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Nächste Krypto-Revolution: Was Anleger über DeFi wissen sollten

Auf dezentralen Kryptoplattformen spielen Anleger ­Börsenbroker oder den Kredithai. Ein Blick in die neue Welt des Investierens.

Erich Gerbl

Mann der auf Säule steht

VERNETZT Wer seine Kryptowallet mit den DeFi-Plattformen verbindet, wird Teil einer faszinierenden Welt. 

Christina Baeriswyl für BILANZ

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Keine Registrierung von Namen oder Geburtsdatum, keine Fragen zur Risikobereitschaft, kein Check der Herkunft der Gelder, keine Mindestanlage oder sonstige Hürden, die es zu nehmen gilt. Der Eintritt in die Welt der Decentralised Finance (DeFi) ist verführerisch leicht, geht beinahe unbemerkt vor sich. «Connect to Wallet», heisst es bei Uniswap und anderen dezentralen Plattformen – ein Knopfdruck reicht, und man ist Teil der schönen neuen DeFi-Welt. Es ist eine bunte, vielfältige, verspielte, aufregende Welt, die sich im Netz frei von jedweder Regulierung in atemberaubendem Tempo entwickelt.

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Dezentrale Finanzmärkte sind nach dem ICO-Boom, der 2017/18 für viele Anleger mit Frust und Verlusten endete, der nächste grosse Hype auf den Kryptomärkten. Die dezentralisierten Finanzdienstleistungen stehen im Kontrast zu den bisher üblichen zentralisierten, den CeFi, bei denen die Banken die Hauptrolle spielen. DeFi öffnet mit Hilfe der Blockchain-Technologie den Finanzmarkt und seine Infrastruktur, und das zur Gänze. Der Zugang ist für jeden direkt und frei, Intermediäre wie Banken braucht es keine mehr. Die Plattformen kommen ohne Firmenzentralen, ohne Chefs und Mitarbeiter aus.

Regelrecht explodiert

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«DeFi-Protokolle sind öffentliche Infrastruktur, die jeder nutzen kann, das ist unglaublich spannend und birgt riesiges Potenzial», sagt Fabian Schär. Er ist an der Universität Basel Geschäftsleiter des Center for Innovative Finance und hält die Professur für «Distributed Ledger Technology (Blockchain)/Fintech». Schär hat schon zum Thema Kryptoassets und Blockchain-Technologie promoviert. Regulierungsbehörden und Notenbanker holen sich bei ihm Rat. Zuletzt hat die Federal Reserve Bank of St. Louis ein Paper des Baslers zu DeFi publiziert. Schär hat eine ganze Abteilung auf die Forschung zu öffentlichen Blockchains und DeFi ausgerichtet. Damit ist er am Puls der Zeit. «Die Anwendungen sind in den vergangenen Quartalen regelrecht explodiert. Es ist unglaublich viel entstanden», so Schär.

Allein 2020 wuchsen die in DeFi-Anwendungen eingeschlossenen Werte um mehr als 700 Prozent. Nach dem Kryptocrash vom Mai sind aktuell immer noch rund 60 Milliarden Franken in verschiedensten DeFi-Protokollen investiert – «Total Value Locked» heisst es in der Fachsprache. Vor allem Kreditprotokolle wie Aave oder Compound und dezentrale Börsen wie Uniswap oder SushiSwap ziehen die Kryptofans in ihren Bann.

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Weil die Protokolle frei zugänglich sind, werden sie als Klone für neue Projekte genutzt, häufig weiterentwickelt oder ganz einfach wie Lego-Steine kombiniert. Die Anwendungsmöglichkeiten, die sich dabei ergeben, sind schier grenzenlos. Etablierte Finanzdienstleistungen wie Börsen werden dabei neu erfunden, ganz neue Anwendungen, die zuvor nicht vorstellbar waren, auf den Markt gebracht. Dazu zählen etwa extrem kurzfristige Kredite, die ohne Collateral auskommen und dennoch kein Gegenparteirisiko beinhalten, die sogenannte Flashloans.

Das Reich von Ethereum

Es ist nicht die Welt des Bitcoin, der als wenig innovativer Wertspeicher angesehen wird. In der DeFi-Welt dominieren Ethereum, die zweitgrösste Blockchain, und die dazugehörige Kryptowährung Ether. Vitalik Buterin ist der Schöpfer dieser Welt. Er hat 2013 in Zug mit Ethereum die erste Smart Contract Blockchain kreiert. Smart Contracts sind unveränderbare Skripte, die beispielsweise Guthaben blockieren und nur unter bestimmten Bedingungen wieder freisetzen. Die Bedingungen sind auf der Blockchain hinterlegt. Treten sie ein, kann das jeweilige Ereignis über eine Transaktion initiiert werden. Schriftliche Verträge werden genauso überflüssig wie die Mittelsleute. In DeFi-Anwendungen sind diese Smart Contracts das zentrale Element.

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Bildschirmfoto SushiSwap

INNOVATIV UND VERSPIELT Auf SushiSwap kann jeder den Marketmaker spielen. Wer Kryptos zur Verfügung stellt, wird von Entwicklern, die sich per Manga vorstellen, mit 0.25 Prozent der Gebühren belohnt.

Bildschirmfoto
Bildschirmfoto SushiSwap

INNOVATIV UND VERSPIELT Auf SushiSwap kann jeder den Marketmaker spielen. Wer Kryptos zur Verfügung stellt, wird von Entwicklern, die sich per Manga vorstellen, mit 0.25 Prozent der Gebühren belohnt.

Bildschirmfoto

Universitätsprofessor Fabian Schär erforscht nicht nur eine schnelllebige und verspielte, sondern auch eine sehr komplexe und mangels Regulierung auch mit Fallstricken bestückte und gefährliche Welt. Häufig machen Programmier- oder Logikfehler Probleme. Werden Protokolle unkontrolliert miteinander verknüpft, steigt die Komplexität. Risiken werden so schwer kalkulierbar.

Trotz erfolgreicher DeFi-Projekte befindet sich der gesamte Sektor noch in der Experimentierphase. «DeFi ist der Wilde Westen. Die Risiken sind enorm», sagt Schär. Wer die Welt betreten will, sollte laut dem Kryptoprofessor daher nicht auf hohe Renditen, sondern auf Erfahrung und Wissen aus sein. «Der Lerneffekt sollte im Mittelpunkt stehen. Über DeFi-Anwendungen erhält man eine Ahnung, wie die Finanzinfrastruktur in Zukunft aussehen könnte», sagt Schär.

Da bei DeFi-Applikationen der Intermediär fehlt, gibt es kein Gegenparteirisiko. «Jedoch kann alles verloren gehen, falls die Software fehlerhaft ist. Daher sollte nur mit etablierten Apps investiert und das Testen anderen überlassen werden – trotz anfänglich hoher Rendite. Wir warten mehrere Monate ab, bevor wir eine Investition tätigen», sagt Reto Stiffler. Mit Désirée Velleuer hat er der traditionellen, von Konsoldierungsdruck geplagten Bankenwelt vor Jahren den Rücken gekehrt und sich der dynamischen Kryptowelt angeschlossen.

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Jahrelang haben die ehemaligen GAM-Fondsmanager Blockchains analysiert, bevor sie vor drei Jahren einen Kryptofonds lancierten, der in der Schweiz von der Crypto Consulting AG vertrieben wird. Inzwischen ist der Fonds 90 Millionen Franken schwer. Neben Bitcoin favorisieren sie Wertschriften-Tokens, meiden jedoch die meisten eigentlichen Kryptowährungen, bei denen sie wenig Potenzial sehen.

Eine der grössten Wetten ist die dezentrale Börse SushiSwap. Diese App hat weder eine Firma im Hintergrund, noch gibt es einen CEO oder Mitarbeiter. Die App basiert auf reiner Software. Stiffler und Velleuer berechnen auf Basis von Fundamentaldaten einen Firmenwert. Die SushiSwap-Software könnte 2021 bereits eine Milliarde Dollar an Handelsgebühren generieren, wovon 20 Prozent – also voraussichtlich 200 Millionen – an die Besitzer der Tokens als eine Art Dividende ausgeschüttet werden.

«Gemäss unseren Schätzungen kommen wir auf eine Dividendenrendite von fast zehn Prozent für 2021, und das Wachstum der Handelsgebühren dürfte weiterhin überproportional ansteigen», sagt Stiffler. Uniswap sei zwar mit zwei Milliarden an Handelsgebühren unter den DeFi-Börsen der klare Leader. Die Erträge gehen jedoch bislang nur an die Marketmaker und nicht an die Token-Besitzer. «Wir bevorzugen Sushi», sagt Velleuer. Sushi integriert seit Kurzem auch eine Lending-App, wo die Wertschriften-Tokens als Collateral hinterlegt werden können.

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««DeFi ist der Wilde Westen. Die Risiken sind enorm. Nicht Renditen, sondern Erfahrung und der Lerneffekt sollten im Mittelpunkt stehen.»»

Crash nach Vervielfachung

Bei Kryptowährungen gehts mitunter heiss zu. Auf die Hausse des Frühjahrs, in der sich die Kurse vieler Kryptos binnen Wochen verdrei- oder gar vervierfachten, folgte am 19. Mai der tiefe Fall. Beim veritablen Crash waren Verluste von über 60 Prozent keine Seltenheit. DeFi-Tokens blieben nicht verschont. Der Kurs von Uniswap stürzte von 35 Dollar auf 24  Dollar ab. Aave korrigierte von 640 auf 430 Dollar, um in den folgenden Tagen noch tiefer zu gehen. Die Schwäche hält seither an. «Wenn irgendwann die Bodenbildung kommt, werden die guten DeFi-Projekte in der Poleposition sein. Jetzt, nach der Korrektur, sind die Preise wieder sehr günstig», sagt Stiffler.

DeFi-Tokens zu kaufen, ist eine direkte Art, um zu investieren. Die andere Strategie ist es, über die Plattformen selbst passive Einkommen zu generieren. Vom «Yield Farming» ist die Rede. Die DeFi-Angebote sind vor allem für «Hodler» interessant, wie jene Investoren im Slang genannt werden, die an den Aufstieg von Kryptowährungen glauben und diese langfristig halten. Bei kurzfristig orientierten Anlegern wäre die Rendite durch die Schwankungen der Kryptowährungen, in Fiat-Währung gemessen, permanent in Gefahr.

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Wer schon immer einmal Marketmaker an einer Börse sein wollte, kann diese Fantasie an dezentralen Börsen wie Uniswap, SushiSwap oder Curve in die Tat umsetzen. An den Decentralised Exchanges, kurz DEX oder DEXes, stellen nicht professionelle Marketmaker wie Goldman Sachs oder die Deutsche Bank die Liquidität für den Handel zur Verfügung, sondern jeder, der seine Kryptoassets für diese Aufgabe einsetzen will. Pools aus Paaren von Kryptowährungen werden mit den Tokens dieser privaten Marketmaker gefüllt.

Sollen dezentrale Systeme laufen, braucht es ein Anreizsystem. Bei Bitcoin werden Miner für ihre Dienste mit der ältesten Kryptowährung bezahlt. Bei dezentralen Börsen kassieren die privaten Marketmaker die Handelsgebühr. Bei Uniswap wird die Gebühr von 0,3 Prozent zur Gänze an die Marketmaker verteilt. Bei SushiSwap bleiben nach Abzug der 0,05 Prozent, die an die Sushi-Eigentümer (genau gesagt die xSushi-Eigner) gehen, immerhin noch 0,25 Prozent.

Im Detail funktioniert das so: Wer den Marketmaker spielt und Liquidität zur Verfügung stellt, erhält SLP-Tokens (Sushi Liquidity Provider). Diese repräsentieren den Anteil am Währungspool. Solche neu geschaffenen Tokens sind bei DeFi-Anwendungen üblich. In den Pool fliesst die Handelsgebühr zurück, was seinen Wert mit jeder Handelstransaktion erhöht. Um die Liquidität auf die DeFi-Plattformen zu bringen, werden häufig sogenannte Liquidity-Mining-Programme lanciert und eigene Tokens an die Marketmaker vergeben. Bei Sushi wurden in den ersten Wochen 1000 Sushi pro Block erzeugt und verteilt. Heute sind es nur noch 100.

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Grafik der explosiven DeFi-Entwicklung
Debank
Grafik der explosiven DeFi-Entwicklung
Debank

Stabiler als die Konkurrenz

Die dezentralen Börsen stehen in Konkurrenz zu den inzwischen etablierten zentralen Kryptobörsen wie Kraken oder Coinbase. Den von Managern gelenkten Unternehmen stehen sie jedoch in nichts nach. Im Gegenteil. Die Auswahl an Kryptowährungen ist bei dezentralen Börsen sogar grösser, die Gebühren je nach Belastung der Ethereum-Plattform tiefer. Dass dezentrale Börsen die Assets im Unterschied zu Coinbase und Co. nicht halten, sondern nur vermitteln, ist etwa bei einem Hackerangriff ein Vorteil. Zum Ärger vieler Kryptoanleger fielen die zentralen Börsen in der Hitze des jüngsten Abverkaufs der Reihe nach aus.

Kaum einer konnte dort noch rasch verkaufen oder Übertreibungen zur Schnäppchenjagd nützen. Im Unterschied dazu wurde die Blockchain ihrem Ruf, sehr stabil und verlässlich zu sein, gerecht. An dezentralen Börsen lief der Handel ungehindert weiter. SushiSwap wies über 24 Stunden sogar ein Rekordhandelsvolumen von umgerechnet 2,5 Milliarden Dollar aus.

Die DeFi-Plattformen vereinfachen zwar den Zugang – trivial ist das Geschäft aber für die privaten Marketmaker nicht. So gilt es, die richtigen Währungspaare auszusuchen. Der Marketmaker trägt das Währungsrisiko, und das ist selbst bei den stabileren Kryptoanlagen enorm. Zentraler Teil vieler DeFi-Anwendungen ist das «Staking». Dabei werden Kryptoassets für einen bestimmten Zeitraum in einer Proof-of-Stake-Blockchain aufbewahrt. Für ihre Beteiligung am Netzwerk erhalten Kryptowährungsbesitzer, die staken, eine Prämie.

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Schöne neue Kryptowelt

Désirée Velleur
Fabian Schär
Yves Longchamp
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Désiée Velleuer hat der traditionellen Bankenwelt den Rücken gekehrt und einen Kryptofonds auf den Markt gebracht. DeFi-Assets wie Sushi spiele dort eine Hauptrolle. 

ZVG

Eingebaute Inflation

Für längerfristig orientierte Kryptoinvestoren ist das Staken inner- und ausserhalb der DeFi-Welt ein Muss. Grund ist die in vielen Kryptowährungen eingebaute Inflation. Bei Polkadot liegt sie etwa bei jährlich zehn Prozent. Die Staking-Rendite orientiert sich daran, bei Polkadot beträgt sie in der Regel zwölf Prozent. «Am Anfang gibt es oft eine hohe Inflation, die man auch braucht, um das Geld zu verteilen.

Macht ein Investor nichts, hat er Opportunitätskosten von zehn Prozent», sagt Yves Longchamp. Er hat bei Pictet, UBS und der SNB gearbeitet. Heute ist er bei der SEBA Bank Chef der Research-Abteilung. Bei der gänzlich auf Kryptoanlagen spezialisierten Bank taucht er Tag für Tag in die Welt der Blockchains und ihrer Protokolle ein. Die Welt ist komplex und verändert sich schnell. «Auch ich habe Mühe zu sagen, wie die Finanzwelt in fünf Jahren aussehen wird», sagt Longchamp. Man befinde sich jetzt ungefähr dort, wo man am Anfang des Internets stand.

Viele Protokolle werden verschwinden. Einige werden vielleicht wichtiger und grösser, als man sich das heute vorstellen kann. Wer hätte in den neunziger Jahren gedacht, dass sich Internetplayer wie Amazon, Facebook oder Google zu den Giganten an den Börsen entwickeln und den Alltag bestimmen würden? «Wir sehen: Die Blockchain funktioniert. Der Proof of Concept ist erbracht, aber wir stehen immer noch am Anfang», so Longchamp. Er zieht den Vergleich zum Ford T, der Anfang des 20.  Jahrhunderts erstmals vom Fliessband lief: «Das Auto hat funktioniert, aber Autobahnen, Werkstätten, Tankstellennetze mussten erst gebaut werden. Auch wurden noch viel bessere Autos entwickelt.

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Aber irgendwo muss man anfangen.» Die Integration der Blockchain sei der nächste Schritt. Aber selbst wie diese genau vonstattengehen werde, wisse man noch nicht. Unterschiedliche Währungen für unterschiedliche Dienste sind für Longchamp vorstellbar, etwa Amazon-Coins für Amazon-Bestellungen. Dass Nutzer moderner Proof-of-Stake-Währungen automatisch als eine Art Anteilseigner am Erfolg des Projekts teilhaben, unterscheide sie von herkömmlichen Firmen. «In einem traditionellen Unternehmen ist der Kunde ganz anders gestellt als ein Aktionär, bei Kryptowährungen ist der Kunde auch der Eigentümer», sagt Longchamp. Schaffe das Protokoll Mehrwert, werde dieser an die Halter der Tokens weitergegeben. «Alle nehmen teil und bauen etwas», so Longchamp. «DeFi macht Sinn, weil sie besonders intuitiv ist. Aber wo wir damit genau hingehen, ist noch unbekannt.»

Who is Who der DeFi-Welt

*DEX = dezentrale Börse, Lending = Einlagen und Kredite. 

Defipulse.com
Who is Who der DeFi-Welt

*DEX = dezentrale Börse, Lending = Einlagen und Kredite. 

Defipulse.com

Offene Marktplätze

Zu den erfolgreichsten und am weitesten entwickelten DeFi-Anwendungen der Gegenwart zählen Kreditplattformen wie Compound oder Aave. «Lending ist unter den DeFi-Anwendungen weit fortgeschritten, die Infrastruktur sehr gut», sagt Fabian Schär von der Uni Basel. Die DeFi-Plattformen gewähren auf Einlagen Zins und vergeben Kredite – sie gleichen auf den ersten Blick einer traditionellen Bank. Genauer betrachtet, sind die Unterschiede aber beträchtlich. So müssen Gläubiger und Kreditnehmer nicht über die Bedingungen verhandeln. Auch die Sicherheiten und die Höhe der Zinsen regelt das Protokoll. Es gibt keine Gegenpartei, die das Geld verwaltet. Die Gelder fliessen in Liquiditätspools und werden dort aufbewahrt.

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DeFi-Lending-Plattformen sind offene Marktplätze für Geld. Theoretisch können sie die Zinsen losgelöst von den Leitzinsen der Zentralbank bestimmen, auch wenn der Notenbank-Zins in der Praxis wohl als Orientierungsgrösse dient. Wer den eins zu eins an den US-Dollar gebundenen DAI-Token verleiht, bekommt aktuell 2,5 Prozent Zins; wer ihn leiht, muss 3,7 Prozent Zins berappen. Annualized Percentage Yield heisst dies auf den Plattformen.

Für die Ansprüche gibt es wie bei den DeFi-Börsen Tokens. Auf der DeFi-Plattform Compound einbezahlte ETHs werden in cETHs (c für Compound) umgewandelt und sofort verzinst. Kreditnehmer sind oftmals Yield Farmer, welche die Assets in andere DeFi-Protokolle investieren. In der Hausse waren so mit komplexen Strategien und hohem Verschuldungsgrad dreistellige Renditen möglich.

Mit Kryptoassets von 13 Milliarden Dollar ist die Lending-Plattform Aave aktuell die grösste DeFi-Anwendung. «Aave ist dezentral, hat aber trotzdem eine Lizenz und ist somit regulatorisch abgesichert. Das ist erfreulich», sagt Kryptofondsmanager Stiffler. Grossbritannien hat eine Money-Transmitter-Lizenz vergeben. Wie bei Compound regelt auch das Aave-Protokoll die dezentrale Vergabe und Aufnahme von Krediten. Wer verleiht, hinterlegt seine Kryptowährung ähnlich den DeFi-Börsen in einem Pool, aus dem sich dann andere Benutzer Tokens leihen. Die Zinsen passen sich ständig an. Je mehr ein bestimmter Kryptowährungspool genutzt wird, desto höher das Zinsniveau. Der Wechsel kostet aber ETH-Gebühren, das sogenannte «Gas», das aufgrund starker Nachfrage teuer ist. «Gas» verdirbt vor allem den Spass an kleineren Investitionen. Ist das Netzwerk stark ausgelastet, steigen die «Gas»-Kosten pro Transaktion schnell von 2 auf über 20 Dollar. Wer es nicht eilig hat, wartet.

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Rückschlag
Coingecko
Rückschlag
Coingecko

Schnell wie ein Blitz

Aave hat auch die neuartige Kuriosität namens Flashloans im Programm. Über solche Blitzkredite lassen sich Kryptowährungen komplett ohne Sicherheiten ausleihen. Das funktioniert, da der Schuldner den Blitzkredit in derselben Transaktion wieder zurückzahlen muss. Tut er das nicht, schlägt die komplette Transaktion mit all ihren Teilschritten fehl. Auch wenn es schwer vorstellbar ist: Den Kredit erhalten, etwas damit tun und ihn zurückzahlen geschieht damit im selben Zeitpunkt. Solche Flashloans werden von Entwicklern für Arbitrage-Geschäfte genutzt und sind ein Element bei der Optimierung von Yield Farming auf Protokollen wie Compound.

Wem die Suche nach gewinnbringenden Yield-Farming-Strategien zu anstrengend ist, der kann sich der Plattform Yearn.finance bedienen. Dort findet ein Programm die profitabelsten Angebote und richtet sich regelmässig neu aus. Investiert wird über sogenannte Vaults. Zur Auswahl stehen solche wie yvBoost-ETHs mit erwarteten jährlichen Renditen von 37  Prozent – selbst im DeFi-Bereich eine Ansage. Im Hintergrund laufen ziemlich komplexe Vorgänge, die das Staking und das Restaking umfassen.

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Noch komplexer wird es mit Plattformen wie Synthetix. Dort kann der Anleger mit Hilfe der Blockchain-Technologie in synthetische Assets investieren. Auf Synthetix werden etwa Produkte auf Edelmetalle, Öl oder Fiat-Währungen kreiert. Sogenannte Synths repräsentieren den Wert der Anlage. Durch die noch etwas höhere Komplexität ist Synthetix für Neuankömmlinge in der DeFi-Welt jedoch wohl nicht die erste Anlaufstelle.

Das DeFi-Universum wird weiter expandieren und noch viele neue Anlagemöglichkeiten schaffen. Für interessierte Anleger gibt es dabei viel zu lernen. Sind die Regeln transparent und für jeden Teilnehmer klar überprüfbar, werden die Risiken entschärft. Geht es nach Fabian Schär, ist die Blockchain auf diese Art eine Innovation, die zu effizienteren Finanzmärkten beitragen kann – und selbst Teile der Regulierung obsolet macht.

Über die Autoren
Erich Gerbl

Erich Gerbl

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