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Die Gier nach Betongold ist in der Corona-Krise verstörend gross. Die Immobilienmärkte sind leer gekauft und steigende Zinsen bedrohen den Boom.
Run auf Immobilien: Gefragte Objekte befinden sich oft nur Tage auf dem Markt.
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Wer im aktuellen Immobilienboom in der Schweiz ein Einfamilienhaus kaufen will, muss sich durchsetzen, fast wie in einer Castingshow. Zunehmend werden Immobilien nicht einfach zum ausgeschriebenen Preis verkauft, sondern in ausgeklügelten Bieterverfahren.
Bei den Auktionen des Grundeigentümer Verbands Schweiz schaffen es die drei Höchstbietenden aus einer vorhergehenden Qualifikationsrunde in das Finale. Die Finalisten werden über das aktuelle Höchstgebot informiert und dürfen in weiteren Bieterrunden nachlegen.
Wer den Zuschlag erhält, muss innert 72 Stunden eine Anzahlung leisten. Ein von Banken mit 1,9 Millionen Franken bewertetes Einfamilienhaus in Bern wurde auf diese Weise für 3,1 Millionen verkauft. 150 Parteien besichtigten das Objekt, 15 hinterlegten ein verbindliches Angebot. Die Nachfrage nach Wohneigentum ist so gross, dass Interessenten bei diesen Bieterverfahren immer wieder zu unlauteren Mitteln greifen.
Mit Geldgeschenken versuchen sie sich bei den Maklern einen Informationsvorteil zu erkaufen. «Man kämpft um ein endliches Gut. Die mehr oder weniger elegant vorgetragenen Bestechungsversuche zeigen die Übertreibung am Markt», sagt Richard Auf der Maur, Präsident des Grundeigentümer Verbands Schweiz, der seine Mitarbeitenden auf solche Angebote vorbereitet.
Nur kurz kam der Schweizer Immobilienmarkt im ersten Lockdown zum Stillstand. Es war die Ruhe vor dem Sturm. Die Covid-Krise löste dann einen regelrechten Run auf Immobilien aus. Besichtigungen kamen in Fahrt und haben sich bei manchen Maklern in der Anzahl verdoppelt. Gefragte Objekte befinden sich oft nur Tage auf dem Markt.
Die enorme Nachfrage trieb die Preise an. Mehr als fünf Prozent betrug der Zuwachs im Vorjahr in der Schweiz – vor Corona hatten die Steigerungen bei ein, zwei Prozent gelegen, mehr oder weniger auf dem Niveau des Wirtschaftswachstums.
««Der Markt ist total ausgetrocknet. Kommt ein Objekt auf den Markt, ist es sofort wieder weg.»»
Daniela Vetsch, Inhaberin Exklusiv Immobilien
«Das Preiswachstum hat auf breiter Front stattgefunden», sagt Christine Eugster, Partnerin bei Wüest Partner und Mitglied von Women in Property Switzerland (Wipswiss). Nicht nur in den traditonell besonders gefragten Zentren wie Zürich oder Genf kletterten die Preise – in der ganzen Schweiz wurde im ersten Covid-Jahr deutlich mehr für Immobilien bezahlt.
«Die Preise haben nochmals angezogen, und es ist kein Ende in Sicht», sagt Immobilienmakler Benjamin Stamm. Er leitet bei Walde Immobilien den Standort Zollikon, wo sich auch die Zentrale befindet. Die Goldküste ist sein Revier. Stamm beobachtet, wie schnell Käufer attraktive Objekte auf dem trockenen Schweizer Immobilienmarkt aufsaugen.
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Nachdem sie beim einen oder anderen Verkauf den Kürzeren gezogen haben, liegen bei Interessenten die Unterlagen bereit. In Rekordzeit werden die Deals abgewickelt. Viele wissen aus leidvoller Erfahrung, dass sie auf den ausgeschriebenen Preis noch einiges drauflegen müssen, um eine Chance zu haben.
Das können laut dem Makler 10'000 oder 20'000 Franken sein, um den guten Willen zu untermauern, oder bei besonders gefragten Objekten auch mal 10 bis 20 Prozent. «Potenzielle Käufer werden immer wieder enttäuscht. Die Nachfrage ist sehr gross», weiss Stamm.
Die ZKB prognostiziert für 2021 und 2022 beim Schweizer Wohneigentum Preissteigerungen von jeweils drei Prozent. «Manche fragen sich, weshalb es in einer derart prekären Konjunkturlage mit ungewissen Arbeitsmarktaussichten so viele Kaufwillige gibt», sagt Ursina Kubli, Leiterin Immo-Research der ZKB.
Corona bescherte der Schweiz 2020 immerhin den grössten wirtschaftlichen Absturz seit 45 Jahren. Dass sich die Immobilienpreise in so einem Umfeld der Unsicherheit nicht nur hielten, sondern noch viel weiter nach oben kletterten, ist auf den ersten Blick ein etwas irritierendes Phänomen.
Ein wesentlicher Treiber ist die Covid-Isolation. Gezwungen, den grössten Teil des Tages in den eigenen vier Wänden zu verbringen, wurden die Nachteile der Wohnsituation bewusst. Einige strichen einfach neu oder bestellten sich eine neue Lampe. Andere, frustriert davon, den Job am Esstisch erledigen zu müssen, dachten in grösseren Dimensionen und machten sich auf die Suche nach einer geräumigeren Wohnung oder einem Haus.
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Knappe Immobilien: Um sich mehr Raum leisten zu können, schaut man von den Zentren etwas weiter aufs Land hinaus.
ZVGKnappe Immobilien: Um sich mehr Raum leisten zu können, schaut man von den Zentren etwas weiter aufs Land hinaus.
ZVG«Die Leute wollen mehr Wohnfläche. Waren vor Covid Immobilien mit 4,5 oder 5 Zimmern gefragt, sind es heute 5,5 oder 6. Auch der Bedarf an Aussenflächen steigt», sagt Benjamin Stamm. «Der Fokus hat sich von ‹Lage, Lage, Lage› zu ‹Platz, Platz, Platz› verändert», weiss Christine Eugster.
Um sich mehr Raum leisten zu können, schaut man von den Zentren etwas weiter aufs Land hinaus. In einem Umfeld, in dem Homeoffice nicht nur akzeptiert, sondern erwünscht ist, wird es vorstellbar, über grössere Distanzen ins Büro zu pendeln.
«In der Krise waren die Städter eingezwängt in ihrer Wohnung. Da stieg die Nachfrage nach mehr Platz und natürlicher Umgebung wie von selbst. Der Zug in die Peripherie und Agglomeration setzte sich in Gang», sagt Nima Mehrafshan, Leiter Research & Analytics bei PriceHubble.
Das Hauptobjekt der Begierde ist das Einfamilienhaus. Laut Wüest Partner stiegen die Preise für Einfamilienhäuser in vielen Schweizer Gemeinden innert Jahresfrist um mehr als zehn Prozent. In Lenzburg oder Altendorf SZ misst der Dienstleister Zuwächse von 11 bis 14 Prozent.
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Altendorf ist der Sitz von Exklusiv Immobilien. Die familiengeführte Agentur ist auf Seeimmobilien am linken Ufer des Zürichsees spezialisiert. «Der Markt ist total ausgetrocknet. Kommt ein Objekt auf den Markt, ist es schon wieder weg», sagt Inhaberin Daniela Vetsch.
70 Prozent werden von Vetsch und ihrem Team über das interne Netzwerk verkauft und müssen so gar nicht erst über externe Plattformen vermarktet werden. Homegate habe bereits besorgt nachgefragt, weshalb so wenig publiziert werde. Die Nachfage konzentriere sich nicht aufs untere Segment, sondern auf den Luxusbereich. Die von Wüest Partner gemessenen 14 Prozent Preissteigerung für Altendorf sind für Vetsch nachvollziehbar, aber lediglich ein Schnitt.
«Bei einfachen Objekten gab es wenig Steigerung, im Luxussegment dafür bis zu 30 Prozent.» Von den Luxusobjekten wurden in den vergangenen Monaten «aussergewöhnlich viele» verkauft. Etwa kleinere Häuser am offenen See für 15 Millionen Franken. Bei Luxusimmobilien werde deutlich über den hedonischen Schätzpreisen bezahlt. Besonders Einfamilienhäuser mit sieben und mehr Zimmern für Kinder, Nanny, Büro, Fitness und Gäste seien gesucht.
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Hier wandern die Preise an guten Lagen schnell von fünf auf sieben Millionen Franken. «Die Objekte sind derart gefragt, dass mitunter zwei Anrufe reichen», sagt die gut vernetzte Maklerin. Sie hat sehr reiche und bekannte Persönlichkeiten als Klienten, darunter den einen oder anderen CEO. Die Kundschaft ruft auch immer wieder an, um bei der Maklerin nicht in Vergessenheit zu geraten.
Viele legten sich in der Covid-Krise auch eine Ferienwohnung zu. Auf der Terrasse mit Blick in die Berge geht der Corona-Blues vergessen. «Sogar die Ladenhüter gehen weg, berichten uns Makler aus dem Bündnerland», sagt Claudio Saputelli, Head Swiss & Global Real Estate im Chief Investment Office der UBS.
Schon länger werden die Immobilienpreise von den Negativzinsen angeheizt. Die Hypotheken sind günstig, lukrative Investments Mangelware. In der Covid-Krise wurden die Schuldenberge noch viel höher. Dass die Zinsen wieder steigen, erscheint angesichts der drohenden Kollateralschäden schwer vorstellbar.
Da mit Obligationen nichts mehr zu verdienen ist, strömt viel Geld in Immobilien. «Wer will schon negative Renditen? Der Fokus liegt auf Backsteinen, da ist die Rendite zumindest positiv», sagt Saputelli. Hatten Schweizer Pensionskassen 2001 noch 17 Prozent ihrer Gelder in Immobilien investiert, waren es 2019 bereits 25 Prozent. Inzwischen haben die Pensionskassen rund 150 Milliarden Franken – die Hälfte direkt – in Immobilien gelenkt.
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«Es ist sehr viel Kapital vorhanden, und renditeträchtige Anlagen sind nach wie vor knapp», sagt Nima Mehrafshan von PriceHubble. Die Negativzinsen vergrössern nicht nur die Nachfrage, sie drücken auch aufs Angebot. Ein Verkaufserlös wird negativ verzinst und im Anlagenotstand zum Luxusproblem.
Das Angebot ist ohnehin beschränkt. In der Schweiz ist der Boden begrenzt und wird von der Politik zusätzlich verknappt. Einzonungen von Wohnbauland sind kaum möglich. Zusätzlich zögerten in der Covid-Krise gerade ältere Menschen mit dem Verkauf. Der Wechsel in ein Altersheim wurde zum Albtraum.
«Es ist ein Verkäufermarkt, Angebote haben abgenommen», sagt Ursina Kubli von der ZKB. Im Kanton Zürich liege das Angebots-Minus bei den bei Eigenheimen 2020 bei 13 Prozent. Zwar werde von den Pensionskassen viel gebaut, aber zum grössten Teil betreffe dies Mietwohnungen.
10 Prozent stiegen die Preise für Einfamilienhäuser 2020 in der Schweiz. Im Luxusbereich berichten Makler von Zuwächsen von 30 Prozent. Der Traum vom Einfamilienhaus lässt sich immer schwieriger realisieren.
20' 000 Franken um den Willen zu untermauern, gelten bei Wohnungskäufern inzwischen als Standardaufschlag. Durch die Covid-Krise sind am Zürichsee nun besonders grosse Wohnungen mit fünf oder sechs Zimmern gefragt, vor allem jene mit Seeblick.
7 Prozent Verlust bescherten Schweizer Immobilienaktien ihren Anlegern 2020. Prime-Tower-Eigner SPS hat den Covid-Crash noch längst nicht verdaut. Nach wie vor dominiert die Unsicherheit, wie gross der Bedarf an Büros in Zukunft wirklich ist.
Bei Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen sei das Angebot in der ganzen Schweiz historisch tief. Und was gebaut wird, wird laut Wüest-Partner-Expertin Eugster «schnell absorbiert».
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Auf das geringe Angebot trifft ein steigender Verbrauch an Wohnfläche pro Einwohner. Das liegt etwa an der zunehmenden Zahl von Single-Haushalten, was unter anderem auf das wachsende Durchschnittsalter der Bevölkerung zurückzuführen ist. Die gesellschaftlichen Veränderungen sprechen laut Christine Eugster dafür, dass der Wohnflächenverbrauch weiter zunehmen wird. Corona habe den Trend nur noch verstärkt.
«In so einem Umfeld wird das Einfamilienhaus zu einem absolut raren Gut», sagt Eugster. Die Zahl der neu erstellten Objekte habe seit der Jahrtausendwende kontinuierlich abgenommen. Vor allem kleinere Häuser fänden reissenden Absatz.
«Auch wenn nicht gerade haushälterisch mit dem Land umgegangen wird, ist das Einfamilienhaus für die Mehrheit der Schweizer noch immer die begehrteste Wohnform», sagt Eugster.
Immobilien waren schon vor dem Preisanstieg eine teure Anlageklasse, und nun hat sich die Situation verschärft. Der UBS Swiss Real Estate Bubble Index steht kurz vor Blasen-Niveau – in einzelnen Bereichen ist er bereits dort angelangt. So etwa beim Verhältnis der Eigenheimpreise zu den Haushaltseinkommen.
Nur wenn steigende Immo-Preise von höheren Löhnen getragen werden, gilt die Steigerung als «nachhaltig». In den letzten 20 Jahren verdoppelten sich die Preise, die Wirtschaftsleistung legte aber nur halb so stark zu.
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«Die Tragbarkeit war schon vor Corona angespannt und hat sich weiter verschlechtert. Wir haben ein Tragbarkeitsproblem», sagt Claudio Saputelli von der UBS.
Auch ging die Schere zwischen Mieten und Eigenheimpreisen weiter auf. Die steigenden Immobilienpreise trafen auf stagnierende bis fallende Mieten. Je weiter weg vom Zentrum ein Objekt liegt, je höher die Bautätigkeit ist, je schlechter der Zustand, desto grösser wird der Druck auf die Bestandsmieten.
Blasen gehören zu den Märkten dazu. Unmöglich zu prognostizieren ist, wie weit sie sich aufblähen, bevor sie platzen. Eine bedrohliche Spitze stellen steigende Zinsen dar. Haben die tiefen Zinsen für die starken Steigerungen der Vermögenswerte gesorgt, ist ein Schub bei den Zinsen für sämtliche Anlagen und auch für Immoblien eine ultimative Gefahr.
Hotspots der Schweiz: In Lenzburg (u.) und Altendorf im Kanton Schwyz stiegen die Preise für Einfamilienhäuser laut Wüest Partner mit 11 und 14 Prozent besonders stark.
Cornelius FischerHotspots der Schweiz: In Lenzburg (u.) und Altendorf im Kanton Schwyz stiegen die Preise für Einfamilienhäuser laut Wüest Partner mit 11 und 14 Prozent besonders stark.
Cornelius Fischer«Viele Leute kaufen auf Biegen und Brechen und verschulden sich stark. Sie machen die Rechnung meist ohne steigende Zinsen. Steigen sie schnell, wäre es Gift für den Markt», sagt Claudio Saputelli. Eine Abkehr vom Negativzins hält er für «sehr gefährlich». Bereits bei Anleihenrenditen von 0,5 oder einem Prozent sei mit grossen Umschichtungen am Immobilienmarkt zu rechnen.
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Steigen die Zinsen, beginnen grosse Player wie Pensionskassen ihr Portfolio schneller zu bereinigen. «Sie verkaufen dann die ‹faulen Eier›. Im Negativzinsumfeld bleiben diese mangels Alternativen häufig im Depot», sagt Saputelli. Auch ohne steigende Zinsen dürfte sich das Angebot in den kommenden Jahren etwas vergrössern.
«Liegt die schwierigste Phase der Pandemie hinter uns, könnte sich ein Stau lösen. Projekte, die aufgeschoben wurden, kommen dann in die Pipeline», sagt Immobilienmakler Benjamin Stamm.
Hinzu kommen die Immobilien der Babyboomer. Die geburtenstärksten Jahrgänge gehen in den Ruhestand. Immobilienverkäufe finden besonders häufig zum Zeitpunkt der Pensionierung statt. Die Babyboomer sind auf den Immobilienmärkten eine ernst zu nehmende Macht.
«Mehr als die Hälfte der privat gehaltenen Immobilien im Kanton Zürich – das sind 54'000 Einfamilienhäuser und 158'000 Eigentumswohnungen – besitzen Menschen, die älter als 60 Jahre sind», schreibt ZKB-Expertin Kubli in einer aktuellen Studie.
Die Babyboomer konnten sich Immobilien in jungen Jahren noch leisten. Heute ist eine Eigentumswohnung nur für jeden zehnten Mieter finanzierbar. Nur jedes zwanzigste Einfamilienhaus befindet sich im Besitz von Personen, die zwischen 40 und 49 Jahre alt sind.
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«Durch Pensionierungen der Babyboomer kommen in den nächsten Jahren bis zu 30'000 Eigentumswohnungen auf den Markt», sagt Ursina Kubli. Während Eigentumswohnungen häufig verkauft werden, ist die emotionale Bindung zu einem Haus viel stärker.
Einfamilienhäuser bleiben laut ZKB-Daten bei einem Eigentümerwechsel in der Hälfte der Fälle in der Familie. Grössere Turbulenzen bei den Preisen erwartet die Immo-Expertin daher nicht.
«Es braucht Immobilien im Depot, aber viele Anleger sind zu stark engagiert. Solche Überallokationen sollten reduziert werden», sagt Claudio Saputelli. Nur wenige sind sich ihrer Immo-Investments überhaupt bewusst. Beispielsweise sind Anleger bereits über ihre Pensionskasse kräftig in Betongold investiert.
ZKB-Expertin Ursina Kubli: «Mehr als die Hälfte der privat gehaltenen Immobilien im Kanton Zürich besitzen Menschen, die älter als 60 Jahre sind.»
Ricardo FernandesZKB-Expertin Ursina Kubli: «Mehr als die Hälfte der privat gehaltenen Immobilien im Kanton Zürich besitzen Menschen, die älter als 60 Jahre sind.»
Ricardo FernandesBei Verwaltungsmandaten von Privatbanken spielen Immobilien in der strategischen Asset Allocation eine wichtige Rolle. Oft betragen Immobilieninvestments zwischen 10 und 20 Prozent. Wird dann noch eine Wohnung gekauft, um diese zu vermieten, ist das Klumpenrisiko bereits gross.
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«Buy to let» nennt sich diese Anlageform, die sich in den vergangenen Jahren stark verbreitet hat. Für zwei bis drei Prozent Rendite wird in Wohnungen investiert, Leerstandsrisiken werden häufg ignoriert und sind gerade im Fall von älteren Mehrfamilienhäusern nicht zu unterschätzen.
So kann sich die Standortqualität ändern – und das nicht immer zum Positiven. «Da steckt viel Kapital in einem Investment, das keine grossen Erträge abwirft», sagt Markus Lackner, Research-Chef bei VZ Depotbank. Unterschätzt werden die Zeit, das Geld und die Nerven, die in die Bewirtschaftung und den Unterhalt der Immobilie gesteckt werden müssen. Zudem nagt der Zahn der Zeit auch am Objektpreis.
«Die Preissteigerung steckt im Grundstück. Wie beim Auto gibt es gerade bei Neubauten einen Abnutzungseffekt», sagt Nima Mehrafshan von PriceHubble. Bereits nach zehn Jahren liegt der Preis einer Immobilie um fünf bis zehn Prozent unter vergleichbaren Neubauten. «Erneuerungsfonds sind häufig nicht so gut bestückt. Werden grössere Investitionen fällig, muss man sich erst mit der Hausgemeinschaft einigen», sagt Eugster.
Einer der grössten Nachteile einer Immobilie ist die Illiquidität. Es dauert für gewöhnlich Monate, bis eine Wohnung zu Geld gemacht werden kann. Üblicherweise werden von Anlegern, etwa im Bereich Private Equity, sogenannte Illiquiditätsprämien für den schlechten Zugang zum Geld bezahlt.
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Die Nachteile der mangelnden Liquidität und der fehlenden Streuung lassen sich via börsenkotierte Immobilienfonds und Immobilienaktien, die AGs, umgehen. Beide kaufen Immobilien und sind an der Börse kotiert.
Fonds werden von Banken und Vermögensverwaltern wie UBS, CS oder Schroders herausgegeben. Diese haben Kompetenzen in Anlagen und Immobilien, basteln für Investoren Fonds und erheben für den Aufwand eine Gebühr.
AGs wie HIAG, Swiss Prime Site oder PSP agieren als Firmen und unterliegen anderen Gesetzen. In der Regel sind sie freier, arbeiten etwa mit mehr Fremdkapital. Haben AGs eigene Interessen – zu denen unter anderem eine attraktive Dividende gehört –, dreht sich beim Management eines Fonds alles darum, eine möglichst hohe Ausschüttung zu erreichen.
Anders als direkte Immobilienanlagen werden jedoch nicht nur die Immo-Aktien, sondern auch die Immo-Fonds von der Stimmung an den Börsen beeinflusst. Das gilt umso mehr, je grösser der Fokus auf Gewerbeimmobilien liegt. «Gewerbe ist zyklischer, da die Flächen eng mit der Wirtschaftsleistung zusammenhängen», sagt Robert Varley, Experte für Immobilienfonds bei Schroders.
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Das hat sich in der Covid-Krise gezeigt. Schweizer Immobilienaktien verloren 2020 unter dem Strich sieben Prozent, während die Kurse der Fonds mit Fokus auf dem Wohnen acht Prozent zulegten. Die auf Geschäfts- und Retailliegenschaften in Zürich und der Region Genf–Lausanne fokussierte SPS ist die grösste AG. Jelmoli und der Zürcher Prime Tower zählen zu ihren bekanntesten Objekten.
Die Aktie hat sich zwar erholt, ist aber noch weit vom Vor-Corona-Niveau entfernt. Das hat auch seine Gründe. So schwingt im Markt für Büroimmobilien durch die Verbreitung von Homeoffice noch einiges an Unsicherheit mit.
Dass viele Unternehmen in Zukunft verstärkt Heimarbeit zulassen und sogar forcieren werden, ist klar. Unklar ist, wie stark der Bedarf an Büroflächen – Stichwort Begegnungszonen – dadurch sinkt.
«Eine starke Erholung der Wirtschaft kommt den kommerziellen Entwicklern entgegen», sagt VZ-Experte Markus Lackner. Für Anleger bieten sich Chancen – doch es erfordert Mut. «Immobilienanlagen werden von steigenden Zinsen gleich doppelt bedroht», sagt Lackner. Steigen die Zinsen, sinken die Bewertungen der Immobilien, und zudem reduziert sich die Nachfrage nach dieser Anlageform, da klassische Zinspapiere wieder attraktiver werden.
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««Gute Fonds aus dem Bereich Wohnen sind teuer, die Rendite meist tief. Das muss man in Kauf nehmen.»»
Robert Varley, Experte für Immobilienfonds, Schroders
Steigende Zinsen sind für Lackner für diese Anlagen der wichtigste Risikofaktor. Die stärker aufs Wohnen fokussierten Schweizer Immo-Fonds gehörten 2020 zu den Gewinnern. Doch die Spanne ist bei den Fonds sehr weit.
«Der Markt hat nicht alle in einen Topf geworfen, sondern stark differenziert», sagt Lackner. Der UBS Direct Urban Fund etwa legte 2020 rund 23 Prozent zu, während der Credit Suisse Real Estate Fund Hospitality fast 20 Prozent verlor.
Das ist wenig überraschend, ist Letzterer doch auf Covid-Verlierer wie Hotels, Restaurants und Kinos fokussiert. Mieterlässe und Pleiten wie die der Swissôtels in Basel und Oerlikon belasteten.
Auch bei Wohnimmobilien sind die Chancen nach den Kurszuwächsen eingeschränkt. «Gute Fonds aus dem Bereich Wohnen sind teuer, die Renditen sind meist entsprechend tief, das muss man in Kauf nehmen», sagt Robert Varley.
Beim CS LivingPlus lag der Aufschlag auf den Schätzwert der Immobilien, das sogenannte Agio, per Ende April bei fast 60 Prozent. «Investoren sind bereit, extreme Preise zu bezahlen, um so diversifiziert am Immobilienmarkt teilnehmen zu können», sagt UBS-Experte Saputelli.»
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Etwas grössere Chancen liegen bei den Fonds im kommerziellen Bereich. «Wenn man ein bisschen mehr Risiko eingehen möchte, bekommt man von kommerziellen Fonds ein wenig mehr Rendite. Die Kunst ist es für Privatanleger, eine Flughöhe zu finden, die Sinn macht», so Robert Varley.
Er hält kurzfristige Anlagen in Immobilien aber für den falschen Weg. «Immobilien sollten in einem Depot eine stabilisierende und diversifizierende Rolle spielen. Für Trader ist es eigentlich die falsche Anlageklasse.» Je kürzer man gelistete Immobilienfonds halte, desto mehr gleiche das Investment einer Aktie. Erst über drei bis fünf Jahre komme die Stabilität. «Dann wird der Fonds zu einer Immobilienposition.»
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