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Politik

Jobst Wagner über die Schweizer EU-Politik: «Ungenügend!»

Jobst Wagner, Gründer der Denkfabrik StrategieDialog21, zu EU-Verhandlungen.

sdf

Jobst Wagner

Jobst Wagner Der 63-Jährige ist Vizepräsident des VR der Rehau Gruppe. 2013 hat er den Thinktank StrategieDialog21 ins Leben gerufen und setzt sich für eine offene, innovative und freiheitliche Schweiz ein.

Sandra Blaser

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Ihr Thinktank StrategieDialog21 hat Schweizer zu ihrer Haltung zur EU befragt. Welches waren die Erkenntnisse?

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Das Chancenbarometer hat zu Europa viele wichtige Erkenntnisse gebracht, so sehen etwa 85 Prozent der Befragten die Bilateralen als wichtig für die Schweiz, und 71 Prozent finden, dass das EU-Dossier für unser Land grosse Chancen birgt. Insgesamt sieht man, dass in der Bevölkerung eine deutlich höhere Offenheit gegenüber Europa jenseits des bilateralen Weges besteht, als Politik und Medien suggerieren.

Wo sehen Sie am meisten Handlungsbedarf?

Innenpolitisch wurden die Hausaufgaben nicht erledigt. Die Bevölkerung ist offen, gerade bei Fragen der Streitschlichtung oder der Personenfreizügigkeit, doch die Debatte muss richtig geführt werden, und das passiert nicht.

Staatssekretärin Livia Leu kam Mitte Oktober ohne Ergebnisse aus Brüssel zurück. Warum dauern die Verhandlungen so lange?

So kann das ja nichts werden. Zentrale institutionelle Fragen wie die Streitschlichtung sind nach wie vor offen, und es fehlt wie gesagt innenpolitische Klarheit, was die Schweiz grundsätzlich will. Es ist sinnlos zu verhandeln, während auf unserer Seite noch Grundlagen ausstehend sind. Fahrlässig!

Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut
Martin Stollberg
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Die Fronten zwischen Bern und Brüssel sind verhärtet. Die Wirtschaftsministerin aus Baden-Württemberg plädiert für mehr Pragmatismus. Weiterlesen. Abo.

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Welche Schulnote würden Sie dem Bundesrat für die EU-Politik geben?

Ungenügend.

Wie bitte?

Der Bundesrat hat das Rahmenabkommen ohne Plan B beerdigt. Die seitherige Herangehensweise lässt institutionelle Fragen unbeantwortet. Der Abbruch der Verhandlung 2021 war ein Fehler und hat die Dinge nun weiter verkompliziert.

Die Wirtschaft zeichnet sich allerdings auch nicht durch eine klare Haltung bei diesem Thema aus.

Nicht nur die Wirtschaft, sondern auch Wissenschaft und NGOs müssen sich bei der EU-Frage mehr einbringen. Ohne Druck auf die Politik wird es keinen Fortschritt bei diesem Thema geben.

Man hört oft: «Es ist ja gar nicht so schlimm.»

Ein Hauptproblem ist, dass die Erosion der bilateralen Verträge schleichend vor sich geht und daher zu wenig zur Kenntnis genommen wird. So wird man etwa den Innovationsverlust für die Schweiz, aufgrund des Ausschlusses aus EU-Forschungsprogrammen, erst in einigen Jahren schmerzhaft spüren. 

Über die Autoren
sdf

Anne-Barbara Luft

Anne-Barbara Luft

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