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Vontobel-Eigentümer im Gespräch

«Ruhig den Kurs halten»

Maja Baumann und Björn Wettergren, Vertreter der Eigentümer­­familie im Verwaltungsrat der Bank, über den Abgang von Zeno Staub, Übernahmegerüchte und warum sie ihre Mehrheit auf jeden Fall behalten wollen.

Erik Nolmans

Björn Wettergren Maja Baumann VR Bank Vontobel

Björn Wettergren und Maja Baumann auf der Dachterrasse des Vontobel-Hauptsitzes in Zürich.

Joseph Khakshouri

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Die Sonne scheint, das Besprechungszimmer hoch oben im Vontobel-Hauptsitz in Zürich bietet einen prächtigen Blick auf den See. Das Interview mit Maja Baumann (46) und Björn Wettergren (42) findet am 12. Juni statt, einem für die Bankenwelt historischen Tag, hört doch die Konkurrenzbank Credit Suisse – einst als Schweizerische Kreditanstalt (SKA) gegründet – nach 167 Jahren auf zu existieren. Die erste Frage beim Treffen ist also aufgelegt.

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Was bedeutet der Untergang der Credit Suisse für Sie?

Maja Baumann: Auf der ganz persönlichen Ebene – ich gehöre ja noch zur Generation SKA-Skimütze – hat es schon ein emotionales Element, wenn etwas nicht mehr da ist, das man seit Jahrzehnten kennt.

Aber geschäftlich bietet der Untergang des Konkurrenten doch Chancen. Hat auch Vontobel Zuflüsse zu verzeichnen?

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Maja Baumann: Klar, wir sehen Zuflüsse, quantifizieren wollen wir diese aber nicht. Sie müssen sehen: Das sind kurzfristige Folgen. Viel entscheidender ist, wie der Schweizer Finanzmarkt reagiert hat und wie nun die Aufarbeitung funktioniert. Für uns ist es längerfristig wichtiger, wie es dem Finanzplatz generell geht.
Björn Wettergren: Die Schweiz hat gezeigt, dass sie handeln kann, auch schnell, und das gibt Stabilität. Auch mich macht es emotional traurig, dass es so gekommen ist, aber für uns ist es wichtig, dass wir uns auf unsere Stärken besinnen, nicht auf die Schwächen von anderen hoffen.

Auch die CS-Mitarbeiter suchen das Weite. Für Sie die Chance, ganze Teams abzuwerben?

Björn Wettergren: Wir verfallen nicht kurzfristig in Hektik. Wir haben unsere Langfriststrategie «Lighthouse 2030», von daher leiten wir unsere Businesspläne ab und die damit zusammenhängenden Personalbedürfnisse. Einfach zu sagen, wir wollen den Personalbestand jetzt um so oder so viel Prozent anheben, ist nicht zielführend. Aber richtig ist auch, dass wir die Möglichkeit nutzen, wenn wir gute Leute für uns gewinnen können.

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Auch Vontobel hat zuletzt für Schlagzeilen gesorgt. Der langjährige CEO Zeno Staub hat überraschend seinen Abgang verkündet, ein Nachfolger wurde nicht präsentiert. Die Börse reagierte irritiert. Was ist da passiert?

Maja Baumann: Zeno Staub beabsichtigt, sich stärker in der Politik zu engagieren. Er hat sich als Spitzenkandidat für Die Mitte auf die Liste setzen lassen und will zu den Nationalratswahlen 2023 antreten.

Knappe Mehrheit

Die Besitzerfamilie hält über verschiedene Untergesellschaften 50,9 Prozent der Stimmen.

Vontobel

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Staub hat schon beim Amtsantritt Ihres Präsidenten Andreas Utermann im Frühling 2022 einen groben Zeithorizont abgemacht. Vontobel hatte also fast zwei Jahre Zeit. Und nun können Sie keinen Nachfolger präsentieren?

Maja Baumann: Wir sind ja nicht bei null in diesem Prozess. Das Profil des neuen CEO steht, es gibt auch bereits eine Longlist mit Namen von möglichen internen und externen Kandidaten. Wir sind sehr gut im Zeitplan, eher früh würde ich sagen, Zeno Staub tritt ja erst an der Generalversammlung 2024 ab, also in fast einem Jahr.

Im Markt herrscht der Eindruck, dass Sie überrumpelt wurden.

Maja Baumann: Nein, überhaupt nicht. Der Entscheid von Zeno Staub war nicht spontan, ganz und gar nicht, und es war auch nicht so, dass er uns das nicht gesagt hätte. Der exakte Kommunikationszeitpunkt wurde aber letztlich durch den Nominierungsprozess der Politik bestimmt. Dass Die Mitte in einem solch breiten Kreis kommunizieren musste, das war uns so nicht bewusst und daher auch nicht in unserer Langfristplanung, das gebe ich zu.

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Hatten Sie Angst vor Leaks?

Maja Baumann: Dass die Liste mit der Nomination veröffentlicht werden sollte, war für uns der Auslöser: Jetzt gehen wir raus und kommunizieren ganz transparent. Es ist für uns ja auch eine Chance: Wenn die Meldung draussen ist, dann können wir auch offen Kandidaten angehen, das ist sonst für börsenkotierte Unternehmen mit allerlei Auflagen verbunden.

Zeno Staub verlässt die Bank nicht für immer – ab 2025 soll er in den Verwaltungsrat kommen. Eine gute Idee? Dann kann sich der neue CEO ja gar nicht richtig entfalten.

Björn Wettergren: Wir haben eine Cooling-off-Periode von einem Jahr, was in Sachen Corporate Governance auch gut ist. Wenn man Zeno Staub kennt, weiss man, dass er sich zugunsten des Unternehmens einsetzen wird. Wir sind sehr froh um die Expertise, die er einbringen wird.

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An der Expertise zweifelt niemand. Aber ist es gut, wenn der Ex-CEO dem neuen auf die Finger schaut?

Maja Baumann: Ich bin auch in anderen Verwaltungsräten, ich kenne die Thematik, und ich kann sagen: Es ist extrem typenabhängig. Bei Zeno Staub sind wir davon überzeugt, dass er es gut, ja sehr gut machen wird und dass er genau weiss, was seine neue Rolle beinhaltet. Er hat schon vorher in seiner Karriere Rollen abgegeben und sich sehr gut davon lösen können.
Björn Wettergren: Und am Schluss entscheidet ja auch der Verwaltungsrat als Ganzes, nicht einzelne Personen.

Staub wird Verwaltungsrat. Warum nicht Präsident? Oder ist dies längerfristig eine Option?

Maja Baumann: Wir haben mit Andreas Utermann einen Präsidenten, der das hervorragend macht. Und ich bin sehr glücklich, dass wir Zeno immerhin als einfaches VR-Mitglied gewinnen konnten. Alles andere ist hypothetisch.

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Sie, Herr Wettergren, sind im Nominationskomitee. Was muss der neue CEO aus Sicht der Besitzerfamilie mitbringen?

Björn Wettergren: Zusätzlich zum fundierten Wissen und zur ausgewiesenen Expertise – das stellt natürlich die Basis dar – sind noch weitere Themen für uns sehr wichtig. Erstens: eine Identifikation mit der Kultur und den Werten von Vontobel. Zweitens: ein Verständnis für Familienunternehmen. Drittens: ein Buy-in für unsere langfristige Strategie. Wir sind sehr gut aufgestellt, wir brauchen jetzt keine grossen Veränderungen, das suchen wir nicht.

Es gibt intern Personen, die als Kandidaten gelten, etwa Ihre Head of Investments, Christel Rendu de Lint.

Björn Wettergren: Zu einzelnen Namen nehmen wir keine Stellung.

Muss der neue CEO Schweizer oder Schweizerin sein?

Björn Wettergren: Wir machen keine Passprüfung. Die Person muss einen Bezug zur Schweiz haben und ein Verständnis für unser Land.

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Wie bringt die Familie ihre Vorstellungen in der Bank ein?

Maja Baumann: Die Familie gibt Inputs, was ihr wichtig ist. Es geht um Werte, um Charaktereigenschaften, um eine Geisteshaltung. Man kennt in dem Unternehmen die Dinge, die der Familie wichtig sind, schon länger, das sollte sich dann spiegeln im Profil des CEO, das der Verwaltungsrat und das Nominationskomitee erstellt.

Welche Werte sind das?

Maja Baumann: Etwa, dass man als Mitarbeiter Verantwortung übernimmt: Nimm ein Projekt als dein eigenes an und kümmere dich darum von vorne bis hinten. Aber auch das langfristig Vorausschauende: nicht gleich nervös werden, wenn der Markt mal etwas auf und ab geht. Und: ruhig den Kurs halten. Hans Vontobel, mein Grossvater, hat jeweils gesagt: «Quand même» – wenn dann jeder gesagt hat, jetzt machen es alle so und das muss man jetzt so machen, dann werden wir erst recht hellhörig. Schliesslich: nach vorne schauen, sich an der Zukunft orientieren.

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Wie ist die Besitzerfamilie kommunikativ organisiert?

Maja Baumann: Es gibt einen Poolvertrag, in dem die Stiftung und Beteiligungsgesellschaften sowie andere Aktionäre zusammengefasst sind. Vielleicht macht man mal eine Rund-Mail an alle. Vereinzelt gibt es Koordinationssitzungen, oft auch unter Einbezug des VR-Präsidenten – vorher Herbert Scheidt, jetzt Andreas Utermann. Der Präsident ist nach aussen der Sprachkanal.

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Es gibt keinen Familiensprecher wie etwa André Hoffmann bei Roche?

Maja Baumann: Nein. Björn und ich treten aber in unserer Rolle als Familienmitglied im Verwaltungsrat nach aussen auf.

Wie stellt sich die Besitzerfamilie zur Frage der Erhaltung der Mehrheit? Vontobel ist klein, da würde ein Merger Sinn machen. Die Familie müsste dafür aber die Mehrheit aufgeben.

Maja Baumann: Wieso finden Sie uns klein? Für mich stellt sich vielmehr die Frage: Wie gross kann man sein, um eine gesunde Kultur zu erhalten? Wir haben Top-Kunden, wir haben Top-Mitarbeiter. Was, meinen Sie, wäre die richtige Grösse?

Der Konsolidierungsprozess ruft ja nach einer gewissen Grösse. Es gibt immer wieder Gerüchte, Vontobel werde übernommen.

Maja Baumann: Interessant finde ich, dass Sie das Gefühl haben, wir seien das Target. Wir sehen uns eher als diejenigen, die dazukaufen. Wir haben ja immer wieder bedeutende Akquisitionen gemacht, nehmen Sie den Kauf von Notenstein La Roche, von TwentyFour Asset Management oder zuletzt das UBS-Geschäft mit amerikanischen Wealth-Management-Kunden, die in der Schweiz ihre Vermögen verwalten lassen möchten. Aber all dies muss massvoll sein, weil wir unsere Kultur nicht verwässern lassen wollen durch zu rasches Wachstum.

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Das heisst, Sie schliessen einen Merger oder eine Übernahme aus?

Björn Wettergren: Eine transformierende Transaktion steht nicht zur Diskussion, das kann man ganz klar sagen, ja. Die Familie steht hinter Vontobel – heute und in Zukunft.

Der aktuelle Poolvertrag läuft nur noch bis 2026. Was dann?

Maja Baumann: 2026 wäre das erste theoretische Kündigungsdatum – wenn es denn jemandem in den Sinn kommen würde. Doch dafür gibt es im Moment keinerlei Indizien. Die gesetzliche Regelung in der Schweiz verbietet ganz allgemein eine übermässige Bindung, daher müssen Sie bei Aktionärsbindungsverträgen regelmässig Kündigungsmomente anbieten. Aber wenn keiner kündigt, läuft es einfach weiter, es ist ein unbefristeter Vertrag.

Aber das wäre doch eine Gelegenheit, sich die Frage nochmals grundsätzlich anzuschauen. Ist das so ein Moment?

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Björn Wettergren: Nein, wir sind gut aufgestellt und glauben an den langfristigen Erfolg des Unternehmens.
Maja Baumann: Nein. Viel wichtiger ist, wie man in der Familie kommuniziert, wie man miteinander umgeht. Wenn man dann nur noch wegen eines Vertrags zusammenhält, dann stimmt so einiges nicht mehr. Man darf sich auf diese Zahl 2026 oder eine andere nicht versteifen.

Je länger ein Familienunternehmen besteht, desto schwieriger ist es, den Zusammenhalt zu wahren. Wie schaffen Sie Zusammenhalt?

Maja Baumann: Wir sind die vierte Generation. Die nächste Generation, unsere Kinder, ist noch recht jung. Wir haben also noch etwas Zeit.

Wie viele sind es in der jüngsten Generation?

Maja Baumann: Rund ein Dutzend. Die fünfte Generation ist also noch recht kompakt.
Björn Wettergren: Das Ziel ist, die fünfte Generation schrittweise an Vontobel heranzuführen. Primär ist uns jetzt mal wichtig, dass sie sich untereinander kennenlernen, auch Spass haben miteinander, sich gegenseitig verstehen.

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Spüren Sie ein Interesse der Kinder an Vontobel?

Maja Baumann: Das Thema schwappt ja immer auch mal wieder in unser Leben. Ein Beispiel: Vom neuen Firmenlogo habe ich eine riesige Leuchtreklame erhalten. Dieses Leuchtlogo von Vontobel habe ich zu Hause stolz aufgestellt. Da kommen natürlich Fragen der Kinder, was das ist. Und darauf geben wir kindergerechte Antworten. Aber wir pushen die Sache nicht.

Beim Abschied des vorherigen Präsidenten Herbert Scheidt 2022 hat Ihre Tochter – damals elf Jahre alt – eine Rede gehalten. Ein bewusstes Zeichen des Engagements?

Maja Baumann: Zu Herberts Abschied wurde eine Auszeichnung gestiftet für die besten Lehrabschlüsse, für uns ist die Förderung von Lehrlingen ein wichtiges Thema. Ich hätte ursprünglich die Rede halten sollen, doch ich sagte: Die sind ja nur ein paar Jahre älter als meine Tochter, bin ich da wirklich die Richtige? Sollte das nicht jemand machen, der da näher dran ist? Da kamen wir auf die Idee, dass dies ja meine Tochter machen könnte. Sie kannte Herbert ja auch gut, weil wir ein freundschaftliches Verhältnis haben. Sie hat das dann sehr schön gemacht. Und klar ist natürlich: Wenn sie nicht gewollt hätte, hätten wir es nicht gemacht.

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Der Aktienkurs von Vontobel dümpelt seit Längerem. Was ist der Grund?

Maja Baumann: Wenn die Börsenkurse generell tief sind, sind wir überdimensional betroffen. Eine wichtige Einnahmequelle für uns sind die Gebühren auf den Assets under Management, von denen viele an der Börse angelegt sind. Wenn die Börsen runtergehen, gehen die Assets under Management runter und damit auch die prozentuale Gebühr.

Seit rund drei Jahren nennt ihr euch nicht mehr Bank, sondern Investmenthaus. Glaubt der Markt nicht an eure Strategie?

Björn Wettergren: Wir erhalten regelmässig Updates von unserer Investor-Relations-Abteilung: Das Feedback unserer langfristigen Investoren ist sehr positiv. Bei der Beurteilung des Kurses müssen Sie auch sehen, dass wir von einem sehr hohen Niveau kommen. Viele Banken, die mehr von Transaktionen leben, profitieren, wenn es wie jetzt unsichere Zeiten gibt, weil dann mehr umgeschichtet wird, was Gebühren verursacht. Wir setzen im Gegensatz dazu vor allem auf die Stabilität und das Verwalten der Vermögen unserer Kunden über lange Zeit.

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Über die Autoren
Erik Nolmans

Erik Nolmans

Erik Nolmans

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