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On: Wie die gehypte Schuhfirma funktioniert

Mit dem Börsengang hat der Sportschuhhersteller einen beispiellosen Hype produziert, jetzt muss das Management liefern. Innenansichten einer ungewöhnlichen Firma.

Marc Kowalsky

On Aufmacher

FÜNF FREUNDE: Co-CEO Marc Maurer, die Gründer und Verwaltungsräte Caspar Coppetti, David Allemann und Olivier Bernhard, Co-CEO Martin Hoffmann (v.l.).

Krankheit

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Genau 4,8 Kilometer lang ist die Strecke von Schindellegi auf den Etzel, 347 Höhenmeter müssen dabei überwunden werden. Am 15. September um acht Uhr morgens machen sich mehr als 300 Menschen, Durchschnittsalter Anfang 30, trotz mässigem Wetter auf den Weg. Auf dem Gipfel mit Blick über den Zürichsee angekommen, gibt es einen Welcome-Drink und ein Mittagessen im Bergrestaurant.

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Danach marschieren die jungen Leute weitere 6,3 Kilometer und 493 Höhenmeter hinab zum Luegeten. Von dort werden sie zu Barbecue und Party nach Kilchberg ZH gekarrt, wo ein Zelt, Holztische und Bänke auf sie warten. Am Nachmittag wird der grosse Monitor eingeschaltet: Live aus der New Yorker Börse sehen die Mitarbeitenden des Sportschuhherstellers On, wie Firmengründer Olivier Bernhard, sekundiert von den anderen beiden Gründern David Allemann und Caspar Coppetti sowie den Co-CEOs Marc Maurer und Martin Hoffmann, die massive Glocke zur Handelseröffnung läutet.

Grosse Emotionen, als rund vier Stunden später endlich die Erstnotierung der On-Aktie vermeldet wird: Fast 50 Prozent über dem Ausgabekurs liegt sie. Das IPO übertrifft sogar die hohen Erwartungen deutlich.Es gibt konventionellere Arten, einen Börsengang zu feiern, aber eine mittelschwere Teamwanderung passt zu einem Sportschuhhersteller, der von sich behauptet, anders zu sein als die anderen. Zwölf Milliarden Dollar ist On nun wert, viel für eine elf Jahre junge Firma mit rund 1000 Angestellten. Absurd viel im Vergleich zu Kontrahenten wie Nike, Adidas und Co., wenn man die zugrunde liegenden Geschäftszahlen ansieht.

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Facts&Figures

Im ersten Halbjahr hat On gerade mal 315 Millionen Franken umgesetzt und einen Gewinn von 4 Millionen erwirtschaftet. In der Konsumgüterindustrie werden schnell wachsende Firmen mit Umsatz-Multiples von zwei bis vier bewertet, bei On ist es Faktor 17.

«Die Bewertung ist, basierend auf den aktuellen Umsatz- und Gewinnzahlen, äusserst stolz», sagt Patrik Schwendimann, Analyst bei der ZKB. Er spricht von «deutlichen Überhitzungserscheinungen, weshalb mit einer stärkeren Kurskorrektur gerechnet werden muss.»Was für On spricht: Um durchschnittlich 85 Prozent ist der Umsatz jedes Jahr gewachsen – solche Zahlen kennt man sonst nur von Digitalfirmen. Und auch wenn das letzte Jahr mit einem Verlust von 33 Millionen Franken abgeschlossen wurde wegen der hohen Investitionen in neue Märkte und Büros: «Operativ waren wir seit 2014 profitabel», sagt Co-CEO Marc Maurer, «und bis zur Umstellung unserer Rechnungslegung 2018 auf IFRS waren wir das auch unter dem Strich.»

On: Bonanza

On executives ring a ceremonial first trade bell as their company's IPO begins trading on the floor of the New York Stock Exchange, Wednesday, Sept. 15, 2021. They are, from left: Caspar Coppetti, Martin Hoffmann, Marc Maurer, David Allemann, and Olivier Bernhard. (AP Photo/Richard Drew) David Allemann,Marc Maurer,Olivier Bernhard,Caspar Coppetti,Martin Hoffmann
On co-Founder Olivier Bernhard, center, leads the celebration as he rings the New York Stock Exchange opening bell, before the company's IPO, Wednesday, Sept. 15, 2021. (AP Photo/Richard Drew) Olivier Bernhard
The facade of the New York Stock Exchange is decorated for the initial public offering of On Holdings, the sneaker manufacturer, on Wednesday, September 15, 2021. Roger Federer is reported to be an investor in the company. (© Richard B. Levine)
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Eine Bewertung von sechs bis acht Milliarden Dollar wollte das Top-Management von On mit dem Gang an die New Yorker Börse (u.r.) erzielen. Nach dem ersten Handelstag war die Firma rund zehn Milliarden Dollar wert.

keystone-sda.ch

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Die Margen liegen irgendwo zwischen Druckertinte und Kokain: 3 bis 20 Dollar kostet die Produktion eines Paars Sneaker typischerweise, On verkauft seine Produkte von 200 Franken an aufwärts, im Ausland etwas günstiger. «Wir haben die höchste Bruttomarge in der Sportartikelindustrie», sagt Coppetti.

Ertragsmaximierung

Ebenfalls klar ist, dass die Gründer alles getan haben, um den Ertrag aus dem Börsengang zu maximieren. Deshalb fand der auch nicht irgendwann statt, sondern jetzt, da zum einen die Märkte überhitzt sind und zum anderen Markenbotschafter Roger Federer noch spielt und – auch ohne Turniersiege – das On-Logo in die Welt trägt.

«Es ist der richtige Zeitpunkt für unser weiteres Wachstum», sagt Marc Maurer dazu. Deshalb wählte man die New Yorker Börse statt der Schweizer SIX, obwohl die Swissness in der Positionierung wichtig ist, prangen doch das Schweizer Kreuz und der Schriftzug «Engineered in Switzerland» auf jedem Schuh: «Es geht um Präsenz und Publizität im grössten Sportschuhmarkt der Welt», sagt Maurer dazu.
Deshalb wählte man Goldman Sachs, J.P. Morgan und Morgan Stanley als Leadbanken, weil sie besseren Zugang zu den internationalen Investoren haben als UBS und Federers Hausbank Credit Suisse, denen als Konsortialbanken nur eine Nebenrolle bleibt. «Weil der Börsengang in New York stattfand und die US-Banken besser aufgestellt sind», sagt Maurer dazu.

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«Der technische Vorteil der Schuhe ist überschaubar. Die Stärke der Firma besteht im Storytelling.»

Nun ist Ertragsmaximierung nichts Verwerfliches, und das Kalkül der On-Crew ist aufgegangen: Der Anteil von Bernhard war nach dem Börsenstart 665 Millionen wert, jener von Coppetti 573 Millionen, Allemann kommt auf 562 Millionen, die beiden Co-CEOs Hofmann und Maurer auf 160 bzw. 149 Millionen. Hinzu kommen ein allfälliger Paketzuschlag sowie jene Millionen, die sie durch den Verkauf eines Teils ihrer Aktien beim IPO gelöst haben.

Doch ums schnelle Geld ging es ihnen weniger: Gründer und Co-CEOs haben vor dem Börsengang zahlreiche Anteile in Stimmrechtsaktien umgewandelt, mit denen die fünf das Unternehmen kontrollieren und die sie nur mit gegenseitigem Einverständnis verkaufen können: «Wir wollen langfristig dabeibleiben und gestalten», sagt Maurer.So hat die Schweiz 40 Jahre nach der Swatch wieder eine Lifestyle-Marke mit globaler Strahlkraft. «‹Think big or stay in bed›, der Slogan passt sehr gut zu On», sagt Mike Baur, Mitgründer und CEO der Swiss Startup Group, bei der Daniel Allemann im Advisory Board sitzt.

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Grafik Milliardensege

Baur sieht On als Vorbild für hiesige Jungunternehmen: «Ein perfektes Beispiel, wie ein Top-Gründerteam mit einem durchschnittlichen Case Erfolg haben kann – viel mehr Erfolg als ein durchschnittliches Gründerteam mit einem Top-Case», sagt er.

Tatsächlich ist der technische Vorteil der Laufschuhe («Weiche Landungen, gefolgt von explosiven Abstössen») überschaubar und kaum der Grund für den Erfolg von On. Schon eher, dass man seit der Gründung 2010 massiv auf Internetpräsenz, Onlinemarketing und webbasierte Verkäufe setzt. «Das war zu dieser Zeit ziemlich visionär», erinnert sich Robert Naville, ehemaliger On-Verwaltungsrat. Auch sonst hat sich On als Hersteller analoger Produkte viel von der Digitalwelt abgeschaut: Die Produktentwicklung erfolgt nach dem Prinzip des Rapid Prototyping wie in der Softwareindustrie, ein Dashboard versorgt die Mitarbeiter in Echtzeit mit allen relevanten Firmendaten etc.

Doch die grösste Stärke der Firma besteht im Storytelling. Eine Crew von 30 Leuten versorgt von Zürich aus über alle möglichen digitalen Kanäle tagtäglich die Community aus Kunden, Händlern, Athleten und Interessierten mit eigenen Geschichten und Kampagnen; das gleiche machen Content Teams in den lokalen Märkten. Und das Top-Management will genau kontrollieren, wie die Firma dargestellt wird, auch von der Presse.«Faktisch ist On ebenso eine Media-Company wie eine Sportschuh-Company», sagt Marc Walder, CEO von Ringier (Herausgeber der BILANZ) und langjähriger Vertrauter der On-Gründer. Auf klassische Werbung verzichtet die Firma vollständig, dafür hat sie das Geschichtenerzählen perfektioniert. Der Kern jeder Gründungsstory ist traditionell eine Garage: Bei On steht sie in Zollikon ZH. Der Kampf gegen Widerstände gehört ebenfalls zum Standardrepertoire, schliesslich ist die Schweiz für Uhren, Banking und Pharma bekannt, aber nicht für Sportschuhe: «Als wir die Idee für On hatten, waren sieben von zehn Leuten der Ansicht, das werde niemals funktionieren», mit diesem Satz lassen sich die Gründer gerne zitieren. 

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Sportgeist

Swiss athletes parade during the opening ceremony of the 2020 Tokyo Summer Olympics at the National Stadium in Tokyo, Japan, Friday, July 23, 2021. (KEYSTONE/Laurent Gillieron)
Analyse
Roger
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 On stattet auch die Schweizer Olympioniken in Tokio aus.

Keystone

Auch das frühe Beinahe-Scheitern ist ein gerne genutztes Element: Bei On ging im zweiten Jahr der wichtigste Produzent pleite; um die eigene Firma zu retten, sollen On-Mitarbeiter in einer Nacht-und-Nebel-Aktion über die Zäune der chinesischen Fabrik geklettert sein und die bereits produzierte Ware sichergestellt haben.

Auch Corona liefert eine Story: Während der Pandemie stellte man 100 zusätzliche Telefonverkäufer ein, die bei On natürlich nicht Telefonverkäufer heissen, sondern «Happiness Deliverer». Und als auch die des Ansturms nicht Herr wurden, entwickelte man flugs eigene Bots – Computerprogramme –, die rund die Hälfte der Anfragen automatisch beantworten können.

Und dann natürlich Roger Federer, seit 2019 Investor und Markenbotschafter: Dass die Tennislegende von sich aus die Mitarbeit angeboten hat, weil er die Produkte toll findet, ist eine schöne Story – es gibt noch eine andere, profanere, wonach Bier-Milliardär Jorge Lemann, der Federers Nachbar in Rapperswil und dessen Familie in On investiert ist, den Kontakt hergestellt hat.

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Was stimmt: Während Federer bei der CS als Markenbotschafter pro Jahr zweimal drei Stunden verbringt und bei Barilla zweimal zwei, ist er bei On tatsächlich engagiert und regelmässig in den Zürcher Entwicklungsstudios präsent. In welchem Umfang Federer beteiligt ist, diese Geschichte wollen sie bei On nicht erzählen – Insider sprechen von einem Investment in Höhe von 50, andere gar von 80 bis 100 Millionen Franken, wobei die damalige Bewertung unklar ist. Auch im Börsenprospekt ist Federers Anteil nicht ausgewiesen, vermutlich weil er keine Aktien, sondern Optionen besitzt.

Die grösste Geschichte freilich handelt davon, wer die Cloud-Technologie tatsächlich erfunden hat, die bis heute allen On-Schuhen zugrunde liegt. Olivier Bernhard, heisst es dazu bei On und erst auf Nachfrage dann: zusammen mit einem ETH-Ingenieur. Der ETH-Ingenieur stimmt: Er hiess Hans Georg Braunschweiler, genannt Jürg. Der Rest der Wahrheit sieht ein bisschen anders aus: Braunschweiler lebte in den 1980er Jahren in Florida; er war einer der ersten Hobbyläufer zu einer Zeit, als Joggingschuhe noch weitgehend unbekannt waren.

Als ihm sein Arzt wegen Knieproblemen vom Laufen abriet, suchte er ein Dämpfungssystem – und fand es 1990 in Form eines Gartenschlauchs, der in seinem Garten lag: Die aufgeschnittenen Gummiringe klebte er unter die Sohle. Es funktionierte grundsätzlich, Braunschweiler lancierte ein Nachrüstsystem, das etwa Marathon-Weltrekordhalterin Paula Radcliffe ausprobierte. 2002 meldete Braunschweiler das Patent an, doch massentauglich war das System nicht.Schwung in die Sache kam erst, als er einen weiteren Prototyp an den Profi-Triathleten Olivier Bernhard schickte, der ebenfalls an Knieproblemen litt. Der liess die Schuhe erst ein Vierteljahr im Regal stehen, doch als er sie schliesslich für einen Zehn-Kilometer-Lauf anprobierte, war es für ihn ein Erweckungserlebnis: «Ich fühlte mich wie eine Raubkatze und war nach dem Training viel entspannter als sonst», erzählte er einst dem «Blick».

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««Faktisch ist On ebenso eine Media-Company wie eine Sportschuh-Company.»»

Er ermutigte Braunschweiler, daraus ein Geschäft zu machen. Bei einem kleinen koreanischen Auftragsfertiger startete schliesslich die Serienproduktion, Hartschaum ersetzt seither den Gartenschlauch. Der Start war harzig. Anfangs zahlte On Lizenzgebühren an Braunschweiler, 2009 kaufte man ihm das Patent ab – nach BILANZ-Schätzungen für rund fünf Millionen Franken –, man ging im Guten auseinander. Braunschweilers Sohn Eric nutzt heute ein Nachfolgepatent für Freizeitschuhe seiner kleinen Manufaktur GNL («Glide’n Lock»). Was in der Familie nicht gut ankommt: On erwähnt den tatsächlichen Erfinder der Cloud-Technologie weder auf der Website noch im Börsenprospekt. Stattdessen gibt man sich alle Mühe, Olivier Bernhard als Mastermind zu positionieren, etwa wenn Allemann in Interviews über ihn sagt: «Er hat als ehemaliger Weltmeister und Profi-Triathlet einen direkten Nerv vom grossen Zeh ins Hirn.»

Einstimmigkeit

Das Partnerschaftsmodell der Führungscrew ist ein weiterer, sorgfältig gepflegter Mythos der Firma. «On ist eine Ansammlung von Freunden», nennt es Maurer. Coppetti war Bernhards Manager während dessen Profisportler-Karriere, kannte Allemann von gemeinsamen Zeiten bei McKinsey und ist ein langjähriger Freund von Co-CEO Maurer; der wiederum kannte den zweiten Co-CEO Martin Hoffmann von gemeinsamen Zeiten bei Valora. Die Kompetenzen ergänzen sich: Allemann ist mit seiner Vergangenheit beim Möbelhaus Vitra und bei der Werbeagentur Advico Young & Rubicam eher der Marketing- und Design-Experte. Er gilt als treibende Kraft. HSG-Mann Coppetti hat als Zahlenmensch den Verkauf aufgebaut. ETH-Ingenieur und Innovationschef Bernhard ist der Produkttüftler und sorgt als mehrfacher Weltmeister für sportliche Glaubwürdigkeit. Maurer kümmert sich um das Tagesgeschäft mit Schwerpunkt Beschaffung und Distribution, Hoffmann amtet als Finanzchef. Beide stiessen bereits 2013 zu On, traten bisher aber fast nie auf.
Entscheide diskutieren die fünf so lange aus, bis Einigkeit besteht – «in den elf Jahren gab es nie ein Thema, worüber abgestimmt werden musste», sagt Maurer. Das mag romantisch verklärt klingen, doch Weggefährten bestätigen, dass die fünf ihre Vertrautheit auf der langen Reise von der Gründung bis zum Börsenstar behalten haben, trotz des zunehmenden Einflusses von Bankern und Anwälten, trotz der explodierenden Mitarbeiterzahlen, trotz der steigenden Beträge, die auf dem Spiel stehen.

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Erfinder

On Privat
On schuhe
Patent On
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Jürg Braunschweiler (r.), hier mit Sohn Eric in den achtziger Jahren, hatte die Idee, zur besseren Dämpfung Gartenschlauchringe unter die Sohlen zu kleben.

Privat

Gemeinsam führen die fünf auch das 19-köpfige Leadership-Team aus sieben Nationen. Auffallend: Von den Top 19 waren zehn Personen früher als Berater tätig, fünf davon bei McKinsey. Mindestens zwei von ihnen sollen pro Jahr ihre Positionen rotieren. «Das hilft uns extrem, überall auf der Welt die On-Kultur zu bewahren und ein besseres Verständnis für die Märkte zu entwickeln», sagt Bianca Pestalozzi, die zunächst von Zürich aus China und Brasilien aufbaute und nun von Shanghai aus den gesamten asiatischen und australischen Markt verantwortet.

Überhaupt die Kultur. Alle 18 Monate verdoppelt On die Belegschaft, allein heuer wächst sie von 700 auf 1200. Da ist es schwierig, gemeinsame Werte zu bewahren. Auch wenn sich die Gründer inzwischen eine ganze Woche für neue Mitarbeiter reserviert haben, um über Kultur zu sprechen und ihre Erfahrungen zu teilen.
Diese neuen Mitarbeiter können sie sich aussuchen: Auf jede der momentan 121 ausgeschriebenen Stellen kommen im Schnitt 133 Bewerber. Sieben bis acht Gesprächsrunden muss man durchlaufen, bis der Arbeitsvertrag auf dem Tisch liegt. Diversität spielt eine grosse Rolle, doch auf Quoten verzichtet On: «Wenn wir etwa in den USA People of Colour suchen, rekrutieren wir auch in Black Communities», sagt Maurer. Weil es in der Schweiz keine wirkliche Sportindustrie gibt, sind hierzulande die meisten Mitarbeiter Quereinsteiger. 

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on Crew

On Crew

DIE FÜHRUNGSCREW: Oben (v.l.): Majken Ronne, Head of E-Commmerce; Alex Griffin, Head of Marketing; Christina Stender, Head of Sales; Martin Hoffmann, CFO & Co-CEO; Britt Olsen, General Manager North America; Noa Perry-Reifer, Head of Talent; David Allemann, Co-Founder & Executive Co-Chairman; Marc Maurer, Co-CEO; Samuel Wenger, Head of Direct to Consumer; Thilo Brunner, Head of Design.Unten (v.l.): Patric Rupp, General Manager Europe; Stuart Howes, Head of Group Controlling; Jiahui Jin, Head of Development & Supply Chain; Caspar Coppetti, Co-Founder & Executive Co-Chairman; Olivier Bernhard, Co-Founder & Executive Board Member; Bianca Pestalozzi, General Manager Asia–Pacific; Wim ter Schüren, Head of Technology; Gérald Marolf, Head of Performance All Day; Ilmarin Heitz, Head of Innovation.

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On Crew

DIE FÜHRUNGSCREW: Oben (v.l.): Majken Ronne, Head of E-Commmerce; Alex Griffin, Head of Marketing; Christina Stender, Head of Sales; Martin Hoffmann, CFO & Co-CEO; Britt Olsen, General Manager North America; Noa Perry-Reifer, Head of Talent; David Allemann, Co-Founder & Executive Co-Chairman; Marc Maurer, Co-CEO; Samuel Wenger, Head of Direct to Consumer; Thilo Brunner, Head of Design.Unten (v.l.): Patric Rupp, General Manager Europe; Stuart Howes, Head of Group Controlling; Jiahui Jin, Head of Development & Supply Chain; Caspar Coppetti, Co-Founder & Executive Co-Chairman; Olivier Bernhard, Co-Founder & Executive Board Member; Bianca Pestalozzi, General Manager Asia–Pacific; Wim ter Schüren, Head of Technology; Gérald Marolf, Head of Performance All Day; Ilmarin Heitz, Head of Innovation.

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Der Cultural Fit zählt dann mindestens so viel wie die fachliche Qualifikation: Unternehmertum, Teamgeist und Eigenverantwortung sind gefragt. Spesen zeichnet jeder selbst ab, und jeder entscheidet selbst, wie lang er in die Ferien geht – solange man sich an die gesetzlichen Mindestvorschiften hält, in der Schweiz also 25 Tage. Hierzulande gibt es sechs Wochen Vaterschaftsurlaub. Die Entlöhnung hingegen gilt als unterdurchschnittlich, dafür gibt es zahlreiche Mitarbeiterbeteiligungsprogramme: «Die Leute kommen nicht wegen des Gehalts zu uns, sondern weil sie etwas bewegen wollen», nennt es Maurer.

Alle Mitarbeiter haben die gleichen Ziele für den Bonus (was nicht allen passt und immer mal wieder zu Abgängen führt): Quantitative wie die Anzahl der verkauften Schuhe, qualitative wie letztes Jahr gemeinnützige Arbeit oder dieses Jahr die Fähigkeit, Ruhepausen zur Erholung einzulegen. Wichtig sind ausserdem gemeinsame sportliche Aktivitäten und regelmässige Team-Events. Ein Traumarbeitgeber also? Bei Weitem nicht. Auf der Bewertungsplattform Kununu bekommt On lediglich 2,5 von 5 Sternen, für das laufende Jahr steht der Score sogar nur bei 1,4 Sternen.

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Lediglich 38 Prozent der Mitarbeiter empfehlen die Firma weiter. Toxisches Arbeitsklima, zu viele Überstunden, Mikromanagement, unprofessionelle Strukturen, so lauten die Klagen, und die passen so gar nicht zu Unternehmertum, Teamgeist und Eigenverantwortung. Es sind typische Symptome zu schnellen Wachstums, und diese Probleme wird man ausmerzen müssen. Denn On soll weiterhin massiv zulegen, muss es auch tun, um die gewaltige Börsenkapitalisierung zu rechtfertigen.

America First

An Geld wird es dafür nicht mangeln, durch den Börsengang nahm die Firma knapp 750 Millionen Dollar ein. So sollen eigene Flagshipshops in Weltstädten wie Tokio, London, Berlin oder Los Angeles das Firmenimage in die Welt tragen. In Südamerika sieht On noch viel Potenzial, ebenso in vielen europäischen Ländern wie England, Italien, Frankreich oder Skandinavien. Am meisten versprechen jedoch die USA, mit über 200 Mitarbeitern die zweitgrösste Ländergesellschaft für On nach der Schweiz und mit über 100 Milliarden Dollar der weltgrösste Absatzmarkt für Sportbekleidung und -schuhe. Nike dominiert ein Drittel davon, Adidas ist sehr stark, hinzugekommen sind neue Herausforderer wie Allbirds.

«On macht vieles richtig, hat ein glaubwürdiges Produkt, und vor allem mögen die amerikanischen Läufer den Look der Schuhe», sagt Matt Powell, Sportexperte der amerikanischen Marktforschungsfirma NPD Group. Aber On, die derzeit in den USA nicht unter den Top-20-Sportmarken ist, müsse jetzt die Distribution massiv weiter ausbauen. «Wenn sie die USA erobert haben, ist der Rest der Welt einfach dagegen.»

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Expansion

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EXPANSION: Nächsten Frühling sollen die rund 500 Schweizer Mitarbeiter den neuen Hauptsitz im Zürcher Westend beziehen – nur einen Steinwurf entfernt von der bisherigen Firmenzentrale.

Bilanz
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EXPANSION: Nächsten Frühling sollen die rund 500 Schweizer Mitarbeiter den neuen Hauptsitz im Zürcher Westend beziehen – nur einen Steinwurf entfernt von der bisherigen Firmenzentrale.

Bilanz

Auch auf China setzt On grosse Hoffnungen: 45 Milliarden Dollar gross ist der Markt und stark wachsend, zwei Jahre nach dem Markteintritt holt man dort erst sechs Millionen Umsatz – zwar mehr als in den USA zum vergleichbaren Zeitpunkt, aber noch immer kümmerlich. Jetzt geben die 70 Mitarbeiter – es sind fast ausschliesslich Chinesen – Gas, auf der eigenen Website, in den Onlineshops von JD.com und Tmall, in den Flagshipstores. Deren Anzahl (derzeit sechs) soll vervielfacht werden, langfristig sind dafür auch selektiv Franchisepartner geplant.

Vom Schuh zum Shirt

Die Ausgangslage im Reich der Mitte ist gut: «On verfügt über eine starke Fanbasis in Europa, die Technologie funktioniert, die Marke ist im Performance-Bereich positioniert und der Preis im Luxussegment: Das alles funktioniert in China», sagt Howard Yu vom Center of Future Readiness der Managementschule IMD in Lausanne. Doch Tennis ist in China ein Nischensport: «Roger Federer reicht nicht, On braucht lokale Stars und Opinion Leaders, um dort erfolgreich zu sein», sagt Yu. Eine schnelle Skalierung ist matchentscheidend: «Sonst kommen die chinesischen Sportschuhhersteller mit Nachahmerprodukten.»

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Doch nicht nur geografisch ist noch viel Luft nach oben. «30 bis 50 Jahre alt, tendenziell eher männlich, sportaffin, oft ein Läufer, in gehobener Position, im urbanen Umfeld, vielleicht auch mit Affinität für Technik»: So beschreibt Lukas Wanner, Co-Gründer der Turnschuhmesse Sneakerness, den typischen On-Träger. Will heissen: Es gibt noch viele andere Segmente zu erobern. Etwa die Lifestyle-Klientel, wodurch man auch jüngere Personen ansprechen würde. Dazu bräuchte On Ambassadoren aus dem Fashion-Bereich – eigentlich machbar, ist Roger Federer doch befreundet mit «Vogue»-Chefredaktorin Anna Wintour, der wohl einflussreichsten Frau der Modebranche.
Doch derartige Markenbotschafter kosten Geld, viel mehr Geld als die derzeit rund 60 gesponserten Athleten wie Triathletin Nicola Spirig. Lieber setzt On auf jene Prominente, die die Schuhe freiwillig tragen, First Lady Jill Biden etwa oder Vorgängerin Michelle Obama, Tenniscrack Venus Williams, die Hollywoodstars Emma Stone und Dwayne Johnson, Musical-König Andrew Lloyd Webber oder Google-Gründer Sergey Brin.

««Roger Federer reicht nicht. On braucht lokale Stars und Opinion Leaders, um erfolgreich zu sein.»»

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Und ganz generell will man in Zürich nichts wissen von einer Expansion in den Lifestyle-Bereich: «On ist und bleibt langfristig ein Performance Running Brand», sagt Maurer. Dazu zählt er auch das Segment der Wanderschuhe, in dem On seit zwei Jahren aktiv ist. Viel Potenzial haben auch Sportklamotten, pardon, «Performance Running Gear», sowie Accessoires wie Sporttaschen, die bisher nur 4,7 bzw. 0,7 Prozent des Umsatzes ausmachen. Die Expansion in Teamsportarten ist derzeit kein Thema: «Dort gelten ganz andere Parameter», sagt Maurer.

Umsatzmilliarde

Trotz dieser Konzentration aufs Kerngeschäft will On nächstes Jahr die Umsatzmilliarde erreichen – was angesichts der bisherigen Wachstumsraten durchaus realistisch ist. «Der limitierende Faktor ist bisher unser Angebot, nicht die Nachfrage», sagt Maurer. Das soll sich nun ändern. On hat keine eigenen Fabriken, sondern arbeitet mit zwölf Herstellern in Vietnam zusammen. Momentan kämpfen sie mit Produktionsengpässen wegen der Corona-Pandemie, aber dieses Problem soll bis zum Weihnachtsgeschäft gelöst sein.

Auf drei Jahre im Voraus plant On mit ihren Partnern die Skalierung. Dean Shoes etwa hat diesen Sommer eine Fertigungsstätte eröffnet für sieben Millionen Paar pro Jahr im Vollausbau; im Gegenzug verpflichtet sich On zur Auslastung der Kapazität. Mit dem Logistikpartner Kühne+ Nagel skaliert man auf ähnliche Weise die Distribution. Nur der Kundendienst bleibt auch in Zukunft komplett in eigenen Händen.

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Auch in Zürich hat On weiteres Wachstum eingeplant: Nächsten Frühling werden die dann rund 500 Zürcher Mitarbeiter ein neues Bürogebäude beziehen im Zürcher Westend, direkt neben dem Sitz der von On verschmähten Schweizer Börse SIX. Noch steht ein Gerüst an einer Seite des 16-stöckigen Neubaus, noch grenzt ein Zaun die Baustelle zur Strasse ab. Doch der Rohbau ist längst fertiggestellt, die Fenster sind eingesetzt, der Innenausbau hat begonnen. Auch die Fahrradständer vor dem Eingang sind schon montiert.

Nur für den Fall, dass jemand mal nicht zur Arbeit laufen möchte.

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