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Sister Act bei Bühler Uzwil

Drei schweigsame Schwestern führen eine Industrie-Ikone der Schweiz. Oder besser: Sie lassen führen.

Dirk Ruschmann

Dirk Ruschmann

Die Buehler-Schwestern Jeannine Martina Bühler, Karin Bühlern und Maya Bühler

Jeannine, Karin und Maya Bühler (v.l.) halten gemeinsam die Familienfirma. Im Hintergrund das Werksgelände.

Bühler Group

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Bühler ist Uzwil, und Uzwil ist Bühler. Der Ort begrüsst nach der Autobahnausfahrt mit einer malerischen Tankstelle (und im Berufsverkehr gern mit einem von Bühler ausgelösten Stau), und wer durch die Bahnhofstrasse Richtung Zentrum rollt, passiert Industriehalle um Industriehalle, unterbrochen von Zufahrten mit weissen Hinweisschildern, dazu ein Gleis, das sich vom Werk hügelan zum Bahnhof schlängelt und erst 2017 stillgelegt wurde – Dimensionen, wie man sie nur von Autoherstellern kennt.

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Was einst eine Brache mit wenigen Häuschen war, wird heute so liebevoll wie ehrfürchtig «Bühler-Land» oder «Bühlerville» genannt. Uzwil SG gilt als Gemeinde mit Vollbeschäftigung und verzeichnet mit durchschnittlich 3,5 Nächten die schweizweit längste Aufenthaltsdauer ihrer Hotelgäste, vor Tourismuszentren wie Davos oder Zermatt, was den Auslandsmitarbeitern auf Besuch in der Zentrale und den jährlich mehr als 1000 Kundenbesuchen zu verdanken sein dürfte.

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Enorme Marktanteile

Firma und Familie tragen grosse Teile zum Steueraufkommen der Gemeinde bei und kurbeln mit Konsum im Ort Handel und Gewerbe an, bauen und vermieten Wohnungen. 13  000 Mitarbeiter beschäftigt Bühler heute an weltweit 140 Standorten und hatte vor Corona ohne Probleme die Umsatzschwelle von drei Milliarden Franken übersprungen.

Buehler AG in Uzwil

Bühler beschäftigt am Stammsitz Uzwil gut 2500 Mitarbeiter.

Nathalie Taiana
Buehler AG in Uzwil

Bühler beschäftigt am Stammsitz Uzwil gut 2500 Mitarbeiter.

Nathalie Taiana

Ihre Mühlen verarbeiten mehr als zwei Drittel der weltweiten Produktion an Getreide, ähnliche Marktanteile erzielen Maschinen zur Röstung von Kakaobohnen und zur Schokoladeherstellung. Bühler ist aber auch vorne bei der Beschichtung von Autoscheinwerfern oder Kameralinsen, und drei Viertel der Banknoten-Tinten werden auf Bühler-Maschinen hergestellt: selbst in der reich mit Industrie gesegneten Ostschweiz ist der Familienkonzern Bühler eine einzigartige Erfolgsgeschichte.Und noch einzigartiger: Das alles gehört drei Schwestern.

Urs Bühler, die vierte Generation der Familie, trat 1969 ins Unternehmen ein und führte die Firma von 1986 bis 2000 als CEO, ab 1994 im Doppelmandat auch als Verwaltungsratspräsident. Der Maschineningenieur, Jahrgang 1943, gilt als ideenreicher Tüftler, aber nicht als Chef-Material; die Bühler-Mühlen mahlen damals vielen Kunden zu teuer, ein Manager lässt sich mit dem Satz zitieren, «unsere Maschinen können zu viel». Zu lieb sei Urs Bühler zu Kadern, heisst es schon damals, Märkte analysieren und Chancen ergreifen seien keine seiner Talente. Nach Auseinandersetzungen mit Cousin Hanspeter und Cousine Annette kauft er deren hälftigen Anteil und wird 1991 Alleineigentümer. Die chronische Ertragsschwäche setzt sich fort; Bühler gibt damals noch keine Zahlen bekannt, doch Insider berichten von mehreren Jahren mit Verlust.

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Grafik

Sowohl Umsatz wie Reingewinn der Bühler Group weisen einen steigenden Trend auf.

Bühler Group
Grafik

Sowohl Umsatz wie Reingewinn der Bühler Group weisen einen steigenden Trend auf.

Bühler Group

1997 wird ein Jahr der Einschnitte für Urs Bühler: Trennung von seiner ersten Frau Eva, Mutter seiner drei Töchter, und Absetzung der siebenköpfigen Konzernleitung. Bühler macht reinen Tisch. Die offiziell angepeilten 7,5 Prozent Marge auf Stufe Betriebsgewinn und die erhoffte Börsenreife erreicht er dennoch nicht. Bald spricht er von Rückzug, und im Sommer 2000, mit Hinweis auf einen «im Moment erfreulichen Geschäftsgang», der sich später als nicht ganz so erfreulich herausstellt, wird der Verfahrensingenieur Calvin Grieder als Nachfolger präsentiert, der sich bei Georg Fischer und der Swisscom stählte und in Harvard einen Managementkurs aufsattelte.

Ein Schritt, den eine Kennerin der Familie als «souveräne Erkenntnis» Urs Bühlers beklatscht, dass andere als Manager eben besser seien – als Zeichen von Grösse, loslassen zu können, was Familien wie Erb, Schweri oder Sprüngli nicht gelungen sei. Ab 2001 hat Bühler Uzwil den ersten familienfremden CEO der Firmengeschichte.

2014 zieht sich Urs Bühler als Chairman zurück, mit Verweis auf die Altersguillotine von 70 Jahren. Die Firma überschreibt er seinen Töchtern Karin, Maya und Jeannine Bühler. Karin, die älteste, tritt in den Verwaltungsrat ein. Doch Präsidentin wird nicht sie, sondern Calvin Grieder.
Offenbar ein Beispiel gelungener Nachfolge – und eine moderne Form der Eigentümerschaft, die sich zurückhaltend gibt, auf ihre Aufsichtsfunktion beschränkt und ihre Stimmkraft darauf verwendet, die besten Manager ins Unternehmen zu holen. Eigentlich eine Geschichte, die man gern erzählt – doch nicht Bühlers. Das Unternehmen blockt Anfragen ab. Die Familie, direkt kontaktiert, lässt mitteilen, man stehe nicht zur Verfügung. Sie bleibt also ihrer notorischen Pressescheu treu.
 

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Stefan Scheiber und Calvin Grieder

Stefan Scheiber (l.) avancierte nach einer Bühler-internen Karriere von 30 Jahren Dauer im Jahr 2016 zum CEO, inzwischen sitzt er auch im Verwaltungsrat. Er gilt als logischer Nachfolger für Präsident Calvin Grieder, der Bühler zum Erfolg führte und in vier Jahren die Alterslimite erreicht.

ZVG
Stefan Scheiber und Calvin Grieder

Stefan Scheiber (l.) avancierte nach einer Bühler-internen Karriere von 30 Jahren Dauer im Jahr 2016 zum CEO, inzwischen sitzt er auch im Verwaltungsrat. Er gilt als logischer Nachfolger für Präsident Calvin Grieder, der Bühler zum Erfolg führte und in vier Jahren die Alterslimite erreicht.

ZVG

Selbst an jener Medienkonferenz im Februar 2014, als Urs Bühlers Abtritt verkündet wurde, nahm er nicht persönlich teil, liess sich lediglich mit einer Lobeshymne auf Nachfolger Grieder zitieren, der über «profunde Kenntnis von Bühler sowie einen ausgezeichneten Leistungsausweis» verfüge. Grieder revanchierte sich: Urs Bühler, eine «herausragende» Persönlichkeit, habe das Unternehmen stets «mit Weitsicht» geführt und «in eine neue globale Dimension».

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Mühlen und Kühldüsen

Sicher: Nirgends steht geschrieben, dass ein global operierender Privatunternehmer die Pflicht habe, sich regionalen Medien zu stellen. Doch bei Bühler liegen die Dinge anders als etwa bei Autopatriarch Walter Frey. Der hat keinen Pressesprecher, publiziert keine Zahlen, kein Organigramm oder gar einen Geschäftsbericht. Frey schweigt 360 Grad.Bühler aber hat das alles, rühmt sich zudem einer modernen Corporate Governance, bei der die Verwaltungsräte jährlich zur Wiederwahl stehen; die GV kann der Konzern ja am Küchentisch abhalten.

Vor allem aber unterhält Bühler eine mehrköpfige Medienstelle, die regelmässig Erfolgsmeldungen über Hochleistungskühldüsen und Schokoladegiessanlagen versendet. Und wer um Berichterstattung wirbt, muss mit Berichterstattung rechnen – auch wenn es sich nicht um den Mahlgrad der neuen Getreidemühle dreht, sondern um die Besitzerfamilie, die mit ihrem Unternehmen eine Gemeinde prägt, wie es europaweit wohl einmalig ist. Dass Bühlers sogar ihrem Management untersagt haben, zum Geschäftsgang der Firma Auskunft zu geben, darf man als überzogene Trotzreaktion werten.

Glaubt man jenen Beobachtern, die unter dem Siegel der Verschwiegenheit sprechen, war es keineswegs ausgemacht, dass die Töchter ins Unternehmen kommen. Vielmehr seien sie, sagt einer, «über viele Jahre praktisch unsichtbar gewesen», Vater Urs haben ihnen wohl grosse Freiheiten gewährt und keinerlei Druck ausgeübt, den Weg Richtung Firma einzuschlagen. Wie viel Firmen-Odem er seinen Töchtern einhauchte, wissen letztlich nur die Betroffenen selbst – doch für diesen Eindruck spricht, dass alle drei dem Ingenieurwesen fernblieben und nach dem Übergang des Eigentums zunächst durch den Verwaltungsrat rotierten. Nur jeweils eine trat für ein Jahr ein, den Anfang machte Karin, die Älteste.
 

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Impressionen einer Corporate Town

Buehlers Health Balance
Hotel Uzwil
Wohnueberbauung Hirzenpark
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Bühlers Health Balance am östlichen Ortsrand auf der Strasse nach Flawil.

ZVG

Sie kann am ehesten als businessaffin gelten. Die bald 43-Jährige soll in St. Gallen ein Grundstudium in Wirtschaft und Recht absolviert haben, danach eine Ausbildung als Marketingplanerin. Anschliessend im Reitsport und der Familienfirma Horse Vision aktiv, stiess sie 2011 zur ebenfalls Bühler-eigenen Immobilienfirma Uze AG, benannt nach dem ortsansässigen Flüsschen, und avancierte 2014 zur Geschäftsführerin.

Sie verantwortete diverse Wohnbauten, den Bau des Konzern-Innovationscenters «Cubic», ein Lieblingsprojekt von Vater Urs, und die Renovierung der beiden Firmenhotels Schäfli und Uzwil. Das Viersternehaus Hotel Uzwil ist zwar keine architektonische Perle und die Lage unterhalb des Bahnhofs eher praktisch als romantisch, aber Küche, Personal und die grossen Zimmer geniessen einen hervorragenden Ruf; ein Insider berichtet, diverse hochwertige Kunden des weltweit agierenden Wiler Auktionshauses Rapp wollten sich nicht mehr ins Zürcher «Dolder» oder «Baur au Lac» fahren lassen, sondern inzwischen lieber im Hotel Uzwil absteigen.

Auf Anfang 2020 gab Karin die operative Führung der Uze ab, blieb aber Mitglied der Geschäftsleitung als Verantwortliche für den Hotelbereich. Drei Jahre sass sie im Verwaltungsrat der Clientis Bank Oberuzwil, den sie im März 2016, als werdende Mutter, wieder verliess. Und seit 2018 leitet sie, als Nachfolgerin ihres Vaters, die Health Balance, ein Zentrum für Tiergesundheit, spezialisiert auf Pferde – Begeisterung für stolze Rösser soll Urs Bühler, ein ambitionierter Military-Reiter, allen Töchtern eingepflanzt haben.
 

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Die Familie Buehler

Jeannine, Maya und Karin Bühler (v.l.) mit Vater Urs Bühler und seiner Enkelin Lena bei einem ihrer höchst seltenen öffentlichen Auftritten: Im Mai 2019 verewigen sich die Eigentümer anlässlich der Eröffnung des Innovationscampus Cubic mit ihren Handabdrücken.

Urs Bucher/TAGBLATT
Die Familie Buehler

Jeannine, Maya und Karin Bühler (v.l.) mit Vater Urs Bühler und seiner Enkelin Lena bei einem ihrer höchst seltenen öffentlichen Auftritten: Im Mai 2019 verewigen sich die Eigentümer anlässlich der Eröffnung des Innovationscampus Cubic mit ihren Handabdrücken.

Urs Bucher/TAGBLATT

Vor allem aber Karins Schwester Maya: Im Januar 40 geworden, studierte sie Tiermedizin an der Uni Zürich und promovierte dort mit einer Arbeit über Parodontose bei Pferden, genauer an Oberkiefer-Backenzähnen. Sie arbeitete im Zürcher Tierspital in der Chirurgie und der Röntgendiagnostik und in einer Grosstierpraxis in Zürcher Oberland, bildete sich zur Fachtierärztin und Zahnmedizinerin für Pferde weiter, trat zwischenzeitlich auch bei Reitturnieren an und bewältigte etwa beim Derby des Reitclubs Wil auch riesige Hindernisse fehlerfrei.

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Bienen am Bühler-Hügel

2013 wurde sie Miteigentümerin und -leiterin der Pferdeklinik Thurland, die sich auf dem Gelände der Health Balance befindet und mit schulmedizinischer Kompetenz das eher «komplementärmedizinische» Angebot der Health Balance ergänzt (wo Maya Bühler auch im VR vertreten ist). Ob sie mit ihrem Geschäftspartner und Co-Leiter der Klinik, Martin Kummer, privat liiert ist, lässt sich nicht verifizieren – gemeinsame Fotos deuten jedoch darauf hin.

Am wenigsten weiss man über die jüngste Schwester Jeannine, die dieses Jahr 35 werden dürfte. Sie erwarb an der Uni Zürich Bachelor und Master, Letzteren wohl mit den Fächern Journalismus, Kommunikation und Politologie, arbeitete für die Entwicklungshilfeorganisation Helvetas und ab Februar 2018 als Asset Manager für den Immobilienriesen Swiss Prime Site, den sie aber 2020 verliess. Sie hat Einsitz im VR der Uze AG und ist die einzige Verbliebene der Schwestern in der Beteiligungs-AG KMJ, die beiden älteren traten aus. Gemeldet ist sie in Uzwil, aber es führt auch ein Hinweis auf eine Bleibe in den edlen Teil des Zürcher Enge-Quartiers.

Die Spuren in den Handelsregistern sind effektiv verwischt. Die Domizile aufgeteilt auf drei Adressen, alle auf einem Sonnenhügel in Uzwil gelegen, soll maximal eine der drei Schwestern tatsächlich noch vor Ort leben – dennoch verdient sich das Gebiet, von weitläufigen Pferdekoppeln befriedet, den Titel «Bühler-Hügel». Die Uze residiert hier oben, und Urs Bühlers zweite Frau Marisa, die aus Vorarlberg stammt, verwaltete von hier aus eine Zeit lang ihre Firma Bee-Family, die sich dem Aufbau neuer Bienenvölker in einer möglichst intakten Natur verschrieben hat, Motto «Wir schwärmen für Sie». Mittlerweile führt sie die Firma vom Bodensee aus – Urs Bühler kaufte dort nicht nur das Riesengrundstück Wiedehorn in Egnach, das als Sommerresidenz für das Paar dient (und immer wieder Störchen, die dort Jungtiere aufziehen), sondern östlich davon auch einen Bauernhof im Arboner Ortsteil Frasnacht. Dort weiden nun von Honigbienen umschwärmte Pferde.

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Gemeindepräsident Lucas Keel

Uzwils Gemeindepräsident, Lucas Keel, kann sich dank Bühler über viele Hotelübernachtungen im Ort freuen.

Arthur Gamsa
Gemeindepräsident Lucas Keel

Uzwils Gemeindepräsident, Lucas Keel, kann sich dank Bühler über viele Hotelübernachtungen im Ort freuen.

Arthur Gamsa

Symbiosen in Uzwil

Früh begann die Familie, in Werksnähe Wohnunterkünfte für ihre Arbeiter zu errichten, und unterhält bis heute eine rege Bautätigkeit. Aktuell drehen sich die Kräne über dem Hirzenpark mitten in Uzwil. Das Quartier wird 136 Mietwohnungen beherbergen und punkto Grünanlagen und Aussenraum eine «Qualität» haben, die «so schnell nicht wieder zu finden ist», lobt Gemeindepräsident Lucas Keel – der ansonsten grossflächig schweigt. Analogien zu jenen Westernstädten, wo Einwohner samt Sheriff vor dem örtlichen Rinderbaron kuschen, bis dann John Wayne hereingeritten kommt (was in Uzwil nicht zu erwarten ist), sind womöglich zu weit hergeholt. Und dass Keel, der sich früher, etwa in der «NZZ», recht gesprächig gab, von der Familie um Zurückhaltung gebeten wurde, liegt als Vermutung zwar nahe – doch Keel streitet das ab.

So oder so lässt sich die Beziehung zwischen Uzwil und der Dynastie Bühler, die im Lauf der Jahrzehnte Gemeinderäte, Kantonsräte und Nationalräte stellte, nur als symbiotisch bezeichnen. Gut 2500 Arbeitsplätze bietet Bühler am Standort an, Freischwimmbad, Eishalle oder Sportplätze hat Uzwil auch dank Bühlers Unterstützung. Als andererseits der Konzern nach der Aufhebung des Euro-Mindestkurses die Wochenarbeitszeit auf 45 Stunden erhöhte, liess Keel auch das Gemeindepersonal «aus Solidarität» länger arbeiten.

Der kuschelige Höhepunkt der Beziehung liegt jedoch weiter zurück. 1964 änderte die Gemeinde ihren Namen: Bisher Henau, die Keimzelle der Gemeinde, votiert eine Bürgerversammlung für den Namen Uzwil. Der damalige Gemeindeammann Hans Hurter, Treiber der Umbenennung, sah sie explizit «als Geschenk zum Bühler-Jubiläum». Firmengründer Adolf Bühler hatte sich 1860 mit einer Eisengiesserei beim Weiler Gupfen niedergelassen, an den nur noch die gleichnamige Zufahrtstrasse mit ihren voluminösen Verkehrskreiseln erinnert. Uzwil ist Bühler – und umgekehrt.
 

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Uzwil im Kanton Sankt Gallen

Luftaufnahme von Uzwil (SG) aus dem Jahr 2016.

Niklaus Waechter / reportair.ch
Uzwil im Kanton Sankt Gallen

Luftaufnahme von Uzwil (SG) aus dem Jahr 2016.

Niklaus Waechter / reportair.ch

Im Unternehmen haben sich die drei Schwestern, so verschieden ihre Berufswege scheinen, zusammengetan. Zentrales Eigentumsvehikel ist ihre Holding Trias, an der jede ein Drittel hält. Karin, die Älteste, amtet hier als Präsidentin. Alle betreiben zudem je eine persönliche Holding. Im Verwaltungsrat sind sie seit 2017 gemeinsam präsent und verteilen sich auf die diversen Komitees, in Sitzungen gelten sie als gut vorbereitet und sprechen mit einer Stimme – etwaige Meinungsverschiedenheiten werden offensichtlich vorab im kleinen Kreis ausgeräumt. Das erhöht die Standfestigkeit im Gremium gegenüber den industriell versierten Leithammeln – allen voran Präsident Calvin Grieder. Das Verhältnis der Bühlers zu ihren angestellten Fachleuten beschreibt ein Insider als eine Art qualifizierte Nachwuchsförderung unter Verzicht auf einen allzu hohen Detaillierungsgrad.

Ein Kenner der Familie spöttelt, er habe sich gewundert, «dass Grieder es zulässt, dass alle drei in den VR einziehen» – klar, sie sind die Eigentümer, und wer zahlt, befiehlt. Die Äusserung verrät dennoch einiges über die informellen Machtverhältnisse bei Bühler. Grieder hat in seiner Zeit als CEO, von 2001 bis Mitte 2016, das Silodenken punkto Produktpalette aufgebrochen und das Angebot ausgeweitet, den Konzern auch via Akquisitionen ausgebaut.

Den Umsatz steigerte er von 1,4 auf 2,4 Milliarden, die mickrigen Betriebsmargen zeitweilig ins Zweistellige; der Zielbereich von 7,5 Prozent avancierte unter Grieder zu einer realistischen Dauervorgabe. Damit können die überdurchschnittlich hohen Ausgaben für Forschung und Entwicklung, vier bis fünf Prozent des Umsatzes, finanziert werden. Umso mehr, als die Familie sich zwar steigende, aber im Umfang immer noch moderate Dividenden auszahlt (siehe Grafik links).
 

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Blick in den Innovationscampus Cubic

Blick in den firmeneigenen Innovationscampus Cubic, der vor gut zwei Jahren eröffnet wurde.

Urs Bucher/TAGBLATT
Blick in den Innovationscampus Cubic

Blick in den firmeneigenen Innovationscampus Cubic, der vor gut zwei Jahren eröffnet wurde.

Urs Bucher/TAGBLATT

Zwar wird ein Teil der Modernisierung, wie der Eintritt in die Nanotechnologie, Urs Bühler zugeschrieben. Auf ihn geht auch der 50 Millionen Franken teure Innovationspark Cubic zurück, dessen Beirat in der Corporate Governance von Bühler fix als Beratergremium firmiert. Grundsätzlich aber, so ein Insider, «hat Bühler Grieder machen lassen» und sich zurückgezogen auf sein, nun ja, Steckenpferd: Pferde und ihre Gesundheit, die er auch mit esoterischen Ansätzen zu verbessern sucht.

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Mehr als Schulweisheit

Zwar gibt es heute keine Hinweise mehr auf sein einstiges Interesse am Thema Global Scaling, das kosmische Wellen für gesundheitliche Unordnungen heranzieht; eine eigens gegründete Firma liess er Ende 2015 aus dem Handelsregister löschen. Angebote für «energetische Verfahren» und «Resonanz-Analysen» finden sich aber weiterhin, auch bei der Schwesterfirma Vital-Quelle, die Therapien für Menschen anbietet. Doch wenn schon Shakespeares Hamlet wusste, dass zwischen Himmel und Erde mehr Dinge sind, als die Schulweisheit sich träumen lässt – warum sollte nicht auch Urs Bühler etwas wissen? Wichtig ist ja nur, dass die Therapien greifen.

Wie gross das Vertrauen der Bühlers in Calvin Grieder sein muss, oder wahlweise die Abhängigkeit, lässt sich an den Freiheiten bemessen, die er geniesst. Neben seinem Hauptamt als Chairman seines Arbeitgebers Bühler besetzt Grieder zwei weitere Präsidien der höchstmöglichen Kategorie: der SMI-kotierten Konzerne Givaudan und SGS. Grieder kann als einer der erfolgreichsten Ämtersammler von Corporate Switzerland gelten.
 

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Grafik

Die Dividendenausschüttungen haben sich in den letzten 10 Jahren verdoppelt.

Bühler Group
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Die Dividendenausschüttungen haben sich in den letzten 10 Jahren verdoppelt.

Bühler Group

Calvin Grieder wird in vier Jahren 70 und stösst dann selber an die Bühler-Alterslimite. Stefan Scheiber, der ihn nach einer bereits 30-jährigen Karriere bei Bühler Mitte 2016 als CEO ersetzte und vor einem Jahr zusätzlich in den Verwaltungsrat einzog, gilt intern auch für den Chairman-Posten als logischer Nachfolger – zumal keine der Eigentümerinnen bisher Ambitionen auf den Job habe erkennen lassen.

Das allerdings muss kein Nachteil sein. «Geschwisterkonstellationen in der Eigentümerschaft sind allgemein oft schwierig», sagt Thomas Zellweger, HSG-Professor und Experte für Familienunternehmen. Sie benötigten «besondere Sorgfalt» und die Bereitschaft, «aufeinander zuzugehen». Womöglich haben sie sich untereinander auf das Modell BMW verständigt, wo die Erben-Geschwister Susanne Klatten und Stefan Quandt auf gute Governance achten und Management-Exzesse verhindern. Heisst: genau hinschauen, sich aber nicht einmischen. «Im Fall Bühler sehe ich echtes Engagement, die Firma gemeinsam zu halten», sagt Zellweger. Damit wäre ein langfristiges Commitment vorhanden und die Beschränkung auf gleichrangige VR-Mandate ein konstruktiver «Sister Act», um konfliktträchtige Machtgefälle von vornherein zu vermeiden.

Bisher ist die Familie mit der Selbstbescheidung gut gefahren. Der Firmenwert, ermittelt entlang der Vor-Corona-Geschäftszahlen von 2019, dürfte gemäss diversen Berechnungsformeln inzwischen bei rund 3,5 Milliarden Franken liegen. Weitere Aufwertungen wären gerechtfertigt für die komfortable Eigenkapitalquote, insbesondere aber für die liquiden Mittel, die sich im Krisenjahr 2020 auf eine Dreiviertelmilliarde summierten. Wollte man das gesamte Vermögen der Familie taxieren, müssten Immobilien und der ausgedehnte Landbesitz einbezogen werden, deren Umfang und Wert kaum einzuschätzen sind – rund um das Werksgelände, auf dem erwähnten Bühler-Hügel oder am Ortsrand, wo sich Health Balance auf einem Areal von acht Hektaren ausbreitet.
Herzerwärmend, wenn sich ein «Sister Act» auch für die Sisters lohnt.

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