Guten Tag,
Seit einem Jahr ist János Hée CEO des Wäscheherstellers Zimmerli. Er spricht im Interview über Freuden und Pläne für das 150-jährige Unternehmen.
Der Macher: János Heé (r.) hat sich für das Traditionsunternehmen viel vorgenommen – und bereits tiefe Spuren hinterlassen.
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Herr Heé, seit einem Jahr sind Sie CEO von Zimmerli. Was haben Sie erreicht?
Wir haben das Unternehmen ins digitale Zeitalter geführt.
Das heisst?
Nur ein Beispiel: Von Zimmerli gibt es das weltweit erste digitale Lookbook. Im Unterschied zu den herkömmlichen Lookbooks, die nur für Händler hergestellt und an diese – offline – verschickt werden, steht unseres nun online der ganzen Welt offen.
Und was ist dabei die Errungenschaft?
Erstens sehen Sie, was wir als Nächstes herausbringen. Was Ihnen gefällt, können Sie zweitens nicht nur vorbestellen, sondern ab Anfang 2021 drittens auch im Schnitt Ihren Wünschen anpassen – auf sich massschneidern lassen.
Was versprechen Sie sich davon?
Wir werden datenbasierter, lernen Kundenwünsche besser kennen, und davon versprechen wir uns Wachstum.
Zimmerli gibt es auch günstig, im Outlet.
Seit dem Black Friday ist dieser ebenfalls online. Für uns eine Chance, um neue Kunden zu gewinnen. Zimmerli bewegt sich in der oberen Preisklasse, aber wir wissen auch, was passiert, wenn jemand unsere Qualität erst einmal entdeckt hat.
Nämlich?
Für mich war es wie eine Offenbarung. Nachdem mich die Inhaberfamilie für den Posten des CEO kontaktiert hatte, deckte ich mich mit Zimmerli-Produkten ein. Ich trage nur noch Zimmerli-Boxershorts, weil sie so angenehm sind. Und das Beste: Am Sonntagmorgen, wenn ich meinen Zimmerli-Morgenmantel anziehe – etwas, das ich früher freilich nie besessen habe –, sagen meine Kinder zu mir: «Papi, du siehst aus wie ein König!» (Lacht.)
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Was haben Sie denn für einen Morgenmantel?
Das besonders edle Modell, goldfarben und aus Seide. Das haben wir in Russland sehr erfolgreich verkauft. 2020 war dort übrigens generell sehr stark.
Da gibt es auch eine Zimmerli-Boutique.
Nein, die haben wir nicht mehr. Wir haben 2019 mit Ausnahme von Paris alle eigenen Läden geschlossen.
Warum?
Es hat sich schlicht nicht gerechnet. Der Erfolg in Russland rührt aktuell daher, dass die Russen nicht mehr nach Paris reisen, sondern sich im Moskauer Kaufhaus TSUM eindecken. Das hat für uns das Luxusproblem geschaffen, dass wir in der Produktion im Tessin nicht mehr nachkommen. Zum Glück konnten wir vier Näherinnen, die von einem anderen Unternehmen in Kurzarbeit geschickt worden waren, zur Unterstützung zu uns holen.
Zimmerli, gegründet 1871 von Pauline Zimmerli in Aarburg AG, stand von Anfang an für heiss begehrte Feinwäsche, und zwar international.
ZVGZimmerli-Unterwäsche wurde für ihre Qualität vielfach prämiert und schaffte es 1888 in den Pariser Bon Marché, heute beliefert Zimmerli Luxuskaufhäuser in 55 Ländern.
ZVGVor über 100 Jahren hiess die Ware «Zimmerli-Unterkleider» und galt schon damals als qualitativ herausragend. Heute heisst der Slogan: «The World’s Finest Underwear.»
ZVG2007 hat die Investmentfirma v. Nordeck Holding Zimmerli mit rund 80 Mitarbeitern übernommen.
ZVGDer Hauptsitz befindet sich heute in Aarburg, produziert wird in Mendrisio TI.
ZVGZurück zur Digitalisierung des Unternehmens: Was war die grösste Herausforderung?
Wenn so ein Prozess gestartet wird, muss man einerseits die Leute mitnehmen, aber auch mutige Schritte wagen. Der erste besteht für gewöhnlich darin, Bestehendes zu hinterfragen.
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Dann sind Sie im 150-jährigen Unternehmen wohl nicht nur beliebt.
Respekt muss man sich erarbeiten mit Glaubwürdigkeit und Kompetenz. Es kam auch noch Corona dazu, und ich war doppelt gefordert.
War für Sie, der das Unternehmen umkrempeln soll, diese Krise nicht auch ein bisschen ein Glücksfall?
Zu meinem Digitalisierungsauftrag kam nun noch ein Sparauftrag dazu. Und dafür Massnahmen zu ergreifen, ist fraglos einfacher mit Krise als ohne. Aber im Zusammenhang von Corona von Glück zu reden, halte ich für verfehlt.
Wo haben Sie gespart?
Ich definiere Luxus über Werte, Herkunft, Qualität und nicht über Status. Ergo gibt es keinen Grund, dass jemand, der eine Luxusmarke vertritt, auch ein Luxusauto fahren muss. Das interne Umdenken war der erste Challenge. Der zweite war und ist es noch, leistungsorientierter zu denken und zu arbeiten, laufend zu messen und uns zu verbessern. Zudem musste ich, gewöhnt an Englisch, an meiner Sprache arbeiten. KPI, zum Beispiel, versteht ja wirklich nicht jeder.
Was ist KPI?
Key Performance Indicators – Kennzahlen, mit denen die Leistung von Aktivitäten im Unternehmen ermittelt werden. Wir haben angefangen zu messen, das war neu.
János Heé, 43, ist seit Anfang Jahr CEO des Schweizer Luxuswäscheherstellers Zimmerli. Davor war der Dr. oec. HSG als Vice President Global Digital Ventures & Growth beim Personalvermittler Adecco unter Vertrag, war Director Digital Business beim Telekomanbieter Sunrise und Head of E-Commerce bei der Swiss. Heé lebt in Zürich, ist verheiratet und Vater von zwei Kindern. Sein Hobby: Eishockey.
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Was hat Sie am Wäschehersteller Zimmerli gereizt?
Ich habe mir alles genau angeschaut und vieles entdeckt, was fehlte oder unzureichend war. Es gab zum Beispiel keine überzeugende Website, kein Kennzahlen-Cockpit – und das hat mich angezogen, weil ich gerne Dinge aufbaue.
So eine Digitalisierung verschlingt doch Unsummen!
Für Start-ups gibt es viele günstige, vorgefertigte digitale Lösungen – sofern man keine Spezialwünsche hat.
Zimmerli ist 150 Jahre alt und doch kein Start-up.
Bezüglich Digitalisierung schon. Aber zugegeben, ich musste erst hier ankommen.
Inwiefern?
Drucker, Faxgeräte, Formalismen, alle sind per Sie, ich wurde mit «Herr Doktor Heé» angesprochen. Ich führte das Du ein und schaffte vieles ab, was Zeit und Energie kostet, aber am Ende nur gemacht wird, weil es immer so gemacht worden ist. Mein Credo: Veränderungen sofort angehen, Fehler rascher erkennen und dann korrigieren. Zudem holte ich Leute, die mir helfen, in der Organisation das Wissen zu verbreiten, das ich habe. So ist nun zum Beispiel jemand dafür verantwortlich, alle in die Software fürs Projektmanagement einzuführen.
Leute von aussen?
Nein, Leute von innen, von denen ich gemerkt habe, dass sie anpacken wollen.
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Um die Marke Zimmerli selbst kümmern Sie sich nicht?
Doch, und es sind auch Entscheide gefallen. Wir haben Schnitte und die Farbpalette neu definiert, die mit der Trendfarbe der Saison harmoniert. In unserer neuen Kollektion aber auch schon einiges drin, was anders daherkommt, jünger.
Wie gross ist Ihre Designabteilung?
Wir haben eine einzige Designerin. Sie ist sehr erfahren und sehr motiviert – fraglos eine Schlüsselfigur, auch für das Branding.
Was wohl Ihre Mitarbeiter über Sie sagen?
Mitarbeiter sagen mir, dass es geschätzt wird, wie offen ich kommuniziere, und dass ich alle gleich behandle. Auch, dass ich ein Macher bin, ein Umsetzer, der die Firma nach vorne bringen will.
Auch weniger Schmeichelhaftes?
Wir machen gerade eine Mitarbeiterumfrage, es wird nicht nur schmeichelhaftes Feedback geben. Vieles bekomme ich auch mit. Etwa dass ich zu schnell vorwärtsmache und die Mitarbeiter zeitweise damit überfordere und verunsichere. Andererseits bin ich zugänglich, und das wird zunehmend genutzt. Man kommt mit Anliegen zu mir, was mir zeigt, dass man mir zunehmend vertraut. Ich bin überzeugt: Je offener und eindeutiger man kommuniziert, desto besser. Ich selbst erlebte immer wieder, dass ein Chef A sagte und B meinte, und fand das schrecklich.
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Wie lief 2020 für Zimmerli?
In konkreten Zahlen kann ich nicht sprechen, das Unternehmen ist ja in Privatbesitz. Was ich sagen kann: Im Lockdown hat der Umsatz zunächst gelitten, sich dann aber im E-Commerce dank unserer Massnahmen erholt. Ende Jahr liegt der Umsatz 20 Prozent hinter Vorjahr, das Budget aber deutlich darüber.
Welches sind die wichtigsten Märkte?
Wir sind in über 50 Ländern tätig, die Kernmärkte sind historisch bedingt die Schweiz und Deutschland, inzwischen zählen wir auch UK und Frankreich dazu.
Die USA?
Es gibt Hollywoodstars, die Zimmerli tragen, auch in zahlreichen Filmen ist unsere Wäsche zu sehen. Kunden zu erreichen, ist dennoch nicht einfach.
Die Baumwolle, aus der die Zimmerli-Unterwäsche in Mendrisio TI genäht wird, stammt grossteils aus Griechenland. Nur die allerfeinste für die Kollektion Sea Island kommt aus Übersee, weil es sie nur von dort gibt.
ZVGDie Baumwolle, aus der die Zimmerli-Unterwäsche in Mendrisio TI genäht wird, stammt grossteils aus Griechenland. Nur die allerfeinste für die Kollektion Sea Island kommt aus Übersee, weil es sie nur von dort gibt.
ZVGLiesse sich mit Marketing sicher machen.
Prozentual zu unserem Umsatz befindet sich das Marketingbudget im tiefen einstelligen Bereich. Wir können uns weder teure Influencer leisten noch gross angelegte Kampagnen. Das mit der Begrenzungsinitiative war von daher ein echter Glücksfall.
Erzählen Sie!
Wir haben uns im Vorfeld der Abstimmung mit schönen Zimmerli-Plakaten und dem Slogan «Wir lassen uns unsere Freizügigkeit nicht nehmen» in diese politische Diskussion eingebracht. Für unser Unternehmen ging es ja um die Existenz: Sämtliche unsere Näherinnen sind Grenzgängerinnen und stammen aus Italien. Der Grund dafür ist, dass wir in der Schweiz keine geeigneten finden.
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War diese politische Einmischung ein Erfolg?
Es gab vereinzelt Kritik, in der Schweiz ist es ja nicht üblich, dass sich ein KMU in die Politik einbringt. Aber wir hatten überwiegend positive Reaktionen und zudem den besten September überhaupt, online wie offline. Und: Unsere Mitarbeiter waren stolz auf diese Aktion, und das war mir in dem Moment fast noch wichtiger.
Apropos: Zimmerli ist ein KMU mit knapp 80 Mitarbeitern, die an zwei Standorten in der teuren Schweiz arbeiten. Ist das effizient?
Das ist historisch gewachsen und tatsächlich ein Schmerzpunkt. In Aarburg sind Marketing, Produktmanagement und Vertrieb, in Mendrisio die Produktion und neu auch die Logistik, was die Effizienz bereits erhöht hat. Sicher ist: Am «Swiss Made» hält Zimmerli fest, wir produzieren als Einzige zu 100 Prozent hier.
Und nun wird aus dem Digitalisierer Heé der Markenmanager Heé?
Nein. Mein Auftrag, Grundlagen zur erfolgreichen digitalen Transformation zu schaffen, ist erfüllt. Ich werde weiterziehen und mich neuen Herausforderungen im Bereich der Digitalisierung sowie der Produkt- und Service-Innovation widmen. Im nächsten Mai übernimmt hier mein Nachfolger den CEO-Posten.
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