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Roman Geiser kauft Farner zu einem europäischen Player gross. Eine riskante Strategie.
The sky is the limit: Roman Geiser auf dem Dach seiner Zürcher Agentur Farner.
Marc Weltli für BILANZWerbung
Die Luft ist zum Schneiden dick im überfüllten Sitzungszimmer, die Temperatur drückend hoch trotz des Sauwetters draussen Anfang März. Knapp 50 Personen, fast nur Männer, sind zusammengekommen, einer nach dem anderen tritt auf die Bühne und erzählt, womit seine Firma Geld verdient: Die eine macht Marketing für Schokolade, die andere TikTok-Videos, die nächste Corona-Kampagnen, wieder eine Krisenkommunikation in der Baubranche. Man hört holländischen, österreichischen, norddeutschen Akzent, 500 Zuhörer sind online zugeschaltet.
Alles ist straff durchorganisiert: Jeder hat zwei Minuten Zeit auf der Bühne, der Countdown auf dem riesigen Bildschirm daneben zählt unerbittlich rückwärts, bei null ertönt ein lautes Quäkgeräusch, das Wort wird abgeschnitten. Zehn Mal geht das so, es folgt eine Fragerunde, anschliessend verteilt sich das Publikum auf verschiedene Sitzungszimmer für Workshops.
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Es ist ein Familientreffen der besonderen Art, das hier im Zürcher Schmidhof zum ersten Mal stattfindet. Denn die Firmen, die an dem Anlass vorgestellt werden, haben eines gemeinsam: den Schriftzug «Team Farner» hinter dem eigenen Logo. «Von Februar 2022 bis Februar 2023 haben wir unseren Umsatz verdreifacht», sagt Roman Geiser. «Wir werden dieses Tempo auch im laufenden Geschäftsjahr anschlagen.» Geiser (54) ist der Mastermind hinter einer beispiellosen Shoppingtour: 10 Firmen hat er in den letzten zwölf Monaten übernommen, weitere 10 bis 15 sollen noch dazukommen.
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Das Ziel: seine Holding Team Farner in den nächsten vier bis fünf Jahren auf 250 Millionen Umsatz und damit in die Top 3 der europäischen Kommunikationsagenturen zu hieven. Dort liegen bisher Brunswick (490 Millionen Euro), MSL (387 Millionen) und MC Group mit 298 Millionen (wobei deren Umsatzangabe in der Branche als zweifelhaft angesehen wird).
Dass Geiser Wachstum kann, hat der «langweilige Betriebswirtschaftler», wie er sich selbst nennt, bewiesen: Seine erste Agentur, den Schweizer Ableger des Global Players Burson-Marsteller, übernahm er im zarten Alter von 34 als Chef und verdoppelte innert sechs Jahren den Umsatz von sechs auf zwölf Millionen Franken. Danach durfte der gebürtige Kreuzlinger knapp drei Jahre lang das Europa-Geschäft von Burson-Marsteller leiten, bevor er 2012 von Christian König die Mehrheit bei der Traditionsagentur Farner Consulting übernahm.
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«Ich bin nicht der kleine Alpenschweizer, der rausgeht in die Welt und erstaunt ist. Ich war dort schon.»
Marc Weltli für BILANZ«Ich bin nicht der kleine Alpenschweizer, der rausgeht in die Welt und erstaunt ist. Ich war dort schon.»
Marc Weltli für BILANZZwölf Millionen Umsatz hauptsächlich im politischen Geschäft und der Unternehmenskommunikation machte Farner damals, galt lange als Altherrengesellschaft. «Roman hat daraus etwas ganz anderes gemacht, die Firma entstaubt», sagt Björn Edlund, ehemaliger ABB-Kommunikationschef und langjähriger Wegbegleiter Geisers.
Unter diesem sind Werbung, Branding und Marketingkommunika-tion dazugekommen, gerade im Bereich der Social-Media-Kampagnen gilt die Agentur als stark. «Farner ist das H&M der Kommunikation: Gut-genug-Qualität zu günstigen Preisen», sagt der Kommunikationschef eines Weltkonzerns mit Sitz in der Schweiz. Die Stundensätze liegen bei 150 bis 300 Franken für einen Junior- und 300 bis 500 Franken für einen Senior-Berater.
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Zu den Kunden gehören Coop, Johnson & Johnson oder die grossen Pharmakonzerne, Uber, die SBB, das EWZ oder die Zürcher Kantonalbank. Da muss man auch Widersprüche aushalten können: Die europafreundliche GLP ist ebenso Auftraggeber wie die Bewegung «Kompass Europa», mit der die Gründer der Partners Group Alfred Gantner, Marcel Erni und Urs Wietlisbach die Verhandlungen zum Rahmenabkommen mit der EU versenkt haben – eine Kampagne, die Geiser persönlich betreute.
Besonders neckisch: Geiser fand einst den Weg ins Politgeschäft dadurch, dass er als Student für den EWR Flyer verteilte und Standaktionen durchführte. «Man kann gegen einen dummen Vertrag sein, auch wenn man europafreundlich ist», sagt er. Auch die Corona-Kampagne des BAG stammt aus dem Hause Farner und sorgte während der Pandemie für einen Umsatzschub: 37 Millionen sind es inzwischen, vor dem Start der Akquisitionstour. Ende des Jahres werden es 140 Millionen sein mit 600 Mitarbeitern.
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Geiser gilt als erfahren und souverän, als einnehmend und charmant, und er ist bestens vernetzt als Schweizer Chef der internationalen Standesorganisation Page, in der sich die Kommunikationschefs der Weltkonzerne und die Leiter der grossen Agenturen austauschen: «Roman ist ein echter Profi, mit dem würde ich jederzeit ein Geschäft machen», drückt es ein Mitbewerber aus. Aber seinen paneuropäischen Kraftakt kann er nicht allein stemmen. Also hat sich Geiser die holländische Private-Equity-Gesellschaft Waterland mit ins Boot geholt. Sie verwaltet 14 Milliarden Eigenkapital und gilt als einer der besten Performer ihrer Zunft in Europa – «eine M&A-Maschine» nennt sie Geiser. Zudem hatte Waterland mit der niederländischen DEPT bereits einmal erfolgreich eine Digitalagentur grossgezogen. Das Zusammenkommen war gutes Timing: «Sie hatten mich angefragt, mit uns eine Partnerschaft einzugehen, just zum Zeitpunkt, als ich mir selbst Gedanken machte über eine internationale Expansion.» Waterland hält nun 50 Prozent plus eine Aktie an Team Farner, der Rest liegt bei Geiser und seinen Partnern.
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Zusammen mit der Boston Consulting Group haben Geiser und Waterland-Principal Philippe Moser die ganze internationale Agenturlandschaft gescreent, Land für Land analysiert vom Strategischen runter in die Wertschöpfungskette, um geeignete Übernahmeziele zu finden. Stark, reputabel und hochprofitabel müssen die Agenturen sein und von Skillset und Geografie her das bestehende Team Farner komplementieren. Um Skaleneffekte oder Kosteneffizienz geht es dabei nicht. Sondern um klassisches Cross Selling, wenn man dem Kunden alles aus einer Hand bieten kann: zur Politberatung auch noch gleich die Kampagne mit Billboards, Websites, Flyern. Und um die Fähigkeiten, einen Kunden von Land A in Land B mitzunehmen. «Das bringt relativ einfach ein Wachstum von 20 bis 30 Prozent», sagt Geiser.
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Also reist der umtriebige Motorradfan (unzer anderem Triumph Speedmaster, Harley V-Rod) kreuz und quer durch Europa: «Dank meiner Zeit bei Burson-Marsteller kenne ich viele Agenturen und deren Eigner noch relativ gut», sagt er. «Ich habe praktisch nie geschlossene Türen und viele gute Gespräche.» Zehnmal waren sie von Erfolg gekrönt, drei weitere Absichtserklärungen sind unterzeichnet: in England und Portugal sowie mit einer Finanzagentur in Deutschland.
Auch Farner Consulting Schweiz (148 Mitarbeiter) und die Kreativtochter Rod (33 Mitarbeiter) hat Geiser ins Team Farner eingebracht. Die existierenden Firmenkulturen werden dabei nicht angetastet: «Wir sind föderalistisch organisiert. Das lässt Freiheit.» Wie gut alle unter demselben Dach zusammenarbeiten können, wenn jeder macht, was er will, steht freilich auf einem anderen Blatt.
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Die bisherigen Eigentümer der übernommenen Agenturen werden an der Holding beteiligt: Sie tauschen – ebenso wie Geiser – ein grosses Stück eines kleinen Kuchens gegen ein kleines Stück eines grossen Kuchens. Und der Kuchen muss noch grösser werden. In Frankreich und Spanien ist Geiser in ersten Gesprächen.
Dann fehlen noch Italien und Skandinavien, eine Public-Affairs-Agentur in Brüssel sowie da und dort digitale und kreative Dienstleistungen. «Wir wollen ein European Champion sein», so Geisers Anspruch. Aber bewusst kein Global Player. Agenturen mit Präsenz in den USA und dem Mittleren Osten hat er angeschaut und verworfen: «Wir sind nicht die Agentur für eine globale Kampagne. Wir sind die Agentur für einen globalen Kunden mit europäischen Themen und für europäische Kunden mit europäischen Märkten.
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Ohne ihn ginge es nicht: Waterland-Principal Philippe Moser bringt Geld und Know-how für die Expansion.
PDOhne ihn ginge es nicht: Waterland-Principal Philippe Moser bringt Geld und Know-how für die Expansion.
PD
Die gibt es wie Sand am Meer.» Dass seine Agenturen von erfahrenen Unternehmern geführt werden und nicht von Angestellten und deshalb agiler sind als die grossen US-Konzerne, sieht er neben der kulturellen Nähe als wichtigsten USP: Als «europäische Antithese zu den US-amerikanischen Holdingkonstruktionen» bezeichnet er sein Geflecht.
Und dennoch ist Geisers Strategie brutal ehrgeizig. Im Weltmarkt hat niemand auf ihn gewartet. «Das decken die grossen globalen Player besser ab», sagt der Chef einer anderen Agentur. Denn Giganten wie Edelman, Weber Shandwick oder BCW sind aus einem grossen Heimmarkt heraus gewachsen und haben inzwischen fünf- bis zehntausend Mitarbeiter – ein riesiger Abstand zu einem Team Farner auch im Vollausbau. «Gegen die Grossen auf der Welt hast du keine Chance, ausser du fokussierst dich auf einen Teil der Kommunikation», so ein anderer Schweizer Marktbegleiter.
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Aber eine Nischenstrategie bringt keine Synergieeffekte, weshalb Geiser alle möglichen Dienstleistungen und alle möglichen Länder in Europa abdecken will. Entsprechend gross sind die Risiken. Dank Waterland kann Geiser sie eingehen. «Aber mit eigenem Geld würde er das nie wagen», sagt ein Mitbewerber. Zumal die Margen eher dünn sind in der heiss umkämpften Branche: 60 Prozent sind typischerweise Personalkosten, 20 Prozent IT- und sonstige Kosten, die restlichen 20 Prozent hofft man als Ebit-Marge einstreichen zu können – was längst nicht allen gelingt.
Dass man Geisers Tun in der Branche mit einer gewissen Skepsis beobachtet, liegt auch an den eigenen Erfahrungen. GGK und Weber, Hodel, Schmid (WHS) haben die Internationalisierung in den 80er Jahren ebenfalls versucht und sind brutal gescheitert (WHS ging daran sogar pleite), Trimedia war nur wenig erfolgreicher.
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Seither hat keiner mehr aus der Schweiz heraus die Expansion gewagt. «Ich glaube, wir haben mehr Erfahrung», kontert Geiser und verweist auf seine Vergangenheit an der Spitze eines europäischen Netzwerkes: «Ich bin nicht der kleine Alpenschweizer, der rausgeht in die Welt und erstaunt ist. Ich war dort schon und gehe jetzt wieder dorthin zurück.» Und er nennt die Spezialisten von Waterland, die nicht nur das Geld bringen, sondern auch die Expertise bei juristischen Fragen, Steuern, M&A-Prozessen: «Alleine würde ich viel zu viel Zeit verlieren und viel zu viele Fehler machen.»
Aber es stimmt eben auch, was ein anderer, durchaus erfolgreicher Agenturchef sagt: «Um die Welt für sich zu gewinnen, muss man ein grosses Maul haben, und das haben wir Schweizer halt nicht.» Auch Roman Geiser ist mit seiner nüchternen, ruhigen Art alles andere als ein Lautsprecher.
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Das ficht ihn nicht an. Und er hat auch gar keine andere Wahl, als seinen Plan durchzuziehen. In der Branche hat man Erfolg als kleiner Nischenanbieter – oder als vollintegrierter grosser Player. Momentan aber befindet sich Team Farner auf seiner Reise gerade im Tal des Todes: Die derzeitige Grösse ist eine typische Stuckin-the-Middle-Position, aus der man schnell herauswachsen muss. Und klar ist auch: Irgendwann, normalerweise nach fünf bis sieben Jahren, will der Private-Equity-Geber Geld sehen.
Dann ist «ein kleines IPO» (Geiser) angesagt – oder der Weiterverkauf: entweder an einen anderen Kapitalgeber wie Carlyle, die Waterland bei DEPT abgelöst haben, oder KKR, die sich gerade an FGS Global beteiligt haben. Nicht in Frage kommen die globalen Netzwerke wie WPP oder Omnicom, zu denen viele der weltgrössten PR-Agenturen gehören (siehe Tabelle unten): Sie sind identisch aufgebaut, eine Übernahme würde keinen strategischen Mehrwert bringen, dafür wohl den einen oder anderen Partner bei Team Farner vergraulen. Aber auch die grossen Beratungshäuser BCG, Deloitte, EY und Accenture sind stark in dem Markt und akquisitionshungrig. «Je erfolgreicher wir sind, desto zahlreicher sind unsere Optionen», sagt Geiser.
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Bis dahin freilich ist es noch ein langer Weg. Und die Fliehkräfte auf diesem Weg sind gewaltig. Das weiss auch Roman Geiser. Er will seine Town Hall Meetings nun alle drei Monate durchführen.
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