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So will António Horta-Osório bei Credit Suisse aufräumen

António Horta-Osório ist die wichtigste neue Personalie im diesjährigen Banker-Ranking. Wie er die Grossbank aus dem Tief holen will.

Erik Nolmans

Antonio Horta-Osorio. CEO Lloyds Bank UK

KEINE ZEIT ZU VERLIEREN: António Horta-Osório, seit Ende April Verwaltungsratspräsident der Credit Suisse, hat die Zügel bei der Bank fest in die Hand genommen.

Jordi Adria

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Der Mann ist gekommen, um zu bleiben. Ende Juli hat sich António Horta-Osório ein Haus gekauft, im Steuerparadies Wollerau SZ. Es ist ein vergleichsweise bescheidenes Reihenhaus an einer Wohnstrasse am Hang oberhalb der Seegemeinde Bäch, allerdings mit schönem Blick auf den Zürichsee. Gut möglich, dass er sich bewusst nicht in den Millionärs-Hügeln der gegenüberliegenden Goldküste angesiedelt hat – die beiden Ex-CS-Topmanager Tidjane Thiam und Iqbal Kahn waren als unmittelbare Nachbarn im Herrliberger Villenviertel arg aneinandergeraten.

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Von Wollerau aus pendelt Horta-Osório in die Bankzentrale am Zürcher Paradeplatz. Er arbeitet von 7 bis 22 Uhr. Der Mann, dessen offener Umgang mit seinem Burn-out als Chef der britischen Lloyds weit herum Schlagzeilen machte, ist offensichtlich wieder voll im Tatenmodus.
Genug zu tun gibt es ja auch bei der Credit Suisse. Unmittelbar vor seinem Amtsantritt am 30. April waren die Skandale um Greensill und Archegos geplatzt, bei denen die Bank insgesamt rund sieben Milliarden Franken verlor. Es traf die Credit Suisse wie eine Bombe und zeigte ein Institut mit desaströsem Risikomanagement. Seither ist Aufräumen angesagt.

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Dass er ein Mann der Tat ist, hat der 57-Jährige schon bei seinem vorherigen Arbeitgeber Lloyds gezeigt. Als der Portugiese 2011 den CEO-Posten bei der von der Finanzkrise gebeutelten Bank in London antrat, liess er keinen Stein auf dem andern: Er schloss Abteilungen in 24  Ländern, baute unzählige Niederlassungen ab und investierte dafür in die Digitalisierung. Lloyds wurde zu einem auf Grossbritannien fokussierten Powerhaus. Der britische Staat, der die Bank in der Krise mit 20 Milliarden Pfund stützen musste, bekam sein Geld mit Gewinn zurück.

Seit seinem Antritt ist Unruhe in der CS, und auch die Presse harrt erwartungsvoll der Taten des neuen Chairman. Wann schmeisst er CEO Thomas Gottstein raus, wird er das Investmentbanking aufgeben, kommt der ganz grosse Jobabbau? Das sind die Fragen, die intern wie extern die Leute umtreiben.

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Doch Horta-Osório ist kein Mann der Haurucklösungen. Ein Blick auf sein Vorgehen bei der Bank zeigt, wie systematisch der Präsident seine Rolle angeht.
 

Macht sichern

Der erste Schritt in seinem Plan war die Sicherung der eigenen Macht. Das Aktionariat der CS ist geprägt von einer Handvoll Grossinvestoren, die zusammen rund ein Drittel besitzen. Ist er sich des Supports dieses Blocks sicher, kann er durchregieren.

To-do-Liste: die Baustellen

  • Firmen- und Führungskultur fundamental ändern
  • Risikomanagement wieder funktionstüchtig machen
  • Asset Management stärken oder verkaufen
  • Investmentbanking weiter drastisch reduzieren
  • Digitalisierung forcieren

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Zu mehreren der CS-Grossaktionäre hatte er schon vor seinem Wechsel in die Schweiz ein enges Verhältnis, waren doch angelsächsische Gesellschaften wie Harris Associates, Blackrock oder Silchester auch bei Lloyds investiert – und hatten dort seine beeindruckende Leistung mitansehen können. Laut Insidern war David Herro, Anlagechef von Harris Associates, ein bedeutender Fürsprecher seiner Wahl. Nebst den angelsächsischen Grossinvestoren hat die CS aber auch zwei mächtige Aktionäre aus dem arabischen Raum. Auch bei ihnen sicherte er sich die Rückendeckung, ja dies soll laut Insidern zu seinen ersten Handlungen gehört haben.

Er reiste nach Katar, um sich mit den Verantwortlichen der Staatsholding auszutauschen, und danach nach New York, wo das Family Office des zweiten arabischen Grossaktionärs, der saudi-arabischen Olayan-Familie, beherbergt ist. «Die Unterstützung grosser Investoren ist wichtig für einen Chairman», sagt Horta-Osório.
Der nächste Schritt in seinem Top-down-Ansatz bestand darin, seinen Zugriff in die Organisation hinein zu verstärken. Horta-Osório kommt von aussen, hat keine Seilschaft, auf die er bauen kann.

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Wie kritisch dies insbesondere bei der Credit Suisse ist, zeigt der interne Report zu Archegos vom Juli. Erschreckend zu sehen war vor allem, wie Informationen von unten nicht nach oben gelangten, wie auf unteren Ebenen Risikovorgaben in den Wind geschlagen wurden und die Chefs auf der jeweiligen Stufe entweder die Augen schlossen oder schlicht ahnungslos waren.

In einem solch vernebelten System zu Informationen zu gelangen, war offensichtlich schon für die Internen ein Problem, für einen Mann von aussen, der in der Firma keinen kennt, ist es umso schwieriger.
 

Frische Leute

Allen war klar, dass es neue Leute in verschiedenen Schlüsselpositionen braucht, will das Management und der Verwaltungsrat einen besseren Zugriff ins Innere bekommen. Eine zentrale Personalie war jene des Risikochefs. Lara Warner war infolge der Skandale geschasst worden, seither hält mit Joachim Oechslin ein ehemaliger Risikomanager aus internen Reihen ad interim den Sessel warm. Ende Juli konnte die Bank verkünden, einen Topmann gewonnen zu haben: David Wildermuth von Goldman Sachs. 25 Jahre wirkte Wildermuth für den US-Giganten, seit 2015 als stellvertretender Risikochef. Er ist nicht sofort frei, soll aber «spätestens am 1. Februar 2022» übernehmen. Das zeigt, wie systematisch Horta-Osório denkt: Lieber etwas später, dafür die richtige Person.

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Dann kamen zwei Neuberufungen in seinem ureigensten Umfeld, dem Verwaltungsrat. Mitte August wurde bekannt, dass Axel Lehmann, bis Januar 2021 bei der Konkurrentin UBS als Chef Schweiz tätig, in den Verwaltungsrat gewählt werden soll. Er soll dort als neuer Vorsteher des Risikoausschusses wirken.

 

Alter Buddy

Mit Lehmann soll der Spanier Juan Colombas neu in den Verwaltungsrat einziehen. Er hat das Zeug, um zur prägenden Figur im Umfeld des neuen Präsidenten zu werden. Er ist einer der engsten Vertrauten von Horta-Osório, und dies schon seit rund zwanzig Jahren. Colombas, zuletzt Verwaltungsrat der niederländischen ING Group, hat nicht nur bei Lloyds, sondern auch bei seinem früheren Arbeitgeber, der spanischen Santander, eng mit Horta-Osório zusammengearbeitet. Bei dessen Wechsel von Santander auf den Chefposten von Lloyds 2011 setzte er Colombas an die Schlüsselstelle des Chief Risk Officer und machte ihn später als Chief Operating Officer offiziell zu seiner rechten Hand.

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Als nächster Schritt kam dann jüngst nochmals ein Erneuerungsschub fürs exekutive Management. Dies betrifft eine andere wichtige Aufgabe auf seiner To-do-Liste, nämlich die Änderung der Firmenkultur. Die Bank steht seit jeher im Ruf, einen Typus Mitarbeiter anzuziehen, der unter unternehmerischer Freiheit vor allem versteht, viel Geld zu verdienen – nicht zuletzt für sich selbst (und wenn nötig auch zum Schaden der Bank).
Die Kultur einer Firma wird von den Menschen bestimmt, die bei ihr arbeiten. Will man die Kultur ändern, muss man die richtigen Leute anlocken. In diesem Zusammenhang ist die Berufung von Christine Graeff zu sehen, die als neue Human-Resources-Chefin in die Konzernleitung einziehen soll. Die Deutsch-Französin, die seit Anfang Jahr für die Kommunikation der Bank zuständig war, hat einen ausgezeichneten Ruf, den sie sich unter anderem als langjährige Kommunikationschefin der Europäischen Zentralbank erworben hat.

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Thomas Gottstein, the new CEO of the Swiss bank Credit Suisse, speaks to the media after the press conference of the full-year results of 2019 in Zurich, Switzerland, Thursday, Feburary 13, 2020. (KEYSTONE/Ennio Leanza).

EIN CHEF STEHT UNTER DRUCK: Nach den Skandalen um Greensill und Archegos ist CS-CEO Thomas Gottstein angeschlagen.

Keystone
Thomas Gottstein, the new CEO of the Swiss bank Credit Suisse, speaks to the media after the press conference of the full-year results of 2019 in Zurich, Switzerland, Thursday, Feburary 13, 2020. (KEYSTONE/Ennio Leanza).

EIN CHEF STEHT UNTER DRUCK: Nach den Skandalen um Greensill und Archegos ist CS-CEO Thomas Gottstein angeschlagen.

Keystone


Mit ihrer Nomination wurde die Veränderung auf einer weiteren Schlüsselposition verkündet: Als neuer Chief Compliance Officer soll Rafael Lopez Lorenzo – auch er ein Spanier – zukünftig intern ein wachsames Auge auf die Grundzüge ethischen Geschäftsgebarens haben. Leicht wird das alles nicht werden: «Eine Firmenkultur zu ändern, braucht sehr viel Zeit», gibt Horta-Osório zu bedenken.

Und da wäre dann natürlich noch die Frage des obersten operativen Postens, des CEO. «Thomas Gottstein hat das Vertrauen des Verwaltungsrats», tritt Horta-Osório den derzeit kursierenden Gerüchten um einen bevorstehenden Abgang des Schweizers entgegen. Schon bei seinem Amtsantritt im April hatte Horta-Osório seinem CEO demonstrativ den Rücken gestärkt, was er auch klar weiterhin tut. Wenn kritische Themen aufkommen, müsse man sich mit diesen halt auseinandersetzen, fügt er an und betont, es sei generell wichtig, Leute aus dem Innern zu haben, welche für die Kompetenz und das Gedächtnis der Firma stünden.

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Klar ist, dass eine Auswechslung des CEO zusätzliche Unruhe in die Bank brächte. Die Frage ist auch, wer ihn kurzfristig ersetzen könnte. Intern stehen im Grunde nur zwei Männer parat. Zum einen der Österreicher Christian Meissner, der im April den geschassten Brian Chin als Chef des Investmentbankings ersetzte. Er ist ein Branchenprofi mit Vergangenheit bei anderen grossen Playern wie der Deutschen Bank, Goldman Sachs oder der Bank of America Merrill Lynch. Dass er Potenzial für mehr haben könnte, haben schon andere gemerkt: 2019 soll er laut Bloomberg für den CEO-Posten bei der UBS im Gespräch gewesen sein.

Ein anderes Urgestein ist Ulrich Körner, der von 1998 bis 2009 schon einmal in Spitzenfunktionen bei der CS war, bevor er für zehn Jahre zur UBS wechselte. Er kam im März neu in die Geschäftsleitung, um das kriselnde Asset Management umzubauen, und ist von den jüngsten Skandalen unbelastet. Er gilt als fachlich top, ist wegen seines oft arroganten Umgangs mit Menschen aber nur schwer für die Rolle der obersten Galionsfigur zu vermitteln.
 

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Neuer Machtzirkel

Die Lösung, auf die Horta-Osório bis zur definitiven Klärung der CEO-Frage setzt, ist eine Art Aufteilung der Macht – das Tagesgeschäft bleibt beim CEO und seiner Konzernleitung, viele Fragen im Umfeld der Skandale und der Neupositionierung sind beim Tactical Crises Committee (TCC) angesiedelt, welches schon vor Horta-Osório ins Leben gerufen wurde. Es besteht aus drei Mitgliedern – aus ihm selbst als Vorsteher, den Verwaltungsräten Richard Meddings und Christian Gellerstad, sowie einigen ständigen Gästen, unter ihnen vor allem Thomas Gottstein. Je nach Thema sind zusätzlich weitere Mitglieder aus dem Executive Committee dabei, sodass meist rund sieben bis zehn Leute teilnehmen.

Die starke Rolle, die Horta-Osório für sich selbst reklamiert, sei der erste Schritt auf dem Weg zu seinem wahren Ziel, munkeln manche: Er wolle selbst CEO werden.
Dies allerdings stellt Horta-Osório klar in Abrede. Er sei ein aktiver Chairman, aber stets im Rahmen der Möglichkeiten, welche das Schweizer Gesetz vorgebe. Eine Doppelfunktion sei ja nach Schweizer Vorgaben auch gar nicht möglich. Das TCC werde gezielt für die Aufarbeitung der dringenden Probleme eingesetzt und werde wieder aufgelöst, wenn die laufenden Arbeiten erledigt worden sind. Das Komitee sei von Urs Rohner zu Pandemiezeiten gegründet und von der Finanzmarktaufsicht Finma bewilligt worden.

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Abwartende Haltung

Die Börse hat bis jetzt noch verhalten auf den Einzug von António Horta-Osório reagiert.

CS
Bloomberg
CS
Bloomberg

Nebst dem TCC spielen die in regelmässigen Abständen stattfindenden Strategie-Retraiten eine wichtige Rolle. Sie finden oft im Kurort Bad Ragaz statt, wo der Verwaltungsrat zusammen mit der Komzernleitung abseits der Zürcher Hektik nach Lösungen sucht. Gewichtige Fragen stehen an. Etwa jene, was mit dem Investmentbanking geschehen soll, das in den vergangenen Jahren immer wieder für saftige Abschreiber gesorgt hat: «Der Bereich zeigt über mehrere Zyklen eine absolut ungenügende Rendite», sagt Andreas Venditti, Analyst der Bank Vontobel. «Ressourcen weiter aus dem Investmentbanking raus und rein ins Private Banking», schlägt er jene Lösung vor, welche der Bank auch von anderen Experten ans Herz gelegt wird.

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«Das Problem ist, dass die CS in vielen Bereichen die kritische Grösse nicht erreicht», sagt ein ehemaliger hoher CS-Mann, «stark ist man eigentlich nur im Schweizer Heimmarkt und in gewissen Bereichen der Vermögensverwaltung.» Wie die neue CS genau aussehen wird, will Horta-Osório nicht verraten. Beobachter erwarten wirklich gewichtige Weichenstellungen erst gegen Ende Jahr. Vielen geht das zu wenig schnell, aus Börsenkreisen verlautet, der Präsident agiere arg zögerlich. Die Investoren wollen Taten sehen, schliesslich ist der Kurs der CS seit Anfang Jahr um 15 Prozent gesunken – in einer ansonsten boomenden Börsenlage.
 

Übernahmekandidat

Vielleicht hätte man doch mit Konkurrentin UBS fusionieren sollen, wie es der Plan der beiden Präsidenten Axel Weber und Urs Rohner Anfang 2020 vorgesehen habe, heisst es heute in Börsenkreisen. Ein Grund, dass es damals nicht klappte, war, dass das Austauschverhältnis durch den sinkenden CS-Kurs den ursprünglich vorgesehenen «Merger of Equals» verhinderte. Heute wäre die CS froh, wenn sie noch beim damaligen Tauschverhältnis wäre: Ihr Kurs hat im Vergleich mit jenem der UBS weiter tüchtig eingebüsst.

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Mit einer Marktkapitalisierung von nur noch 25 Milliarden Franken gilt die CS heute gar als Übernahmekandidat, auch wenn Horta-Osório eine feindliche Übernahme ausschliesst: Solche gälten in der Bankbranche generell als nicht umsetzbar.
So sieht alles danach aus, als dass sich die CS doch an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen muss. Horta-Osório selbst glaubt offenbar an den Neuaufbruch und hat sich mit zusätzlichen CS-Aktien eingedeckt: Am 3. Mai und dann nochmals am 30. Juli kaufte er eigene Aktien für je rund eine Million Franken. Ein Blick auf den Kurs zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses (16. September) zeigt: Einen kleinen Kursgewinn konnte er auf seinem Zwei-Millionen-Investment in die CS für sich schon verbuchen: 14 000 Franken. Immerhin.

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Erik Nolmans

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