Guten Tag,
HSG-Rektor Bernhard Ehrenzeller über die Stellung der Uni im Konkurrenzvergleich, ausgestandene Skandale und private Geldgeber.
Bernhard Ehrenzeller (67) ist seit Februar 2020 Rektor der Universität St. Gallen. Der Jurist und ehemalige Prorektor gilt als Integrationsfigur und soll die Uni nach den Skandalen der Vorjahre stabilisieren.
Michel Canonica / TagblattWerbung
Herr Ehrenzeller, die HSG ist im «FT»-Ranking der besten Wirtschaftsuniversitäten Europas von Platz 4 auf Rang 7 abgesackt. Geht es mit der Eliteuni bergab?
Entscheidend ist: Wir sind seit neun Jahren ununterbrochen in den Top Ten. Der Rückgang auf Platz 7 ist ein relativ kleiner Schritt. Da braucht es mitunter wenig.
Warum die Zurückstufung?
Einer der Massstäbe ist der Lohn, den Absolventinnen und Absolventen nach der Ausbildung verdienen. Da sind wir relativ gesehen etwas zurückgefallen. Aber die Zurückstufung hat hier niemanden durch geschüttelt. Wir halten nach wie vor sehr gut mit, und dies notabene als einzige öffentliche Business School unter den ersten zehn. Darauf sind wir stolz. Aber wir dürfen uns natürlich nicht zurücklehnen – der Wettbewerb unter den Universitäten ist enorm.
Die Credit Suisse ist mit 20 Millionen als Geldgeberin der HSG eingestiegen. Braucht die Uni so dringend Geld, dass man Private Lehrstühle finanzieren lässt?
Nein, das nicht. Die HSG ist eine öffentliche Universität, der Kanton St. Gallen trägt zusammen mit den Bundesgeldern und den interkantonalen Ausgleichsbeiträgen die Kosten für den Grundauftrag in Lehre und Forschung. Partnerschaften wie jene mit der CS ermöglichen uns aber Exzellenz-Projekte. Wenn wir nur auf die staatlichen Beiträge abstellen müssten, könnten wir das heutige Niveau nicht halten.
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Tangiert derlei nicht die Unabhängkeit der Lehre?
Wir setzen bei Partnerschaften auf langfristige Vereinbarungen. Dabei bleibt die Freiheit von Forschung und Lehre in jedem Fall gewahrt. Das ist selbstverständlich auch in den Vereinbarungen mit der CS so festgehalten. Die Forschungsgebiete wurden zwar mit der CS besprochen, aber die Inhalte und die thematische Gestaltung des von der CS unterstützten HSG Center for Financial Services Innovation sind allein in der Verantwortung der HSG.
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Wie viel verdient ein HSG-Professor im Jahr?
Maximal 225'000 Franken.
Das ist nicht viel.
Ich bin froh, dass Sie das sagen (lacht).
An der Uni Zürich oder der ETH sind die Löhne um mehrere 10'000 Franken höher. Kann die HSG mit ihren Löhnen wirklich die Spitzenkräfte locken, die es braucht? Eine Eliteuni braucht doch auch Stars.
Auf Stars zu setzen, ist nicht unser Konzept. Wir wollen in der Breite sehr gut dastehen. Statt Topstars mit Fantasielöhnen anzulocken, konzentrieren wir uns darauf, junge Professorinnen und Professoren mit sehr hohem Potenzial zu uns zu holen. Zudem: Auch wenn der Grundlohn an der HSG im Vergleich mit anderen Hochschulen mitunter tiefer sein kann, so gibt es doch attraktive Möglichkeiten für Zusatzverdienste.
Welche?
Professorinnen oder Professoren können Zusatzleistungen erbringen, etwa indem sie die Leitung eines Instituts übernehmen. Die HSG hat eine sehr lebendige Institutskultur. Da können sie bis zu einem Viertel des Grundlohns zusätzlich verdienen. Und dann natürlich auch durch Nebenbeschäftigungen. Da gibt es keine Begrenzung nach oben, ausser das zeitliche Limit von einem Tag pro Woche.
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Die HSG machte in den letzten Jahren mit allerlei Skandalen von sich reden. Nun steigt der politische Druck auf die Organisation. Gelingt der neue Anlauf an die Spitze?
Peter PanDie HSG machte in den letzten Jahren mit allerlei Skandalen von sich reden. Nun steigt der politische Druck auf die Organisation. Gelingt der neue Anlauf an die Spitze?
Peter PanDie HSG tickt noch immer anders als andere Hochschulen. Aber ist sie auch immer noch besser? Ein Blick hinter die Kulissen einer Elite-Universität.
Das ist doch ein Minenfeld. Der Skandal um Professor Johannes Rüegg-Stürm etwa, der als Präsident von Raiffeisen die Spesen für die Stripclub-Besuche seines CEO durchwinkte, hat der HSG einen Reputationsschaden eingebracht.
Wir sind uns der Problematik sehr wohl bewusst. Nicht zuletzt aufgrund der Fälle der letzten Jahre wurde eine Kommission geschaffen, die Nebenbeschäftigungen bewilligen muss. Darin vertreten sind auch Nicht-HSG-Leute, etwa ein ehemaliger St. Galler Regierungsrat.
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Warum nicht Nebenerwerbstätigkeiten gleich gänzlich verbieten?
Was die HSG auszeichnet, ist nicht nur die wissenschaftliche Exzellenz, sondern auch die Verbindung zur Praxis. HSG-Absolventinnen und -Absolventen sollen Gestalter sein und eine konkrete Wirkung erzielen wollen. Wie kommen Professoren zu Praxisbezug? Indem sie Praxiserfahrung haben. Etwa in einem Verwaltungsrat: Da bekommen sie Entscheidungssituationen aus nächster Nähe mit.
Rüegg-Stürm selber habe der Universitätsleitung angeboten, seine Lehrtätigkeit als Ordinarius zu beenden. Gab es von Seiten der HSG Druck auf Rüegg-Stürm, eine derartige Lösung anzubieten?
Nach den erneuten und erweiterten kritischen Presseberichten in Bezug auf das Verhalten von Johannes Rüegg-Stürm bei Raiffeisen haben der Präsident des Universitätsrates und ich als Rektor mit ihm die Lage besprochen. Im Rahmen dieser Gespräche hat er seinen Rückzug aus der Lehrtätigkeit und die Reduktion seines Anstellungsgrades angeboten, was der Universitätsrat akzeptiert hat. Das erklärte Ziel von Johannes Rüegg-Stürm war es, die Universität aus der öffentlichen Schusslinie zu nehmen.
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Hätte die Universitätsleitung nicht schon viel rascher und deutlicher selber reagieren müssen?
Ich halte es für wichtig zu betonen, dass Johannes Rüegg-Stürm im Raiffeisen-Prozess nicht angeklagt ist, sondern lediglich als Auskunftsperson befragt wurde. Derzeit beruhen die Vorwürfe gegen ihn nur auf Medienberichten und betreffen auch nicht seine Arbeit an der HSG. Das engt natürlich den Handlungsspielraum der Universität ein, welche im Übrigen als Arbeitgeberin auch eine Fürsorgepflicht hat.
Kurz nach Ihrem Antritt als Rektor brach die Corona-Krise aus. Wie gingen Sie damit um?
Es war natürlich ein enormer Einschnitt. Für uns war wichtig, trotz all der digitalen Formen des Unterrichts den Spielraum in Sachen Präsenzunterricht weitestmöglich auszunutzen. So haben wir etwa weiter Präsenzprüfungen durchgeführt, alles natürlich mit Schutzkonzept. Nicht alle Studierenden haben die technischen Fertigkeiten, alles virtuell zu meistern, und manche haben vielleicht auch nicht die Möglichkeit, sich für die Prüfungen drei Stunden in Ruhe abzuschotten. Wir wollten, dass alle die gleichen Voraussetzungen haben.
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Jüngst hat der Bundesrat weitere Öffnungsschritte beschlossen. Was bedeutet das für die HSG?
Wir sind sehr froh um den Entscheid. Unsere Grundhaltung ist ganz klar: Wir sind eine Begegnungsuniversität. Wir wollen, wenn immer möglich, auf den Campus zurückkehren. Der Lerneffekt ist eindeutig grösser. Das gilt auch für die Weiterbildung, etwa im MBABereich. Aber natürlich gibt es auch Veränderungen aus der Corona-Zeit, die längerfristig wirken.
Welche?
Die Frage, ob es nach wie vor die grossen Vorlesungssäle für Hunderte von Studierenden im gleichen Ausmass braucht oder ob man vieles in Zukunft vermehrt digital durchführen kann, ist durchaus prüfenswert. Doch was auf zweiter Stufe zur Wissensvermittlung kommt, der interaktive Austausch in Gruppen, soll bleiben und sogar weiter ausgebaut werden. Natürlich müssen sich auch unsere Lehrkräfte anpassen.
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Inwiefern?
Die Lehrkräfte müssen in Zukunft noch besser verstehen und beherrschen, was interaktive Lehre bedeutet. Wir werden zukünftig mehr Wert auf Didaktik legen. Bisher war das freiwillig.
«35 Prozent beträgt die Frauenquote unter den Studierenden.»
Die HSG gilt als Männer-Uni. Nur 35 Prozent der Studierenden sind Frauen.
Da haben wir Nachholbedarf, ohne Frage. Auch bei den Ordinarien ist die Quote mit rund 20 Prozent eindeutig zu tief. Etwas besser sieht es bei den Assistenzprofessuren aus, da sind es immerhin 40 Prozent. Wir berücksichtigen diese Frage bei all unseren Neueinstellungen und haben uns zum Ziel gesetzt, die Zahlen zu erhöhen. Wir versuchen auch, gezielt Studentinnen anzusprechen. So gibt es etwa spezielle Informationsveranstaltungen nur für Maturandinnen.
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Die HSG wird auch stark geprägt von den vielen deutschen Studierenden. Sie sind nicht überall beliebt: Sie gelten als laut, als forsch.
Jeder ausländische Studierende muss eine Aufnahmeprüfung machen. Daher kommen bei uns nur die besten rein. Das schmeichelt vielleicht dem Selbstbewusstsein. Relativ gesehen ist die Zahl der deutschen Studierenden allerdings am Abnehmen.
Warum?
Einerseits, weil die HSG als Wirtschaftsuniversität im deutschsprachigen Raum nicht mehr unangefochten an der Spitze steht. Nicht weil wir schlechter geworden wären, sondern weil die anderen stark zugelegt haben. Es gibt heute mehrere sehr gute deutsche Business Schools. Andererseits wird Studieren generell viel internationaler. Zu uns kommen etwa vermehrt Studierende aus dem asiatischen Raum. Diese Entwicklung fördern wir gezielt. Wir haben schon vor einer Weile einen Hub in Singapur gegründet, um den Austausch zu fördern.
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Gerade im Zusammenhang mit den erwähnten Skandalen kam es zuletzt auch zu verstärktem Druck von politischer Seite. Wird die HSG zukünftig enger an die Kandare genommen?
Grundsätzlich ist die Akzeptanz der HSG in politischen Kreisen und in der Bevölkerung sehr hoch. Gerade jüngst hat die St. Galler Regierung einen Erweiterungsbau für 200 Millionen Franken im Stadtzentrum bewilligt. Die Zustimmung zum Projekt war auch in der vorangegangenen Volksabstimmung sehr hoch.
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Derzeit steht die Totalrevision des Universitätsgesetzes an. Viele glauben, die Macht des Uni-Senats sollte zurückgebunden werden, der Staat will vermehrt mitreden.
An fast jeder Schweizer Uni kann man heute Wirtschaft studieren. Was uns ausmacht, sind wissenschaftliche Exzellenz, der hohe Praxisbezug unserer Institute und unserer Executive School sowie das traditionell hohe studentische Engagement. Das braucht Freiräume, und die muss der Kanton uns ein Stück weit lassen. Die Unabhängigkeit der Uni muss geschützt werden, wissenschaftlich und organisatorisch. Wir müssen aber den Dialog mit allen Anspruchsgruppen verstärken und transparenter werden. Daran führt kein Weg vorbei.
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