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Seit Jahren knetet er den Zementkonzern durch. Jetzt folgt der grösste Einschnitt, die Abspaltung des US-Geschäftes. Es wird nicht der letzte sein.
Kein anderer Firmenchef hat jemals einen SMI-Konzern in so kurzer Zeit so radikal transformiert wie Jan Jenisch.
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Es piepst vernehmlich, es blinkt mehrmals blau, dann setzt sich das Gefährt leise in Bewegung: Von der Beladestation oben im Steinbruch Siggenthal AG fährt die Mulde auf Rädern selbstgesteuert und vollelektrisch die mehrere hundert Meter lange Strecke hinunter zur Verarbeitungsstelle. Dann kippt das Fahrzeug, Loader genannt, 15 Tonnen Kalkstein und Mergel in einen Brecher, die dort zermahlen und anschliessend über ein 3,5 Kilometer langes Förderband hinunter in die Zementöfen am Bahnhof Würenlingen transportiert werden. 600 Tonnen Rohmaterial für die Zementherstellung werden so pro Stunde angeliefert, jeden Tag von 6 bis 19 Uhr, auch ein 24-Stunden-Betrieb wäre möglich. Nach getaner Arbeit stellt sich das Fahrzeug auf eine Ladebrücke, wo die Batterien eine halbe Minute lang mit Strom versorgt werden, bevor es sich wieder hinaufmacht zur nächsten Tour. Die bisherigen Diesellastwagen samt ihrer vier Fahrer hat Holcim inzwischen ausrangiert. «Wir sparen damit pro Jahr über 400'000 Liter Treibstoff und 1000 Tonnen CO2 ein», strahlt Jan Jenisch, CEO und VR-Präsident von Holcim. Ein weiterer kleiner Schritt auf dem langen Weg von der CO2-Dreckschleuder zum nachhaltigen Baumaterialkonzern.
Jenisch im Holcim-Steinbruch Siggenthal vor den selbstfahrenden Elektro-Mulden.
Paolo Dutto für BILANZJenisch im Holcim-Steinbruch Siggenthal vor den selbstfahrenden Elektro-Mulden.
Paolo Dutto für BILANZKein anderer Firmenchef hat jemals einen SMI-Konzern in so kurzer Zeit so radikal transformiert wie Jan Jenisch, und das auf den verschiedensten Ebenen. Der 58-Jährige aus dem deutschen Freiburg hat dabei ähnliche Erfolgsmethoden angewendet wie jene, mit denen er bereits in den Jahren 2012 bis 2017 den Baustoffkonzern Sika in den SMI führte, indem er den Umsatz um 26 Prozent steigerte, den Gewinn um 230 Prozent und den Aktienkurs um 320 Prozent: Jenisch hat die zerstrittenen Lager nach der Fusion von Holcim mit der französischen Lafarge 2015 mit sanftem und nicht so sanftem Druck zusammengeführt, die Konzernleitung bei Holcim gleich mehrmals umgebaut (überlebt haben nur Asien-Chef Martin Kriegner und Lateinamerika-Chef Oliver Osswald), die Entscheidungskompetenz von der Zentrale in die Märkte gedrückt, um die Eigenverantwortung des lokalen Managements zu stärken, er hat die zentrale Ergebnisverantwortung auf mehr als 500 Führungskräfte verteilt («Das war der entscheidende Schritt», sagt er selbst), er hat eine Leistungskultur etabliert, die Monatsrapporte von 140 Seiten auf vier Kernzahlen eindampft, er hat auf Innovation und Nachhaltigkeit gesetzt und das profitable Wachstum mit grösseren und kleineren Akquisitionen unterstützt. Und er hat sich selbst erst in den VR und danach auf dessen Präsidium als Nachfolger von Beat Hess gehievt – obwohl sowohl das Doppelmandat als auch der direkte Schritt vom CEO zum Chairman gegen die Good Governance ist und in der Schweiz entsprechend verpönt (in Deutschland und Grossbritannien wäre das sogar schlicht verboten). Auch deshalb ist Jenisch bei Holcim der unumstritten starke Mann.
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Jetzt aber folgt der grösste Schritt: die Abspaltung des starken Nordamerika-Geschäftes als eigenen Konzern mit Börsenlistung in New York. «Wir machen das aus einer Position der Stärke heraus», sagt Jenisch. Das letzte Quartal sei das beste jemals gewesen, sagt er (die Zahlen werden erst Ende Februar veröffentlicht). Holcim sei nicht nur der zweitgrösste Baumaterialhersteller der Welt, sondern inzwischen auch jener mit der höchsten Rentabilität, dezentralisiert und zu Teilen dekarbonisiert. Auch weil sich der Konzern aus zahlreichen Zementmärkten wie Indien, Brasilien und Südostasien zurückzog und dafür in neue, grünere Geschäftsbereiche investierte. 15 Abspaltungen im Kerngeschäft seit 2018 stehen 78 Akquisitionen gegenüber, darunter sechs grosse – die allermeisten im CO2-armen Geschäft mit Dachsystemen, Isoliermaterial, Klebstoffen oder Baustoffrecycling, keine davon im Kerngeschäft. Holcims weltweiter Umsatz ist so von 2017 bis 2022 um 8 Prozent auf 29,2 Milliarden Franken gewachsen. Die Sparte Nordamerika hingegen legte in dieser Zeit um 78 Prozent auf 10,1 Milliarden Franken zu. 2023 wird ein weiteres Rekordjahr werden, die für 2025 angepeilten strategischen Ziele sind damit bereits zwei Jahre vorher erreicht.
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An der Börse blieben diese Bemühungen lange Zeit unbelohnt, mit dem SMI kann Holcim seit Amtsantritt von Jenisch nicht mithalten – auch, weil die Zementindustrie generell mit dem Malus des CO2-Sünders bestraft wird. Erst in den letzten 18 Monaten gelang es dem Konzern endlich, die Lücke wenigstens annähernd zu schliessen.
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Und jetzt kommt Jenisch und macht ohne Not den grössten Baumaterialkonzern der Welt um 40 Prozent kleiner. Die Anregung dafür, so hört man, soll aus dem Lager des letzten verbliebenen Grossaktionärs Thomas Schmidheiny (8,3 Prozent der Anteile) gekommen sein, knapp ein Jahr lang wurde der Vorschlag im Board diskutiert. Der Schritt erfolgt von aussen gesehen völlig überraschend, und er ist gegen jegliche Intuition: Je grösser, desto besser, lautet die Devise spätestens seit dem Beginn der Globalisierung in den 90er Jahren, und das Empire Building sorgt nicht nur für Synergien und gegenseitige Befruchtung, sondern befriedigt auch das Ego der Manager an der Spitze. Keinem anderen Schweizer Weltkonzern mit einem starken US-Umsatz (etwa Nestlé mit 26 Milliarden Dollar, Novartis mit 18 oder ABB mit 10) würde ein Schritt, wie ihn Holcim nun vollzieht, wohl in den Sinn kommen. Es gibt aber auch nur wenige Industrien, bei denen das überhaupt denkbar wäre. Denn Zement ist zu schwer, um ihn über grosse Strecken zu transportieren. Deshalb erfolgt die Produktion lokal und nach lokalen Baunormen, der Verkauf geht fast nur an lokale Kunden – bei Holcim Nordamerika zu 95 Prozent. Nur in hoch regulierten Branchen ohne grosse internationale Synergieeffekte wäre eine ähnliche geografische Abspaltung denkbar, in der Energiewirtschaft etwa, der Telekom, dem Betrieb von (Flug-)Häfen oder im Gesundheitswesen. Bisher hatte aber noch keiner die Kühnheit dazu.
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Die Begründungen für Holcims wagemutigen Schritt freilich muten seltsam an: «Wir sind in den USA zu erfolgreich und zu gross, um das Geschäft nur als Tochterfirma zu führen», so Jenisch – nun ja, das schaffen andere Konzerne auch. Die alte Holcim würde das US-Geschäft beim Wachstum bremsen, heisst es weiterhin – aber wie sich das konkret ausdrückt, kann Jenisch nicht sagen, ausser dass es zu viel verlangt sei, das US-Management viermal im Jahr zur Lagebesprechung an den Hauptsitz in Zug zu bitten. «Mit einem nordamerikanischen VR hat das Management einen anderen Fokus, und die Synergien sind grösser», nennt er als weiteren Grund – wobei sich unweigerlich die Frage stellt, wofür das bisherige US-Management eigentlich bezahlt wird, wenn nicht für Fokus und die Hebung von Synergien. Und das Wechselkursrisiko entfalle, wenn Zahlungen von Kunden oder an Lieferanten zukünftig einheitlich in Dollar erfolgen. Doch bereits bisher bleiben ja 95 Prozent der Transaktionen im Lande.
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Dafür gibt der Konzern nun viele seiner strategischen Direktiven auf, die zum Erfolg der letzten Jahre geführt haben. Durch den milliardenschweren Einstieg ins Dachgeschäft (insgesamt 13 Akquisitionen) verschob sich der Fokus vom Neubau zum Renovationsbau, damit hängt Holcim weniger an den Konjunkturzyklen: Wenn das Dach leckt, kann man die Reparatur nicht verschieben. «Wir hatten Rekordzahlen über die verschiedenen Jahre, wir sind kein Zykliker mehr», entgegnet Jenisch. Doch genau das droht nun wieder zu passieren, denn der allergrösste Teil des Renovationsgeschäftes liegt in den USA und wird nun abgespalten. Den USA wiederum fehlt der Grossteil des Zementgeschäftes, das bisher als Cashcow die Expansion in neue, grünere Geschäftsfelder finanzierte. «Wir hatten nie bessere Zahlen, beide Firmen werden mit einer starken Bilanz ausgestattet sein», so Jenischs Replik.
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Letztes Jahr hat der Konzern allein 20 Akquisitionen im CO2-armen Geschäft getätigt, dieses Jahr sollen es wieder so viele werden. Viele dieser grünen Übernahmeziele liegen wiederum in den USA und werden abgespalten. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren: Die verbleibende Holcim wird zur Bad Bank im Zementgeschäft.
So macht der Schritt eigentlich nur aus Anlegersicht Sinn und passt in die Reihe der fast schon verzweifelten Bemühungen der letzten Jahre, endlich den Wert von Holcim zu heben: In den USA erzielen Wachstumsfirmen an der Börse höhere Multiples als in Europa, und manche US-Anleger wollen oder dürfen nur in US-Papiere investieren. Auch als Akquisitionswährung macht eine US-Aktie Sinn. Die meisten Analysten begrüssen daher den Schritt. Andersherum wird die verbleibende Holcim für ESG-bewusste Anleger – und das sind heute die meisten – deutlich weniger interessant: «Ohne das US-Geschäft könnte die Geschichte der Transformation, wegen der Aktionäre die Titel gekauft haben, für die verbleibenden Schweizer Aktien als beendet angesehen werden», heisst es etwa bei der Investmentbank Jefferies. Das weiss man auch bei Holcim: «Wir fallen mit der Abspaltung gleich mehrere Jahre zurück, was den Business-Mix betrifft», hört man aus den Teppichetagen. 2021 hatte Holcim ein CO2-Netto-null-Ziel für 2050 versprochen, nun lässt sich das Erreichen durch die geänderte Basis nicht mehr überprüfen, auch wenn Jenisch verspricht: «Wir sind voll auf Kurs.»
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Bis 2050 soll Holcim klimaneutral werden – auch nach der Abspaltung.
Paolo Dutto für BILANZBis 2050 soll Holcim klimaneutral werden – auch nach der Abspaltung.
Paolo Dutto für BILANZKlar ist der Entscheid zur Abspaltung auch die Antwort auf die neue geopolitische Situation: «Wir haben eine multipolare Welt», nennt es Jenisch, was sich auch darin ausdrückt, dass jeder Machtblock – die USA, China, Europa, aber auch Indien und der Mittlere Osten – eine eigene Wirtschaftspolitik betreibt und dafür eigene Lieferketten haben will. Donald Trump dürfte ebenfalls ein Faktor sein: Im Falle einer Wiederwahl wird er den Protektionismus sicher nicht zurückdrehen. Vielmehr ist damit zu rechnen, dass er den nächsten Handelskrieg anzettelt, um ausländische Firmen auszusperren. Seine in der ersten Amtszeit angestossenen Infrastrukturprojekte hat Joe Biden sogar noch ausgebaut. Bei über hundert davon konnte Holcim bereits Aufträge gewinnen und wird davon die nächsten acht bis zehn Jahre profitieren.
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Auch dank dessen soll die neue US-Firma, deren Name noch nicht feststeht, jährlich um durchschnittlich 8 Prozent wachsen, der Betriebsgewinn gar um 12 Prozent. 20 Milliarden Dollar Umsatz hofft man bis 2030 zu erreichen, dann wäre sie der grösste Baustoffhersteller in Nordamerika, und 5 Milliarden Betriebsgewinn. Von einer Bewertung von mehr als 30 Milliarden Dollar geht man bereits jetzt aus, was die Firma mit 16'000 Mitarbeitern und 871 Fabrikationsstätten zu einem Kandidaten für den S&P 500 Index macht. Juristisch und steuerlich wird sie (mindestens die nächsten Jahre) in der Schweiz domiziliert sein mit einem US-Listing, ähnlich wie heute der Waagenhersteller Mettler Toledo. Der operative Sitz dürfte in Michigan, Chicago oder Nashville sein, wo Holcim momentan die grössten Standorte unterhält. Das Management soll rein amerikanisch bzw. kanadisch sein. Das spricht für Toufic Tabbara als CEO, der bereits heute das Nordamerika-Geschäft leitet. Im VR hingegen kann sich Jenisch auch zwei bis drei Holcim-Vertreter vorstellen – wohl auch einen Entsandten von Schmidheiny, der seine Anteile, so hört man, behalten will. Bisher werden seine Interessen im Holcim-Board von Ex-Cevian-Mann Ilias Läber vertreten.
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Die Zukunft von Jenisch ist noch unklar. Den CEO-Posten wird er zum 1. Mai abgeben an den bisherigen Europa-Chef Miljan Gutovic und damit das Doppelmandat. An Einfluss wird er dennoch nicht verlieren. Er und nicht Gutovic wird den Börsengang in den USA aufgleisen, der im April 2025 stattfinden soll. In die USA will Jenisch dafür aber nicht ziehen. Und er wird danach bei einer (und nur bei einer) der beiden Firmen im VR sein, aller Voraussicht nach als Präsident. An der Pressekonferenz vergangenen Frühling verkündete er: «Ich habe immer gesagt, ich bin committed für die nächsten zehn Jahre» und «Ich hoffe, meine Karriere bei Holcim zu beenden». Das würde also klar gegen das US-Spin-off sprechen und für die verbleibende Holcim. Doch heute will er sich darauf nicht mehr festlegen. Wird er also das US-Geschäft präsidieren? Seine Reaktion darauf gleicht einem Eiertanz ohne klare Aussage, ausser: «Grundsätzlich schauen wir uns bei der Organisation alle Optionen an.» Lukrativ wäre es für ihn, denn anders als in der Schweiz ist in den USA das Doppelmandat mit CEO und Chairman in einer Person üblich. Und die Entlöhnung ist dafür in der Regel höher als in der Schweiz. Nicht dass es Jenisch finanziell nötig hätte: 51 Millionen Franken hat er in sechs Jahren bei Holcim verdient, die Zahl für 2023 ist noch nicht bekannt, dürfte aber mindestens auf der Höhe des Vorjahressalärs von 9,16 Millionen liegen. Macht zusammen über 60 Millionen. Auch andere VR-Mandate hält Jenisch nun – anders als früher – in Zukunft für möglich: «Aber mein aktueller Fokus bleibt zu 100 Prozent auf Holcim.» Unangetastet bleiben soll in jedem Fall die Rolle der dänischen VR-Vizepräsidentin Hanne Sørensen: Sie wird Independent Lead Director im Holcim-Board bleiben und so zumindest auf dem Papier ein Gegengewicht zum allmächtigen Jenisch.
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Umsatz ungefähr verbleiben nach der Abspaltung bei Holcim.
Umsatz hofft man in Nordamerika bis 2030 zu erreichen.
mindestens dürfte Jan Jenisch in seinen knapp sieben Jahren bei Holcim verdient haben.
Sein Nachfolger als CEO, Gutovic, wird Herrscher eines immer kleineren Imperiums, sein Salär dürfte dann auch nicht die Jenisch’schen Höhen erreichen. Die verbleibende Holcim startet mit rund 48'000 Angestellten und rund 17 Milliarden Umsatz. Der soll dann noch mit etwas über vier Prozent pro Jahr wachsen, Betriebsgewinn und Free Cashflow um mehr als sechs Prozent – beides wertmässig dank teurerer Öko-Produkte, aber nicht volumenmässig. Lediglich im Recycling von Baumaterial sieht Holcim noch Wachstumraten von 20 Prozent. Für die Notierung im SMI soll es immer noch reichen, hofft man in Zug. Doch der weltgrösste Zementhersteller ist man schon lange nicht mehr (das ist der chinesische Staatskonzern CNBM), und jetzt wird Holcim auch noch hinter Heidelberg Cement zurückfallen.
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Vorerst. Denn Holcim wird weitere Märkte aufgeben. Bereits in den letzten fünf Jahren hat sich der Umsatzanteil in Schwellenländern auf 25 Prozent halbiert, der Verwaltungsrat hat den schrittweisen Ausstieg aus dem Bereich «Rest of World» vorgegeben. Danach bleiben noch Lateinamerika – und Europa. Dort sind Grossbritannien und Frankreich die wichtigsten Märkte, am profitabelsten ist Polen. Doch die EU erhebt ab 2026 Zölle auf den Import von Zement wegen der teurer werdenden CO2-Zertifikate. Ein- und Ausfuhren wird es dann nicht mehr geben, die EU wird ein geschlossener Markt – ähnlich wie heute die USA. Dann wäre es nur konsequent, das mit rund drei Milliarden sehr kleine Lateinamerika-Geschäft davon ebenfalls zu trennen. Es bliebe Holcim als rein europäischer Player. Jenisch tut diese Schlussfolgerung mit einem Lachen ab. Seine Begründung freilich mutet kurios an: «Lateinamerika passt kulturell gut zur Schweiz, man mag dort die Schweizer Werte und Produkte.» Das aber gilt für den US-Markt umso mehr. Auch Grossaktionär Schmidheiny sähe es wohl lieber, wenn Lateinamerika erhalten bliebe – schliesslich verbindet ihn eine persönliche Liebe mit dem Kontinent, seit er als erste Karrierestation einst den mexikanischen Markt leitete. Doch Schmidheiny ist bereits 78 und wird seinen Einfluss nicht ewig ausüben – er hat seinen Holcim-Anteil über die letzten Jahre bereits konsequent abgebaut. Und der industriellen Logik, die Holcim selber nun bemüht, wird man sich auf die Dauer auch nicht mehr entziehen können, will man glaubwürdig bleiben.
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Jan Jenisch, so sieht es aus, wird gleich zweimal in die Schweizer Wirtschaftsgeschichte eingehen. Erstens als der Mann, der den Baustoffkonzern Sika zum Riesen gemacht hat. Zweitens als der Mann, der den einst weltgrössten Baumaterialkonzern Holcim verzwergt hat.
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