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Der abrupte Wechsel an der Konzernspitze hat eine längere Vorgeschichte. Wie CEO Mark Schneider schleichend den Rückhalt verlor.
CEO Mark Schneider (im Bild) und Konzernpräsident Paul Bulcke waren lange ein erfolgreiches Duo, hatten sich aber auseinander gelebt.
Markus BertschiWerbung
Ein Staunen und Raunen ging durch die Schweiz, wie es Nachrichten aus der Unternehmenswelt selten auszulösen vermögen. Am Donnerstag, dem 22. August, nach Börsenschluss hatte der Lebensmittelkonzern Nestlé ein Communiqué verschickt: Abgang des Konzernchefs Mark Schneider zum 1. September, nachfolgen werde der langjährige interne Topmanager Laurent Freixe.
Am folgenden Morgen herrschten Schnappatmung und Rätselraten in der Presselandschaft, und das offizielle Ende der Amtszeit Schneiders erfolgte: Um 8 Uhr, bei strahlendem Sonnenschein, meldeten sich Schneider und Konzernpräsident Paul Bulcke, das langjährige Erfolgs-Duo, gemeinsam mit Freixe per Audioschaltung bei den Finanzanalysten. Dass Schneider hier noch mitmachte, war ein Zeichen, dass er einen anständigen Abgang wollte. Doch er sprach kaum mehr als eine halbe Minute («It has been an honor and a privilege to serve Nestlé, and leaving is not a decision I have taken lightly»), hörbar vom Blatt gelesen. Das Wort führten Bulcke und Freixe, den Schneider acht Jahre zuvor beim Kandidatenrennen noch deutlich distanziert hatte.
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Hier endete die Karriere eines Grossen. Als CEO bei Nestlé, die sich als Olymp der europäischen Konzernwelt betrachtet, hatte Schneider bis zu diesem Tag den Ruf einer Manager-Ikone, der auch unschöne Meldungen und der Einbruch des Aktienkurses während der vergangenen Monate nicht viel anzuhaben schienen. Zwar grummelte es inzwischen im Kreis der Analysten und Investoren, die Nestlé verfolgen, doch negative Kommentare waren ansonsten nicht zu vernehmen – Workaholic Schneider, der regelmässig auch die Sonntage im Büro verbrachte und mit den Rezepten seiner selbst gebauten Smoothies viel Sympathie aufgebaut hatte, verfügte nach wie vor über ein blendendes Image.
Intern war die Stimmung düsterer. Zwar lassen sich die ersten Risse in dieser lange Zeit höchst erfolgreichen Partnerschaft zeitlich nicht genau verorten. Aber Fakt ist: Was wie ein plötzlicher Knall wirkte, war mitnichten eine Hauruck-Übung, sondern Endpunkt einer Zermürbung zwischen den beiden Konzernlenkern, die schon vor deutlich mehr als einem Jahr begann – lange vor dem Fall der Nestlé-Aktie unter die magische Marke von 100 Franken. Dass davon nichts nach aussen drang, erklärt sich mit dem speziellen Korpsgeist, der diesen Konzern immer ausgezeichnet hat: Nach aussen schweigen wir und halten zusammen.
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Eine Rekonstruktion von Schneiders Abgang zeigt: Die Unzufriedenheit gärte bereits länger, und sie war auf mehreren Ebenen entstanden. In der Konzernleitung gab es Kritik an Schneiders Führungsstil. Im Verwaltungsrat galt der M&A-Spezialist mit seinem Fokus auf Portfolio-Management als zunehmend abgehoben und marktfern. Und schliesslich hatte er sich den Unmut von gleich zwei einflussreichen Granden zugezogen: Neben dem Präsidenten Bulcke war auch sein einstiger Förderer Peter Brabeck von ihm abgerückt.
Der stolze langjährige Nestlé-Lenker und Vorgänger Bulckes als CEO und als Präsident, mit Schneider im Stiftungsrat des WEF verbunden, griff offenbar sogar zu einem Schritt, den er selbst immer als tabu erklärt hatte: Brabeck soll Nestlé-Aktien verkauft haben – die Kulmination einer Entfremdung. Man könnte sogar sagen: Die spezielle Konstellation zwischen Brabeck und Bulcke, den Nestlé-Alphas der letzten zwei Jahrzehnte, war ein entscheidender Faktor für Schneiders Ende.
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Der mächtige Altmeister: Peter Brabeck war Vorgänger von Paul Bulcke als CEO und dann als Chairman. Seine Innovationen drehte Schneider teilweise zurück.
KeystoneDer mächtige Altmeister: Peter Brabeck war Vorgänger von Paul Bulcke als CEO und dann als Chairman. Seine Innovationen drehte Schneider teilweise zurück.
KeystoneDer Antritt Schneiders 2016 war genauso überraschend wie sein Abgang. Er war zumindest teilweise ein Abschiedsgeschenk des damaligen Präsidenten Brabeck an seine Nestlé. Brabecks Verhältnis zu seinem damaligen CEO Paul Bulcke galt als angespannt: Der Österreicher nahm Bulcke nicht, wie sich selbst, als Strategen wahr, und operativ hatte der Belgier in seinen letzten CEO-Jahren mehrfach die angekündigten Umsatzziele verfehlt. Doch die ungeschriebene Nestlé-Tradition, wonach der CEO zum Präsidenten aufrückt, konnte Brabeck nicht aushebeln, auch wenn Corporate-Governance-Puristen wie üblich die Nase rümpften. Also suchte er einen innovativen Manager mit CEO-Erfahrung als Visions-Injektion – und fand ihn in dem scharfsinnigen deutschen HSG-Absolventen Schneider, der beim Frankfurter Gesundheitskonzern Fresenius über eine Dekade hinweg ein durchschnittliches Kurswachstum von mehr als zehn Prozent pro Jahr geliefert hatte. Und Gesundheit, dieses Thema hatte Brabeck seit Jahren bei Nestlé vorangetrieben.
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Der Coup gelang: Bei der Führungskräfte-Tagung am 27. Juni 2016 überraschte die Nestlé-Führung ihre Mannschaft mit dem neuen Chef. Intern hätte noch Wan Ling Martello eine Chance gehabt, doch sie hatte erst ein Jahr die asiatischen Märkte geleitet, war ohnehin nur wenige Jahre bei Nestlé. Der französische Konzernveteran Laurent Freixe hatte viel Fronterfahrung, aber war dem Belgier Bulcke zu ähnlich; die beiden Frankophilen gelten zudem nicht als Freunde. Schneider überstrahlte beide mit seinem Intellekt und Track Record, und Brabeck sandte mit der Nominierung eine Abschiedsbotschaft an Bulcke: Wir müssen innovativer werden – das Kerngeschäft allein sichert keine Zukunft.
Doch dann geschah Unerwartetes: Schneider verbündete sich mit Bulcke. Unsentimental schnitt er das von Brabeck aufgebaute Hautpflegegeschäft zurück, verkaufte die Abteilung Nestlé Skin Health, deren Performance stets enttäuscht hatte, zu einem Preis von 10,2 Milliarden Franken, den kaum ein Beobachter für möglich gehalten hatte. Gesundheit sollte nun bei Nestlé vor allem via Nahrungsergänzung stattfinden, Crèmes oder gar dekorative Kosmetik waren out. Brabeck hatte keine Freude. Bulcke dafür schon.
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Schneider glänzte zudem im Financial Engineering: Aktienrückkäufe, Aktivierung von Fremdkapital, vor allem aber spektakuläre und grossformatige Portfolio-Umschichtungen: Problematische Geschäfte wie Speiseeis oder regionale Wassermarken stiess er ab, rentable Wachstumsbereiche wie Kaffee oder Tierfutter stärkte er gezielt, holte insbesondere die Retail-Markenrechte an der Kaffee-Ikone Starbucks zu Nestlé, kaufte kleine Firmen als Innovationszentren zu.
Der Erfolg kam: Die Börsianer freuten sich über den neuen Shareholder-Fokus, die Pandemie heizte die Umsätze an, die Negativzinsen machten die Aktie zu einem begehrten Anleihenersatz. Schneider ritt auf einer Erfolgswelle und wehrte sogar den bissigen US-Investor Daniel Loeb elegant ab. Ende 2021, zum Abschluss des zweiten Pandemiejahres, erreichte die Aktie ein Allzeithoch von 129 Franken. Schneider wurde zunehmend selbstbewusster. Der bestens vernetzte Bulcke vernahm indes Klagen, dass er in der Konzernleitung zum Dozieren neige.
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Der Präsident sah die lange so erfolgreiche Nestlé-Kultur in Gefahr. Der Small Talk auf den Gängen, die spezielle Nestlé-Kollegialität, drohte auf der Strecke zu bleiben. Schneider verströmte nur Analyse und Business. Dafür verzichtete er aber auf Taktierereien oder Machtspiele. Auch gegenüber Bulcke, mit dem er sich monatlich zum Lunch traf und bisweilen mehrmals täglich austauschte, war er stets transparent. Aber es fehlte eben etwas Wärme.
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Zudem gab die Personalauswahl intern zu reden. Bulcke sah den Konzern immer als schweizerisch-europäisch. Den kurzatmigen, Finanzmarkt-orientierten amerikanischen Managementstil hatte schon sein Ziehvater Helmut Maucher nicht geschätzt, und Bulcke teilte die Aversion. Der Deutsch-Amerikaner Schneider, Harvard-Absolvent und Amerika-Fan, seit er in jungen Jahren für den deutschen Mischkonzern Haniel in den USA postiert war, forcierte jedoch die Amerikanisierung.
Einerseits inhaltlich: Selbst Analysten wunderten sich bisweilen über die «zu engen», mehrstufigen Nestlé-Finanzziele auf unterschiedlichen Levels der Gewinn- und Verlustrechnung (Umsatzwachstum, Betriebsgewinn, Earnings per Share). Andererseits personell: Das zentrale Geschäft für Beschaffung und Produktion übertrug er der Amerikanerin Stephanie Hart, Gesundheit ihrer Landsfrau Anna Mohl, und dass selbst die Kommunikation, für den Aussenaufritt des 270'000-Mitarbeiter-Konzerns elementar, von einer Amerikanerin namens Lisa Gibby geführt wurde, sorgte im Verwaltungsrat für Stirnrunzeln. Mit vier Mitgliedern stellen die Amerikaner derzeit erstmals die grösste Fraktion in der 14-köpfigen Konzernleitung. Nimmt man zwei Briten und eine Kanadierin dazu, liegt der Anteil der Angelsachsen bei 50 Prozent.
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Stephanie Hart: Die Amerikanerin ist Chefin Operations. Führt also Einkauf, Lieferkette und Produktion.
PRStephanie Hart: Die Amerikanerin ist Chefin Operations. Führt also Einkauf, Lieferkette und Produktion.
PRInhaltlich noch entscheidender war eine andere Personalie. Mit dem französischen Finanzchef François-Xavier Roger war Schneider zunehmend unzufrieden, auch wenn es objektiv wenig Gründe zur Beanstandung gab. Doch bei Nestlé, wo die operativen Kräfte der Konzernleitung meist auf Reisen sind, sollte der CFO sein zentraler Mitstreiter am Sitz in Vevey sein. Schneider wollte einen Neuanfang, am liebsten eine Frau. So kam im Mai vergangenen Jahres die – zweifellos kompetente – Engländerin Anna Manz an Bord. Und der Abgang des verdienten Roger, den noch Brabeck installiert hatte, signalisierte dem Topmanagement: Niemand ist sicher.
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Doch das Grummeln im Konzern über Schneiders kühl-technokratischen Führungsstil hätte ihn kaum den Job gekostet, wenn der Wind von aussen nicht so scharf gedreht hätte – und das spiegelte sich im Kurs der Aktie wider.
«Am Aktienkurs lag es nicht», behauptete Bulcke zwar drei Tage nach der Chefwechsel-Verkündung in der «NZZ am Sonntag» – aber überzeugend ist das nicht. Dass der Kurs überschossen hatte, war intern unbestritten. Doch der Fall unter die 100er-Marke im Oktober letzten Jahres war ein Fanal – auch für die Nestlé-Belegschaft, die zahlreiche Aktien hält, inklusive Bulcke selber, dessen Paket mehr als 40 Millionen Franken Wert einbüsste. Die Debatten im Verwaltungsrat nahmen an Schärfe zu, auch der nach Bulcke zweitmächtigste Mann dort, Vizepräsident und Lead Independent Director Henri de Castries, wurde zunehmend skeptischer. Board-Veteranen wie Ex-ABB-Finanzchef Renato Fassbind oder der Ex-Präsident der EPFL Lausanne, Patrick Aebischer, waren zudem noch unter Brabeck bestellt worden, und dessen Abrücken von Schneider schwächte die Stellung des CEO weiter. Ehrenpräsident Brabeck hat noch immer gute Drähte in den Konzern, zudem ein Büro in Vevey.
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Der frühere Vizepräsident: Henri de Castries war langjähriger CEO der französischen Axa. Er entwickelte Skepsis gegenüber Schneider.
Serge Picard / Agence VUDer frühere Vizepräsident: Henri de Castries war langjähriger CEO der französischen Axa. Er entwickelte Skepsis gegenüber Schneider.
Serge Picard / Agence VUUnd so dominierte im Verwaltungsrat immer mehr die Frage, die BILANZ im März aufs Cover setzte: «Kann er Krise?» Zumal sich die Grosswetterlage verschlechtert hatte. In Europa bremste die Inflation die Kauflaune für höherpreisige Lebensmittel, vor allem Markenartikel, speziell im Grossmarkt USA brachen die Verkäufe ein. Die Kriege in der Ukraine und Gaza drückten zusätzlich auf die Konsumentenstimmung. Der Aktie machten ausserdem Befürchtungen zu schaffen, dass die Kunden mit dem Siegeszug der Abnehmspritzen generell weniger konsumieren würden.
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Hinzu kamen eigene Fehler. Der grösste war der Flop der Therapie gegen Erdnussallergie namens Palforzia, die mit der Übernahme von Aimmune zu Nestlé kam. Schneider nahm das öffentlich auf seine Kappe. Wegen einer IT-Panne stockte der Verkauf von Vitaminen und Nahrungsergänzungsmitteln, zur Gesundheitssparte Nestlé Health Science gehörend, die ohnehin an Nachholbedarf leidet. Und der sogenannte Mineralwasser-Skandal sorgte zudem für schlechte Presse.
Der Marktausblick im Februar mit einem Wachstum von vier Prozent lag schon unter den Erwartungen, das Ergebnis vom ersten Quartal enttäuschte. Im Juni schnellte der Kurs nach optimistischen Äusserungen Schneiders auf 98 Franken hoch, doch dann war die Ernüchterung nach den enttäuschenden Halbjahreszahlen Ende Juli umso grösser – Nestlé musste die Wachstumsprognosen von vier auf «mindestens drei Prozent» für das Jahr senken. Der Kurs rutschte erstmals seit fünf Jahren unter die 90er-Marke. Schneider hatte eine Nestlé-Ursünde begangen: Overpromise and underdeliver.
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Operativ war ihm noch immer wenig vorzuwerfen. Verglichen mit Fehlgriffen der beiden Peers Danone und Unilever ist Aimmune, im Wert weniger als ein Prozent der Nestlé-Marktkapitalisierung, ein kleiner Fisch. Unilever etwa scheiterte mit dem geplanten 60-Milliarden-Kauf der Konsumgütersparte von GlaxoSmithKline. Beide verlieren laut Bernstein-Analyst Bruno Monteyne «strukturell Marktanteile in einem grossen Anteil ihres Portfolios, und zwar schlimmer als Nestlé», doch beide gelten an der Börse derzeit als heisserer Tip. Sein Fazit: Nestlé braucht ein neues «Narrativ». Dieses findet sich in der Betonung der Frontkenntnisse in den einzelnen Märkten. Die kann Quereinsteiger Schneider nicht haben, während Freixe sie im Überfluss gesammelt hat.
Derweil war Henri de Castries zwar im April wegen der Amtszeitlimite von zwölf Jahren ausgeschieden, doch sein Nachfolger als Vizepräsident und Lead Director teilte die Skepsis am CEO: Pablo Isla, langjähriger Chef des spanischen Textilriesen Inditex (Zara), übernahm die Leitung des Nominierungskomitees, dem natürlich auch Bulcke angehörte. Und gerade Inditex mit ihrem extremen Konsumentenfokus, ein Klassiker intensiver Marktbearbeitung, verkörpert diese neu zur Maxime erklärten alten Nestlé-Tugenden. Isla dürfte Schneider noch kritischer beäugt haben als sein Vorgänger – und weder von Brabeck noch von Bulcke war noch Rückhalt zu erwarten, dafür war zu viel passiert.
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Der aktuelle Vizepräsident: Pablo Isla machte den spanischen Konzern Inditex gross. Er stützte Schneider nicht, will wohl Bulcke nachfolgen.
Getty ImagesDer aktuelle Vizepräsident: Pablo Isla machte den spanischen Konzern Inditex gross. Er stützte Schneider nicht, will wohl Bulcke nachfolgen.
Getty ImagesNach der Sommerpause kam es zum Showdown. Weniger als zwei Jahre zuvor war Schneider noch der Darling der Finanzgemeinde, nichts konnte er falsch machen. Nun konnte er nichts mehr richtig machen. Und die internen Spannungen hatten sich aufgestaut, sogar externe Beobachter hatten inzwischen vernommen, Schneiders Stil sei «zu ruppig» und «fordernd». Und dass es wohl unschöne Erlebnisse waren, dem CEO gegenüberzu sitzen, wenn die Dinge nicht gut liefen.
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Bulcke und Isla erhöhten den Druck, und es war schliesslich auch Schneider selbst, für seine Konsequenz bekannt, der im Weitermachen keinen Sinn mehr sah. Am Donnerstag wurde eine ausserordentliche VR-Sitzung per Videoschalte anberaumt – und so fand Laurent Freixe im Alter von 62 Jahren doch noch den Weg in das Nestlé-Chefbüro, und das per sofort. Eine externe Lösung war angesichts der Notlage ausgeschlossen, lediglich über Nestlés US-Chef Steve Presley wurde kurz diskutiert. Doch einen Amerikaner zu nominieren, war keine ernsthafte Option.
Mit dem abrupten Abgang geht auch Paul Bulcke ins Risiko. Das Ganze riecht nach Aktivismus, wirkt nicht gravitätisch «Nestlé-like». Der hochgelobte Verwaltungsrat hat Schrammen davongetragen, die Erklärungsversuche nach extern für den Wechsel wirkten hilflos – Nähe zu den Märkten und den Konsumenten waren die Stichworte. Freixe sei «genau die Führungskraft, die Nestlé jetzt braucht», verkündete Bulcke vage. Doch muss ein CEO wirklich in Südamerika Maggi-Bouillonwürfel verkauft haben, hat er dafür nicht seine Leute? Unbestritten hat Freixe die Nestlé-Grossregionen Europa sowie Nord- und Südamerika viele Jahre hocherfolgreich geführt. Er gilt als zugänglicher, integrativer Typ, ist intern beliebt.
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Bulcke wird am 8. September 70 Jahre alt. Bislang wollte er noch zwei Jahre an der Spitze bleiben. Doch die Alterslimite liesse ein drittes Jahr bis 2028 zu. Schneider, in Nestlé-Tradition als CEO auch VR-Mitglied, galt als natürlicher Anwärter auf die Bulcke-Nachfolge. Freixe wird jetzt ebenfalls in den VR einziehen, doch für Bulckes Nachfolge werden ihm nur geringe Chancen eingeräumt. So wäre die Bahn frei für den ehrgeizigen Isla. Der wird 2028 zwar auch schon zehn Jahre Board-Mitglied sein, also in Sichtweite der Amtszeitlimite. Doch wo ein Wille ist, findet sich auch eine Ausnahme von der Regel.
Und Schneider? Bei Roche ist er Verwaltungsrat, das Mandat ist aber nur informell mit Nestlé verbunden, wie auch der Sitz im WEF-Stiftungsrat. Offen ist, ob er überhaupt in der Schweiz bleiben möchte. Sein Ruf ist intakt: Dass die Nestlé-Aktie am Morgen nach seiner Abgangsverkündung um vier Prozent absackte, darf er als Wertschätzung verbuchen. Nicht einmal seine Kritiker würden bestreiten, dass er viel erreicht hat. Nun muss der Neue beweisen, dass er es wirklich besser kann.
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