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Philanthropie

Das Geschäft mit den Stiftungen in der Schweiz

Philanthropie ist heute unternehmerisch, innovativ und partnerschaftlich – und ist längst ein Wirtschaftszweig geworden.

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DER PARTNER: Arthur Waser (l.) möchte nicht nur Projekte finanzieren, sondern Partnerorganisationen fördern, mit denen er langfristig und auf Basis gemeinsamer Lernprozesse zusammenarbeitet. Seine Stiftung ist seine Alleinerbin.

DIE VORDENKERIN: Carolina Müller-Möhl (r.) engagiert sich mit Partnern aus Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Medien für eine nachhaltige, erfolgreiche Schweiz, die alle Talente nutzt – Frauen und Männer. 

Anne Gabriel-Jürgens

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Die Mittagssonne taucht den kleinen Garten im Innenhof vor dem Sitzungszimmer in ein angenehmes Licht. «Nehmen Sie bitte hier Platz, dann haben Sie einen schönen Blick auf den Zen-Garten.» Arthur Waser ist zuvorkommend – ein Gentleman von altem Schlag. Der 92-jährige Philanthrop spricht leise, seine Stimme passt zur feinen und eleganten Erscheinung. Doch seine Antworten kommen schnell und mit Emphase. «Stiftung darf nicht einengend sein, Stiftung muss Freiheit geben.»

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Im Alter von 21 macht sich Waser im Mineralölhandel selbstständig. Eine ausgezeichnete Entscheidung, wie sich schnell herausstellt. Die Umstellung von Kohle- auf Ölheizungen und der rasante Anstieg der Anzahl Autos lassen Wasers Business erblühen. Das ermöglicht ihm Investments in Gewerbeimmobilien – eine weitere unternehmerische Glanzleistung. Der Vollblutunternehmer hat keine Kinder, und schon bald stellt er sich die Frage, wer von seinem grossen Erfolg profitieren soll. Ihm kommt in den Sinn, was seine Mutter ihm als Kind sagte: «Wenn es dir einmal gut geht, dann solltest du auch andere Menschen daran teilhaben lassen.» Im Jahr 2000 gründet er die Arthur Waser Stiftung und setzt sie als künftige Alleinerbin ein. Gemäss David Keller, Geschäftsleiter der Stiftung, «setzt die Stiftung in Afrika nicht auf die üblichen dreijährigen Projekte, sondern auf langfristige Engagements mit lokalen, selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Partnern. Mit diesen werden auf der Basis gemeinsamer Lernprozesse Strategien entwickelt». Das ist modern und hat Vorbildcharakter.
 

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Die Schweiz als Vorbild in Sachen Wohltätigkeit

Philanthropie ist längst ein Wirtschaftszweig geworden. Ein Sektor, der Jahr für Jahr an Professionalität gewinnt, Toptalente anzieht, die auf der Suche nach Jobs mit Purpose sind. Banken, Kanzleien, Universitäten bieten Dienstleistungen für alle Formen der Philanthropie. Die Schweiz ist als Stiftungsstandort einzigartig. Mit 13 375 gemeinnützigen Stiftungen gibt es pro Kopf sechsmal so viele Stiftungen wie in den USA oder Deutschland. Das Gesamtvermögen wird auf 100 Milliarden Franken geschätzt – wobei man angesichts steigender Vermögenswerte von einem noch höheren Wert ausgehen kann. Bemerkenswert sind auch die Dynamik und die Innovationskultur. Schon Mitte der 1990er Jahre entwickelte Stephan Schmidheiny das Konzept der unternehmerischen Philanthropie – das bis heute Vorbild für Stiftungen auf der ganzen Welt ist.

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Stifter bringen sich heute selber ein, wie Hansjörg Wyss oder die Mitglieder der Familie Jacobs. «Stiftungen sind keine reinen Wohltätigkeitsorganisationen mehr», sagt Lukas von Orelli, Präsident von SwissFoundations und Direktor der Velux Stiftung. Für ihn spielen Stiftungen beim Lösen sozialer und ökologischer Probleme eine Schlüsselrolle.

«Sie sind in der Lage, ihren Mitteleinsatz zu skalieren, weil Stiftungen nicht nur Kapital, sondern auch Know-how und ihr Netzwerk einbringen», betont von Orelli. 90 Prozent der Stifter sind oder waren erfolgreiche Geschäftsleute. Philanthropie ist daher heute unternehmerisch, Philanthropen verstehen sich als Investmentmanager für den guten Zweck. Die paternalistische Philanthropie verschwindet zusehends. Wer sein Vermögen einem guten Zweck widmen möchte, wartet nicht, bis er auf dem Sterbebett liegt. Sei es die Internetmillionärin oder der schwerreiche Erbe: Die neue Generation von Philanthropen möchte sich einbringen, etwas bewegen, eigene Ideen umsetzen, und das am besten nachhaltig, partnerschaftlich und unternehmerisch.
 

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Philanthropen als Partner

Als moderne Stifterin, die nicht nur Geld, sondern auch Know-how, Zeit und ihr Netzwerk aktiv einsetzt, versteht sich die Unternehmerin und Investorin Carolina Müller-Möhl. Ihre Stiftung setzt sich für frühkindliche Bildung und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein. «Wir verstehen uns als moderne Stiftung, sind operativ, kreieren eigene Projekte und entwickeln Neues in Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen», sagt Müller-Möhl. Ob das Gefäss für ihre aktive Philanthropie eine Stiftung, ein Verein oder eine AG sei, mache keinen Unterschied. «Zentral ist das Tun, der Inhalt», sagt Müller-Möhl.

Auch bei der Arthur Waser Stiftung ist die Unabhängigkeit der Partner ein hohes Gut. Zwei Drittel der Gelder fliessen nach Afrika für eine Verbesserung der Bildungsqualität in Äthiopien, Ghana und Tansania. Dabei setzt die Stiftung auf Frauenpower und arbeitet eng mit afrikanischen Ordensgemeinschaften zusammen. In Tansania bilden die Baldegger Schwestern seit 1974 Montessori-Lehrpersonen aus. Heute gibt es sieben solcher Trainingszentren. Die Vernetzung, Ausbildung und Förderung dieser inzwischen mehr als 5500 Lehrkräfte und die Strategie, die Montessori-Pädagogik auch an öffentlichen Schulen zu verankern, ist ein Kernthema der Arbeit vor Ort. Waser erhielt regelmässig Gesuche für den Bau von Schulhäusern.

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«Das wollte ich gerne unterstützen, doch waren das gute Schulhäuser? Und wie sieht ein gutes Schulhaus aus?» Die teils barackenähnlichen Schulgebäude Afrikas im postkolonialen Stil entsprechen weder der Montessori-Pädagogik noch den Vorstellungen des Architekturliebhabers Waser. Benjamin Staehli, bei der Waser Stiftung verantwortlich für Urbanisierung und Architektur, analysierte daraufhin eine Vielzahl von Montessori-Schulgebäuden rund um den Globus und verfasste ein Handbuch für Montessori-Architektur. Es dient jetzt als Entwurfshilfe für lokale Architekten. 2019 führte die Waser Stiftung auf der Basis des Handbuchs den ersten Architekturwettbewerb in Tansania überhaupt durch. Aus dem Wettbewerb resultierten seither drei Modellschulen, und der nächste Ideenwettbewerb wird derzeit vorbereitet. «Unser spezifischer Beitrag als Partnerschaftsstiftung ist nicht nur Geld, sondern in diesem Fall auch die Entwicklung von Grundlagenwissen zur Orientierung der Partner und Architekten vor Ort», erklärt Geschäftsführer Keller. Oder wie Arthur Waser es formuliert: «Ein Schulhaus ist ein Zeichen des Geistes. Mit dem Buch werden Geist, Liebe und neues Denken in das Gebäude eingebunden.»Ganz neue Wege in der Philanthropie beschreitet MacKenzie Scott, die Ex-Frau von Amazon-Gründer Jeff Bezos. Sie verteilt ihr Vermögen an Organisationen, denen sie vertraut – ohne die Gründung einer Stiftung. Sie verlangt auch keine Berichte oder lässt den Impact messen. Es ist die Abkehr von der technokratischen Philanthropie. Auf diese Weise hat sie bereits mehr als acht Milliarden Dollar vergeben – die grösste Summe, die eine einzelne Person jemals in so kurzer Zeit gespendet hat. Auch Melinda Gates geht nach dem Ehe-Aus ihren eigenen Weg, sie möchte ihr Vermögen nicht der Bill & Melinda Gates Foundation überschreiben. Sie hat angekündigt, künftig deutlich mehr zu spenden als vor der Scheidung.

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DIE POWERFRAUEN: Melinda Gates (l.) und MacKenzie Scott setzen neue Akzente in der Philanthropie und stellen ihre Ex-Ehemänner Bill Gates  und Jeff Bezos beim Spenden in den Schatten. Scott (rechts) setzt auf Vertrauen in Partnerorganisationen statt auf bürokratische Strukturen und Kontrollen. Gates hat sich von der gemeinsamen Stiftung mit ihrem Mann verabschiedet.

Getty Images
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DIE POWERFRAUEN: Melinda Gates (l.) und MacKenzie Scott setzen neue Akzente in der Philanthropie und stellen ihre Ex-Ehemänner Bill Gates  und Jeff Bezos beim Spenden in den Schatten. Scott (rechts) setzt auf Vertrauen in Partnerorganisationen statt auf bürokratische Strukturen und Kontrollen. Gates hat sich von der gemeinsamen Stiftung mit ihrem Mann verabschiedet.

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Investments mit Wirkung

Armutsbekämpfung und Venture Capital – das passt nach Ansicht von Peter Wuffli und Andreas Kirchschläger, Geschäftsführer seiner Elea Stiftung, sehr gut zusammen. Noch bevor der Begriff «Impact Investing» zum Mantra der globalen Finanzindustrie wurde, hatten sie sich auf die Suche nach Unternehmerinnen und Unternehmern gemacht, denen sie mit philanthropischem Wagniskapital und Know-how auf die Sprünge helfen konnten. In Frage kommen nur Geschäftsideen, die eine gezielte positive Wirkung auf die Lösung lokaler Probleme haben. Die Lebensumstände von Menschen, die in absoluter Armut leben, sollen sich nachhaltig verbessern. «Die Firmen müssen nicht profitabel sein, aber es muss eine klare Perspektive geben, dass sie es eines Tages sind, damit der positive Impact nachhaltig ist», sagt Kirchschläger.

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DER INVESTOR: Pionier der unternehmerischen Philanthropie ist Peter Wuffli für viele Stifter ein Vorbild. Bei den Firmen, in die seine Stiftung investiert, bringt er seine Erfahrung und sein analytisches Denken ein.

Salvatore Vinci
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DER INVESTOR: Pionier der unternehmerischen Philanthropie ist Peter Wuffli für viele Stifter ein Vorbild. Bei den Firmen, in die seine Stiftung investiert, bringt er seine Erfahrung und sein analytisches Denken ein.

Salvatore Vinci

Peter Wuffli investiert als Präsident des Stiftungsrats einen grossen Teil seiner Zeit in seine Stiftung in der Schweiz und bringt sich auch vor Ort ein. Er hilft bei der Strategieentwicklung oder dem Aufbau der Buchhaltung. «Angesichts seiner Erfahrung und seines Know-how ist das unglaublich wertvoll», sagt Kirchschläger, der auch gerne die Bescheidenheit des Stifters betont. Dass die Stiftung nach einer antiken griechischen Hafenstadt benannt ist und nicht den Namen des Stifters trägt, sagt viel über die Persönlichkeit von Peter Wuffli sowie seiner Frau und Mitgründerin Susanna aus und spiegelt gleichzeitig den Zeitgeist: Stiftungen sind keine Denkmäler mehr. Gleiches gilt für die Avina Stiftung von Stephan Schmidheiny oder die Cogito Foundation der Familie Aegerter.

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Elea hält nie die Mehrheit und steigt aus, sobald die Geschäfte laufen. «Wir wollen keine Abhängigkeit aufbauen», betont Kirchschläger. Eines der Vorzeigeinvestments ist die äthiopisch-deutsche Firma Coffee Circle, die Spitzenkaffee von Bauern aus entlegenen Regionen in Äthiopien, Kolumbien und Indonesien übers Internet verkauft. Ohne das Unternehmen wäre es für die Kaffeebauern nicht möglich, ihr Qualitätsprodukt zu Weltmarktpreisen zu verkaufen. «Die Anbaugebiete erreicht man nach einer zwölfstündigen Autofahrt von der nächsten Siedlung und weiteren sechs Stunden auf dem Maulesel», erklärt Kirchschläger. Als Elea bei Coffee Circle einstieg, machte das Venture einige hunderttausend Euro Umsatz, heute ist es profitabel und erzielt einen zweistelligen Millionenbetrag an Umsatz im Jahr. Ebenso wichtig: Die Lebensbedingungen von 17 000 Bauernfamilien haben sich verbessert. Die Gemeinden verfügen heute über sauberes Wasser, bessere Häuser, Schulen, Krankenstationen mit Strom aus Solarpanels und sind so attraktiv, dass es kaum noch Landflucht gibt. Dass Elea ihre Anteile an Coffee Circle eines Tages mit Gewinn veräussert, wirft die Frage auf, wie viel Gewinnorientierung die Gemeinnützigkeit verträgt. «Der Gedanke, dass durch unser Modell der gestiftete Franken zurückkommt und noch mal für einen guten Zweck investiert werden kann, hat sich noch nicht überall durchgesetzt», bedauert Kirchschläger.

Von den über 13 000 gemeinnützigen Stiftungen in der Schweiz verfügen 80 Prozent über ein Vermögen von weniger als fünf Millionen Franken. Je kleiner das Vermögen, desto weniger lohnt es sich, eine selbstständige Stiftung aufrechtzuerhalten. Das ist auch gar nicht zwingend nötig. Flexibler und kostengünstiger sind die Angebote von Dachstiftungen – dank einer gemeinsamen Infrastruktur für mehrere unselbstständige Stiftungen. «Flexibilität ist für Stifterinnen und Stifter heute sehr wichtig», sagt Matthias von Orelli, Geschäftsführer der Fondation des Fondateurs, einer der führenden Dachstiftungen der Schweiz. «Bei Dachstiftungen können Philanthropen zudem Stifter auf Zeit sein, für vier, fünf Jahre ein gemeinnütziges Projekt verfolgen und sich danach wieder einem anderen Thema zuwenden.» Das ist ein wesentlicher Unterschied zu selbstständigen Stiftungen. Bisher machen Dachstiftungen weniger als ein Prozent des Schweizer Stiftungsuniversums aus. Mit der Transformation des Sektors könnte der Anteil aber deutlich steigen. «Wir sehen das an der Vielfalt der Stifterinnen und Stifter, die zu uns kommen», sagt von Orelli. «Darunter sind viele Junge, die mit dem freien Vermögen kein neues Auto kaufen, sondern etwas Philanthropisches tun möchten.» Dachstiftungen haben einen gewissen Start-up-Charakter. Hier lassen sich mit kleineren Vermögen schon grosse Ideen umsetzen. Das spricht die nächste Generation von Stiftern an.

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DER AUSSTEIGER: Roche-Erbe André Hoffmann braucht für sein Engagement für den Naturschutz keine Stiftung mehr. Die von seinem Vater gegründete Mava Foundation wird dieses Jahr stillgelegt. Hoffmann arbeitet an neuen Formen der Förderung.

Keystone
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DER AUSSTEIGER: Roche-Erbe André Hoffmann braucht für sein Engagement für den Naturschutz keine Stiftung mehr. Die von seinem Vater gegründete Mava Foundation wird dieses Jahr stillgelegt. Hoffmann arbeitet an neuen Formen der Förderung.

Keystone

Für Roche-Erbe André Hoffmann ist die Stiftung kein zeitgemässes Vehikel mehr. In diesem Jahr endet das Engagement der Mava Stiftung, die sein Vater Luc Hoffmann vor 25 Jahren gegründet hat. In dieser Zeit wurden 180 Projekte mit mehr als einer Milliarde Franken finanziert. Doch mit dem Ende der Stiftung wird das Engagement von André Hoffmann und seinen Kindern für den Naturschutz nicht enden. Sein Ziel ist es, Projekte zu unterstützen, die auf eigenen Beinen stehen können.
 

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Philanthropie zum Anfassen

Die Dynamik des Philanthropiesektors wollen auch Banken nicht verpassen. Für die Entwicklung neuer Formen und Strategien des Gebens haben sie das Know-how im Haus. Auch das Bedürfnis der Kunden nach Dienstleistungen rund ums Thema Philanthropie ist da. «Mehr als 90  Prozent unserer vermögendsten Kunden spenden oder stiften einen Teil ihres Vermögens, doch weniger als 20  Prozent sind mit der Wirkung zufrieden», sagt Phyllis Kurlander Costanza, Leiterin der UBS-Dachstiftung Optimus Foundation. Ein Fokus liegt auf der Entwicklung innovativer Finanzvehikel wie Social Impact Bonds, Development Impact Bonds oder Social Success Notes. Bei Letztgenannten wird die Wirkung gemeinnütziger Projekte mit einem finanziellen Benefit wie niedrigeren Kreditzinsen verknüpft. Die UBS beschäftigt ein Social-Impact-Team mit mehr als 100 Fachleuten aus Bereichen wie Gesundheitswesen, Bildung und Klima, aber auch Experten für Monetarisierung und Bewertung gemeinnütziger Projekte. «Wir beraten unsere Kunden nicht nur, wir nehmen sie auch mit ins Gelände, damit sie die Arbeit der Partnerorganisationen verstehen», sagt Costanza. Auf einer Reise ins ländliche Liberia fuhren die Kunden in abgelegene Regionen, um die Wirkung ihrer Spenden zu sehen und zu erleben. Philanthropie zum Anfassen – ein Erlebnis ganz nach dem Geschmack der Millennials.

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«Governance und Freiheit»

Der Professor für Privatrecht und Stiftungsexperte Dominique Jakob schätzt das liberale Stiftungswesen in der Schweiz – zum Steuernsparen eignen sich diese Einrichtungen trotzdem nicht.

 

Herr Jakob, Stiftungen haftet der Ruf an, Vehikel zur Vermeidung von Steuern zu sein. Ist da etwas Wahres dran?
Es gibt einen Steuereffekt, aber der ist nicht so gross, dass man allein deswegen eine Stiftung gründen würde. Steuerbefreit sind nach Schweizer Recht nur gemeinnützige Stiftungen. Bei der Übertragung auf ein steuerbefreites Vehikel fallen weder Erbschafts – noch Schenkungssteuern an. Der Stifter kann zudem den gestifteten Betrag in Höhe bis zu 20 Prozent seines Jahreseinkommens von seiner –Einkommensteuer abziehen. Aber ganz entscheidend ist, dass sich der Stifter endgültig von seinem Vermögen trennt. Den Steuereffekt zu erzielen und das Vermögen zu behalten, das geht nicht.

Wie sehen denn die Kriterien für die Steuerbefreiung aus?
Die sind streng. Die Tätigkeit der Stiftung muss im Allgemeininteresse liegen und uneigennützig sein. Allein um Steuern zu sparen, wird sich kein Stifter von seinem Vermögen trennen. In anderen Ländern wie Deutschland gibt es sogar grössere Anreize, eine Stiftung zur Steuerersparnis zu gründen.Ein Stifter könnte ja auch seine Familie oder Freunde begünstigen.Das kann man natürlich, beispielsweise durch eine Familienstiftung zur Unterstützung der Angehörigen. Aber diese Stiftungen sind nicht steuerlich privilegiert. Ganz im Gegenteil, sie werden diskriminiert, weil sowohl die Übertragung als auch die Ausschüttungen Steuern auslösen. Nur wirklich gemeinnützige Stiftungen sind steuerlich begünstigt.

Heben die Ausschüttungen der Stiftungen die Steuerersparnisse auf?
SwissFoundations und PwC haben eine Studie durchgeführt und kamen zum Ergebnis, dass Stiftungen ein gutes Geschäft für die Gesellschaft sind. Es wurden die entgangenen Steuereinnahmen den Ausschüttungen für das Gemeinwesen gegenübergestellt. Der Break-even ist bereits ein halbes Jahr nach der Gründung erreicht. Dann sind die Steuerausfälle ausgeglichen, und die Gesellschaft profitiert.

Darf ein Stifter seiner Familie lukrative Posten im Stiftungsrat beschaffen?
Es hat natürlich auch im Stiftungswesen schwarze Schafe gegeben. Aber Vetternwirtschaft ist in unserem System kaum möglich. Die Mandate im Stiftungsrat dürfen, wenn überhaupt, nur bescheiden vergütet werden. Auch aus Governance-Sicht dürfen keine Interessenkonflikte bestehen. Jede Entscheidung des Stiftungsrats muss zur bestmöglichen Erfüllung des Stiftungszwecks getroffen werden. Das kontrolliert die Aufsichtsbehörde.

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DOMINIQUE JAKOB: Der Stiftungsexperte ist Inhaber eines Lehrstuhls für Privatrecht an der Universität Zürich und Gründer des Zentrums für Stiftungsrecht.

ZVG
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DOMINIQUE JAKOB: Der Stiftungsexperte ist Inhaber eines Lehrstuhls für Privatrecht an der Universität Zürich und Gründer des Zentrums für Stiftungsrecht.

ZVG

Dann sind also Familienmitglieder im Stiftungsrat unproblematisch?
Steht die Stiftung in einem Familienkontext, ist es meiner Meinung nach nicht nur unproblematisch, sondern sogar erwünscht, dass Familienmitglieder in der Stiftung Verantwortung übernehmen. So erzielt man Kontinuität, und die Werte der Familie werden weitergegeben.

Stiftungen beteiligen sich an Firmen. Eröffnet das steuerliche Schlupflöcher?
Wenn eine Stiftung steuerbefreit ist, dann sind es auch die Gewinne aus ihrem Vermögen. Doch die Vermögensbewirtschaftung von Stiftungen ist komplex. Sie wird von der Aufsichtsbehörde kontrolliert, und die Steuerbehörde prüft, ob die Stiftung keine verdeckte Erwerbswirtschaft betreibt. Stiftungen dürfen selbstverständlich Anteile an Unternehmen halten, aber das Interesse der Beteiligung muss dem gemeinnützigen Zweck untergeordnet sein. Die Firma ist für die Stiftung da und nicht umgekehrt.

In den USA müssen Stiftungen jedes Jahr fünf Prozent ausschütten. In der Schweiz gibt es eine solche Vorschrift nicht.
Die Schweiz besticht durch ein liberales Stiftungswesen. Erlaubt ist, was nicht verboten ist. Es wird auf Eigenverantwortung gesetzt. Hierzulande muss der Aufsichtsbehörde jährlich ein Tätigkeitsbericht vorgelegt werden. Wer seinen Zweck nicht erfüllt, wird gerügt. Auch die Steuerbehörde prüft, ob das Vermögen zur Erfüllung der gemeinnützigen Zwecke eingesetzt wird. Dem Stiftungsrat Eigenverantwortung für die Zweckerfüllung zu übertragen, ist der bessere Weg für ein freiheitliches Stiftungswesen. Für den Standort Schweiz ist es wichtig, sich diese Grundsätze zu erhalten.

Es gibt in der Schweiz pro Kopf sechsmal so viele Stiftungen wie in den USA oder Deutschland. Warum ist das so?
Das Stiftungsrecht ist sehr liberal. Die Mischung aus Freiheit und Governance stimmt. Zudem sprechen die Stabilität in Wirtschaft, Politik und Recht für den Standort, weshalb hier viele vermögende Personen aus dem In- und Ausland leben, von denen zahlreiche Stiftungen gründen. Hinzu kommt die Kultur des Stiftens, die in der Schweiz einzigartig ist – meiner Ansicht nach eine bedeutendere Triebfeder als die Steuerersparnis.

Über die Autoren
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Anne-Barbara Luft

Anne-Barbara Luft

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