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Tischlein deck dich

So geht Tafelkultur

An Weihnachten verwöhnt man die Familie mit einem Festmahl. Silber, Porzellan und Gläser haben dann ihren grossen Auftritt.

sdf

Tafelrunde Weihnachten mit Silberbesteck, rotem Glas und Etagere mit Weihnachtsguetzli.

DEKORATIVER BLICKFANG Naschereien und Guetzli kommen auf einer Etagere gut zur Geltung.

Vera Hartmann Photography

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Es duftet nach Tannennadeln und Zimtsternen, im Ofen brutzelt die Gans. Grosseltern, Tanten und Nachbarn sind ins Gespräch vertieft, während die Kinder um den Christbaum springen und Guetzli stibitzen. Weihnachten ist die Zeit, in der man das Jahr in geselliger Runde und bei gutem Essen ausklingen lässt. Eine festlich gedeckte Tafel verleiht diesen Abenden den passenden Glanz. Die Pandemie hat der Tafelkultur ein grandioses Revival beschert. Dinieren in den eigenen vier Wänden ist wieder en vogue, und für diesen Anlass wird ganz gross aufgefahren: Silberbesteck, hochwertiges Porzellan und Edel-Weingläser kommen auf den Tisch. Dazu Kristallvasen, Etageren, Silberleuchter und Tischtücher aus weissem Damast. Es wird wieder zu Hause für Gäste gekocht, gebacken, und schöne Weine werden ausgeschenkt. «Die Nachfrage nach Gläsern ist während der Pandemie vonseiten privater Kunden deutlich angestiegen», sagt Glas-Expertin Laetizia Riedel. Viele Kunden hatten Zeit, verschiedene Rebsorten zu degustieren und ihr Weinwissen zu vertiefen. Der Wunsch nach passenden Gläsern war dann nur eine logische Konsequenz.

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Viele Lieferanten feiner Tafelkultur stossen an ihre Grenzen und können aufgrund der hohen Nachfrage noch immer nicht ausreichend liefern. «So viele Leute haben angefangen, sich wieder auszustatten, dass die Hersteller mit der Produktion gar nicht hinterherkommen», sagt Samuel Ryser, Geschäftsleiter von Meister 1881. «Was wir jetzt nicht am Lager haben, das können wir für Weihnachten nicht mehr bestellen.» Wartezeiten von drei bis vier Monaten seien normal. Auf einige Produkte, etwa von Meissen oder Hermès, müssen Kunden bis zu 14 Monate warten.

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Portrait von Samuel Ryser

SAMUEL RYSER ist Geschäftsleiter von Meister 1881.

ZVG
Portrait von Samuel Ryser

SAMUEL RYSER ist Geschäftsleiter von Meister 1881.

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Echtsilber als Wertanlage

Für den perfekt gedeckten Tisch sind der Kreativität der Gastgeber keine Grenzen gesetzt. Luxusporzellan wird mit rustikaler Tischwäsche kombiniert, Neues mit Vintage-Teilen arrangiert. «Heute trägt man ja auch einen Pullover von H&M mit einem Armani-Mantel – das ist auf dem Tisch ganz genauso», sagt Ryser, der auch privat eine grosse Leidenschaft für Tafelkultur pflegt. Sehr gefragt, weil es unkompliziert ist, ist undekoriertes weisses Porzellan, aber auch rustikale Designs im nordischen Stil. «Viele Kunden besitzen eine Basic-Ausstattung und stellen fest, da sie wieder auswärts essen gehen, dass ihnen gewisse Tellergrössen fehlen», hat Ryser, der das Traditionsgeschäft Meister 1881 seit 2001 leitet und prägt, beobachtet. So sind etwa Bowls in verschiedenen Grössen gesucht, ebenso schlichte Platten für Sushi oder Vorspeisen.

Zur Basisausstattung zählen Ess-, Dessert- und Suppenteller, wobei diese ganz vielseitig eingesetzt werden können. «Im Suppenteller kann man auch Spaghetti, Risotto, frische Früchte oder einen Salat servieren», schlägt Ryser vor. Die Sauciere eignet sich auch für flüssige Sahne für das Dessert. Das Gleiche gilt für das Besteck. Viele Kunden entscheiden sich aufgrund des langfristigen Werterhalts für Echtsilber – das hat seinen Preis. Ein siebenteiliges Gedeck für eine Person mit Menü-, Fisch- und Dessertbesteck kostet über 2000 Franken. Da ist es gut zu wissen, dass etwa mit der Kuchengabel auch ein Crevetten-Cocktail genossen werden oder der Kaffeelöffel auch für die Nachspeise zum Einsatz kommen kann.

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Während einige Produkte, wie riesige Gourmetteller oder Messerbänke zur Ablage von benutztem Besteck, eher aus der Mode gekommen sind, erleben andere ein Revival. So etwa die Etagere. Sei es aus Edelstahl, Silber oder Porzellan, zwei- oder dreistöckig, für Käse, Früchte oder Weihnachtsguetzli – sie ist praktisch und ein dekorativer Blickfang.

Tischlein, deck dich!

Der Tisch wird von Frau Riedel gedeckt.
Weihnachtlich gedeckter Tisch mit Porzellangeschirr, Silberbesteck, Weingläsern, Tannenzweigen und Kerzen.
Gedeckte Weihnachtstafel
Kerzen und Weihnachtsguetzli
Kind hält Weihnachtsbaumschmuck in Dinosaurierform in den Händen.
Familie um den Weihnachtstisch.
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FÜR JEDEN WEIN DAS RICHTIGE GLAS Laetizia Riedel deckt den Tisch mit Champagner- und Cabernet-Sauvignon-Gläsern aus der Serie Riedel Veloce.

Vera Hartmann Photography

Ein Hoch auf die Serviette

Das Besteck wird so angeordnet, dass man von aussen nach innen für jeden Gang das richtige Essgerät zur Hand hat. Dabei liegen Suppenlöffel und Messer rechts vom Teller, die Gabeln links. Oberhalb des Tellers wird das Dessertbesteck platziert. Dabei zeigt der Griff der Gabel nach links, darüber liegt der Löffel umgekehrt. Auf einem schön gedeckten Tisch wie an Weihnachten steht das Wasserglas oberhalb der Messer ganz rechts, daneben das Weissweinglas und ganz links das Rotweinglas. Wie beim Besteck arbeitet man sich also auch bei den Gläsern von aussen nach innen vor.

Die Serviette kann man entweder auf den Teller oder links davon legen. Stoffservietten sind nicht nur stilvoller als die Version aus Papier, sie sind auch die nachhaltigere Alternative. Trotz zahlreicher Waschmaschinengänge hängen Servietten aus Leinen oder Baumwolle die Wegwerftücher, die nicht recycelt werden können, bei der Ökobilanz nach zweieinhalb Jahren ab. Während des Essens liegt die Serviette auf dem Schoss. Wer sich vor dem Trinken damit die Lippen abtupft, verhindert hässliche Abdrücke am Glas. Wenn man während des Essens aufsteht, legt man die Serviette links vom Gedeck ab.

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Bevor man die Weingläser auswählt, sollte man sich überlegen, welchen Wein man anbietet. Aus welcher Rebsorte wurde der Weisswein gekeltert? Wurde der Wein im Stahltank ausgebaut oder im Holzfass gereift? Für Letzteren braucht es beispielsweise ein grösseres Glas. Genauso ist es beim Rotwein. Wenn man sich für eine Rebsorte entschieden hat, stellt man das Glas auf den Tisch, das für diese Rebsorte entwickelt wurde und in dem der Wein entsprechend schön und harmonisch in der Nase und am Gaumen zur Geltung kommt. «Das allgemeine Rotweinglas, das wahrscheinlich jeder zu Hause hat, ist sehr gut für Cabernet Sauvignon, aber Shiraz und Pinot noir brauchen aufgrund ihrer deutlich unterschiedlichen DNA und Charakteristik ein anderes Glas», sagt Laetizia Riedel von der gleichnamigen Tiroler Glasmanufaktur in elfter Generation.

Portrait von Laetizia Riedel

LAETIZIA RIEDEL ist Glas-Expertin bei der Tiroler Manufaktur Riedel Glas.

ZVG
Portrait von Laetizia Riedel

LAETIZIA RIEDEL ist Glas-Expertin bei der Tiroler Manufaktur Riedel Glas.

ZVG

An Weihnachten darf ein festliches Getränk wie Champagner nicht fehlen. Laetizia Riedel empfiehlt, diesen richtig gekühlt in einem Champagner-Weinglas oder, falls nicht zur Hand, in einem Weissweinglas zu geniessen. Nur darin komme der Champagner richtig zur Geltung. «Schalen sind zwar sehr hübsch, es ist nur schade, wenn man dann hauptsächlich Schaum im Mund hat und sich der Duft aufgrund der grossen Öffnung in Luft auflöst», erklärt sie. Auch Champagnerflöten sind nicht ideal, weil sie zu klein sind. «Der Champagner kann sich darin nicht gut entwickeln und die gesamte Aromenvielfalt zum Ausdruck bringen», fügt Riedel an, die auch Seminare über das richtige Zusammenspiel von Glas und Rebsorte hält. Ganz wichtig ist bei jedem Essen das Wasserglas, das nicht zu klein sein darf. «Wasser ist ein Lebenselixier, daher muss man aus dem Wasserglas viel und schnell trinken können, wenn man Durst hat», betont Riedel. Auch ein grosser Tumbler oder ein Rotweinglas kann hier zum Einsatz kommen.

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Ehrenplätze mit Pflichten

Ein gelungenes Essen steht und fällt mit der richtigen Tischordnung. Es ist eine besondere Aufmerksamkeit gegenüber den Gästen, sich Gedanken darüber zu machen, wen man neben wem platziert. Wer eine schöne Handschrift hat, schreibt die Namen auf Tischkarten und verteilt diese auf der Tafel. Neben den individuellen Herausforderungen – jede Familie hat ihre Problemfälle – gibt es einige ungeschriebene Regeln, die ihre Berechtigung haben. So setzt man Ehepaare eher nicht nebeneinander, verlobte Paare hingegen trennt man nicht. Als Gastgeber möchte man ja nicht die Verantwortung dafür tragen, dass einer der beiden beim Weihnachtsdinner eine bessere Partie findet und es sich anders überlegt mit dem Ja-Wort. Typischerweise wählt man eine gemischte Sitzordnung, eine sogenannte bunte Reihe, bei der Frauen und Männer abwechselnd nebeneinandersitzen. Es ist aber auch das Gegenteil möglich – mancherorts westfälische Reihe genannt. Dabei sitzen Männer und Frauen getrennt, was bei einigen Anlässen seinen Reiz haben kann.

Ein Weinglas von Riedel Glas steht auf dem Tisch, dahinter frische Tannzweige.

ZUM WOHL! Beim Anstossen reicht es, das Glas zu heben und sich gegenseitig anzulächeln.

Vera Hartmann Photography
Ein Weinglas von Riedel Glas steht auf dem Tisch, dahinter frische Tannzweige.

ZUM WOHL! Beim Anstossen reicht es, das Glas zu heben und sich gegenseitig anzulächeln.

Vera Hartmann Photography

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Der Ehrenplatz ist in jedem Fall zur Linken der Gastgeberin und zur Rechten des Gastgebers. Diese Ehre kommt aber Hand in Hand mit einer Pflicht: Denn der Tischherr der Gastgeberin hat die schöne Aufgabe, eine Tischrede zu halten. Dies ist auch eine gute Gelegenheit, anzustossen. Vor allem an langen Tafeln sind beim wilden Zuprosten quer über den Tisch Unfälle programmiert. Es ist daher völlig ausreichend und weniger chaotisch, wenn man das Glas hebt und einander lächelnd zunickt. Hierbei – und auch sonst immer – hält man das Weinglas am Stil. Erstens sieht es eleganter aus, und zweitens hat man so die richtige Balance in der Hand. «Man sieht so die Farbe des Weins, es kommen keine Fingerabdrücke auf das Glas, und vor allem kann man den Wein dadurch nicht erwärmen», betont Weinkennerin Riedel. Wenn man die Gläser beim Anstossen tatsächlich zum Klingen bringt, dann am besten Bauch an Bauch. Über Regeln, mit welchen Getränken man anstösst oder nicht, sollte man sich heute keine Gedanken mehr machen. «Es geht darum, den Moment zu feiern und dass man zusammen ist, da sollte es eigentlich egal sein, was jeder im Glas hat», findet Laetizia Riedel.

Sobald die Gastgeberin zu essen beginnt, dürfen auch alle anderen anfangen. Ein Startzeichen wie «Guten Appetit» ist nicht nötig und bei grossen Banketten oder Geschäftsessen eher unhöflich. Wenn der Gastgeber selbst «Guten Appetit» wünscht, ist es selbstverständlich völlig in Ordnung, diesen Wunsch zu erwidern. Die Gastgeber haben ein Sterne-würdiges Menü hingezaubert? Dann hält man sich mit Komplimenten nicht zurück. Das Fleisch ist hingegen zäh wie ein Lederriemen, und schon beim Anblick des Rosenkohls schnürt es einem die Kehle zu? Dann ist Tapferkeit gefragt. Man isst, so viel man kann, und macht kein grosses Aufheben. Gut gemeinte Entschuldigungen wie «Ich habe heute keinen Hunger» oder «Neuerdings habe ich eine Polenta-Intoleranz» erregen nur unnötige Aufmerksamkeit. Stattdessen kann man lobende Worte für die Tischdekoration oder den Wein finden, und niemand wird einem einen nur halb aufgegessenen Teller übelnehmen.

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Die Gäste sind gegangen, die Kinder schlafen in ihren Betten. Was bleibt, sind der Abwasch und viele schöne Erinnerungen. Frohe Weihnachten!

«Keine Himbeeren im Winter!»

Sterne-Koch Daniel Zeindlhofer serviert zu Weihnachten gerne Geflügel und saisonales Gemüse. Damit viel Zeit für die Familie bleibt, kocht er so viel wie möglich vor.

Was kochen Sie an Weihnachten für Familie und Freunde?

Ganz wichtig ist mir Saisonalität. In der Schweiz gibt es jetzt zum Grossteil Lagergemüse wie Rüben und zahlreiche Kohlsorten. Damit lassen sich sehr schöne Gerichte zubereiten. Es ist zwar Kreativität gefragt, aber die Gäste sollen ja sehen, dass man sich etwas beim Menü gedacht hat.

Es gibt also keine Himbeeren in Ihrem Weihnachtsmenü?

Himbeeren würde ich im Winter niemals verwenden, obwohl ich sie sehr mag. Mit Äpfeln, Birnen oder Steinobst, das im Herbst gepflückt und eingelegt wurde, lassen sich wunderbare Desserts zubereiten.

Welches Fleisch wählen Sie?

Wenn es draussen kalt ist, sollte man Gerichte essen, die richtig heiss gemacht werden. Ein kurz gebratenes Rindsfilet mit einer Kerntemperatur von 40 Grad würde ich im Winter nicht empfehlen. Da kann auch viel schiefgehen. Mit einem Braten kann man hingegen fast nichts falsch machen – wenn das Fleisch eine gute Qualität hat. Schmorgerichte, Kalbsbäckchen oder Gans sind ideal.

Wie vermeidet man Stress beim grossen Weihnachtsessen?

Ich empfehle, das Gericht einige Wochen vor Weihnachten in einer kleineren Runde Probe zu kochen. Für den Tag selbst ist eine gute Planung wichtig. Man sollte früh genug anfangen und am besten alles vorkochen, damit man es später nur noch heiss machen muss. So kann man mit den Gästen mehr Zeit verbringen, denn darum geht es ja an Weihnachten, wenn die ganze Familie zusammenkommt.

Von welchen Gerichten sollten Laien die Finger lassen?

À-la-minute-Gerichte wie ein Filet Wellington können schnell misslingen, wenn man die Temperatur nicht trifft. Das gilt auch für Kurzgebratenes. Zudem würde ich nicht zu viele Komponenten kochen. Es ist besser, wenn die drei Sachen, die auf den Teller kommen, perfekt abgeschmeckt und auf den Punkt sind, statt vieler mittelmässiger Komponenten.

Welche Zutaten dürfen an Weihnachten nicht fehlen?

Beim Dessert sind das natürlich Vanille, Nelken und Zimt. Zu Weihnachten finde ich auch Wildgeflügel eine gute Wahl. Im Sommer kommt das Steak auf den Grill, und der Winter ist die Zeit für geschmortes Rind oder ein schönes Geflügel.

Was kocht man, wenn Vegetarier unter den Gästen sind?

Dann kann trotzdem die Gans oder die Ente im Mittelpunkt stehen. Aber für die Vegetarier würde ich eine schöne Alternative vorbereiten, statt ihnen nur die Beilagen anzubieten. Eine solche Überraschung ist eine schöne Aufmerksamkeit und wird den Gästen in Erinnerung bleiben.

Portrait von Daniel Zeindlhofer

JUNGER STARKOCH Daniel Zeindlhofer (34), Küchenchef im «Igniv Zürich by Andreas Caminada», wurde im November mit dem zweiten «Michelin»-Stern ausgezeichnet.

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Portrait von Daniel Zeindlhofer

JUNGER STARKOCH Daniel Zeindlhofer (34), Küchenchef im «Igniv Zürich by Andreas Caminada», wurde im November mit dem zweiten «Michelin»-Stern ausgezeichnet.

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Über die Autoren
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Anne-Barbara Luft

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