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Severin Schwans Zusatzjob mit Nebenwirkungen

Roche-CEO Severin Schwan kommt in seinem Nebenjob als Vizepräsident der Credit Suisse zunehmend unter Druck.

Erik Nolmans

CEO Severin Schwan of Swiss drugmaker Roche addresses the company's annual news conference in Basel, Switzerland January 30, 2020. REUTERS/Arnd Wiegmann

Der CS-Verwaltungsrat wurde von den Milliardenverlusten um Archegos überrascht. Als Mitglied des Risikokomitees steht auch Severin Schwan in der Verantwortung.

Reuters

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Severin Schwan hat wohl schon angenehmere Tage erlebt. Im Debakel um die Milliardenverluste der Credit Suisse bei Archegos und Greensill wird auch der Roche-Chef zunehmend ins Visier genommen. Denn er amtet im Nebenjob auch als Vizepräsident des von Urs Rohner geleiteten Verwaltungsrats der Grossbank und hat, wie es die «Neue Zürcher Zeitung» treffend auf den Punkt brachte, «als Rohners Stellvertreter alle Desaster der vergangenen Jahre durchlebt».

Die Suche nach den Verantwortlichen des Übels zieht immer weitere Kreise und ist inzwischen auch beim Risikokomitee der Bank angelangt. Im sechsköpfigen Ausschuss amtet auch Schwan. Nun wollen mehrere Grossaktionäre die Wiederwahl von Verwaltungsräten an der Generalversammlung vom 30. April verhindern.

Andreas Gottschling als Vorsitzender des Ausschusses hat seine Kandidatur für den Verwaltungsrat bereits zurückgezogen. Gegen ihn richtete sich die Attacke hauptsächlich, aber auch Schwan bekommt sein Fett weg: So verlangt etwa mit dem norwegischen Staatsfonds ein Grossaktionär die Abwahl des gesamten Risikokomitees.

Windiger Investor

Der Ärger der Aktionäre ist nachvollziehbar. Mit zehn Milliarden Dollar war die CS bei Archegos-Gründer Bill Hwang engagiert, einem gebürtigen Südkoreaner und windigen Investor, der mit gehebelten Investitionen in US-Aktien das grosse Geld machen wollte. Laut «Wall Street Journal» war die CS zeitweise mit bis zu 20 Milliarden Dollar im Spiel gewesen. In der Branche schüttelt man nur entsetzt den Kopf.

«Das System hat eindeutig nicht funktioniert», räumt Schwan im Gespräch mit BILANZ ein. Warum es zum Debakel bei der CS kommen konnte, werde nun im Rahmen einer internen Untersuchung abgeklärt: «Eine der zentralen Fragen ist, wie es geschehen konnte, dass die Fehler aus unteren Ebenen in der Organisation nicht nach oben gedrungen sind», sagt Schwan.

 

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CS Grafik Bilanz 05/2021
Bilanz
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Risikochefin Lara Warner und Investmentbanking-Chef Brian Chin wurden bereits geschasst. Zur Höhe des Exposures und zur Leverage der Kredite – laut Presseberichten waren sie neunfach gehebelt – wollte Schwan nicht Stellung nehmen. Nur dass er selber die Geschehnisse «in hohem Masse überrascht und verärgert» zur Kenntnis nehmen musste.

Das Ergebnis der verschiedenen Untersuchungen – die Finanzaufsicht Finma hat zusätzlich ein Enforcement-Verfahren eingeleitet – ist auch für die Beurteilung der Verantwortung von Schwan selber entscheidend. Dem Risikokomitee obliegt die Oberaufsicht über das Risikogeschehen bei der Bank. Besonders in der Pflicht stand Leiter Gottschling, ein Banker mit breiter Erfahrung in Sachen Risiken, etwa als ehemaliger Globaler Leiter Operational Risk bei der Deutschen Bank.

Laut Insidern mit Kenntnis über die Arbeitsweise des Verwaltungsrats sind es vor allem die Leiter der einzelnen Komitees, die sich mit den Details in ihrem Bereich zu beschäftigen haben, während die anderen Mitglieder eher eine Art Beisitzer sind, die sich mit grundsätzlichen Fragen befassen. Das kann aber natürlich auch als Ausrede herhalten, sich hinter der Verantwortlichkeit des Komiteechefs zu verstecken.

Allerdings ist die Aufgabe des Leiters des Risikokomitees in der Tat ein Vollzeitjob – und war im Falle von Gottschling mit 950'000 Franken auch dementsprechend bezahlt. Schwan selber erhält als CS-Verwaltungsrat 250'000 Franken, für seine Tätigkeit in den Komitees – er amtet neben dem Risikoausschuss auch im Nominationskomitee – kommen noch 150'000 dazu.

Externe Perspektive

Auch nicht gerade Kleingeld, aber aus pekuniären Gründen müsste Schwan den Job nicht machen – als Roche-CEO verdient er 2020 elf Millionen Franken im Jahr und ist damit einer des bestbezahlten Manager Europas. Nun ist es just sein Nebenjob, der ihm ein Reputationsrisiko einbringt und der damit auch auf seine Hauptaufgabe als Chef des Pharmakonzerns abfärbt. Warum hat er ihn überhaupt abgenommen?

2014 war es, als er, zunächst als einfaches Mitglied, in den CS-Verwaltungsrat eintrat. In jenem Jahr trat Franz Humer als Präsident von Roche ab und wurde durch Christoph Franz ersetzt. Schwan hatte Humer 2008 als CEO abgelöst und war 2013 auch in den Verwaltungsrat der Roche Holding gewählt worden.

 

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««Man läuft in einer Krise nicht davon. Ich will Teil der Lösung sein», sagt Severin Schwan»

Auch aus dem Roche-Verwaltungsrat selber seien damals Anstösse gekommen, sich nach einem externen VR-Mandat umzusehen, erzählt Schwan, weil eine externe Perspektive auf Abläufe in Grossunternehmen auch seiner Rolle als CEO von Roche dienlich sein könne.

Er habe sich dann trotz verschiedener Angebote bewusst für eine Bank entschieden. «Banken sind entscheidend dafür, wie eine Wirtschaft funktioniert», sagt Schwan, «Banken können sehr positiv zum Erfolg einer Wirtschaft beitragen.» Als ehemaliger Finanzchef von Roche sei er zudem auch ein Zahlenmensch.

Die CS wiederum suchte für ihr Gremium ein Schwergewicht aus der Welt der Schweizer Grosskonzerne, die stets auch im Verwaltungsrat der CS vertreten war, wie etwa mit Ex-Nestlé-CEO und -Präsident Peter Brabeck.

 

 

Überfordertes Risikokomitee

Der Risikoausschuss der CS ist hochkarätig besetzt – und hat nichts gemerkt. 

Andreas Gottschling

Andreas Gottschling

ZVG
Andreas Gottschling

Andreas Gottschling

ZVG

Vorsitzender des Risikokomitees war Andreas Gottschling, vor einer möglichen Abwahl zog er seine VR-Kandidatur zurück. Die Mitglieder sind Michael Klein, Shan Li, Seraina Macia, Richard Meddings und Severin Schwan.

2017 wurde Schwan bei der CS Vizepräsident und verkörperte zudem als Lead Independent Director das unabhängige Gegengewicht zu Präsident Rohner. Dass er bei der CS schon bald an verschiedenen Ecken derart gefordert sein würde, davon sei er damals allerdings nicht ausgegangen, sagt Schwan.

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Der Job des Lead Independent Director ist vor allem in all jenen Fragen wichtig, die den Präsidenten selber betreffen. So habe er sich schon damals etwa darauf eingestellt, dass er dereinst bei der Nachfolge von Rohner seine Rolle wahrnehmen und mehr Zeit dafür einräumen müsse.

So war es dann auch. Bei der Suche nach einem neuen Präsidenten – der Portugiese António Horta-Osório tritt am 30.  April an – war Schwan persönlich sehr aktiv, wechselte sogar Rohners bevorzugten Headhunter aus und soll, so zumindest lauten die unbestätigten Gerüchte aus der CS, auch dafür gesorgt haben, dass einzelne persönliche Vertraute von Rohner wie Ulrich Körner nicht zum Handkuss kommen konnten (Körner durfte bei der CS zwar inzwischen ran, aber nicht als Präsident, sondern als Leiter Asset Management).

Doch die absehbare Aufgabe eines Königsmachers war für Schwan eben bei Weitem nicht die einzige seit seinem Antritt 2017. Es kamen andere, zeitintensive Challenges dazu. Da war etwa der Beschattungsskandal um Konzernleitungsmitglied Iqbal Khan, in dessen Folge auch der damalige CEO Tidjane Thiam, der eine Misstrauenskultur in die Bank eingebracht hatte, unter Druck kam.

Als aus wichtigen Aktionärskreisen, unter anderem durch US-Grossaktionär Harris Associates, stattdessen Druck auf Rohner entstand, und die Forderung, nicht Thiam, sondern Rohner solle abtreten, war es Schwan, der intern gefordert war. Laut CS-Insidern soll er dann die treibende Kraft gewesen sein, Thiam zu ersetzen. Im Februar 2020 trat mit Thomas Gottstein ein neuer Bank-Chef an.

Doch damit waren die Überstunden für Schwan noch nicht zu Ende. Bald war er als Lead Independent Director erneut stark gefordert. UBS-Präsident Axel Weber packte die ganz grossen Pläne aus und schlug eine Fusion mit der CS vor. Auch Rohner war vom Projekt äusserst angetan. Nicht aber Schwan, der, wohl auch aus der Erfahrung der Fusionsattacke von Novartis gegen Roche aus vergangenen Zeiten, Grossfusionen eher skeptisch gegenübersteht. Schwan soll im VR eine der treibenden Kräfte gegen eine Fusion gewesen sein. Schwan selber will dazu nicht Stellung nehmen: Zu Interna gebe er keine Auskunft.

Unruhige Zeiten

Greensill und Archegos indes sind keine Themen, die direkt mit der Rolle des Lead Independent Director verbunden sind. Hier steht Schwan eher indirekt, als Verwaltungsratsmitglied, in der Verantwortung. Der CS-VR hat jetzt in Sachen Archegos ein Tactical Crisis Committee gebildet, bestehend aus dem Präsidenten und den Leitern von drei weiteren Komitees im VR. Schwan ist nicht dabei.

Für ihn immerhin eine bedeutende zeitliche Entlastung, denn der Krisenausschuss tagt derzeit fast täglich. Seine Arbeit im CS-VR war auch schon vor den jetzigen Krisenzeiten nicht ohne: Fünf Präsenzsitzungen sowie 43 Telefonate beziehungsweise Videokonferenzen standen 2020 auf dem Programm, davon 16 im Gesamt-VR, 19 im Nominationsausschuss, 8 im Risikoausschuss.

 

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Tidjane Thiam, CEO of Switzerland's second biggest bank Credit Suisse (CS), right, speaks next to Urs Rohner, president of the board, left, during the general assembly at the Hallenstadion in Zurich, Switzerland, Friday, April 28, 2017. (KEYSTONE/Ennio Leanza)

Als aus Aktionärskreisen die Forderung aufkam, nicht Tidjane Thiam (rechts), sondern Präsident Urs Rohner solle abtreten, war Schwan laut CS-Insidern die treibende Kraft, Thiam zu ersetzen.

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Tidjane Thiam, CEO of Switzerland's second biggest bank Credit Suisse (CS), right, speaks next to Urs Rohner, president of the board, left, during the general assembly at the Hallenstadion in Zurich, Switzerland, Friday, April 28, 2017. (KEYSTONE/Ennio Leanza)

Als aus Aktionärskreisen die Forderung aufkam, nicht Tidjane Thiam (rechts), sondern Präsident Urs Rohner solle abtreten, war Schwan laut CS-Insidern die treibende Kraft, Thiam zu ersetzen.

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Kriegt man das so einfach neben dem CEO-Job unter einen Hut? «Roche ist zu 100 Prozent mein Job», betont er. Aufgaben wie jene bei der CS kämen obendrauf. Unzählige Zusatzstunden und viele Wochenenden seien allerdings dafür schon draufgegangen. Doch solange es Aussichten gebe, dass auch einmal wieder ruhigere Zeiten kommen, sei es für ihn von der Belastung her machbar.

Die Archegos-Krise wird ihn nicht so schnell loslassen. Glück für den VR ist nur, dass die Aktionäre angesichts der virtuellen GV nicht richtig Dampf ablassen können. Der VR hat natürlich auch eine Holschuld, kann nicht einfach darauf vertrauen, dass ihm alle kritischen Geschäfte vom operativen Management vorgelegt werden, sondern muss selber aktiv werden. Wenn mit einem Zehn-Milliarden-Exposure gegenüber Bill Hwang ein so grosser Elefant im Raum steht und ihn niemand sieht, spricht dies jedenfalls nicht für den CS-Verwaltungsrat.

Schwan hat sich für die GV am 30.  April zur Wiederwahl gestellt. «Man läuft in einer Krise nicht davon», sagt er. Er gehe davon aus, dass er im Verwaltungsrat weiter einen wichtigen Beitrag leisten könne, und habe weiterhin seine Mitarbeit angeboten: «Ich will Teil der Lösung sein.» Beobachter gehen davon aus, dass Schwan trotz Kritik wiedergewählt werden dürfte, aber wohl mit deutlich schlechterem Resultat als in den Vorjahren.

 

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Dass er seiner Reputation mit dem Verbleib bei der Bank weiter Schaden zufügen könnte, glaubt er nicht. «Im Gegenteil: Zu sehen, dass man auch in schwierigen Zeiten zu seinen Aufgaben steht, dürfte gegen aussen eher als positives Signal wahrgenommen werden.»

Auch wenn sich Schwan jetzt nochmals als VR verpflichten lässt – ob er sich längerfristig engagiert, ist fraglich. Endziel von Schwan dürfte dereinst der Präsidentenjob bei Roche sein, sagen Vertraute. Doch der jetzige Präsident Franz ist mit 61 Jahren noch recht jung, und Roche ist bekannt dafür, sehr langfristig zu denken: In den letzten 40 Jahren gab es bei Roche gerade mal drei Präsidenten (Fritz Gerber, Franz Humer, Christoph Franz) und drei CEOs (Fritz Gerber, Franz Humer und Severin Schwan).

Nicht für immer

Gut möglich, dass in dieser Frage also noch viel Wasser den Rhein hinabfliesst. Ob es Schwan Spass macht, diese Zeit weiter mit einem derart belastenden Mandat wie bei der CS aufzufüllen, ist doch fraglich. Dass mit Horta-Osório ein neuer Präsident antritt, dürfte mittelfristig auch eine gute Ausstiegsmöglichkeit bieten. Denn es ist absehbar, dass der Neue den Kulturwandel über kurz oder lang auch im Verwaltungsrat mit neuen, unbelasteten Mitgliedern angehen wird.

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Erik Nolmans

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