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Frau des Monats

Kann Hanneke Faber Logitech zurück in die Erfolgsspur bringen?

Ihre Ernennung zum CEO war eine Überraschung, und sie hat eine grosse Aufgabe: den Konzern nach einer schwierigen Phase wieder stabilisieren.

Marc Kowalsky

PremiereFaber leitet zum ­ersten Mal einen Konzern – auch wenn das Geschäft deutlich kleiner und weniger komplex ist als bei ihrem bisherigen ­Arbeitgeber Unilever.

Premiere: Faber leitet zum ersten Mal einen Konzern – auch wenn das Geschäft deutlich kleiner und weniger komplex ist als bei ihrem bisherigen Arbeitgeber Unilever.

Dan Cermak für BILANZ

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Hanneke Faber hat ein festes Ritual: Jeden Morgen um 7  Uhr steigt die Holländerin von ihrer Airbnb-Wohnung unweit des Logitech-Hauptsitzes in Lausanne hinunter an den Strand des Genfersees und trifft sich dort mit Freunden. Eine halbe Stunde gehen sie dann gemeinsam schwimmen, immer am Ufer entlang. Weiter hinaus auf den See traut sie sich nicht, wegen der Schiffe und weil sie keine der orangen Schwimmbojen hat, mit der sie deren Kapitäne auf sich aufmerksam machen könnte. «Man muss da ein bisschen vorsichtig sein», sagt sie. «Aber es ist grossartig, um körperlich aktiv zu sein und den Kopf freizubekommen.»

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Vorsichtig ist sie auch in ihrem neuen Job, denn dort befindet sie sich ebenfalls in für sie unbekannten Gewässern. Die letzten 30 Jahre verbrachte Faber (55) in der Konsumgüterindustrie, unterbrochen nur von einem Abstecher zur niederländischen Supermarktkette Ahold Delhaize. Mit Hightech hatte sie in ihrer Karriere kaum etwas am Hut. Jetzt aber muss sie den Elektronikkonzern Logitech, der die letzten Jahre von Turbulenzen und Krisen gebeutelt war, wieder in ruhigere Fahrwasser und zurück zum Erfolg führen. Und nicht wenige Mitarbeiter und Aktionäre fragen sich besorgt: Kann sie das?

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«Ich denke, ja», sagt Robert Jongstra, der vor über 30 Jahren ihr erster Chef war. «Ich will CEO von Procter & Gamble werden», schrieb Faber, damals 23-jährig, auf das Formular, mit dem sie sich um ihren ersten Job bewarb: «Das zeigte schon damals die Zielstrebigkeit und die Intensität, mit der sie ihre Karriere lebt», so Jongstra. «Wird Hanneke die nächste Maus erfinden? Nein, dafür wurde sie auch nicht geholt», sagt Paul Polman, früherer CFO und Amerika-Chef von Nestlé, der sie vor sechs Jahren in die Konzernleitung von Unilever holte: «Aber wenn sie gute Leute um sich hat, kann sie Logitech zum Erfolg führen. Sie ist eine bemerkenswerte Allrounderin, die sehr schnell lernt.»

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Fabers wichtigste Aufgabe wird es sein, endlich Ruhe zu bringen in den 4,3-Milliarden-Konzern. Während Corona wuchs Logitech stark, als die Leute sich mit Videoconferencing- und Gaming-Equipment eindeckten. Vor zwei Jahren setzte der Konzern 5,5 Milliarden Dollar um und erwirtschaftete 785 Millionen Betriebsgewinn, mehr als jemals in der Firmengeschichte. Doch CEO Bracken Darrell widmete sich zunehmend privaten Interessen statt dem Konzern. Als nach der Pandemie die Umsätze wegbrachen, verpasste er es, die Kosten wieder einzufangen; der Aktienkurs drittelte sich. Mit dem Wechsel zum Modekonzern VF Corporation kam er im Sommer 2023 schliesslich seiner Absetzung zuvor.

Personell findet der Konzern seither nicht zur Ruhe. Nach dem Abgang von Darrell musste Vizepräsident Guy Gecht die operative Leitung interimistisch übernehmen, weil das Board unter Präsidentin Wendy Becker keinen Nachfolger aufgebaut hatte. In 18 Monaten wurde zudem zweimal der Finanzchef ausgewechselt. Sechs von elf Verwaltungsräten haben in den letzten fünf Jahren das Gremium verlassen, das ist viel, zumal an der nächsten Generalversammlung auch noch Präsidentin Becker abtreten wird. Auch im mittleren Kader gingen viele gute Leute, teils als Folge des Stellenabbaus, teils aus Frustration. Der Posten des Schweiz-Chefs wurde gleich zwei Mal vakant; Vincent Borel, Sohn von Firmengründer Daniel Borel, verliess die Firma nach mehr als zehn Jahren ebenfalls; Chefdesigner Alastair Curtis folgte Darrell zu dessen neuem Arbeitgeber. Dass ihn Faber mit einer internen Nachfolgerin ersetzte, ebenso wie die pensionierte HR-Chefin Kirsty Russell, brachte ihr im Konzern Goodwill ein. Damit erreicht die Frauenquote im Unternehmen neue Rekordhöhen: Die Hälfte aller Führungskräfte sowie 39 Prozent der Mitarbeitenden sind weiblich, Logitech ist die einzige Firma im SMI mit einer Frau als CEO sowie einer VR-Präsidentin.

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Baustellen

Und dann sind da noch die Querelen mit Firmengründer Daniel Borel, der seit über einem Jahr die zeitnahe Absetzung von VR-Präsidentin Becker fordert: Entscheidungsschwach sei sie und habe keine Ahnung von Technologie, so sein Vorwurf. Letzteren macht er auch Faber. Anfangs schien Borel angetan von der neuen CEO, auch weil Faber ihn, anders als Becker, zum Gespräch und zum Lunch traf, ihm zuhörte und ihn respektiert. Doch inzwischen hat sich das Verhältnis abgekühlt. Zwar hat Borel an der Generalversammlung erneut eine Abfuhr erhalten in seinem Kampf gegen Becker, doch nun wirft er ihr Manipulation der Aktionäre vor und überlegt sich rechtliche Schritte. Bereits die Aufnahme seines Antrages in die Tagesordnung der GV musste er gerichtlich durchsetzen. Weiteres juristisches Störfeuer ist nicht ausgeschlossen.

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Bracken Darrell, chief executive officer of Logitech International SA, adjusts his jacket after a Bloomberg Technology television interview in San Francisco, California, U.S., on Monday, Jan. 28, 2019. Darrell discussed the company's push into gaming and the impact of the U.S.-China trade war. Photographer: David Paul Morris/Bloomberg

Bracken Darrell: Während Corona gab er Gas, verpasste dann den Bremspunkt.

Bloomberg
Bracken Darrell, chief executive officer of Logitech International SA, adjusts his jacket after a Bloomberg Technology television interview in San Francisco, California, U.S., on Monday, Jan. 28, 2019. Darrell discussed the company's push into gaming and the impact of the U.S.-China trade war. Photographer: David Paul Morris/Bloomberg

Bracken Darrell: Während Corona gab er Gas, verpasste dann den Bremspunkt.

Bloomberg

Eine Menge Baustellen also, die auf Faber warten. Sie ist eine ganz andere Persönlichkeit als ihr Vorgänger Bracken Darrell. Der galt als jovial, gesellig, kam mit seinem James-Dean-Look gut an, war überall beliebt. Faber ist introvertierter, bodenständig, kommt anfangs etwas kühl rüber, gilt als Arbeitstier, «Laser-fokussiert» (ein Mitarbeiter). Sie geht Entscheide logischer und kalkulierter an als Darrell, der viel auf sein Bauchgefühl hörte: «Sie ist mehr linke Gehirnhälfte als rechte», nennt es Chuck Boynton, bis vor Kurzem Finanzchef von Logitech. Und sie ist «unglaublich effizient», wie es Ex-Chef Jongstra ausdrückt: «Spätestens eine Stunde nach dem Meeting hat sie jeweils die Zusammenfassung verschickt.»

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Hanneke (holländische Verniedlichungsform von Johanna) ist keine raumfüllende Persönlichkeit; als der Fotograf sie für das BILANZ-Shooting kreuz und quer durch das Logitech-Hauptquartier scheucht, nimmt kaum jemand Notiz von ihr. Ihren Mitarbeitern gibt sie viele Freiheiten, aber überprüft die Zielerreichung genau. «Sie kommuniziert sehr klar, was als Nächstes getan werden muss und wer dafür verantwortlich ist», sagt Jongstra. Vor allem nimmt sie die Leute mit. Vor Amtsantritt bei Logitech gab Faber der Konzernleitung Hausaufgaben: Wo sehen wir die Bedürfnisse der Stakeholder in fünf Jahren, wo stehen wir jetzt, wie muss der Weg dazwischen aussehen? «Sie hat den Prozess gut vorbereitet. An ihrem ersten Arbeitstag konnten wir gleich loslegen», erinnert sich Kirsty Russell, bis Sommer HR-Chefin des Konzerns.

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In den ersten Monaten reiste Faber erst mal ausgiebig, besuchte Standorte und Fabriken des Konzerns rund um die Welt – übrigens ohne jeweils einen Koffer aufzugeben. So lernte sie Hunderte Mitarbeiter, Lieferanten und Vertriebspartner kennen, holte deren Meinung ab zu Produkten und Prozessen. Und sie versammelte die rund um die Welt verteilte Konzernleitung in Lausanne, um die Strategie auszuarbeiten – eine solche hatte ihr der VR nämlich nicht mitgegeben. «Ich bin bei Logitech nicht der strategische Visionär», so Präsidentin Becker einst im Interview. Den Startegieentwurf gab Faber dann konzernweit in die Vernehmlassung, bevor er verabschiedet wurde. «Sie führt sehr partizipativ, aber entscheidet dann auch klar», sagt ein Mitarbeiter.

Shitstorm

Intern war die Verunsicherung gross bei Fabers Amtsantritt. Zwar war auch ihr Vorgänger Bracken Darrell 2012 aus einer anderen Branche gekommen: Er arbeitete zunächst ebenfalls bei Procter & Gamble und verkaufte dort Herrendüfte, wechselte aber später zu Braun (Rasierer) und weiter zum Weisswarenhersteller Whirlpool, hatte also immerhin mit Hardware zu tun. Vor allem aber stand ihm bei Logitech mit VR-Präsident Guerrino De Luca ein Tech-Experte als Mentor zur Seite – das ist bei Faber nicht der Fall. 

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Forever MouseDie unausgegorene Idee einer Maus im Abonnement ­pro­vozierte einen ­gewaltigen Shitstorm im Internet.

Forever Mouse: Die unausgegorene Idee einer Maus im Abonnement provozierte einen gewaltigen Shitstorm im Internet.

Dan Cermak für BILANZ
Forever MouseDie unausgegorene Idee einer Maus im Abonnement ­pro­vozierte einen ­gewaltigen Shitstorm im Internet.

Forever Mouse: Die unausgegorene Idee einer Maus im Abonnement provozierte einen gewaltigen Shitstorm im Internet.

Dan Cermak für BILANZ

Anfängliche Fehltritte schienen den Skeptikern recht zu geben: Im Sommer dachte Faber in einem Podcast laut über eine «Forever Mouse» nach: Ein besonders hochwertiges und langlebiges Eingabegerät («Stellen Sie sie sich vor wie Ihre Rolex»), auch um den CO2-Fussabdruck zu reduzieren – für das dann Abonnementsgebühren fällig würden. Die unausgegorene Idee provozierte einen gewaltigen Shitstorm im Internet. Eine Woche später musste Logitech zurückrudern, ein solches Modell sei nicht geplant. Für Verwirrung sorgte auch ihre Aussage, dass Türklingel-Kameras «so gut wie verschwunden» seien. Auch hier musste Logitech später klarstellen, dass diese Produktkategorie keinesfalls aus dem Sortiment genommen werde. Faber, so schien es, war auch nach einem halben Jahr noch nicht angekommen im Unternehmen.

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Inzwischen sind die Kritiker deutlich leiser geworden, Fabers Tun zeigt erste Wirkung. So hat sie die Organisation, die während des Covid-Booms gewuchert hatte, vereinfacht und den Leuten klarere Verantwortlichkeiten zugewiesen. «Sie hat die Mitarbeiter hinter sich geschart und auf die Ziele ausgerichtet», so Russell. «Jetzt haben wir wieder eine Chefin, die uns Orientierung gibt», sagt ein anderer aus dem Konzern, «die Firma ist zurück in der Spur», ein Dritter. Die Stimmung, so hört man aus dem Bauch des Unternehmens, sei wieder besser, wenn auch noch nicht so gut wie auf dem Höhepunkt der Darrell-Zeit.

Erste zarte Erfolge stellen sich ein: Im vorletzten Quartal wuchs der Umsatz um 6 Prozent, im letzten um 13 Prozent gegenüber dem Vorjahr, die Jahresprognose wurde leicht angehoben – vor allem, weil die Händler die geleerten Lager auffüllten. Die Börse freilich glaubt die Story noch nicht: Der Aktienkurs von Logitech ist leicht tiefer als zu Fabers Amtsantritt, während der Nasdaq Composite Index seither um 25 Prozent gestiegen ist. «Es gibt immer Ups und Downs, uns geht es um die langfristige Entwicklung», so Faber – was soll sie sonst auch sagen?

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Wachstumserwartung

Langfristig ist ihre Zielsetzung dabei durchaus ehrgeizig: Bis 2031, zum 50-Jahr-Firmenjubiläum, soll Logitech doppelt so gross sein wie jetzt. Eine «interne Ambition» nennt sie das einschränkend, an die Märkte werden deutlich bescheidenere jährliche Wachstumsziele im mittleren einstelligen Prozentbereich kommuniziert. «Das menschliche Potenzial bei Arbeit und Spiel erweitern», lautet ihre Vision, was im Prinzip eine Umschreibung ist für Wachstum bei Büroanwendern (auch im Homeoffice) und bei den Gamern.

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Gerade im B2B-Bereich sieht sie Potenzial: «Heute beliefern wir meistens Büros, aber die Mehrzahl der Menschen arbeitet nicht in Büros», sagt sie. Bildungseinrichtungen, Gesundheitswesen, sogar Produktionsstätten hat sie als neue Ziele identifiziert. Gleichzeitig hat es auch im direkten Onlinegeschäft mit Privatkunden noch Luft nach oben. Die Kunst wird sein, dort organisch zu wachsen, ohne die Retailpartner zu verärgern. Und dann sind da ja noch die Olympischen Spiele 2028, wo Gaming erstmals offizielle Disziplin sein wird – eine gewaltige Profilierungschance. Wie genau Faber diese nutzen will, ist noch unklar, aber bereits jetzt sponsert Logitech verschiedene Teams mit Ausrüstung oder stellt ihnen die eigenen Gaming Labs als Trainingslager zur Verfügung. An KI kommt Logitech natürlich auch nicht vorbei. Noch befindet man sich im Experimentierstadium. Was genau die USP von Logitech gegenüber anderen Firmen sein soll, ist noch unklar – ausser vielleicht der Tatsache, dass die Firma auf einer grossen Menge von Sounddaten sitzt, mit der man eine KI darauf trainieren könnte, etwa bei Videokonferenzen Störgeräusche zu eliminieren.

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Besonders in Fabers Fokus steht das Brandmanagement. Da war Logitech nicht sonderlich diszipliniert, weiss man im eigenen Haus: Trotz vergleichsweise geringer Grösse leistet sich die Firma relativ viele Untermarken wie G und Astro (Gaming), Ultimate Ears (Lautsprecher), Blue (Mikrofone) etc. Nun aber will Faber Logitech zu einer Markenikone machen. «Das beginnt damit, dass wir uns zu einer einzigen, vertrauenswürdigen Logitech-Marke entwickeln – und nicht zu einem Haus von Marken.» Zur Schärfung des Brands gehört auch, dass Logitech im lukrativen Firmenkundensegment zukünftig weniger als Peripherielieferant und mehr als Mission-Critical-Partner wahrgenommen werden soll. Denn gerade im Bereich Videoconferencing sieht Faber ein gewaltiges Upside.

Genau das ist ihre grosse Stärke: Um Marken hat sie sich fast ihre ganze Karriere gekümmert. Als Turmspringerin – Faber war siebenfache niederländische Meisterin, nahm an Europa- und Weltmeisterschaften teil – kam sie mit einem Sportstipendium an die Universität von Houston, studierte dort Journalismus («eine grossartige Grundausbildung, weil man lernt, Fragen zu stellen und einigermassen gut zu schreiben») und BWL. Auch ihre beiden Töchter studierten später dort. Danach wollte sie zurück nach Europa, aber bei einer US-Firma arbeiten – und landete beim Konsumgüterriesen Procter & Gamble (P&G) in Rotterdam, wo sie sich um das Marketing für Pantene-Shampoo kümmerte. Später wechselte sie nach Athen, dann für zehn Jahre an die neu errichtete Europazentrale in Genf («eine wunderbare Zeit»), wo sie als Europa-Chefin für Marken wie Olay oder Max Factor zuständig war und ihren Ehemann, einen amerikanisch-griechischen Immoblienentwickler, kennenlernte. Auch ihre drei Kinder wurden in Petit-Lancy GE geboren. Danach verantwortete Faber am Hauptsitz in Cincinnati drei der wichtigsten Konzernmarken (Pantene, Head  &  Shoulders, Herbal Essences) mit weltweit sechs Milliarden Dollar Umsatz. Ihr gelang es dabei, unter den sehr verschiedenen Produktgruppen Zusammenhalt herzustellen, auch indem sie in den Ländern feierlich Auszeichnungen übergab, wenn sie Meilensteine wie 100 oder 250 Millionen Euro Umsatz erreicht hatten. «Herausfordernd, aber gleichzeitig teambildend», erinnert sich Gina Drosos, die bei P&G erst über, dann neben, dann unter Faber arbeitete.

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Neckischer Zufall

Nach 21 Jahren bei P&G wechselte sie 2013 zurück in die Niederlande zu Ahold Delhaize, einem Supermarktriesen mit 60 Milliarden Euro Umsatz und 400'000 Mitarbeitern. Dort baute sie als Chief Commercial Officer von quasi null das E-Commerce-Geschäft auf sowie eine digitale Plattform, um Synergien zwischen dem amerikanischen und dem europäischen Geschäft zu heben. «Sie war keine Digitalexpertin, aber mit ihrem Führungsstil hat sie die Fähigkeit, das Wissen in der Organisation zu vernetzen», erinnert sich der damalige Ahold-Delhaize-CEO und heutige Nestlé-Verwaltungsrat Dick Boer: «Sie hat eine gute Antenne für Innovation, extrem viel Energie und die Fähigkeit, die Leute hinter sich zu scharen.»

Es sollte Fabers einziges Tech-Exposure bleiben, 2018 holte sie Paul Polman in die Konzernleitung von Unilever, die beiden kannten sich aus gemeinsamen P&G-Zeiten. Bei Unilever war sie erst Europa-Chefin, dann weltweit für das 20 Milliarden schwere Nahrungs- und Erfrischungssegment zuständig, das 40 Prozent des Konzernumsatzes ausmachte. In den vier Jahren unter ihr wuchs das Geschäft im Schnitt mit sechs Prozent pro Jahr. Dass ihr Spartenumsatz insgesamt trotzdem sank, lag an milliardenschweren Devestitionen (unter anderem Lipton Tea, Langnese-Eiscrème). «Hanneke hätte leicht die nächste CEO von Unilever sein können», sagt Polman, «aber der Konzern entschied sich für Alan Jope als meinen Nachfolger, weil er schon 30 Jahre mit dabei war.»

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Spricht man mit früheren und gegenwärtigen Weggefährten, fällt eine Charakterisierung immer wieder: Faber stamme zwar aus dem Markenbereich, habe sich aber all die anderen nötigen Fähigkeiten im Laufe der Karriere angeeignet – sprich, eine Allrounderin. So sitzt sie etwa im Board von Tapestry, Inc., der Muttergesellschaft der Mode-Luxusmarken Coach, Kate Spade New York und Stuart Weitzman mit acht Milliarden Dollar Umsatz – und zwar im Audit Committee. Dort ist ihr Buchhaltungswissen derzeit besonders gefragt, befindet sich die Firma doch gerade im Übernahmeprozess einer anderen Acht-Milliarden-Firma, Capri Holdings mit den Marken Versace, Jimmy Choo und Michael Kors. Dass Faber damit auch ein bisschen ihren Vorgänger Darrell an der Spitze der VF Corporation (Timberland, The North Face, Napapijri) konkurrenziert: ein neckischer Zufall.

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Wunsch-job«Ich habe meinem Mann gesagt: Ich hoffe, dass die Headhunter anrufen!»

Wunsch-Job: «Ich habe meinem Mann gesagt: Ich hoffe, dass die Headhunter anrufen!»

Dan Cermak für BILANZ
Wunsch-job«Ich habe meinem Mann gesagt: Ich hoffe, dass die Headhunter anrufen!»

Wunsch-Job: «Ich habe meinem Mann gesagt: Ich hoffe, dass die Headhunter anrufen!»

Dan Cermak für BILANZ

Klar ist: Faber, Bücherwurm und Fan von HC Lausanne und Servette Genf, seit ihr Mann sie in die Eishalle zog, wollte den Logitech-Job – wegen ihres Wissens über Brands und Innovation, wegen ihrer Erfahrung im E-Commerce, wegen ihrer US-Vergangenheit. In der Tat ist die Mischung aus Schweizer und Silicon-Valley-Kultur seit der Firmengründung vor 43  Jahren ein wichtiger Erfolgsfaktor für Logitech. «Es fühlte sich an wie ein Job, bei dem vieles zusammenkommt, was ich bieten kann», sagt Faber, auch wenn das Geschäft deutlich kleiner und weniger komplex ist als bei Unilever. «Deswegen habe ich meinem Mann gesagt: Ich hoffe, dass die Headhunter anrufen!» Das taten sie am nächsten Tag.

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Sie war natürlich nicht die einzige Kandidatin. Sieben Personen standen in der Endauswahl für den CEO-Job: vier aus der Technologiebranche, zwei aus Konsumgüterfirmen, eine Person aus einem Grenzbereich zwischen den beiden Branchen. Sie präsentierten dem Board ganz verschiedene Konzepte: Logitech müsse sich auf Software konzentrieren, alles auf KI setzen, ganz neue Produktkategorien erobern etc. Die vier Tech-Kandidaten hatten keine Chance: Der VR teilt bisher schon keine gemeinsame technologische Vision und wollte nicht noch mehr Uneinigkeit diesbezüglich. Faber war am besten vorbereitet, und dass sie als Branchenfremde technisch unbelastet und damit offen für die besten Argumente war, gereichte ihr zum Vorteil. Am Schluss gewann sie die Abstimmung klar.

Auch wegen ihres Führungsstils: «Doing well by doing good», ist ihr Mantra, «Erfolg haben, indem man Gutes tut». Das tönt zunächst wohlfeil, jeder CEO würde das heute unterschreiben. Bei Faber jedoch ist es glaubwürdig: Ihr Vater Mient Jan Faber war ein bekannter Friedensaktivist, organisierte in den achtziger Jahren Demonstrationen gegen Atomwaffen in Europa und den USA mit Hunderttausenden Teilnehmern, setzte sich für Demokratie und Menschenrechte hinter dem Eisernen Vorhang ein. «Hanneke hat eine Menge von ihrem Vater übernommen, sie hat immer darauf geachtet, das Geschäft verantwortungsvoll zu führen», erinnert sich Paul Polman. Bei Unilever etwa steckte Faber viel Geld in eine «Make Taste, not Waste»-Kampagne für die Marke Hellmann’s mit der Kernaussage: Egal, was sich noch im Kühlschrank findet, es lieber mit Mayonnaise essen, als es wegzuwerfen. Eigennutz meets Umweltbewusstsein.

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Innovationsschwäche

Faber hat noch nie als CEO gearbeitet. Themen wie der Umgang mit dem Board oder Investor Relations sind also neu für sie. Für Letzteres hat sie nun mit dem neuen CFO Matteo Anversa ein kampferprobtes Schlachtross an der Seite: Der US-Amerikaner brachte einst Ferrari an die Börse. Die entscheidende Frage wird aber eine ganz andere sein: Kann Logitech ihre strategische Innovationsschwäche der letzten Jahre endlich überwinden? Wichtige Trends wie intelligente Lautsprecher, Smart Home oder Smartwatches hatte die Firma verpennt, obwohl man gerade im letzten Fall als Schweizer Hersteller für dieses Segment prädestiniert gewesen wäre. In den Bereich tragbarer internetfähiger Spielkonsolen stieg man vor zwei Jahren erst ein, als Marktpionier Google schon den Abschied verkündet hatte; das Logitech-Produkt G Cloud läuft harzig und schaffte es deshalb auch erst jetzt auf den europäischen Markt. Den MX Ink, einen Stylus für das Metaverse, präsentiert Faber nun stolz als «grossartiges Beispiel für Experimente in neuen Bereichen». Doch der Prototyp wurde schon vor fünf Jahren vorgestellt, als Virtual Reality noch heiss war.

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Dabei wäre ein Befreiungsschlag möglich: Dank des Corona-Booms sitzt die Firma auf 1,5 Milliarden in Cash, ist quasi schuldenfrei – von einer «sehr gesunden, man könnte sagen: tadellosen Bilanz» spricht Faber. Genug Feuerkraft für Übernahmen wäre also vorhanden. «Wenn sich die richtige Gelegenheit ergibt, werden wir nicht zögern, sie zu nutzen», sagt sie. Gleichzeitig warnt die Chefin davor, übermütig zu werden: «M&A ist nichts für schwache Nerven», sagt sie: «Auch hier werde ich bei der Auswahl der richtigen Ziele sehr vorsichtig sein.»

Ihre vorsichtige Linie dürfte Faber also beibehalten. Auch was das Schwimmen angeht: «Nächste Woche fliege ich nach Kalifornien», sagt sie. Dort, in Menlo Park im Herzen des Silicon Valley und nahe der Logitech-Büros in San Jose, wird sie die nächsten Monate verbringen und Tech-Kultur inhalieren. «Und wenn ich im Januar zurückkomme, ist es wohl zu kalt für mich, um noch ins Wasser zu gehen.»

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Über die Autoren
Marc Kowalsky

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