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Geschäftsberichte-Rating 2024

Sika, Geberit und VP Bank stehen an der Spitze

Sie sind die oft unterschätzten Schaufenster der Unternehmen: Wir zeigen die besten Reports, Print und Online, aus der Schweiz.

Dirk Ruschmann

Dirk Ruschmann

Close-up shot of Business Colleagues teamwork analyzing financial data at the table in modern office about business strategies.

Die Geschäftsberichte werden durch ein Team ausgewertet – anhand eines 14-seitigen Kriterienkatalogs (Symbolbild).

Getty Images

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Das ist wirtschaftlicher Sex-Appeal einer ganz anderen Art: keine KI, keine Grossbanken-Selbstüberhöhung und keine Tech-Börsenhöhenflüge. Vielmehr schlägt punkto Qualität der Geschäftsberichte die Stunde der Arbeiter – Bauchemiker Sika liegt an der Spitze, gefolgt vom Sanitärtechniker Geberit, Dritte wird die übersichtliche Liechtensteiner Vermögensverwalterin VP Bank. Die letztjährige Siegerin Schweizerische Post ist auf den zehnten Rang abgerutscht, sie hatte 2023 noch Geberit und Sika auf die weiteren Podestplätze verdrängt.

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Sika hat es dank hervorragender Leistungen in beiden Teildisziplinen neu nach ganz vorn geschafft: Im Value Reporting, also der Analyse der Inhalte des Geschäftsberichts, ihrer Dichte, Glaubwürdigkeit und Vollständigkeit etwa, belegte Sika den neunten, im Design den achten Rang, «in beiden Dimensionen ein sehr guter Bericht», urteilt Alexander Wagner, Professor am Institut für Banking und Finance der Universität Zürich. Er untersucht mithilfe von Mitarbeitern und Studierenden sämtliche 180 Geschäftsberichte, die zur Wahl standen, punkto Value Reporting.

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Während sich Sika erst in den zurückliegenden Jahren, durch stetige Verbesserungen, kontinuierlich nach vorne gearbeitet hat, ist Geberit ein Dauergast auf den vorderen Plätzen des Ratings. Das immer noch einzigartige Konzept «Online First», also die Konzentration auf einen ausführlichen Online-Geschäftsbericht, flankiert von einer eher erzählorientierten kleinen Jahreschronik und ansonsten herunterladbaren PDF-Dokumenten, in einem reduziert-funktionalen Design und einer nüchternen Textsprache ohne Marketing-Girlanden – dieses Konzept überzeugt nach wie vor. Und die VP Bank schliesslich gibt sich für eine Bank ungewohnt volksnah, strebt offensichtlich nach einer verständlichen Darstellung ihres Geschäftsmodells.

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In den Teilrankings liegen naturgemäss auch andere Unternehmen ganz vorne, weil sie weniger balanciert in beiden Disziplinen glänzen können. Beim Value Reporting hat sich Pharmariese Novartis, der eine nicht selbstverständliche Fülle an relevanten Informationen liefert, an die Spitze geschoben. Dahinter liegen Prüfkonzern SGS und Chemiker Clariant; beide sind Prototypen des Integrated Reports, der seit einigen Jahren als State of the Art gilt. Berichte dieser Art betonen insbesondere kausale Zusammenhänge im Handeln des jeweiligen Unternehmens, richten auch ihr «Storytelling» danach aus, zu zeigen, an welcher Stelle wie und womit Werte geschaffen werden, und legen einen zusätzlichen Fokus auf ESG-Faktoren wie Corporate Social Responsibility oder Mitarbeiterzufriedenheit.

Beim Design schwang Immobiliendienstleister HIAG obenaus. Der Onlineteil «ist sehr interessant aufgebaut, das Printprodukt schön reduziert; Print ist hier kein Abfallprodukt von Online, sondern beide Teile wurden gemeinsam entwickelt», sagt Jiří Chmelik, Wagners Pendant als Leiter der Design-Jury und im Hauptberuf Creative Director bei den Agenturen Noir und Picture this. Auf den weiteren Rängen folgen Avolta, wie sich Duty-free-Dienstleister Dufry seit der Übernahme der italienischen Autogrill selbst nennt, sowie die Zürcher Kantonalbank.

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Revidierte Methodik

Die Wertungslisten sehen, abgesehen von den Rangveränderungen natürlich, genauso aus wie in den Vorjahren: die besten 20 der inhaltlichen Wertung und die besten 20 im Design, gekrönt von den drei Gesamtsiegern. Doch hinter dieser Ergebnis-Optik hat sich jede Menge verändert.

Denn im bisherigen Prozess flossen die Ergebnis-Ranglisten der beiden Teiljurys Inhalt und Design rechnerisch zusammen, und die besten zwölf dieser vereinigten Rangliste wanderten vor eine dritte, die Schlussjury. Sie war bestückt mit Stakeholdern verschiedenster Couleur, etwa Finanzanalysten, Rechnungslegungsexperten, Investor-Relations-Profis, PR-Beratern, Unternehmenskommunikatoren, Designern und einem Journalisten. Diese Endjury, deren Diskussionen und letztlich geheime Abstimmungen die finalen Sieger bestimmten und deren Gruppenbild wir jeweils zeigten, ist entfallen. Neu liegt das volle Gewicht auf den beiden Teiljurys, deren Rankings jeweils hälftig durch einen rechnerischen Zusammenzug in einer finalen Rangliste aufgehen. Sie legt die Gewinner und alle folgenden Positionen bindend fest. Dieses breitere Entscheidungsgremium «fordert von den Jurymitgliedern glasklare Argumentation, noch mehr konstruktive Diskussion und die Fähigkeit zum Streiten für die eigene Überzeugung», erklärt Hans-Peter Nehmer die Änderungen; Stillstand sei «in dynamischen Kommunikationszeiten wie diesen mehr denn je Rückschritt». Nehmer, im Hauptberuf Kommunikationsleiter der Versicherung Allianz Suisse, amtet als Präsident des HarbourClub, der Vereinigung der Kommunikationsleiter Schweizer Unternehmen. Und weil dieser Club seit 2006 die Federführung über das Geschäftsberichte-Rating hat, das einst 1988 von BILANZ gegründet worden war, grüsst Nehmer zugleich als Präsident des Ratings. Zusätzlich leitet er den neu gegründeten Beirat, der eine Aufsichtsfunktion über das Rating einnimmt und um Qualitätssicherung und Weiterentwicklung besorgt sein soll.

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Um den stark belasteten Teiljurys die Arbeit ein wenig einfacher zu gestalten, wurde zudem das Sample der intensiv untersuchten Unternehmen verkleinert. Noch immer bilden zwar rund 240 Firmen die Grundlage – die Mitglieder des Schweizer Börsenindex SPI und bedeutende nicht kotierte Firmen, sodass die umsatzstärksten allesamt vertreten sind, dazu die grössten Banken und Versicherungen. Allerdings wirft die Vorjury Value Reporting zu Beginn jeweils kritische Blicke auf das letzte Viertel ihrer Rangliste des vergangenen Jahres. Und Firmen, bei denen sich keine Wende zum Besseren erkennen lässt, scheiden zu diesem Zeitpunkt aus dem Prozess aus; tiefgehend analysiert wurden 180 Firmen – alle wichtigen der Schweiz. Die Design-Jury hat von den insgesamt 240 Berichten 156 bewertet – der Rest befasste sich aus Sicht der Juroren nicht in angemessenem Mass mit dem Design.

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Gewaltiger Aufwand

Der Aufwand ist nach wie vor gewaltig. Während Alexander Wagner, vier Mitarbeiter und 16 Studierende einen Kriterienkatalog abarbeiten, der auf 14 Seiten nicht weniger als zehn Themenblöcke mit zahlreichen Einzelkriterien auflistet, startet auch die spärlicher besetzte Designjury, ausschliesslich mit gestandenen Profis besetzt, bei rund 240 Firmen, scheidet ebenfalls eine Anzahl davon nach erster Durchsicht aus und beugt sich dafür umso intensiver über die verbleibenden.

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Neu ist, dass beide Jurys jeweils eine «Special Mention» nominieren können – ein Unternehmen, das durch besondere Anstrengungen oder Exzellenz in einem speziellen Bereich aufgefallen ist. Chmeliks Designer votierten für den Logistiker Also, der online einen äusserst hilfreichen Chart-Generator zur Illustration von Vergleichszahlen biete und mit dieser spielerischen Art der Interaktion die Vorteile des Digitalen gekonnt nutze. Wagners Prüftruppe hob die Berner Kantonalbank auf den Schild, weil hier ein starkes Bekenntnis zur Nachhaltigkeit spürbar sei, ihren Einfluss auf das Klima nicht nur ehrlich zu berechnen, sondern auch den Umsetzungsstand ihrer Klimaziele offensiv darzulegen.

Eine Sonderjury schliesslich beleuchtete Textqualität und Mehrsprachigkeit der Berichte – also Strukturierung, Formulierung und sprachliche Orientierung an den lesenden Zielgruppen, sowie die Ansprache der Schweizer Anleger in ihrer jeweiligen Muttersprache, sofern Unternehmen diese Mühe auf sich nehmen, und das Berücksichtigen sprachlicher Eigenheiten dieser Sprachen. Geleitet von Marlies Whitehouse, Professorin für Professional Literacy, und Andrea Hunziker Heeb, Leiterin des Forschungsbereichs Übersetzungswissenschaft an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), stach in dieser Kategorie die Bank Raiffeisen Schweiz heraus: Sie publizierte ihren Report in vier Sprachen, «und dies sehr sorgfältig und achtsam in Bezug auf aktuelle linguistische Gepflogenheiten» – ein Geschäftsbericht auf der Höhe des Zeitgeistes also, und das ausgerechnet von einer Bank. Es besteht also noch Hoffnung für den Finanzplatz.

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