu betreiben, ist eine Herausforderung: Die Gewinnschwelle konnten die Betreiber bisher noch nicht erreichen. Allerdings waren auch Investitionen nötig. Die neuen Besitzer verbesserten die Konnektivität der Velos, die Nutzerinnen und Nutzer mit dem Smartphone öffnen können. Derzeit arbeitet man an einer grösseren Batterie für die elektrische Version der Publibikes.
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Alessandra Keller ist Gesamtweltcupsiegerin mit dem Thömus Maxon Swiss Mountain Bike Racing Team.
KeystoneAlessandra Keller ist Gesamtweltcupsiegerin mit dem Thömus Maxon Swiss Mountain Bike Racing Team.
KeystoneSein Bruder Markus Binggeli ist nicht nur wichtigster Sparringspartner, er ist auch Mitbesitzer des Unternehmens. Als Verkaufsleiter ist er unter anderem für die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeitenden zuständig. Diese Aufgabe liegt Markus, dem jüngeren der beiden Brüder, besser. Öfters treffe der «Wirbelwindchef» den Ton gegenüber den Angestellten nicht ganz, beschreibt Thömus Bruder in einem Buch über Thomas Binggeli. Der sei «furchtlos und fast immer kompromisslos ohne Fangseil und ohne Plan B». Auch Vater Fritz arbeitet im Betrieb und hilft unter anderem beim Einspeichen der Räder. Thomas Binggeli ist geschiedener Vater dreier Töchter (22, 13, 11) und seit Jahren mit der ehemaligen SP-Ständerätin Pascale Bruderer liiert.
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Ein früher Förderer Binggelis war Ernst Thomke. Bis heute tauschen sich die beiden fast wöchentlich aus. Er habe von Thomke, dem Miterfinder der Swatch, viel gelernt, sagt Binggeli: Komplexität zu reduzieren, Mut im Design zu zeigen und scheinbar Unmögliches umzusetzen. Der gelernte Spengler schaffte den Aufstieg dank ultraleichten Fahrrädern mit Carbonrahmen. 2009 gründete er Stromer, die schnelle E-Bikes auf den Markt brachte und viele Pendlerinnen und Pendler zum Umstieg vom Auto aufs Velo bewog. Der frühere Swisscom-CEO Carsten Schloter half bei der Entwicklung. Doch das Unternehmen geriet in einen finanziellen Engpass. Binggelis umfangreiches Netzwerk half weiter. Neben Thomke sorgten Unternehmer und Ex-FDP-Ständerat Ruedi Noser sowie weitere Investoren für eine Kapitalspritze. 2021 übernahm die französische Investmentfirma Naxicap Stromer, deren Velos Thömus bis heute in seinen Läden verkauft. Nur zwei Jahre später brachte Binggeli ein Konkurrenzprodukt auf den Markt: Der Twinner mit Heckkamera, beheizbaren Griffen und einer Reichweite von über 200 Kilometern liegt preislich im Rahmen eines Kleinwagens. Präsident von Twinner wie auch von Thömus ist ein weiterer Berner: Urs Schaeppi, der Ex-Swisscom-CEO. Er wolle die Digitalisierung des Fahrrads mitprägen, sagt er.
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Urs Schaeppi ist VR-Präsident von Twinner und Thömus.
Manuel RickenbacherUrs Schaeppi ist VR-Präsident von Twinner und Thömus.
Manuel RickenbacherBinggeli trifft im Velomarkt auf mächtige, international tätige Konkurrenz. Dazu gehört der französische Konzern Decathlon und dessen CEO Barbara Martin Coppola. Das Unternehmen, das seine Sportartikel von Chile bis China verkauft, hat sich in der Schweiz zu einem bedeutenden Anbieter von Fahrrädern entwickelt. Schon seit der Gründung von Thömus war Beat Zaugg mit der Marke Scott ein Mitbewerber. Er sei Konkurrent, aber auch Vorbild, sagt Binggeli. Zaugg musste jüngst nach Querelen mit den südkoreanischen Mehrheitsaktionären zurücktreten. Einen Gegenspieler bei der Erstellung des Swiss Bike Park hatte er mit Raimund Rodewald, Geschäftsführer der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz.
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Der Unternehmer hat im Laufe seiner Karriere Beziehungen zu Persönlichkeiten aus den unterschiedlichsten Bereichen aufgebaut. Daraus wurden auch Freundschaften. So schwitzt Thömu mit Ex-SNB-Präsident Philipp Hildebrand auf dem Rennvelo über Strecken, die auch mal 150 Kilometer lang sein können. Er nennt das «Gourmet-Touren»: Als Belohnung für die Anstrengungen gönnt man sich ein feines Essen und ein gutes Glas Wein. Mit dem Ehepaar Daniela und Peter Spuhler geht es aufs Mountainbike im Engadin. Zu seinen Velofreunden zählt auch der St. Moritzer Gemeindepräsident Christian Jott Jenny. Der langjährige Präsident des Versicherers Mobiliar, Urs Berger, wagte sich mit Binggeli auf die Downhillstrecke am Berner Hausberg Gurten. Er machte dabei einen «Abflug in die Bäume», wie er selbst beschreibt. Der Sturz passierte ausgerechnet am Abend vor der Delegiertenversammlung der Mobiliar. Berger war Impulsgeber für den Swiss Bike Park. Auf die Idee kamen die beiden bei einem gemeinsamen Lunch. Der Eintritt in die 30'000 m2 grosse Anlage, die in Zusammenarbeit mit den Parasportlern entstand, ist kostenlos. Nach Oberried kam schon viel Politprominenz. Bundesrat Ignazio Cassis versuchte sich schon auf einem wellenförmigen Rundkurs, und Kollege Albert Rösti eröffnete einen Neubau des Parks.
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