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Neuer Finanz-Sheriff in Town: Wer ist Urban Angehrn?

Mit Urban Angehrn hat die Finma einen eingefleischten Branchenprofi zum neuen Direktor erkoren.

Erik Nolmans

Urban Angehrn

Urban Angehrn steht neu an der Finma-Spitze

Jorma Müller

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Mit ihm hatte niemand gerechnet – Urban Angehrn (56), ein gestandener Branchenprofi, war in der Öffentlichkeit kaum bekannt.

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Er hatte als Chief Investment Officer der Zurich Insurance zwar die anspruchsvolle Aufgabe, die über 200 Milliarden an Anlagegeldern des Konzerns zu managen, aber derlei geschieht eben eher im Stillen. Auf den 1. November wechselt er ins Rampenlicht – als oberster Finanzplatzaufseher.

Sein Ruf in der Branche ist gut. Kollegen schildern ihn als gewissenhaften Schaffer, stets gut vorbereitet: «Was er sagt und macht, hat Hand und Fuss», so ein Vertrauter.

Dennoch wirkt er im persönlichen Umgang unverkrampft. Solche Eigenschaften dürften nützlich sein, denn der Job des Finanz-Sheriffs ist hart – vor allem die Banker lassen sich nur ungern auf die Finger schauen und reiben sich immer wieder gerne an der Behörde.

Dass die Finanzplatzaufsicht (Finma) nur drei Monate nach dem Abgang von Mark Branson, der zur deutschen Aufsicht BaFin wechselt, einen Nachfolger aus dem Hut zaubern konnte, zeigt die starke Hand von Finma-Präsidentin Marlene Amstad.

Wichtig wird sein, dass sie Angehrn den nötigen Handlungsspielraum gewährt, zwischen Branson und Amstad soll das Verhältnis zuletzt eher angespannt gewesen sein.

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Die Familie

Urban Angehrn entstammt einer Bauernfamilie. Aufgewachsen ist er in Wittenbach, einer kleinen Ortschaft nahe der Stadt St. Gallen. Er wohnt in Greifensee im Kanton Zürich, ist verheiratet und hat drei inzwischen erwachsene Kinder, zwei Töchter und einen Sohn.

Sein Herz schlägt für die Musik – während des Studiums an der ETH in Zürich spielte er Klarinette in der Polyband, der Big Band musikbegeisterter Studenten von ETH und Uni. Gerne ist er draussen in der Natur, er geht häufig in die Berge, im Sommer zum Wandern, im Winter zum Skifahren. Dazu passt auch sein Hobby, das Fotografieren seltener und gefährdeter Pflanzen im Alpenraum.

Die Mitstreiter

Seit fast 30 Jahren ist der 56-Jährige schon in der Finanzbranche tätig und damit vernetzt wie nur wenige andere.

Prägend war seine Zeit bei der Winterthur-Versicherung (2006 von der französischen Axa übernommen). Mit seinen damaligen Kollegen Patrick Frost, heute CEO der Swiss Life, Matthias Henny, heute CIO der Baloise, und Christoph Bianchet, heute CIO bei der Suva, ist er immer noch befreundet, man trifft sich gerne auch mal zum privaten Lunch.

Bei der Zurich war der 2013 durch Selbstmord aus dem Leben geschiedene Finanzchef Pierre Wauthier ein guter Kollege. Gut konnte er es stets auch mit Christoph Franz, dem Vizepräsidenten des Zurich-Verwaltungsrats und seit vielen Jahren im Board. Bei der Finma war Präsidentin Marlene Amstad als Leiterin des Nominationsausschusses massgebend für seine Berufung.

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Marlene Amstad, Patrick Frost, Christoph Franz

Marlene Amstad, Patrick Frost, Christoph Franz (v.l.).

Philipp Zinniker, PD
Marlene Amstad, Patrick Frost, Christoph Franz

Marlene Amstad, Patrick Frost, Christoph Franz (v.l.).

Philipp Zinniker, PD

Fingerspitzengefühl wird er im Umgang mit Jan Blöchliger beweisen müssen – der Leiter des Bereichs Banken hat ad interim den Chefposten bei der Finma warmgehalten und muss nun wieder zurück ins Glied.

Die Leiterin des Bereichs Versicherungen, Birgit Rutishauser, kennt er dem Namen nach, hatte aber nicht persönlich mit ihr zu tun. Das gilt auch für Mark Branson, seinen Vorgänger als Finma-Direktor.

Der Bundesrat muss den Vorschlag des Finma-Verwaltungsrats jeweils absegnen. Finanzminster Ueli Maurer hatte dabei Gelegenheit, den Neuen bei einem Treffen auch persönlich kurz unter die Lupe zu nehmen.

Die Gegenspieler

Als oberster Aufseher über die Finanzbranche muss er allen Playern auf die Finger schauen. Doch besondere Beachtung erhalten die systemrelevanten Banken, allen voran die UBS unter Ralph Hamers und die CS unter Thomas Gottstein.

Gegen die CS laufen derzeit mehrere Untersuchungen der Finma. Gottstein kennt er schon aus seinen Zeiten bei der CS, es gab ein paar Kontakte, eng zusammengearbeitet haben die beiden aber nicht.

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Thomas Gottstein, Ralph Hamers, Thomas Jordan (v.l.).

Thomas Gottstein, Ralph Hamers, Thomas Jordan (v.l.).

Keystone, PD, Bloomberg
Thomas Gottstein, Ralph Hamers, Thomas Jordan (v.l.).

Thomas Gottstein, Ralph Hamers, Thomas Jordan (v.l.).

Keystone, PD, Bloomberg

Mit der Nationalbank unter Thomas Jordan liefert sich die Finma traditionell ein Seilziehen um die Oberherrschaft in der Aufsicht, das sich vor allem unter Vorvorgänger Patrick Raaflaub etablierte. Schon unter Mark Branson war die Sache allerdings weniger verkrampft.

Die Finanzwelt

Die langen Jahre in der Bank- und Versicherungsbranche haben ihm viele persönliche Kontakte gebracht. Manche von seinen ehemaligen Kollegen oder Geschäftspartnern muss er nun als Aufseher entgegentreten, was viele Beziehungen neu definieren wird.

So hatte bei Zurich Insurance die UBS-Schweiz Chefin Sabine Keller-Busse als Verwaltungsrätin der Konzernleitung auf die Finger zu schauen, nun muss er seine ehemalige Aufseherin beaufsichtigen. Die persönlichen Kontakte beschränkten sich allerdings bisher auf einige wenige Präsentationen im Verwaltungsrat, Keller-Busse ist ja erst seit April dieses Jahres im Zurich-VR.

Sabine Keller-Busse, Stephanio Isele, Guido Führer (v.l.).

Sabine Keller-Busse, Stephanio Isele, Guido Führer (v.l.).

 

Daniel Winkler, PD
Sabine Keller-Busse, Stephanio Isele, Guido Führer (v.l.).

Sabine Keller-Busse, Stephanio Isele, Guido Führer (v.l.).

 

Daniel Winkler, PD

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Ein persönlicher Bekannter ist etwa auch Stephanino Isele, stellvertretender Vorsitzender der Generaldirektion der Zürcher Kantonalbank (ZKB), der vor vielen Jahren Angehrns erster Chef bei J.P. Morgan war. Hansruedi Köng, CEO der Postfinance, kennt er schon aus seinen CS-Zeiten.

Auch in der Versicherungsbranche ist sein Netzwerk breit. Eng zusammengearbeitet hat er in den letzten Jahren mit seinen Kollegen bei den anderen grossen Konzernen, allen voran mit Guido Fürer, CIO der Swiss Re, und Günther Thallinger, Vorstandsmitglied der Allianz SE, die seine Mitstreiter beim Thema des nachhaltigen Investierens waren.

Die Karriere

Nach dem Gymnasium in St. Gallen ging es an die ETH Zürich, wo Angehrn seinen Master in theoretischer Physik machte. Den Doktortitel in Mathematik holte er an der Harvard University. Doktorvater war Professor Yum-Tong Siu, einer der weltweit angesehensten Mathematiker.

Angehrn stieg als Banker ins Berufsleben ein, zunächst für fünf Jahre bei der US-Bank J.P. Morgan, wo er im Derivate-Bereich tätig war. Dann wechselte er zur Credit Suisse First Boston, wo er als Trader zusammen mit Andrew Newson, heute Leiter Institutionelle und Firmenkunden bei der Glarner Kantonalbank, im Derivate-Verkauf tätig war.

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Reyes und Senn

Cecilia Reyes, Martin Senn.

PD, Keystone
Reyes und Senn

Cecilia Reyes, Martin Senn.

PD, Keystone

Es folgte der Wechsel in die Versicherungsbranche, zunächst von 2005 bis 2007 bei der Winterthur-Versicherung, die ihm schon als Kunde vertraut war. Entscheidend für seine Karriere wurde Cecilia Reyes, die spätere Risikochefin bei Zurich Insurance, die ein neues Team aufbauen wollte und ihn kontaktierte. Sie war acht Jahre lang seine Chefin und legte den Grundstein für seinen steten Aufstieg bei der Versicherung.

Gut konnte er es mit dem damaligen CEO Martin Senn (2016 durch Suizid verstorben), der Angehrns Karriere weiteren Schub verlieh und ihn im Juli 2015 in die Konzernleitung berief. Dort war er als Chief Investment Officer tätig, auch unter dem neuen CEO Mario Greco.

Über die Autoren
Erik Nolmans

Erik Nolmans

Erik Nolmans

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