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Unter der Migros-Präsidentin findet der grösste Umbau in der Konzerngeschichte statt. Doch Nold stösst auf scharfe Kritik.
Den Laden aufräumen: Die Migros verkauft zahlreiche Geschäftsbereiche. Auch solche, die Gottlieb Duttweiler gründete.
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Dieses Ei im Sortiment der Migros hatte für Ursula Nold eine besondere Symbolkraft. Es war kein banales Hühnerei, sondern eine in Plastik gehüllte pflanzliche Alternative namens The Boiled. Die Migros-Präsidentin lobte die Kopie des tierischen Originals in ihren seltenen Interviews als herausragendes Beispiel für die innovativen und unverwechselbaren Produkte der eigenen Industrie.
Doch das falsche Ei ist Geschichte, es flog aus dem Sortiment. Der Grund, wie kürzlich bekannt wurde: zu nischig. Ein eher unbedeutendes Opfer des Konzernumbaus unter der neuen Migros-Führung. Da bleibt kein Platz für nette PR-Geschichten oder Extravaganzen. Was zählt, ist mehr Effizienz, um die Preise von massentauglichen Produkten zu drücken und damit wieder mit der Billigkonkurrenz aus Deutschland mithalten zu können. Traditionsreiche Geschäftsbereiche, darunter solche, die Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler ins Leben rief, setzen die Migros-Manager auf den Verkaufszettel. Nold stellt sich uneingeschränkt hinter die grösste Umstrukturierung in der Firmengeschichte. Und stösst damit auf scharfe Kritik ihrer einst treuesten Unterstützer.
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Zu spüren bekam das Ursula Nold vor einigen Monaten an der Delegiertenversammlung. Vertreter aller zehn Genossenschaften bestimmen das Präsidium der Migros-Verwaltung, und auf der Agenda stand Nolds Wiederwahl. Die Stimmung war gereizt, der Ton ungewohnt scharf. Einzelne Voten sprachen von Versagen der Präsidentin oder forderten sogar ihre Abwahl. Bei der Kritik ging es um die Abschreibungen von 500 Millionen Franken, Führungsschwäche und die Werte der Migros, deren Erhalt sich die Präsidentin auf die Fahne geschrieben hat. Das Abstimmungsresultat, das eigentlich geheim bleiben sollte, war für Nold niederschmetternd: 58 Stimmen bei einem absoluten Mehr von 49. Bei ihrer Wahl vor fünf Jahren hatte sie noch mit 73 Stimmen brilliert. Nach aussen wollte Nold den Schein von Business as usual wahren: «Ich freue mich sehr über das mir entgegengebrachte Vertrauen der Delegierten in einer herausfordernden Phase», liess sie sich in einer Medienmitteilung zitieren. Doch die Stimmen der Delegierten sind eine klare Unmutsbekundung.
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Dabei galt Nold lange als «Mutter der Delegierten». Über zehn Jahre amtete sie als Präsidentin dieses Gremiums, das als eine Art Parlament innerhalb des eigenartigen Unternehmenskonstrukts gilt. Viel Macht haben die 100 Personen nicht. Ihre wichtigste Aufgabe ist die Wahl der Verwaltung. Nun sind offensichtlich viele unter ihnen enttäuscht von Nold. «Die Bewahrerin der Migros-Werte lässt McKinsey mit dem eisernen Besen fegen», sagt ein Delegierter. Nold verteidigt die Aufträge an das umstrittene Beratungsunternehmen in internen Gesprächen mit den fehlenden Ressourcen innerhalb der Migros für einen derart tiefgreifenden Umbau.
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Besonders der Verkauf des rentablen Kosmetik- und Putzmittelherstellers Mibelle stösst intern vielerorts auf Unverständnis. Das Unternehmen ist die Nummer eins für Gesichtscrème in Südkorea und macht mit der deutschen Drogeriekette DM gute Geschäfte. Doch weil Mibelle den Grossteil des Umsatzes im Ausland erzielt, soll das ganze Business in Zukunft von anderen betrieben werden. Die Frage der «Best Ownership» gehört zum Standardrepertoire der Beratungsfirmen.
Spülmittel Swiss made: Die Handy-Herstellerin Mibelle soll verkauft werden. Das stösst auf Kritik.
ScreenshotSpülmittel Swiss made: Die Handy-Herstellerin Mibelle soll verkauft werden. Das stösst auf Kritik.
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Dass Ursula Nold in Diskussionen mit den Restrukturierungsprofis von McKinsey auf Augenhöhe mitreden kann, bezweifeln viele. «Sie winkt durch, was das Management und die Berater aushecken», sagt ein Delegierter. Ähnliches berichten Migros-Insider, die noch im Management tätig sind oder lange Teil davon waren. «Ihr fehlt das Fachwissen. Sie hat wenig Ahnung vom Kerngeschäft und kann die Entscheide des Managements nicht hinterfragen», sagt jemand. Man nehme sie nicht wirklich ernst, sagt ein anderer. Immer wieder fällt bei den rund ein Dutzend Personen, mit denen BILANZ gesprochen hat, das Wort «überfordert».
Ursula Nold sieht das ganz anders. «Wir in der Verwaltung nicken nicht einfach ab. Es finden intensive Diskussionen mit dem Management statt», sagt sie im Gespräch mit BILANZ. Es sei nicht nötig, dass sie persönlich Erfahrungen beim Verkauf von Unternehmensbereichen habe. Dafür gebe es in der Verwaltung Köpfe, wie den TX-Group-Mann Christoph Tonini. «Wir als Verwaltung haben die Weiterentwicklung der Gruppenstrategie der Migros geprägt und seither zusammen mit der operativen Führung vorangetrieben.» Dabei haue sie nicht auf den Tisch, sondern suche den Dialog und involviere die Leute. Nold, die von der «NZZ» als «eine der wichtigsten Wirtschaftsführerinnen der Schweiz» bezeichnet wurde, sieht ihre Rolle im Schaffen von Mehrheiten, um so in der Migros etwas zu bewegen.
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Ein aktuelles Mitglied der Verwaltung betont, dass die Migros eben kein gewöhnliches Unternehmen sei. «Es ist fast wie in der Politik. Nur wenn wir eine Mehrheit der Genossenschaften für eine Lösung gewinnen, kommen wir weiter.» Es brauche an der Spitze des Präsidiums jemanden mit viel Geduld. Die habe Ursula Nold. Zusammen mit ihren intimen Kenntnissen der Migros sei sie darum eben trotz fehlender Managementerfahrung die richtige Person.
Kühle Kommunikation: Mit kühlen Statements habe die Migros ihren Umbau im Februar bekannt gegeben, sagen Kritiker.
KeystoneKühle Kommunikation: Mit kühlen Statements habe die Migros ihren Umbau im Februar bekannt gegeben, sagen Kritiker.
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Beeindruckend ist, wie die ehemalige Primarlehrerin und Hochschuldozentin Nold ihren Aufstieg im Konzern vorangetrieben hat. Als Sprengkandidatin setzte sie sich vor fünf Jahren gegen den Widerstand starker interner Kräfte durch. Die Findungskommission der Verwaltung pochte auf eine Person mit Managementexpertise. Deren Mitglieder wollten Nold verhindern und schlugen stattdessen die von Armin Meiers Headhunterfirma Boyden rekrutierte ehemalige SBB-Managerin Jeannine Pilloud vor. Das Anforderungsprofil von Boyden verlangte damals «mehrjährige Führungserfahrung in grösseren, komplexen Organisationen mit Ergebnisverantwortung».
Das fehlte Ursula Nold. Dass ihre Wahl eine Überraschung gewesen sei, wie es heute noch heisst, stimmt dennoch nicht. Migros-Insidern war klar, dass die quirlige, wenig diplomatische Pilloud gegen die Frau, welche die Machtverhältnisse innerhalb des Konzerns wie kaum jemand anders kennt, keine Chance hatte. Nold, die im Rahmen einer Arbeit für einen Executive MBA an der Uni St. Gallen feststellte, dass die Strukturen der Migros «einzigartig, komplex und für Aussenstehende kaum nachvollziehbar sind», glänzte nicht mit operativer Führungserfahrung oder Detailhandelswissen, sondern mit persönlichen Beziehungen und dem Migros-Stallgeruch. Sie verschickte jeweils vor den Feiertagen Weihnachtskarten und kannte viele der Stimmenden persönlich. Die Beziehungspflege im Migros-Apparat beherrschte Ursula Nold perfekt. Die Wahl durch «ihre» Delegierten wirkte wie eine Inthronisierung. Im hellblauen Hosenanzug schritt sie zum Rednerpult und hielt ein «wunderbares Referat», erzählt eine Anwesende. Pilloud, die jahrelange Nummer zwei im Kader der SBB, trat unkonventioneller in Turnschuhen auf und wirkte mit ihrer Rede improvisiert. Sie unterlag Nold mit 27 zu 73 Stimmen.
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Im Gegensatz zum Entscheid der Delegierten kam für Migros-Kenner etwas anderes unerwartet: der Ehrgeiz von Ursula Nold. «Wir haben sie unterschätzt, wir dachten, sie sei mit ihrer Rolle bei den Delegierten zufrieden. Doch sie hatte ganz andere Ambitionen», sagt ein damals aktives Kadermitglied. Es scheint, als ob Ursula Nold jahrelang auf ihr Ziel, die Präsidentin der Migros-Verwaltung zu werden, hingearbeitet hat. Sie bestreitet das: «Ich habe das Amt der Präsidentin der Migros-Verwaltung nie angestrebt. Aber als ich von verschiedenen Personen aus der Migros dazu ermuntert wurde, habe ich mich motivieren können, mit Überzeugung dafür zu kandidieren», sagt sie.
Ursula Nolds Ehrgeiz war für andere schon Jahre vorher spürbar. Mehrere Headhunter veröffentlichten 2015 zusammen mit dem Arbeitgeberverband eine Liste mit 400 Namen von Frauen, die als Verwaltungsrätinnen für eine Gesellschaft mit mehr als 100 Millionen Franken Umsatz in Betracht gezogen werden sollten. Nold habe den Verantwortlichen im Vorfeld klar signalisiert, dass sie auf diese Liste gehöre, erzählen am Projekt Beteiligte. Doch sie kamen zum Schluss, dass sie die Kriterien nicht erfüllt. Jahre später fand Nold Genugtuung: Als Migros-Präsidentin schaffte es die 55-jährige Mutter von vier Kindern 2023 auf die Liste der «50 über 50» des US-Magazins «Forbes», die Frauen in Führungspositionen auszeichnet. Diese «grosse Ehre» postete sie umgehend auf dem Netzwerk LinkedIn.
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Woran vor ihr schon viele gescheitert waren, blieb auch für Ursula Nold unerreichbar: die Reduktion der Anzahl Genossenschaften, die vieles autonom entscheiden und die Migros im Vergleich zu Konkurrenten wie Lidl oder Coop als ineffizienten Koloss mit verkrusteten Strukturen erscheinen lassen. Bis heute fehlt ein einheitliches Ladenkonzept. Wenn es jemandem gelingen könnte, die zehn Genossenschaften zu Fusionen zu bewegen, müsste es eine Person sein, welche die Migros und ihr Machtgefüge in- und auswendig kennt. Jemand wie die von Medien als «Madame Migros» betitelte Ursula Nold eben. Sie führte entsprechende Gespräche, doch sie hatte im Kräftemessen mit den Regionen keine Chance. Vor allem die Verwaltungen der Genossenschaften und deren Präsidenten waren nicht bereit, sich selbst abzuschaffen.
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Stattdessen riefen einflussreiche Kreise die Supermarkt AG ins Leben. Sie soll als zentrale Einheit die Abläufe vereinfachen und das Sortiment vereinheitlichen, bleibt aber eine Tochtergesellschaft des Migros-Genossenschafts-Bundes (MGB). Bezeichnend ist, wie die neue Struktur zustande kam: Nicht Präsidentin Ursula Nold oder Köpfe aus dem MGB waren die treibenden Kräfte, sondern die Regionalfürsten. Darunter Peter Diethelm, Ex-Chef der Migros Ostschweiz und mittlerweile CEO der Supermarkt AG, Guido Rast, Geschäftsleiter der Migros Luzern und Präsident der Supermarkt AG, sowie Felix Meyer, Präsident der Migros Luzern. Im Vorfeld gab es noch viel radikalere Forderungen aus Genossenschaftskreisen. Unter dem Projektnamen «New M» forderten sie 2022 die vollständige Herauslösung des Kerngeschäfts aus dem MGB und damit eine weitgehende Entmachtung der Zentrale. Nold fürchtete, dass dies die Migros zerreissen könnte. Sie unterstützte die Supermarkt AG als Kompromiss.
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Wer in der Migros das Sagen hat, zeigte sich schon kurz nach Nolds Antritt im Jahr 2019. CEO Fabrice Zumbrunnen wollte die Fachmärkte wie SportX und M-Electronics bereits damals abstossen – zu einer Zeit, als man wohl noch bessere Preise dafür erzielt hätte als im heutigen Umfeld. Doch die Chefs der Regionen sperrten sich. Sie fürchteten, dass weniger Leute die Supermärkte der Einkaufscenter besuchen würden, wenn solche Formate fehlten. Nach einem kurzen Boom während Covid sackten die Umsätze dramatisch ab, womit laut Einschätzung des Managements nur noch ein Ausweg blieb: mit Ausnahme der Baumärkte von Obi alles verscherbeln.
Die Kräfteverhältnisse im Konzern haben sich in Nolds Amtszeit verschoben. Die Regionen Luzern und Ostschweiz haben an Einfluss gewonnen, während die grössten und kriselnden Genossenschaften Zürich und Aare zu den Verlierern gehören. Die Macht von Ursula Nold bleibt beschränkt. Den Umbau des Konzerns treiben die Entscheidungsträger der Supermarkt AG gemeinsam mit dem im Mai vergangenen Jahres angetretenen CEO Mario Irminger voran.
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Migros-CEO Mario Irminger hat ein Kernziel: Die Preise in den Supermärkten müssen runter.
Thomas MeierMigros-CEO Mario Irminger hat ein Kernziel: Die Preise in den Supermärkten müssen runter.
Thomas MeierSchwache Präsidenten sind Teil der Geschichte der Migros. Nolds Vorgänger, den Tessiner Anwalt Andrea Broggini, bezeichnen Wegbegleiter als seriöse und bescheidene Person. Ein Schachspieler mit taktischem Geschick. Allerdings scheute er Konflikte mit den Migros-Mächtigen. Er war stets unauffällig und vermied öffentliche Auftritte. Für den Wirtschaftsanwalt, der in Kreisen wie der Milliardärsfamilie Engelhorn verkehrte, blieb die Welt des Grossverteilers mit dem sich rasch wandelnden Wettbewerbsumfeld stets etwas fremd.
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Davor sass mit Claude Hauser jemand mit «orangem Blut» auf dem Präsidentenstuhl. Unter dem ehemaligen Chef der Migros Genf wurde der orange Riese seinem Namen gerecht: Es gab zahlreiche Zukäufe, darunter Erfolgsgeschichten wie den Kauf des Discounters Denner, aber auch Flops wie die Beteiligung am Modehändler Vögele. Hauser führte die Migros in der Überzeugung, dass es dem Unternehmen gut gehe und die Konkurrenz dem Grossverteiler nichts anhaben könne. Er liess die Genossenschaften machen. Den Markteintritt von Aldi und Lidl habe er belächelt, sagen Insider. Statt sich mit der Konkurrenz zu beschäftigen, pflegte er lieber das gemütliche Beisammensein: etwa im Rahmen einer Reise der Verwaltungsmitglieder im Juni 2009 nach Moskau. Dort besuchte man pro forma einige Einkaufscenter und widmete sich dann geselligen Aspekten.
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Der letzte Präsident mit Durchschlagskraft war Hausers Vorgänger Jules Kyburz. Er amtete zwischen 1992 und 2000 und kannte Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler noch persönlich. Vor ihm hatten die Regionalleiter grossen Respekt, wenn nicht sogar Angst. Er galt seinerzeit als Übervater des Grossverteilers, der entschlossen für seine Überzeugungen eintrat und es verstand, in der Öffentlichkeit klar zu kommunizieren. Kyburz sprach sich später für die Wahl von Ursula Nold als Präsidentin aus. Allerdings kritisierte er in ihrer Zeit gefasste strategische Entscheide scharf. Etwa als die Migros mit Brands wie Lindt und Ovomaltine die Eigenmarken zunehmend verdrängte. «Die Migros war immer anders. Doch nun werden wir immer gleicher», lautete sein Kommentar. Zudem sprach er sich klar gegen den Verkauf von Alkohol in den Supermärkten aus. Es gelte, Duttis Erbe hochzuhalten.
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Anders Ursula Nold. Die sonst wenig greifbare Präsidentin, die nur selten Interviews gibt, bezog in der Alkoholfrage für einmal klar Stellung: Sie werde bei der wegen der Statutenänderung notwendigen Abstimmung ein Ja in die Urne legen. Sie folgte mit ihrer Pro-Haltung den Wünschen grosser Genossenschaften wie Zürich, Luzern und Ostschweiz. Deren Leiter äusserten sich öffentlich für den Alkoholverkauf oder lobbyierten im Hintergrund für die Abschaffung der selbst auferlegten Abstinenz. Das Resultat der Abstimmung war für die Führungsriege eine Schlappe. In vielen Genossenschaften lag der Nein-Anteil um die 80 Prozent.
Ein damaliges Geschäftsleitungsmitglied berichtet, dass Nolds Reaktion darauf gewesen sei, möglichst unauffällig zu bleiben und sich noch weniger zu exponieren. Doch genau jetzt braucht die Migros Führungspersonen, die mit klaren Worten erklären, wohin die Reise geht. Die Migros steckt in einer ganz anderen Situation als 2019, als Nold gewählt wurde. Jetzt ist Krisenmanagement gefragt. Ihr Job wäre es, mit dem Management dafür zu sorgen, dass die Öffentlichkeit die einschneidenden Massnahmen und Massenentlassungen nachvollziehen kann. Das gelingt nur sehr beschränkt.
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In einem Interview von SRF im Frühling wich Nold entscheidenden Fragen aus. Statt nachvollziehbarer Selbstkritik, die angesichts der Lage des Konzerns angebracht wäre, kamen viele leere Phrasen. Ein Beispiel: Lidl und Aldi nehmen der Migros seit Jahren Marktanteile ab. Ob man die Konkurrenz der deutschen Discounter unterschätzt habe? «Wir nehmen jede Konkurrenz ernst. Das spornt uns an, uns täglich zu verbessern, zum Wohl unserer Kundinnen und Kunden.» Solche Floskeln hält ein Migros-Kenner für wenig hilfreich. «Es braucht eine Persönlichkeit, die Ausstrahlung hat und eine Vision aufzeigt. Das fehlt leider.»
Einer, der die Kommunikation der Migros offen kritisierte, ist Ex-Migros-Chef Anton Scherrer. Bei der Ankündigung des Umbaus habe die Migros einen «unnötigen Schock» ausgelöst. «Es wurden nackte Zahlen präsentiert und relativ kühle Statements abgegeben», sagte Scherrer zu BILANZ. Nicht nur die Entlassungswelle sorgt für schlechte Schlagzeilen – die Migros geriet jüngst bei verschiedenen Themen unter Beschuss. Der neue Nachhaltigkeits-Chef sagte, auf den lange stolz getragenen Titel als nachhaltigste Detailhändlerin der Welt müsse man in Zukunft womöglich verzichten.
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«Damit müssen wir leben», zitierte ihn der «Blick». Das griffen alle nationalen Medien auf. Konzernchef Mario Irminger versuchte danach die Kehrtwende: «Das wurde völlig falsch aufgenommen, wir gehören weiterhin zu den nachhaltigsten Detailhändlern der Welt.» Jüngst sorgte eine eigentlich harmlose Werbekampagne für regionale Produkte, in der sich der Händler als «grössten Hofladen der Schweiz» bezeichnete, für Empörung. Kleinlaut zog die Marketingabteilung den Slogan zurück. Man wolle nicht provozieren, so die Begründung.
Solche Beispiele zeigen: Die Migros bietet derzeit viel Angriffsfläche. Die Präsidentin agiert in diesem Minenfeld vorsichtig und zeigt wenig Profil. Die Person Ursula Nold beschreiben Weggefährten aus ihrem Geschäftsleben als sympathisch, charakterlich integer und empathisch. «Ich mag sie als Menschen», sagt einer, der ansonsten aber ihren Leistungsausweis kritisiert. Ungeschoren kam die einstige Tennislehrerin in dieser Umbauphase zwar nicht davon, wie das Resultat der Delegiertenversammlung deutlich machte. Doch Ursula Nold weiss, wie sie sich im für Aussenstehende undurchsichtigen Konstrukt Migros positionieren muss. Sie manövrierte sich geschickt durch die Machtverschiebungen innerhalb des Konzerns. M-Electronics, SportX, Mibelle, Hotelplan und eben auch das vegane Ei: Vieles muss weg. Ursula Nold bleibt.
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