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Mann des Monats

Nach IWC hat Georges Kern auch Breitling in die Höhen geführt

In vier Jahren hat Georges Kern den Uhrenhersteller Breitling radikal umgebaut und den Wert der Firma massiv gesteigert. Jetzt beginnt die Ernte – für seine Investoren und ihn selbst.

Dirk SchützIris Kuhn Spogat

Georges Kern

FORMVOLLENDET: Georges Kern auf einer «Street Scrambler» des Breitling-Partners Triumph.

Phil Müller für Bilanz

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Eigentlich ist Georges Kern nicht der Typ, der um Erlaubnis fragt. Doch als ihn BILANZ um einem Termin für eine Story mit Fotoshooting bittet, erwidert er unvermittelt: «Kann ich auch mit dem Motorrad kommen?»

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Und das tut er dann auch – formvollendet. Er fährt auf einer «Street Scrambler» des englischen Motorradbauers Triumph vor, einer Neuversion der legendären Maschine, mit der «King of Cool» Steve McQueen einst im Klassiker «The Great Escape» über einen Stacheldrahtzaun sprang. Auf dem Sitz ist das geschwungene Breitling-Logo eingestickt – der Uhrenhersteller hat die Partnerschaft mit der ikonischen Motorradmarke im Juli mit einer Beschreibung eingeläutet, die der 56-jährige Firmenlenker offenbar auch auf sich bezieht: «Beide Marken sind Innovatoren auf ihrem Gebiet, deren Coolness-Faktor mit dem Alter immer besser wird.»
Die Jacke ist grün, oberhalb der rechten Brusttasche steht der Schriftzug «Deus Ex Machina» – die australische Outdoormarke mit Anarchofaktor ist ebenfalls Breitling-Partner, die erste gemeinsame Uhr ist bereits auf dem Markt. Der Helm: lindgrün wie die Farbe des Tanks. Und natürlich am Handgelenk: ein Breitling-Modell in fast gleichem Farbton.
 

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Zehn Prozent fürs Management

Die grossen Uhrenhersteller verkaufen längst keine Zeitmesser mehr, sondern ein Lebensgefühl – und da ist Georges Kern der unbestrittene König seiner Branche. «Wir sind Geschichtenerzähler», sagt er in dem Loft-artigen Büro im trendigen Hürlimann-Areal im Zürcher Süden wenige Minuten nach dem Fotoshooting. Der rote Backsteinkamin der ehemaligen Brauerei durchzieht die Zürcher Dependance, die abseits des Hauptsitzes im eher randständigen Grenchen im Kanton Solothurn zum Schaltzentrum der Uhrenfirma geworden ist. «Das ist das, was wir suchen: Konzepte, die auch in hundert Jahren noch Bestand haben – wie dieser Schornstein.» Er nennt es «Modern Retro» – und hat Breitling komplett in diese Richtung gedreht. «Die Menschen wollen wieder atmen, geniessen, frei sein nach dem Covid-Stress – dieses Gefühl wollen wir vermitteln.» Und diese Lebensfreude zeige sich abseits des digitalen Dauerrauschens, das die Menschen überfordere: «Eine mechanische Uhr ist zeitlos. Analoge Produkte sind der wahre Luxus.»

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Cooler Luxus

GK
ZURICH, SWITZERLAND - FEBRUARY 15: (L to R) Richard E. Grande, Georges Kern, and Fred Mandelbaum attend the dinner show at the '#LEGENDARYFUTURE' Roadshow 2018 Zurich on February 15, 2018 in Zurich, Switzerland. (Photo by Alexander Scheuber/Getty Images for Breitling)
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LOS ANGELES, CALIFORNIA - SEPTEMBER 24: Brad Pitt and Breitling CEO, Georges Kern pose for photo during the Breitling Summit on September 24, 2019 in Los Angeles, California. (Photo by Charley Gallay/Getty Images for Breitling)
BERLIN, GERMANY - MAY 30: Alexander Dibelius and his wife Laila Maria Witt during the Douglas X Peter Lindbergh campaign launch at ewerk on May 30, 2018 in Berlin, Germany. (Photo by Isa Foltin/Getty Images for Douglas)
Breitling Headquarter - Grenchen - Switzerland
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COOLNESS-FAKTOR: Der Firmenchef auf der Neuversion einer Maschine, die Steve McQueen berühmt machte.

Phil Müller für Bilanz

Dieser Herbst ist für ihn eine spezielle Zeit der Ernte. 850 Millionen Franken haben die Spitzenrechner der Private-Equity-Firma CVC vor viereinhalb Jahren für die Uhrenfirma bezahlt, erst übernahmen sie 80 Prozent, dann kauften sie ein Jahr später dem bisherigen Eigentümer Théodore Schneider die verbleibenden 20 Prozent ab. 10 Prozent reichten die Finanziers an das Management weiter – 5 Prozent an Georges Kern, 5 Prozent an dessen etwa zwanzigköpfige Führungscrew.
Jetzt ist Zahltag: In einer neuen Bewertungsrunde, angefeuert von den märchenhaften Bewertungen dieses zweiten Corona-Herbsts, taxiert CVC die Firma auf drei Milliarden Franken, wie via «Reuters» in den Markt floss. Kern und sein Team hätten damit den Wert von Breitling in vier Jahren vervierfacht, aller Corona-Unbill zum Trotz. Die Aktionäre, so der Plan, verkaufen je ein Fünftel ihres Anteils an einen neuen Investor (bei BILANZ-Redaktionsschluss lief das Auswahlverfahren noch). Das heisst: Gegen 600 Millionen Franken für CVC, je 30 Millionen für das Breitling-Management sowie Georges Kern, dessen verbleibender Anteil 120 Millionen wert wäre. Ihren Einsatz haben die Private-Equity-Rechner damit längst raus: Einen Teil des Eigenkapitals haben sie bereits vor Corona in Fremdkapital umgewandelt und sich zusätzlich eine ordentliche Dividende gegönnt.
 

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Ziel MilliardenClub

Doch das ist nicht alles. 700 Millionen Umsatz soll Breitling in diesem Jahr erzielen, lassen die gut informierten Quellen streuen (überprüfen lässt sich das in der notorisch intransparenten Branche nicht), gegen 40 Prozent mehr als im Vorjahr. Der operative Gewinn soll bei aparten 170 Millionen Franken liegen. Die Analysten von Morgan Stanley listen Breitling im Corona-Jahr 2020 noch auf Platz 11, führen sie aber schon als den grössten Aufsteiger der Uhrenwelt. Der grosse Schub des laufenden Jahres ist da nicht berücksichtigt. Jetzt will Kern in den Milliardärsclub vorstossen – jenen sechs Marken von Rolex bis Audemars Piguet, die die Verkaufsmauer von einer Milliarde Franken durchbrechen: «Wir wollen in die Top 5, und das sind wir heute schon überall ausserhalb Chinas.»

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Aufsteiger Breitling

Die Marke legte im Corona-Jahr bei den Verkäufen am stärksten zu.

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LuxeConsult, Morgan Stanley Research
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LuxeConsult, Morgan Stanley Research

Es ist ein spezielles Comeback. 15 Jahre führte Kern die Marke IWC, beheimatet beim Luxusgüter-Riesen Richemont, durchaus selbstbewusst und zuweilen giftig, aber eben als Angestellter. Der Erfolg liess ihn zum Herrscher über alle Uhrenmarken von Richemont aufsteigen – bis es dort nach gerade sechs Monaten auf der Teppichetage zum grossen Knall kam: Der unternehmerisch getriebene Kern lief im sorgsam austarierten Reich des südafrikanischen Mehrheitsaktionärs Johann Rupert gegen zu viele Wände.
Jetzt ist er selbst Miteigentümer mit praktisch unbegrenzter Entscheidungsbefugnis – und attackiert die beiden Marken, für die er zuvor bei Richemont verantwortlich war: Vor allem IWC mit ihrem vergleichbaren Produktangebot, aber auch Jaeger-Le Coultre – beide vorrangig in einer ähnlichen Preisrange aktiv (3000 bis 10 000 Franken). «Da sind viele Emotionen im Spiel – Kern greift IWC frontal an», sagt ein langjähriger Breitling-Vertriebspartner. Natürlich weist Kern jegliche Rachegelüste von sich. Aber kompetitiv – das ist er bis ins Mark. Die Richemont-Marken sieht er bereits hinter sich. Im Visier sind die Grossen wie Omega oder Rolex. «Wir wollen die coole Alternative zu den traditionellen Luxusuhrenmarken sein.»
Die Breitling-Story ist aber noch mehr als das: ein Angriff auf die Eigentümerverhältnisse der Traditionsbranche. Bislang galt als gottgegeben, dass die Marken entweder in privaten Händen (Patek Philippe, Audemars Piguet) oder Stiftungen (Rolex) florieren oder bei grossen Konzernen wie Swatch (Omega, Blancpain) oder Richemont (IWC, Jaeger-LeCoultre) professionell geführt werden. Breitling ist Pionier und Versuchslabor zugleich – als einzige grosse Uhrenmarke befindet sich die Firma in der Hand eines Private-Equity-Investors. In vier bis fünf Jahren winkt der erste Börsengang eines globalen Uhrenbrands – und da soll die aktuelle Bewertung von drei Milliarden Franken kaum mehr als ein Aufgalopp sein. Die High-End-Kleidermarken Moncler oder Prada werden mit 15 Milliarden Euro gehandelt – das ist die Perspektive.
Wie hat er das geschafft? Der grosse Erzähler ging in den Keller – und suchte dort nach Geschichten. Vor Kerns Übernahme war Breitling vor allem als Fliegeruhr positioniert: Die Firma leistete sich sogar eine eigene Fliegerstaffel mit Sitz im französischen Dijon, die jedes Jahr happige Millionenbeträge verbrannte. Wichtigster Werbeträger war der US-Schauspieler und Hobbypilot John Travolta. Die vollbusigen Models, die den Flugkapitän anhimmelten, machten die Marke zum Macho-Brand. Durch diese Verengung erreichte die Marke nur etwa fünf Prozent des potenziellen Markts für Luxusuhren im lukrativsten Segment zwischen 3000 und 15 000 Franken.
 

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Breit Aufgestellte Marke

Die Strategie war da schnell bestimmt: Eine Verbreiterung der Angebotspalette. «Wir wollen 60 Prozent des relevanten Markts erreichen», betont Kern. Dazu fand er in den Archiven reichlich Stoff. Der Firmenübervater Willy Breitling hatte die Marke schon in den dreissiger Jahren deutlich breiter angelegt: Frauenuhren, dazu Modelle für die Kategorien Land und Wasser. «In the air, on the ground, under the sea» lautet etwa die Überschrift der «Breitling Times» aus den fünfziger Jahren, aufgestöbert von Kerns Team in den Archiven.

700 Mio. Fr...

...Umsatz soll Breitling dieses Jahr erzielen – gegen 40 Prozent mehr als im Corona-verhagelten Vorjahr.

170 Mio. Fr....

...operativen Gewinn visiert Breitling dieses Jahr an – bei Wachstumsraten von gegen 20 Prozent.

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Und es gab auch einen Mann, der diese Modelle bei sich hortete: Fred Mandelbaum, schillernder Tech-Unternehmer aus Wien mit der grössten Privatsammlung an Breitling-Uhren. «Als ich diesen Schatz gesehen habe, war mir klar: Wir haben alles, was wir brauchen für eine fantastische, historisch verankerte Brand-Story», betont Kern. Er engagierte Mandelbaum als Botschafter, der die Markenhistorie bei Promotionsanlässen wie den neu kreierten «Breitling Summits» verkauft.
Die Fliegerstaffel stellte er ein, stattdessen kreierte er Drei-Personen-Teams, die er «Squads» taufte und «deren Mitglieder Meister ihrer jeweiligen Fachrichtung sind», wie es in der Eigenwerbung unbescheiden heisst. Es gibt eine «Triathlon Squad» mit dem Deutschen Jan Frodeno und der Schweizerin Daniela Ryf, eine «Aviation Pionier Squad» mit dem Astronauten Scott Kelly und der Kampfpilotin Rocío González Torres, eine «Surf Squad» um den Amerikaner Kelly Slater und natürlich auch eine «Cinema Squad» – mit den Schauspielern Brad Pitt, Charlize Theron und Adam Driver. Ein Grund für die Dreierteams war sicherlich, dass Kern nicht das Celebrity-Geschäft mit Einzelstars wiederholen wollte – er hatte es bei IWC fast schon exzessiv betrieben. Doch die Trios erhöhen vor allem die Flexibilität, und gemeinschaftliches Erleben liege mehr im Trend: «Der neue Luxus bedeutet: Wir wollen gemeinsam Gutes erleben.»
Kern wäre eben nicht Kern, wenn er nicht auch für diesen Ansatz eine Story erfunden hätte. «Inclusive Luxury» heisst das Zauberwort: Luxus nicht mehr als Elite-Vergnügen, sondern als casual-cooles Event. Surfen statt Golf, Radfahren statt Tennis, Motorrad statt Formel 1: «Luxus ist heute nicht mehr abgehoben, sondern Teil des Alltags.» Passt da sein grösster Star Brad Pitt, den er sich jedes Jahr einen schönen Millionenbetrag kosten lässt? Auch Pitt trete gern im Team auf – und gebe sich extrem nahbar bei Kundenveranstaltungen: «More casual als Brad Pitt geht nicht.»
Dass sich der Breitling-Chef dabei schon fast selbst als Star inszeniert, bringt ihm in der engen und hinter aller Noblesse durchaus gehässigen Uhrenszene so manchen Spott ein. So springt er schon mal als Fallschirmspringer aus dem Flugzeug oder setzt sich in den Werbefilmen neben Brad Pitt in Szene. «Wer ist der Typ neben Georges Kern?», ätzen da die Konkurrenten schnell. Doch es ist auch viel Respekt dabei: Kein anderer Uhrenchef traut sich das.
So zog er die Erweiterung des Angebots in Rekordschnelle durch: Sportuhren, Frauenuhren, Surferuhren. Dass Breitling in La Chaux-de-Fonds eine eigene Werk-Manufaktur besitzt, entpuppte sich als Glücksfall. Allein in diesem Jahr hat die Marke ihr Volumen verdoppelt. Gleichzeitig entschlackte Kern innerhalb der Produktkategorien die Palette: Statt mehr als 600 bietet Breitling nur noch gegen 150 Modelle an.
 

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Gefügige Aktionäre

Dazu kam die geografische Expansion. Breitling war in Europa und den USA stark, im Schlüsselmarkt Asien aber praktisch nicht existent. Besonders China bietet riesiges Potenzial. Als Kern bei Breitling anfing, gab es praktisch keine Präsenz, heute zählt die Marke dort gegen 40 Filialen. Möglich ist viel mehr: Im Visier sind 200 Filialen. Was die Marge weiter steigerte: In zähen Verhandlungen mit den Agenten übernahm die Firma den Vertrieb komplett selbst, was vom Verkaufserlös einen deutlich grösseren Teil in die eigene Kasse spült.

Dazu schuf er sich ein handverlesenes Team. Marketing-Chef Tim Sayler holte er von Audemars Piguet, mit seinem Verkaufschef Nasr Benaissa arbeitete er schon früher bei IWC zusammen. Eine Schlüsselperson ist Chief Technology Officer Antonio Carriero. Die Marke ist auf allen Social-Media-Kanälen mit ausgefeilten Zielgruppen-Strategien präsent, und ganz im Geist der globalen digitalen Kollaboration arbeitet sie mit zahlreichen High-Tech-Firmen zusammen: der Finanzierungsfirma Affirm etwa oder dem E-Commerce-Spezialisten Crown & Caliber. Und auch das Modethema Nachhaltigkeit steht ganz oben auf der Agenda: Alle Einzelteile einer Uhr sind auf Herkunft und Lieferant zurück verfolgbar – via trendige Blockchain-Technologie.
Die Dienstwege sind kurz, Kern kultiviert bewusst eine Start-up-Mentalität, die Truppe ist eingeschworen. Einziger prominenter Abgang war Chefdesigner Guy Bove, heute bei TAG Heuer, der durch Sylvain Berneron ersetzt wurde. Der Ex-BMW-Mann setzt die Ideen Kerns exakt nach dem Gusto des Chefs ums. Die Truppe entfaltet bei den grossen Konzernmarken spezielle Anziehungskraft – an Bewerbungen fehlt es nicht. Zentral bei der Rekrutierung: das Macher-Gen. Eine Killerfrage für jeden Bewerber bei Kern: «Sind Sie sicher, dass Sie das schaffen?»
Auch für seine Top-Mitarbeiter ist Zahltag: Durch den Verkauf eines Fünftels ihres Anteils streichen manche schon einige Millionen ein, mit Aussicht auf deutlich mehr. Die Mitarbeiterzahl ist seit Kerns Antritt von gut 800 auf mehr als 1300 gestiegen. «Was wir hier in vier Jahren aufgebaut haben, hätte in einem Konzern 10 bis 15 Jahre gedauert», betont Kern.

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Club der Milliardäre

Schweizer Uhren-Umsatzmilliardäre – Schätzung für 2020

GK Tabele
Morgan Stanley Research estimates
GK Tabele
Morgan Stanley Research estimates


Der Aktionär macht mit. «Sie liefern das Finanzwissen, wir die Uhrenexpertise», sagt Kern über die vier CVC-Vertreter im Verwaltungsrat. Als Präsident wirkt der CVC-Deutschland-Chef Alexander Dibelius, dessen Ehefrau Laila Maria Witt 2017 mit ihrem Instagram-Post «Alles Breitling oder was?» das erste Kaufinteresse von CVC signalisierte. Selbst für die erfolgsverwöhnten Investoren wäre eine Vervierfachung in vier Jahren eher aussergewöhnlich – auch wenn die heftige Geldflut derzeit alle Boote hebt.
Das verschafft Kern die nötige Beinfreiheit: «Die Zusammenarbeit ist exzellent – professionell und schnell», flötet er. Und schiebt dann aber nach: «Ich möchte mir nicht vorstellen, wie es wäre, wenn wir keinen Erfolg hätten.» Denn Scheitern wird bei den mehr als hundert CVC-Investments zügig geahndet. Doch wenn jetzt ein neuer Investor hinzukommt, wahrscheinlich auch aus dem Private-Equity-Bereich, steigert dies die Macht Kerns weiter: Eine Zersplitterung des Kapitals stärkt die Exekutive. Und wie die Private-Equity-Szene tickt, weiss er nur zu gut: Sein Bruder René arbeitete seit Jahren bei der Wall-Street-Firma General Atlantic.
 

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Nicht jede Geschichte überzeugt

Dass der Umsatz im Corona-Jahr 2020 deutlich weniger gesunken sei als der Branchenschnitt, zeige das «wachsende Momentum», betont Morgan-Stanley-Analyst Edouard Aubin. Auch René Beyer, einer der wichtigsten Schweizer Vertriebspartner, ist beeindruckt. «Breitling macht das sehr gut: Keine Marke hat derzeit so starken Vorwärtsdrang.» Und dass der Chef auch in Corona-Zeiten stets via Videokonferenz zur Verfügung stand, sei ein Riesenvorteil gewesen. «Von vielen anderen Marken habe ich gar nichts mehr gehört.» Auch sei der «ruppige Stil» aus der IWC-Zeit weg, Kern wirke «weiser und offener». Nur eine Geschichte bezweifelt er: dass Breitling drei Milliarden wert ist. «Mehr als zwei Milliarden sehe ich da nicht.» Erst wenn Kern die Umsatz-Milliarde knacke, hält Beyer die angepeilte Bewertung für gerechtfertigt.

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Aber eine Firma ist eben immer so viel wert, wie die Investoren zu zahlen bereit sind, und das Interesse an der Breitling-Story ist im aktuell überhitzten Markt offenbar gross. Dass bei genauem Hinsehen nicht jede Geschichte überzeugt, scheint da eher nebensächlich. Die Zusammenarbeit mit dem Luxusautohersteller Bentley lobte Kern etwa vor zwei Jahren noch euphorisch, jetzt wurde die Kooperation kühl entsorgt – zu elitär. Stattdessen setzt Breitling auf Classic Cars. Georges Kern liess etwa kürzlich bei den «Geneva Watch Days» einen Ford Mustang oder eine Corvette auffahren und lieferte die steile These, dass es nichts Nachhaltigeres als ein Vintage Car gebe: Wer ein altes Auto fahre, brauche eben kein neues. Dass die Klassiker die Luft in der Halle massiv verpesteten, sorgte dann für Erheiterung.
Auch in seiner Freizeit geht es um Geschichten. Zeit hat er: Der Sohn arbeitet als Architekt in New York, die Tochter studiert Gesang in Berlin. Vor zwei Jahren produzierte er einen Film namens «Mon chien stupide», jetzt arbeitet er an einer Serie. Die Grobstruktur des Drehbuchs legt er selbst fest. Doch auch hier gilt: Der Erfolg ist der entscheidende Gradmesser. Nicht Abgehobenes, nicht Intellektuelles, immer ein Happy End. Am Ende ist er eben nicht Künstler, sondern Geschäftsmann – mit grosser Zähigkeit.
4000 Kilometer fährt er noch immer jedes Jahr auf dem Rennrad, im Frühling geht es stets zum Aufbautraining nach Mallorca. Früher bei IWC fuhr er in der Schweiz das Teamrennen «Tortour», jetzt ist er mit seinem Breitling-Team beim Charity-Rennen Qhubeka in Südafrika dabei. Ein Börsengang in vier Jahren mit zweistelliger Milliardenbewertung? Eine grosse Herausforderung. Doch bisher ist er immer noch ins Ziel gekommen.

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Über die Autoren
Dirk Schütz

Dirk Schütz

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Iris Kuhn Spogat

Iris Kuhn-Spogat

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