Guten Tag,
Sie fordern das Ende des Patriarchats und kämpfen für ein neues Männerbild. Das macht mehr Spass und ist gesünder.
Real Men are Feminists: Männer, die sich nicht genötigt fühlen, sich möglichst maskulin zu verhalten, sind zufriedener und gesünder.
Anne-Marie Pappas / Kombinatrotweiss für BILANZWerbung
Es ist der 14. Juni 2019. Frauenstreik. Eine halbe Million Menschen protestieren in der Schweiz für Lohngleichheit, gegen sexuelle Belästigung, für ein Ende des Patriarchats. Die Mehrzahl der Demonstrierenden ist weiblich. Doch es sind auch zahlreiche Männer darunter. Einer von ihnen ist Michel Zimmermann.
Er hilft am Helvetiaplatz an einer Bar mit. Zusammen mit anderen sogenannten Soli-Männern. Sie unterstützen die Frauen bei deren Streik. Dieser Tag berührt Zimmermann zutiefst. «Die Kraft der Frauen, die für ihre Sache eingestanden sind, hat mich angesteckt», erinnert er sich. Wenig später lernt er den Verein «Die Feministen» kennen, baut die Regionalgruppe Zürich mit auf und setzt sich seither für das Thema Gleichstellung ein.
Für viele Männer ist Feminismus ein rotes Tuch. Dabei schadet ihnen das Patriarchat selbst. Wer sich den traditionellen Anforderungen an männliches Verhalten beugt, riskiert seine Gesundheit, lebt einsamer, verbittert und stirbt schliesslich früher.
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Der Preis für ein Leben als «richtiger Mann» im konservativen Sinn ist inzwischen vielen zu hoch. Immer mehr Männer empfinden das Patriarchat als einschränkend und kämpfen daher für ein modernes und vielfältiges Männerbild.
Michel Zimmermann hat die Auseinandersetzung mit dem Thema Feminismus geholfen, seine eigene Männlichkeit zu überdenken. «Sich nur als Feministen zu bezeichnen, bringt gar nichts», sagt der 32-Jährige.
Ganz entscheidend sei die Introspektion, in sich selbst zu schauen. Zimmermann, der als wissenschaftlicher Berater tätig ist, hat zudem gelernt, sich seine Privilegien zu vergegenwärtigen: «Ich hatte einfach Glück, dass ich beim 100-Meter-Rennen bei der 10-Meter-Marke starten darf – dessen muss man sich als Mann bewusst werden.»
Sänger Harry Styles macht keinen Unterschied zwischen femininer und maskuliner Mode.
WireImageSänger Harry Styles macht keinen Unterschied zwischen femininer und maskuliner Mode.
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Genau das tun auch die «Male Feminists» in Hollywood, dem Showbiz, im Sport und in der Geschäftswelt. Der britische Sänger Harry Styles – mit Perlenkette, Designer-Handtaschen und buntem Nagellack Stilidol vieler junger Männer – ist ein erklärter Feminist, ohne dafür Applaus zu erwarten: «Ich will nicht, dass man mich als Feministen feiert.
Es ist doch ganz einfach. Ich denke, die Ideale des Feminismus sind ziemlich unkompliziert.» Auch Kino-Beau Ryan Gosling, der im Blockbuster «Barbie» die männliche Puppe Ken verkörpert, ist bekannt für Appelle wie: «Es ist an der Zeit, dass wir Männer uns als Verbündete für die Gleichstellung der Geschlechter einsetzen.»
Die schottische Tennislegende Andy Murray ist seit Jahren ein überzeugter Verfechter des Feminismus und nutzt dafür seine Bekanntheit. So wird er nicht müde, auf die Erfolge seiner Sportkolleginnen hinzuweisen. Etwa als er in einem Interview dafür gelobt wird, der erste Spieler zu sein, der zwei olympische Goldmedaillen im Tennis gewonnen hat. Murray fällt dem Journalisten ins Wort: «Der erste männliche Spieler. Venus und Serena haben jeweils etwa vier gewonnen!»
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Männlicher Feminismus ist eine Bewegung geworden. Von der Mahnwache vor dem Pornokino über Boykotte von Konferenzen, an denen keine Frauen auftreten, bis hin zu Kampagnen gegen männliche Gewalt: Das Engagement männlicher Feministen ist ebenso vielfältig wie die Gruppe selbst. Und sie wächst mit grossem Tempo. Weltweit organisieren sich Feministen.
Seit gut sechs Jahren kämpfen Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft für die Kampagne «HeForShe» von UN Women, einem Referat der Vereinten Nationen. Die Community zählt mehr als zwei Millionen Aktivisten. Mitstreiter, die sich besonders hervortun, erhalten das Label «Champions». Zu diesem Kreis zählen etwa Joakim Reiter, CEO von Vodafone, der sich für Opfer häuslicher Gewalt einsetzt, oder Bob Sternfels, Chef der Unternehmensberatung McKinsey, der sich verpflichtet hat, in seiner Firma bis 2026 einen Frauenanteil von 50 Prozent zu erreichen.
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Diese Initiative inspirierte auch den Strategieberater und Referenten Pirmin Meyer, für mehr Gleichberechtigung der Geschlechter in der Schweiz zu kämpfen. Es fing damit an, dass er sogenannte Manels boykottierte – Panels, also Podiumsdiskussionen, an denen nur Männer teilnehmen. Dafür erhielt er viel Zuspruch, immer mehr Männer schlossen sich ihm an. Mit seinen Mitstreitern gründete er vor vier Jahren WE/MEN. Eines der Grundanliegen des Vereins ist es, sich für mehr Frauen im öffentlichen Diskurs, also auf Bühnen, Podien und in den Medien, einzusetzen.
Barbies Verbündeter: Schauspieler Ryan Gosling versteht sich als Mitstreiter im Kampf für mehr Gleichstellung.
Getty ImagesBarbies Verbündeter: Schauspieler Ryan Gosling versteht sich als Mitstreiter im Kampf für mehr Gleichstellung.
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Inzwischen hat WE/MEN mehr als 250 Unterstützer, die auf der Homepage mit Foto und Statement auftreten. So etwa Jan Schlink, Marketingchef bei Pro Juventute: «Männer müssen ihren Teil dazu beitragen, dass wir bei einer umfassenden Gleichberechtigung endlich weiterkommen.» Oder Markus Gwerder, Personalchef von Amgen Schweiz: «Ich möchte aktiv mithelfen, dass eine vollumfängliche Gleichberechtigung Realität wird!» Oder Florian Beckmann, Associate Partner bei Billbox Associates: «Wir brauchen eine Quote, damit wir keine Quote brauchen.»
Pirmin Meyer sieht bei vielen Unternehmen eine Lücke zwischen dem, was punkto Gleichstellung kommuniziert, und dem, was tatsächlich getan wird. «Zu wenige Firmen gehen das Thema mit der nötigen Vehemenz an», beklagt Meyer, der mit seiner ehrenamtlichen Arbeit für WE/MEN auch Vorbild für seine acht- und elfjährigen Söhne sein will. Zusammen mit Experten der Universität St. Gallen hat er ein «Male Allyship Training» entwickelt, das Männern Ängste und Unsicherheiten im Zusammenhang mit Gleichstellungspolitik nehmen soll. «Ich sehe nicht, welche Nachteile Männern entstehen sollten, wenn es mehr Gleichberechtigung gibt», betont er. «Was ich sehe, ist, dass Männer Angst haben, sich mit dem Thema zu befassen.»
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Männern diese Angst zu nehmen und sie dazu zu ermutigen, das traditionelle Männerbild zu hinterfragen, hat sich der Verein «Die Feministen» auf die Fahne geschrieben. Viel Aufmerksamkeit bekamen sie am «Rethink Masculinity Day», als sie im April 2023 im Rock am Paradeplatz aufliefen, um auf den Einfluss der Kleidung auf das Rollen- und Männerbild aufmerksam zu machen. «Wer sich feminin kleidet, wird schnell in eine Schublade gesteckt. Das ist unnötig und limitierend», kritisiert Michel Zimmermann. Ein wichtiger Teil ihrer Arbeit ist der regelmässige Austausch bei den «FeminisTTischli», offenen Diskussionrunden, bei denen Themen wie Pornografie, gendergerechte Sprache, toxische Männlichkeit oder Care-Arbeit auf der Agenda stehen.
Vor einigen Monaten tauschten sich männliche und einige weibliche Feministen in Basel über «Männer und Freundschaften» aus. Ein selbst gemaltes Banner mit der Aufschrift «Hier treffen sich heute Abend ‹Die Feministen›» weist den Besuchern den Weg zum Seminarraum in der Universitätsbibliothek. Die Fenster sind weit geöffnet. Draussen regnet es in Strömen. Für die Pause stehen Eistee, Chips und Bio-Trauben parat. Jemand hat eine Bücherecke mit feministischer Literatur aufgebaut. Alle haben sich die einleitenden Worte zu Herzen genommen: «Bitte achtet auf eure Sprache und seid rücksichtsvoll mit der Redezeit.» Es funktioniert: Feministen unterbrechen sich nicht, halten sich kurz, fragen nach. Redezeit ist hier kein Statussymbol. Das ist nicht nur ein besonders angenehmer Umgang, sondern steigert auch die Effizienz – die Teilnehmer kommen schnell voran mit der Themenliste.
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Feministen …
… lachen nicht mit über frauenfeindliche Witze, sondern sagen: «Finde ich nicht lustig.»
… schauen nicht weg, wenn Frauen belästigt werden.
… sprechen über ihre Niederlagen und Rückschläge.
… fragen um Hilfe.
… gehen zum Arzt – wenn sie krank sind und zur Vorsorge.
… sprechen mit ihren Kollegen über Sexismus und veraltete Denkmuster.
… wechseln nachts die Strassenseite, statt hinter einer Frau herzugehen.
… lesen Bücher, schauen Filme und hören Musik von Frauen.
… informieren sich über Feminismus.
… lassen Frauen ausreden.
… geben Frauen keine ungebetenen Ratschläge.
… haben weibliche Vorbilder.
… haben auch mal keine Ahnung – und geben es zu.
… fühlen sich von Frauenförderung nicht bedroht.
… nennen Frauen niemals hysterisch, zickig oder zu emotional.
… haben keine Angst vor Frauen, die mehr verdienen als sie selbst.
… nehmen sich frei, wenn sie Väter werden.
… helfen ihrer Partnerin nicht im Haushalt, sondern erledigen die Hälfte.
… sagen ihrem besten Freund: «Ich liebe dich.»
… erwarten keinen Applaus dafür, dass sie Feministen sind.
Noch mehr Infos und Mitstreiter finden Neu- und Alt-Feministen hier: feministen.ch; we-men.net; maenner.ch; heforshe.org
Während Freundschaften zwischen Frauen Face-to-face-Charakter hätten und es einen emotionalen Austausch gebe, könne man typische Männerfreundschaften als «side by side» beschreiben, ist eine der Erkenntnisse. Männer träfen sich vor allem für gemeinsame Aktivitäten, wird angemerkt. Das deckt sich mit den Erfahrungen im eher jungen Plenum. Mit Kollegen verabrede man sich zum Gamen, zum Sport, zum Trinken. Sehr ausführlich wird über körperliche Nähe zwischen Freunden gesprochen. «Was soll eigentlich immer dieses Klopfen auf den Rücken, anstelle einer richtigen Umarmung?», fragt ein junger Mann mit Vollbart und lässigem Man Bun. Die meisten würden eine feste herzliche Umarmung vorziehen. So wie sie es bei ihren Freundinnen sehen, zwischen denen auch Händehalten oder Kuscheln völlig normal sei.
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Ein entspannter Umgang mit körperlicher Nähe zwischen Männern wäre wünschenswert, da sind sich alle einig. «Feminismus muss viel positiver konnotiert werden», fordert Zimmermann. «Es soll ja nicht das Patriarchat durch ein Matriarchat ersetzt werden.» Ihm missfallen die anachronistischen Erwartungen, die an Männer gestellt werden – der Leistungsdruck, viel zu arbeiten, keine Schwäche zeigen zu dürfen und immer funktionieren zu müssen, ohne Emotionen zu zeigen. Im Patriarchat ist Fremd- und Selbstausbeutung für Männer alternativlos.
Für Markus Theunert, den wohl bekanntesten Vertreter der progressiven Männerbewegung in der Schweiz, ist eines klar: Die Orientierung an traditionellen Männlichkeitsbildern ist nicht nur ein Gesundheitsrisiko, sondern akut gesundheitsschädlich. «Je mehr man sich an Männlichkeitsanforderungen traditioneller Prägung orientiert, umso früher stirbt man, und zwar umso einsamer und umso bitterer», erklärt Theunert, der im vergangenen Jahr das viel beachtete Buch «Jungs, wir schaffen das» publizierte.
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Zahlreiche Analysen, wie die bekannte Kloster-Studie, belegen Theunerts Statement. Während die Lebenserwartung von Frauen weltweit höher ist als diejenige von Männern – in der Schweiz sind es rund vier Jahre –, leben Nonnen kaum länger als Mönche. Die Lebensbedingungen in Klöstern sind für Männer und Frauen, anders als ausserhalb der Klostermauern, sehr ähnlich. Die Erkenntnis: Frauen leben nicht etwa länger, sondern Männer sterben vorzeitig. Ein gesundheitsschädlicher und ausbeuterischer Lebensstil, der vom traditionellen Männerbild diktiert wird, ist Grund dafür. Offensichtliche Faktoren wie Alkohol- und Tabakkonsum rauben Männern ebenso ihre Lebenszeit wie berufliche Belastung oder zu wenig Austausch über Emotionen. Das zeigt sich in beklagenswerten Zahlen: So ist die Selbstmordrate bei Männern immer noch mehr als doppelt so hoch wie bei Frauen. 2022 nahmen sich in der Schweiz 263 Frauen das Leben – und 695 Männer.
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Im Rock am Paradeplatz – so demonstrieren «Die Feministen» gegen das traditionelle Männerbild.
Laurent Burst / ZVGIm Rock am Paradeplatz – so demonstrieren «Die Feministen» gegen das traditionelle Männerbild.
Laurent Burst / ZVGAufgrund der Erwartung, vor nichts Angst haben zu dürfen und sich alles zutrauen zu müssen, gehen vor allem junge Männer grosse Risiken ein. Das spiegelt sich in den traurigen Unfallstatistiken, die sich seit Jahren kaum verändert haben: Weiterhin verunfallen Männer deutlich häufiger schwer als Frauen. Am meisten trifft es junge Männer zwischen 18 und 24 Jahren. Das gilt im Strassenverkehr ebenso wie beispielsweise beim Baden. 2020 sind in der Schweiz mehr als dreimal so viele Männer in Seen oder Flüssen ertrunken wie Frauen. Gemäss Experten der Wasserrettungsdienste gelten junge Männer als Risikogruppe Nummer eins. Dabei sind weniger fehlende Schwimmkenntnisse ausschlaggebend als vielmehr das Überschätzen der Fähigkeiten.
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Psychologe Markus Theunert berät pro Jahr rund 100 Männer. Immer wieder sieht er, dass die Orientierung an traditionellen Männlichkeitsnormen, etwa keine Gefühle der Schwäche zeigen zu dürfen, zu einer Entfremdung vom seelischen Kern und zu Einsamkeit führt. «Ein richtiger Mann ist im traditionellen Bild auf niemanden angewiesen, er hat nicht die Freiheit, sich Unterstützung oder Hilfe zu suchen oder sich jemandem anzuvertrauen.» Das hat auch Auswirkungen auf Partner- und Freundschaften. Denn laut Theunert ist eine seelische Intimität gar nicht möglich, wenn man Gefühle wie Schwäche, Bedürftigkeit oder Verletzlichkeit nicht zeigen kann. Es überrascht daher nicht, dass junge Männer mehr als alle anderen Bevölkerungsgruppen unter Einsamkeit leiden. Damit steigt das Risiko für psychische Erkrankungen und Süchte.
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Herbert Grönemeyer stellte schon 1984 die Frage: «Wann ist ein Mann ein Mann?» Bis heute ist dieser Punkt nicht geklärt, und es besteht wohl mehr Verwirrung darüber als je zuvor. Die Ansprüche an junge Männer könnten kaum konträrer sein. «An Männer werden völlig widersprüchliche und unvereinbare Anforderungen gestellt», sagt Theunert. Sie sollen gute Gesprächspartner und Teamplayer sein, gleichzeitig sollen sie Stärke und Souveränität beweisen. «Die Botschaft lautet: Sei wie dein Vater, aber auf keinen Fall wie dein Vater!», bringt Theunert die Doppelbotschaft auf den Punkt.
Auf der Suche nach Vorbildern werden junge Männer an beiden Enden des Spektrums fündig: Der misogyne Influencer Andrew Tate und der Rapper Capital Bra mit seinen frauenfeindlichen Botschaften auf der einen Seite, erklärte Feministen wie US-Serienstar Justin Baldoni oder Stand-up-Comedian Trevor Noah auf der anderen. Was fehlt, sind die Leitfiguren in der Mitte.
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«Sich nur als Feministen zu bezeichnen, bringt gar nichts.» Michel Zimmermann
Photo by Laurent Burst«Ich sehe nicht, welche Nachteile Männern durch mehr Gleichberechtigungent stehen.» Pirmin Meyer
PD«Die Orientierung an traditionellen Männlichkeitsbildern ist ein akutes Gesundheitsrisiko.» Markus Theunert
ZVGZwar wird die feministische Bewegung – auch dank der zunehmenden Unterstützung von Männern – immer stärker, doch gleichzeitig nimmt etwa die Gewalt gegen Frauen zu. Es ist eine parallele Polarisierung mit völlig offenem Ausgang. Zwar ist es die vorherrschende Meinung, dass die Gleichstellung auf einem guten Weg sei. Weil das Patriarchat so tief in der Gesellschaft verankert sei, brauche es ein wenig Zeit. Für Theunert ist das ein gefährlicher Irrglaube. Er hält es nicht für gesichert, dass das Patriarchat bald abgelöst wird. Während ein Drittel der Männer in die Vorwärtsbewegung geht, das traditionelle Männerbild in Frage stellt, nach neuen Wegen sucht und sich Gruppen wie «Die Feministen» oder WE/MEN anschliesst, bewegt sich ein Drittel zurück in die Vergangenheit – «als noch klar war, was ein richtiger Mann ist und eine richtige Frau», spitzt es Theunert zu. Das mittlere Drittel bezeichnet er als passiv-ambivalente Pragmatiker. «Diese Männer haben sich zwar rhetorisch modernisiert, aber ihr Handeln ist weitgehend unverändert», erklärt er. Die aktuelle Situation sei ergebnisoffen. Welche Kräfte sich durchsetzen werden, hänge davon ab, ob die Gruppe der passiven Pragmatiker wegbreche. «Der Lack der Emanzipation ist dünn», mahnt Theunert. Überwunden geglaubte Vorstellungen wie «Frauen gehören zu den Kindern und in die Küche» könnten wieder salonfähig werden und die Fortschritte der Gleichstellungspolitik zunichtemachen.
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Brauchen Frauen Verbündete im Kampf für mehr Gleichberechtigung? Darüber herrscht Uneinigkeit. Doch die Rolle von Männern in der Frauenbewegung hat eine lange Geschichte. Bereits im 17. Jahrhundert schrieb der Theologe François Poullain de la Barre das Buch «Die Gleichheit der Geschlechter», in dem er die uneingeschränkte intellektuelle Gleichheit von Frauen und Männern empirisch belegte. Er forderte ein Ende des Patriarchats und die Gleichstellung der Geschlechter. Im frühen 20. Jahrhundert unterstützten Männervereine wie etwa die Men’s League of Women’s Suffrage in Grossbritannien den Kampf der Frauen für das Wahlrecht. Auch in den 1960er und 1970er Jahren traten Männer als Verbündete von Feministinnen in Erscheinung. Dann folgte eine Phase, in der immer mehr Initiativen exklusiv von und für Frauen waren – Männer wurden mehr und mehr ausgeschlossen. Erst in den vergangenen Jahren gab es ein Comeback männlicher Feministen. Die Gründung neuer Organisationen wie WE/MEN und «Die Feministen» spiegelt diesen Trend.
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Trotzdem gibt es immer noch Widerstand gegen das Engagement von Männern für Frauenthemen. Oft wird beklagt, dass Male Feminists unverhältnismässig viel Applaus erhalten, während Feministinnen als nervig dargestellt werden. Feministen wie Michel Zimmermann oder Pirmin Meyer gehen daher mit höchster Sensibilität vor. Sie wollen Frauen unterstützen, ohne dabei selbst im Scheinwerferlicht zu stehen. Schon gar nicht wollen sie anderen feministischen Organisationen Aufmerksamkeit stehlen, sondern deren Verbündete sein.
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