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Margarita Louis-Dreyfus

Von der unterschätzten ­Erbin zur Konzernlenkerin

Sie startete als Milliardärsgattin und entwickelte sich zu einer der mächtigsten Frauen der Wirtschaft – wie tickt Margarita Louis-Dreyfus?

Erik Nolmans

Margarita Louis-Dreyfus im Hotel Sorell im Seefeld Zürich

Margarita Louis-Dreyfus, Präsidentin des Agrarhandelskonzerns Louis Dreyfus Company, mit ihrer Hündin Vesna.

Vera Hartmann für BILANZ

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Das Gespräch findet in einem Besprechungsraum in einem Hotel im Zürcher Seefeld statt. Margarita Louis-Dreyfus hat nicht weit – sie wohnt im nahen Zollikon. Sie hat ihr Hündchen mitgenommen, das aufgeweckt im Raum herumschnüffelt. «Sie heisst Vesna – das bedeutet Frühling», sagt die gebürtige Russin lächelnd.

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Den Termin mit ihr zu bekommen, war nicht einfach. Sie gibt nur sehr selten Interviews. Sie äussere sich nicht gerne öffentlich, hat sie vor ein paar Wochen bei der Anfrage wissen lassen. Wir sollen ihr konkrete Fragen schicken, sie schaue dann mal.

Es ist bekannt, dass sie ein zurückhaltendes Verhältnis zur Presse hat, mit der sie nicht nur gute Erfahrungen machte. Auch die begrenzte Zeit dürfte eine Rolle für ihr Zögern gespielt haben. Margarita Louis-Dreyfus ist Präsidentin der Louis Dreyfus Company (LDC), eines der grössten Agrarhandelskonzerne der Welt mit rund 17'000 Mitarbeitenden in über hundert Ländern; die Handelszentrale ist in Genf, der Holdingsitz in Amsterdam, rund sechs Milliarden Dollar ist der Koloss wert. Und sie ist fünffache Mutter: Die Zwillingstöchterchen Arina und Isabella aus der ehemaligen Beziehung mit Ex-Nationalbank-Chef Philipp Hildebrand sind sieben Jahre alt und gehen in die Primarschule. Ihre Söhne Eric (30) sowie Kyril und Maurice (25) stammen aus ihrer Ehe mit dem 2009 verstorbenen Robert Louis-Dreyfus. So findet das Interview an einem Samstagnachmittag statt.

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Eine der mächtigsten Frauen der Wirtschaft

Margarita Louis-Dreyfus im Hotel Sorell im Seefeld Zürich
Margarita Louis Dreyfus
Margarita Louis-Dreyfus im Hotel Sorell im Seefeld Zürich
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Zielgerichtet hat Margarita Louis-Dreyfus ihre Macht im Milliardenkonzern über Jahre ausgebaut und gesichert.

Vera Hartmann für BILANZ

Im Gespräch ist sie entspannt und unverkrampft, ohne jegliche Allüren, sehr sachlich zwar, aber in gewissen Themen doch auch emotional und bemerkenswert offen. Sie hat ihren Computer mitgebracht, wo sie ihre Notizen zu den eingereichten Fragen gespeichert hat – sie wird druckreife Statements abliefern. Der Eindruck: Da ist eine Frau, die genau weiss, was sie will und was sie macht, durchsetzungsstark und trotz aller Lockerheit durchaus auch mit Autorität.

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Die Witwe

Ähnliches hört man auch aus ihrem Unternehmen, wo sie ebenso als umgänglich und freundlich gilt, aber wo doch jeder weiss, dass sie am Schluss das letzte Wort hat. Oft würden Dinge vorgespurt, sie zeige sich interessiert, um es am Schluss doch so zu machen, wie sie es wolle, schildert ein langjähriger enger Mitarbeiter dieses Innenverhältnis.

Es war nicht einfach für sie, in diese Machtposition zu kommen. Schliesslich war sie am Anfang einfach die Witwe des grossen Robert Louis-Dreyfus, als Familienvertreterin zwar Besitzerin, aber von allerlei mächtigen Mitstreitern des Verstorbenen, grauen Eminenzen und heimlichen Drahtziehern im Konzern mehr belächelt als geachtet. Elemente ihrer Stärkung waren einerseits eine Sicherung ihrer Stimmkraft durch den Aufkauf der Anteile der Schwestern ihres verstorbenen Mannes (BILANZ 18/2018: «Die Kämpferin») und andererseits die Installation eines Managements, das nicht gegen sie arbeitet.

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Seit ihrem Antritt als Präsidentin 2011 gab es bei der Louis Dreyfus Company auffallend viele Wechsel, mit Michael Gelchie, seit drei Jahren CEO, scheint endlich Stabilität in die Führung eingezogen zu sein. Vor ihm hatte es vier CEOs in nur fünf Jahren gegeben. Schenkt sie einmal Vertrauen, entstehen oft langjährige Beziehungen. Ihr heutiger Finanzchef Patrick Treuer war einst ihr Banker bei der Credit Suisse, und die Schweizer Wirtschaftsgrössen Michel Demaré und Andreas Jacobs sind schon seit Jahren in ihrem VR.

Es gibt nicht viele Frauen in der Schweiz, die eine dermassen bedeutende Funktion in der Wirtschaft haben wie sie. Magdalena Martullo-Blocher, Chefin der Ems-Chemie, mag zu der kleinen Gruppe hiesiger Topfrauen gehören, auch Nayla Hayek, Präsidentin der Swatch Group, oder Ariane de Rothschild von der Privatbank Edmond de Rothschild.

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Margarita Louis-Dreyfus wirkt abseits des Scheinwerferlichts, doch ihre Aufgabe ist beachtlich. Für ihren Job muss sie viel reisen, bald fliege sie nach Indien, erzählt sie, sie treffe dort Mitglieder der Regierung wie etwa den Agrarminister. Das Tätigkeitsfeld ist global. Die jüngste Pressemitteilung von LDC betraf Russland: Man trete dem Getreidebann bei und werde ab Juli 2023 die Getreideexporte aus Russland einstellen, teilte der Konzern mit. Zuvor hatten bereits die Konkurrenten Cargill und Viterra einen solchen Bann beschlossen. In Russland und der Ukraine mache der Konzern nur rund zwei Prozent des Umsatzes, daher sei es für die Gesamtposition des Unternehmens nicht matchentscheidend: «Aber es ist ein starkes symbolisches Zeichen», betont sie.

Die Russen selber nehmen es gelassen: Die genannten drei Konzerne seien nur für 15 Prozent der Exporte verantwortlich gewesen. Nicht nur russische Konzerne springen in die Bresche, bereit steht auch der chinesische Konzern Cofco, welcher der etablierten Gruppe westlicher Agrarhandelskonzerne, bestehend aus Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis-Dreyfus – in der Branche ABCD-Gruppe genannt –, auch sonst immer stärker an den Karren fährt.

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Der Ukraine-Krieg war eine grosse Herausforderung für LDC. Schliesslich ist das Land einer der wichtigsten Weizenproduzenten der Welt und LDC der wichtigste Exporteur. «Wir versuchten unter schwierigsten Bedingungen, unsere Lieferungen aufrechtzuerhalten», sagt Margarita Louis-Dreyfus. Zunächst hätten im Frühling 2022 Notfallpläne für die rund 300 Mitarbeiter im Land angestanden, die vor allem in Kiew stationiert waren, das damals noch eines der Hauptziele der russischen Invasion war. LCD besitzt grosse Getreidesilos im Land sowie ein Terminal im Hafen von Odessa.

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Paradoxerweise war just 2022 wetterbegünstigt eines der besten Erntejahre in der Ukraine seit Langem, und LDC habe neue Korridore für den Export suchen müssen. Zum Teil lief das über Polen, mit vielen kurzfristig gecharterten LKWs, zum Teil über die ausgebaute Binnenschifffahrt. Es gelang nur teilweise, die exportierte Menge nahm um rund 30 Prozent ab. Zudem wurde eine grosse Menge des in den Silos gespeicherten Weizens zerstört. «Wir hatten also nicht nur Schwierigkeiten, sondern auch direkte Verluste.»

Breite Diversifikation

Der Vorteil der Louis Dreyfus Company ist die grosse Erfahrung. In den über 170 Jahren ihres Bestehens hat das Handelshaus schon viele Krisen gesehen. Auch Russland stand schon mehrmals im Zentrum der Probleme. 1917 etwa, als die Firma 92 Offices in Russland hatte, und Louis Dreyfus dort die grösste ausländische Firma war. Durch die Revolution verlor die Firma alles. Schon damals sei die breite Diversifikation des Geschäfts eine der Stärken von Louis Dreyfus gewesen, sie sei es noch heute, sagt Margarita Louis-Dreyfus.

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Immer wieder erwähnt sie im Gespräch die lange Tradition des Unternehmens und die daraus folgende Verantwortung der Gründerfamilie für das Weiterbestehen der Firma: «Wir sind alle nur Glieder einer langen Kette.» Es sei in seinen letzten Lebensjahren das primäre Anliegen ihres erkrankten Mannes gewesen, seine Visionen für den Konzern mit ihr zu teilen und ihr und den gemeinsamen Söhnen klarzumachen, welche Verantwortung da auf ihren Schultern laste. Margarita kam dabei vor allem die Rolle der Hüterin der Louis-Dreyfus-Gründervisionen zu, die sie an Eric, Kyril und Maurice weitergeben muss.

Die Aktien hält der Familienpool in der Familienstiftung Akira, die wiederum die Mehrheit an der Louis Dreyfus Holding, der Dachgesellschaft des Handelshauses hält.

Getreideterminal der Louis Dreyfus Company im Hafen von Odessa in der ­Ukraine.

Getreideterminal der Louis Dreyfus Company im Hafen von Odessa in der Ukraine.

PD
Getreideterminal der Louis Dreyfus Company im Hafen von Odessa in der ­Ukraine.

Getreideterminal der Louis Dreyfus Company im Hafen von Odessa in der Ukraine.

PD

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Kein Anrecht auf das Erbe bei LCD haben ihre Töchter aus der Beziehung mit Philipp Hildebrand. Der Ex-Notenbanker amtet heute als Vice Chairman beim US-Vermögensverwaltungsriesen Blackrock mit Arbeitsort London, ist aber auch in der Schweiz noch sehr präsent, etwa als Präsident der Zürcher Kunstgesellschaft. Margarita Louis-Dreyfus und Hildebrand haben sich nach mehrjähriger Beziehung inzwischen getrennt, berichten Freunde der Familie. Sie selbst will zu Fragen zu ihrem Privatleben keine Auskunft geben.

Das Gefühl der Verantwortung für den Familienkonzern spüre sie bei ihren Söhnen deutlich. Sie dränge diese nicht, freue sich aber natürlich, wenn sie von sich aus eine Rolle in der Firma wahrnehmen wollen. Von den drei Söhnen scheint sich derzeit vor allem Maurice für eine stärkere Rolle in der Firma zu positionieren. Er ist als einziger der drei für LDC tätig, und zwar in der konzerneigenen Innovationsgruppe, deren Aufgabe es ist, jene Strömungen zu identifizieren, die entscheidend sind für die Zukunft der Firma. Seit Oktober 2022 ist er in Diensten von LDC, derzeit sei er in Singapur stationiert.

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Sohn Kyril steht derweil in anderer Weise für das Erbe und das Denken des Vaters. Robert Louis-Dreyfus war ein grosser Fussballfan und jahrelang Geldgeber beim französischen Topclub Olympique Marseille. 2021 kaufte Kyril den englischen Club A.F.C. Sunderland, einen Traditionsverein, den er wieder in höhere Sphären bringen will. Seit 2022 ist der Club in der zweithöchsten englischen Spielklasse aktiv. «Eine hervorragende Business-Schulung» sagt Margarita Louis-Dreyfus schmunzelnd, «es gibt nur wenige Managementaufgaben, die schwieriger sind, als einen Fussballclub zu führen.»

Sie weiss, wovon sie spricht: Nach dem Tod von Robert spendete sie weiter viele Millionen für Olympique Marseille, das sich als Fass ohne Boden erwies. 2016 zog sie die Reissleine und verkaufte den Club an den amerikanischen Unternehmer Frank McCourt. Das heisst aber nicht, dass sie Kyril bei seinen Plänen nicht unterstützt: Unter anderen sandte sie ihren Vertrauten Patrick Treuer in den Vorstand des Clubs ab. Auch Maurice ist Mitglied des Vorstands. Kyril hält sich aufgrund seiner Tätigkeit als Präsident von Sunderland viel in England auf, er ist bereits verheiratet, seine Frau stammt aus Österreich.

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Der Älteste, Eric, wohnt in der Schweiz. Alle Söhne sind hier aufgewachsen und sprechen auch Schweizerdeutsch. Die Leidenschaft von Eric gilt der Technik, er tüftle an allerlei technischen Innovationen, auch das im Einklang mit den Visionen des Vaters, der technische Lösungen für einen der wichtigsten Treiber von Veränderung sah.

Die Söhne

Eric Dreyfus an einem Fussballspiel
KyrilLouis-Dreyfus
Maurice Louis-Dreyfus
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Eric Louis-Dreyfus ist der älteste Sohn und ein Technikfreak.

IMAGO SPORTFOTODIENST

Ein wichtiger Lebensmittelpunkt für alle ist auch das grosse Haus in Davos, das schon seit Jahrzehnten im Besitz der Familie ist. Derzeit habe sie dort Platz für eine ukrainische Flüchtlingsfamilie zur Verfügung gestellt. Eines der Familienmitglieder sei taubstumm, sie kommuniziere daher teilweise mit kleinen Zettelchen mit ihren neuen Mitbewohnern.

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Sorgen als Mutter

Margarita Louis-Dreyfus gilt als ebenso liebevolle wie fordernde Mutter – ihre Söhne schickte sie einst ins Ausland zur Ausbildung. Heute habe sie den Anspruch, stets perfekt zu sein, abgeschwächt, sehe erzieherische Fragen mit mehr Nachsicht. Auf die Frage, was sie anderen Müttern mit Doppelbelastung rate, antwortet sie, man solle sich in jedem Moment für die wichtigste Priorität entscheiden und sich dessen auch klar bewusst sein. Dies helfe gegen mögliche spätere Schuldgefühle, weil es dann ja das Richtige gewesen sei. Viele arbeitende Mütter hätten ähnliche Probleme wie sie, stets fürchte man, am einen oder am anderen Ort nicht zu genügen. Aber man könne nicht in allen Lebensbereichen immer das Maximum erreichen.

Auf die Frage, wie man denn beispielsweise die Priorität setzen solle, wenn ein Kind krank sei, gleichzeitig aber ein wichtiger Geschäftsentscheid anstehe, schaut sie den Fragenden erstaunt an, als ob sie nicht glauben könnte, dass man eine Frage mit so offensichtlicher Antwort überhaupt stellen kann, und antwortet bestimmt: «Dann haben natürlich die Kinder Vorrang. Ich würde auch von meinem CEO nicht erwarten, dass er sich anders entscheidet.»

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In neuster Zeit sei eine neue grosse Sorge für sie als Mutter dazugekommen: die dominante Rolle von Social Media und die Omnipräsenz des Internets. Wenn Kinder mehr Zeit im Netz als mit den Eltern verbrächten, sei das für die Entwicklung gesunder Wertvorstellungen gefährlich. Kürzlich seien ihre kleinen Mädchen von älteren Primarschülern in Sachen Selbstmord aufgeklärt worden: Wenn man in einer harten Lebenssituation sei, solle man am besten in einen Autobahntunnel gehen und sich unters Auto werfen, sei der Ratschlag der elf- oder zwölfjährigen Mitschüler gewesen.

«Ich war schockiert», sagt sie. Man müsse laut debattieren über solche Dinge und sich fragen, wie Kinder ihre Menschlichkeit in einer Welt von Social Media und digitaler Erziehung bewahren könnten und wie man vor diesem neuen Hintergrund die Familienwerte weitergeben könne. Wichtig sei, dass die Kinder die Verbundenheit von Generationen nicht verlören, «das gibt Menschen Wurzeln, damit sie nicht von jedem Wind richtungslos herumgetragen werden».

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Einfache Herkunft

Geboren ist sie im Juni 1962 in Sankt Petersburg als Margarita Bogdanova. Sie stammt aus einfachen Verhältnissen. Sie wuchs beim Grossvater auf, nachdem ihre Eltern bei einem Zugsunglück gestorben waren. Sie wollte weg aus Russland, studierte Deutsch und träumte von einem Leben im Ausland. Ende der achtziger Jahre fand sie einen Job in der Schweiz: bei einer Import-/Export-Firma namens Laytron.

Dass sich die Welt der Telefonverkäuferin Margarita Bogdanova und jene des Milliardärs und Unternehmers Robert Louis-Dreyfus überschneiden konnte, hat sie ihrem grossen Traum zu verdanken, für den sie gezielt sparte: einmal mit der Concorde nach New York zu fliegen. 1989 war es so weit. Matchmaker war dann der Zufall. Denn der Mann auf dem Nebensitz, mit seinen zerrissenen Jeans nicht auf den ersten Blick als Milliardär erkennbar, war niemand anderes als Robert Louis-Dreyfus. Der französische Charmeur kam mit der hübschen jungen Frau ins Gespräch, er zeigte ihr Fotos seines Hundes, und nach ein paar Wochen meldete sich Robert bei ihr. Kurz darauf zog sie bei ihm ein, drei Jahre später heirateten sie.

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Mit dem Tod ihres Mannes im Jahr 2009, dem ein mehrjähriges Leiden an Leukämie vorangegangen war, fand sich die junge Witwe plötzlich in der Verantwortung für einen Milliardenkonzern.

Um sein Erbe zu sichern, hatte Robert eine Familienstiftung namens Akira gegründet, worin er seine damals 61 Prozent an Louis Dreyfus einbrachte. Drei Protektoren wurden eingesetzt: zwei alte Vertraute aus seinem beruflichen Umfeld – und Margarita. Die Chemie stimmte nicht, es herrschte grosses Misstrauen, und Margarita fühlte sich von den beiden anderen, die eng zusammenhielten, an den Rand gedrängt.

Sie tat das, was seither für sie immer wieder als Erfolgsrezept funktioniert hat: eine eigene Gruppe von Vertrauten um sich zu scharen. Über einen guten Bekannten ihres verstorbenen Mannes aus dem Umfeld von Olympique Marseille, der nicht aus dem Pariser Machtklüngel stammte, legte sie Kontakte zu weiteren französischen Wirtschaftsgrössen, die ihr ihre Unterstützung anzubieten begannen. Sie ermöglichten ihr den Kontakt zum französischen Staranwalt Jean-Michel Darrois, mit dessen Hilfe es schlussendlich gelang, die alten Kämpen auszuhebeln, indem man sich auf die Regeln guter Corporate Governance berief. Ins Visier hatte der Anwalt vor allem Stiftungsmitglied Jacques Veyrat genommen, damals Präsident und CEO der Firma. Aufgrund gleichzeitiger Positionen in der Louis-Dreyfus-Gruppe und in der Stiftung bestehe ein regelwidriger Interessenskonflikt. Das Spiel ging auf: Die Widersacher räumten das Feld, zwei neue Mitglieder für die Stiftung wurden bestimmt.

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Der nächste Schritt war der Kauf der Aktien, die sich im Besitz der Schwester ihres Mannes befanden. In zwei Schritten kaufte Margarita die Aktien von den zunächst zögerlichen Schwestern und konnte so den Stimmenanteil auf 96,6 Prozent erhöhen. Sie konnte sich dabei auf den Plan von Robert selber berufen, der eine solch stufenweise Andienung schon vertraglich vorgespurt hatte. Allerdings musste sie sich für die Umsetzung dieses Vorhabens enorm verschulden: Ihre Hausbank, die Credit Suisse, griff ihr mit einem Kredit von sage und schreibe einer Milliarde Dollar unter die Arme. Als Sicherheit musste sie ihre Mehrheit an der Louis-Dreyfus-Gruppe hinterlegen – ein risikoreiches Unterfangen. Hätte sie das Geld nicht zurückzahlen können, hätte sie ihre Firma verloren.

Anlage für die Verarbeitung von ­Sojabohnen in Claypool im US-Bundesstaat Indiana.

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PD
Anlage für die Verarbeitung von ­Sojabohnen in Claypool im US-Bundesstaat Indiana.

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Doch auch dieser Plan ging auf: Sie sicherte sich mit der Aufstockung der Stimmenzahl die Macht in der Firma, und auch die Schulden bei der CS konnte sie sich bald wieder vom Hals schaffen. Ende 2020 verkaufte sie 45 Prozent der Louis Dreyfus Company an ADQ, den Staatsfonds von Abu Dhabi. Mit dem so zufliessenden Geld zahlte sie auch den Milliardenkredit zurück und war damit dieses Risiko los. Allerdings zu einem Preis: Mit dem Eintritt des 45-Prozent-Aktionärs musste sie natürlich einen gewichtigen Teil ihrer vorher fast unbeschränkten Macht wieder abgeben.

Es gebe keine Probleme, sagt Margarita Louis-Dreyfus, das Verhältnis mit ADQ sei sehr gut und konstruktiv. Aus Sicht der Araber ist das Ganze ja auch eine erfreuliche Sache: Nicht nur ist es für den Wüstenstaat, der nicht eben mit fruchtbaren Anbauflächen gesegnet ist, langfristig ein strategisches Asset, den Fuss im weltweiten Agrarhandelsbusiness drin zu haben. Das Investment ist auch aus finanzieller Sicht aufgegangen. Das Unternehmen läuft unter der Ägide von Margarita Louis-Dreyfus wie geschmiert. Die steigenden Preise im turbulenten Umfeld der letzten Jahre liessen die Gewinne steil nach oben schiessen, 2022 stieg der Vorsteuergewinn um 42 Prozent auf 1,2 Milliarden Dollar. LDC ist nicht an der Börse kotiert, der Buchwert des Unternehmens beträgt heute über sechs Milliarden Dollar.

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Ihre Rolle als Präsidentin von LDC sieht sie einerseits in der Weiterentwicklung der Firma im wirtschaftlichen Sinne: «Ein Leader sollte meiner Ansicht nach vor allem eine Atmosphäre schaffen, in der jeder Mensch motiviert ist, sein Bestes zu geben und seine eigene Verantwortung zu übernehmen. Das ist die Basis für gute Leistungen.» In strategischer Hinsicht sei andererseits die Ausrichtung auf Nachhaltigkeit eine persönliche Priorität: «Als Mutter von fünf Kindern kann es mir nicht gleichgültig sein, wie sich die Zukunft der Welt gestaltet.» Die Dekarbonisierung ihrer Firma werde weiter forciert, bei praktisch allen Projekten werde auf den Umweltaspekt und die sozialen Folgen geachtet. Dies geschehe auch in enger Zusammenarbeit mit den Farmern weltweit, für die Firma seit eh und je wichtige Partner.

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Nicht auf roten Teppichen

LDC investiere zudem in neue Technologien und innovative Start-ups. Jüngst sei beispielsweise in Kalifornien eine Firma gegründet worden, die aus Bohnen jenes Pulver macht, dass Hersteller von veganer Nahrung als Grundstoff benutzen.

Was hat sie sich persönlich für die Zukunft noch vorgenommen, was bleibt an Zeit für sie selbst angesichts ihrer vollen Agenda? Sie sei von Archäologie begeistert und lese viel über das Thema. Ihr Traum sei, über kurz oder lang selbst einmal an einer archäologischen Expedition teilzunehmen, am liebsten in der Türkei, wo es sehr viele bedeutende Ausgrabungen gebe. Eine andere Leidenschaft ist die klassische Musik, vor allem die Oper, sie besucht regelmässig Konzerte im Zürcher Opernhaus.

Ansonsten sieht man sie allerdings kaum an gesellschaftlichen Anlässen, rote Teppiche seien nicht ihr Ding, «dafür habe ich auch schlicht keine Zeit». Auch in Schweizer Wirtschaftskreisen sieht man sie nicht oft. Sie ist zwar regelmässig am World Economic Forum in Davos und amtet auch im Verwaltungsrat der Swiss-American Chamber of Commerce, ist sonst aber eher zurückhaltend. «Das gezielte Networking entspricht nicht so meinem Charakter», sagt sie, «das können andere sicher besser als ich.».

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Über die Autoren
Erik Nolmans

Erik Nolmans

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