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Ähnlich und doch völlig verschieden: Firmenich und Givaudan – die Weltmarktführer aus der Schweiz.
KUNST ODER WISSENSCHAFT: Die Parfümeure von Givaudan und Firmenich kreieren Düfte, die Weltruhm erlangen – den Firmen beschert dies Milliardenumsätze.
Joseph Khakshouri für BILANZWerbung
Die wohltuende Frische reifer Orangen und Eichenmoos im Duschgel, der Duft von weissen Blüten der Tuberose und spritzigem Ingwer in der Body Lotion, der erfrischende Pfefferminzgeschmack der Zahnpasta, das Aroma süsser Walderdbeeren im Joghurt – Geschmacks- und Duftstoffe sind die stillen Begleiter, die Konsumenten während des ganzen Tages erfrischen, beruhigen, anregen, in ihnen Erinnerungen wecken. Teils werden sie bewusst genossen, teils nur latent wahrgenommen.
Sie sind wichtiger als alle anderen Faktoren, wenn es darum geht, ob ein Produkt gefällt oder nicht. Kreiert und hergestellt werden diese Stoffe von hochprofitablen multinationalen Konzernen, die punkto Innovationskraft ihresgleichen suchen. Dominiert wird der Markt, der auf 36 Milliarden Franken geschätzt wird, von vier Firmen. Zwei kommen aus der Schweiz: Givaudan und Firmenich.
Die beiden Schweizer Player teilen sich rund die Hälfte des Marktes mit dem US-Konzern International Flavor & Fragrance (IFF) und der deutschen Symrise. Givaudan und Firmenich haben beide ihren Hauptsitz in der Nähe von Genf. Beide wurden vor über 100 Jahren in der Schweiz gegründet, beide sind Weltmarktführer in der Herstellung von Duft- und Aromastoffen. Auf den ersten Blick sind Givaudan und Firmenich Zwillinge – von denen der eine einfach etwas grösser ist. Doch so ist es nicht.
Während Givaudan eine abwechslungsreiche Unternehmensgeschichte mit zahlreichen Besitzern und Partnern hat, ist Firmenich seit über 100 Jahren eine Familienfirma. Gilbert Ghostine ist der erste CEO, der nicht zur Familie gehört. Doch bis heute ist Patrick Firmenich VR-Präsident, und Mitglieder der Familie arbeiten in verschiedenen Bereichen des Unternehmens. Givaudan hingegen ist seit der Abspaltung von Roche im Juni 2000 an der Schweizer Börse kotiert.
Das sehr zur Freude der Investoren – die Marktkapitalisierung hat sich seit dem IPO auf 40 Milliarden Franken verzehnfacht. Prominentester Aktionär ist Bill Gates, der über die Bill & Melinda Gates Foundation fast 14 Prozent am Genfer Unternehmen hält.
Mit einem Marktanteil von 17 Prozent ist Givaudan der Primus inter Pares. Mit diesem Selbstverständnis tritt das Unternehmen auf.
Forschung ist der Wachstumsmotor der Aromen- und Duftstoffbranche, dahin fliessen Investitionen in Höhe von zehn Prozent des Umsatzes. Allein Firmenich beschäftigt 450 Wissenschaftler weltweit.
PDBeide Firmen unterhalten Innovationszentren und Labore rund um den Globus. Givaudan hat 2019 in Kemptthal ZH, auf dem ehemaligen Maggi-Areal, ein Forschungszentrum für 290 Wissenschaftler in Betrieb genommen.
Julien Chatelin/laif
Weltweit beschäftigt Givaudan fast 16 000 Mitarbeitende, 2000 in der Schweiz, mit einem Umsatz von über 6,3 Milliarden Franken lag das Unternehmen unangefochten auf Platz eins – Firmenich setzte im letzten Geschäftsjahr mit mehr als 10 000 Mitarbeitenden 3,9 Milliarden Franken um. Beide zeichnen sich durch höchst dynamische Zuwachsraten von durchschnittlich fünf Prozent in den vergangenen Jahren aus.
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«Givaudan ist unser grösster Konkurrent und ein ernstzunehmender Player, den wir respektieren. Wir haben aber keine Ambitionen, der Grösste in der Branche zu werden», sagt Ghostine, der seit 2014 an der Spitze von Firmenich steht. «Wir wollen der Beste sein, die Firma, die unsere Kunden als erste anrufen, wenn sie einen Wunsch haben», fügt er aber noch hinzu.
Von dem Gerücht, es gebe ein ungeschriebenes Gesetz, wonach Mitarbeiter der beiden Unternehmen nicht heiraten oder zusammen unter einem Dach wohnen dürfen, will Givaudan-CEO Gilles Andrier auch nach fast 30 Jahren in der Branche noch nie etwas gehört haben. Doch problematisch fände er eine solche Verbindung schon. Auf beiden Seiten gibt man sich diskret und respektvoll, wenn es um Statements über den Konkurrenten aus der direkten Nachbarschaft geht.
Die Rivalität, die schon seit über einem Jahrhundert besteht, verstehen beide Konzerne als Ansporn. «Sie schauen sich genau an, was der Konkurrent macht. Da beide täglich bei den gleichen Ausschreibungen miteinander konkurrieren, wissen sie auch ganz genau, woran der andere arbeitet», sagt Andreas von Arx, der bei der Baader Bank unter anderem die Aromen- und Duftstoffbranche beobachtet.
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Das Flavor-and-Fragrance-Business ist ein reines B-to-B-Geschäft. Zu Endkonsumenten haben weder Givaudan noch Firmenich Kontakt – ausser durch Marktforschung. Ihre Kunden sind Konzerne wie Nestlé, Danone, Unilever, Procter & Gamble, Henkel und Beiersdorf. Die ständige Präsenz von Givaudan und Firmenich bleibt für die Konsumenten im Verborgenen. Aromen- und Duftstoffe befinden sich in Parfums, Schönheits-, Körperpflege- und Reinigungsprodukten, in Getränken, Lebensmitteln und Tabak. Kaum ein Konsumgut kommt ohne eigenen Duft aus.
Die Kunden der Aromenhersteller wollen, dass ihre Shampoos, Spülmittel, Wandfarben, Lippenstifte, aber auch ihr Orangensaft, Joghurt, Glace und ihre Zigaretten von den Konsumenten wiedererkannt werden und sich von den Produkten der Konkurrenz deutlich unterscheiden. Denn für die Kaufentscheidungen spielen Geruch und Geschmack die wichtigste Rolle. Ob eine Marke im Detailhandel Erfolg hat oder nicht, ist zu 60 bis 80 Prozent den Duft- und Aromastoffen zuzuschreiben. Andere Aspekte wie Verpackung, Image oder Preis spielen kaum eine Rolle, wenn der Kunde das Produkt «nicht riechen» kann. Gleichzeitig ist der Kostenanteil für Düfte und Geschmacksstoffe für Lebensmittel- und Kosmetikfirmen mit zwei bis fünf Prozent gering. Bei Aromen- und Duftstoffen wird daher niemals gespart.
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Hauptsitz: Satigny GE
Standorte: mehr als 100
Produktionsstätten weltweit: 46
Mitarbeitende: über 10 000
Umsatz (2020) in Mrd. Fr.: 3,9
Investitionen F&E: 10%
Ebitda-Marge 2020: 22,1%
Hauptsitz: Vernier GE
Standorte: mehr als 180
Produktionsstätten weltweit: 77
Mitarbeitende: über 15 800
Umsatz (2020) in Mrd. Fr.: 6,322
Investitionen F&E: 10%
Ebitda-Marge 2020: 22,1%
Ihre Krisenresistenz hat die Branche während der Corona-Pandemie unter Beweis gestellt. Die Bereiche Luxusparfümerie und Food Services, die von den Lockdown-Massnahmen betroffen waren, verzeichneten zwar Einbussen. Diese konnten mit anderen Segmenten aber mehr als wettgemacht werden. Givaudan ist auch im Krisenjahr 2020 um vier Prozent gewachsen. «Diese Widerstandskraft ist darauf zurückzuführen, dass wir uns auf mehreren Ebenen absichern», sagt Andrier, der das Unternehmen seit 2005 leitet.
Zum einen ist Givaudan auf der ganzen Welt präsent – sowohl in den Industrie- als auch den Schwellenmärkten. Schon in den 1990er Jahren hat Givaudan die Expansion nach Indien und China vorangetrieben, es folgten Südostasien und Lateinamerika. Zum anderen hat Givaudan in den vergangenen Jahren neue Kundensegmente erschlossen. Während früher traditionell globale Konzerne angesprochen wurden, zählen heute auch kleinere, lokale und regionale Firmen zur Kundschaft des Unternehmens.
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Ganz entscheidend ist die Diversifikation der Produktpalette. Das Unternehmen deckt ein derart breites Spektrum ab, dass Verschiebungen im Kaufverhalten kaum ein Risiko darstellen. «Uns schadet es nicht, wenn Kunden in Krisenzeiten lieber günstigere Seife statt teurem Duschgel kaufen, denn unsere Inhaltsstoffe sind in beiden Produkten», sagt Andrier, der schon seit 28 Jahren bei Givaudan beschäftigt ist.
Auf dem Markt für schnelllebige Konsumgüter ist die Warenrotation so hoch wie in keinem anderen Bereich. Kaum ist ein Waschmittel oder ein Schokoriegel im Supermarktregal, schon wird an einer neuen, besseren Version gearbeitet. In einem kontinuierlichen Prozess ändert sich alle paar Jahre das gesamte Portfolio. Für Givaudan und Firmenich bedeutet das weltweit Tausende neue Anfragen und Tausende Ausschreibungen pro Tag. Bei diesen Briefs gibt es nur einen Gewinner und keinen Zweitplatzierten. Der Beste zu sein, ist alles, was zählt. Die Innovationskraft der Branche ist daher enorm.
Die kaum überwindbaren Markteintrittsbarrieren sind ein wichtiger Eckpfeiler des Geschäftsmodells der Aromen- und Duftstoffbranche. Seit mehr als 100 Jahren hat es kein neuer Player in die erste Liga geschafft. Nicht einmal aus aufstrebenden Volkswirtschaften wie China wagen sich neue Wettbewerber auf diesen Markt, was angesichts der Attraktivität der Branche mit Margen über 20 Prozent bemerkenswert ist.
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Geruch und Geschmack sind die mit Abstand wichtigsten Kaufargumente in den Endmärkten der Fragrance-and-Flavor-Industrie. Die Kreationen von Givaudan und Firmenich sind somit entscheidend für den Erfolg der Marken ihrer Kunden, gleichzeitig ist die Kreation und Herstellung von Duft- und Aromastoffen hochkomplex. Rund zehn Prozent des Umsatzes investieren die beiden Firmen daher in Forschung und Entwicklung. Allein Firmenich besitzt mehr als 4000 Patente, beschäftigt 450 Wissenschaftler in sechs globalen Forschungszentren. Produktionsstätten rund um den Globus und eine hochkomplexe Logistik ermöglichen es, Kunden auf der ganzen Welt zu bedienen.
Ein entscheidender Erfolgsfaktor sind auch die «Nasen», wie die Flavoristen und Parfümeure scherzhaft genannt werden. Um die besten Talente für sich zu gewinnen, legen beide Unternehmen allergrössten Wert darauf, als Arbeitgeber attraktiv zu sein. Firmenich punktet hier beim Thema Diversität. Für die Gleichberechtigung am Arbeitsplatz wurde das Unternehmen mehrfach ausgezeichnet.
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Einen Gender Pay Gap gibt es laut Ghostine bei Firmenich nicht, und sein Geschäftsführungsteam kann sich mit einem Frauenanteil von 50 Prozent sehen lassen. Hinter dieser Diversität stecke aber kein Gleichstellungsgedanke, sondern Meritokratie, betont Ghostine. Man habe einfach die qualifiziertesten und fähigsten Personen gewinnen können.Beide Unternehmen rühmen sich ihrer exzellenten Firmenkultur. «Ich bin der Chief Culture Officer – unsere Firmenkultur ist unser wichtigstes Kapital», so Givaudan-Chef Andrier. Gute Kreateure zu finden, ist eine der grössten Herausforderungen der Branche. «Es gibt weniger Parfümeure und Flavoristen als Astronauten», sagt Ghostine. Das liegt auch an der langen und anspruchsvollen Ausbildung.
Die Hauptsitze von Firmenich und Givaudan in der Umgebung von Genf sind nur vier Kilometer voneinander entfernt.
AFPIm «Silicon Valley of Perfumes» haben sich auch zahlreiche Zulieferer angesiedelt.
PDAn der Ecole Givaudan in Paris, der ältesten und renommiertesten Parfümeurschule, werden die «Nasen» ausgebildet. Die Auswahl ist hart, aus mehreren tausend Bewerbern werden jedes Jahr nur drei oder vier neue Schüler akzeptiert.
Anspruchsvoll sind auch die Lieferketten. «Wir verwenden 12 000 verschiedene Inhaltsstoffe, die in komplexen chemischen Formeln gemischt werden», so Andrier. Jedes Rezept ist einzigartig und auf den Kunden massgeschneidert. Auch die intimen Kundenbeziehungen, die teilweise seit vielen Jahrzehnten bestehen, stellen eine Eintrittsbarriere dar. Während der Entwicklung neuer Düfte und Aromen arbeiten Givaudan und Firmenich oft mehrere Monate mit den Kunden zusammen. Solche Kollaborationen führen in vielen Fällen zu engen Kundenbindungen.
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Die Lebensmittelindustrie erfindet sich seit einigen Jahren neu. Signifikante Veränderungen und Herausforderungen kommen auf die Aromenhersteller zu. Proteine auf Pflanzenbasis, Nahrungsmittel mit weniger oder ohne Zucker, Salz und Fett sowie Produkte mit ausschliesslich naturbelassenen Inhaltsstoffen stehen auf den Wunschlisten der Kunden weit oben. Hinzu kommen Lebensmittel, die mit Vitaminen und anderen Stoffen angereichert sind, die etwa das Immunsystem stärken sollen.
Die Kunst ist es, all diese Anforderungen zu erfüllen und gleichzeitig ein Produkt zu kreieren, das wirklich gut schmeckt. Denn gute Vorsätze reichen nicht aus, im Supermarkt das zuckerfreie Joghurt oder die veganen Chicken Nuggets zu wählen. Für Givaudan und Firmenich sind diese Trends nicht nur herausfordernd und spannend, sondern vor allem chancenreich. Allein bei Aromen für vegane und vegetarische Nahrungsmittel lag das Wachstum in den vergangenen Jahren bei 25 Prozent.
Fleischersatz auf pflanzlicher Basis entwickelt sich zu einem Milliardengeschäft. Givaudan und Firmenich haben viel in die Forschung und Entwicklung rund um «Plant-based Food» investiert und erzielen damit grosse Erfolge.
AFPFirmenich hat jüngst einen Grillgeschmack für Pflanzenfleisch entwickelt.
Benoit DECOUT/REA/laifAuch im Kosmetikbereich passiert derzeit viel. Hier bringt vor allem der Trend zu Clean Labels – also «sauberen», naturbelassenen Inhaltsstoffen – viele neue Chancen für die Branche. «Auf diese neuen Trends setzt eine Vielzahl ganz unterschiedlicher Firmen. Die grossen globalen Player, aber auch die kleineren regionalen Unternehmen und immer mehr Start-ups», beobachtet Ghostine.
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Einerseits sind Konzerne wie Nestlé auf dem Gebiet pflanzenbasierter Proteine wichtige Anbieter, doch junge Firmen wie Beyond Meat und Impossible Burger sind zu starken Konkurrenten avanciert. Diese Entwicklung spiegelt sich in der veränderten Struktur der Branche, die über die ursprünglichen Segmente Düfte und Aromen hinausgewachsen ist. Vor allem im Lebensmittelbereich sind in kürzester Zeit viele neue Unternehmen in der Grössenordnung von 100 Millionen Franken Umsatz dazugekommen.
Auf der Jagd nach Übernahmekandidaten geraten diese schnell ins Visier der vier Marktführer. «In den vergangenen fünf Jahren gab es in unserer Branche 55 Akquisitionen, 13 davon von Firmenich. Diese Konsolidierung wird sich in den nächsten Jahren fortsetzen», sagt Ghostine.
Das erhöhte Innovationstempo und die grossen neuen Trends erfordern eine Digitalisierung der Branche. Bei Givaudan wurde 2018 das Programm GBS (Givaudan Business Solutions) gestartet. An drei Standorten in Kuala Lumpur, Budapest und Buenos Aires sind 2000 Mitarbeitende daran, das Unternehmen effizienter zu gestalten. «GBS war eine grosse Transformation, die fast drei Jahre dauerte», sagt Andrier.
Es wurden bestimmte Tätigkeitsbereiche, die vorher an über 100 Standorten durchgeführt wurden, an drei Hauptstandorten zentralisiert. «Das hilft uns auch, neue Firmen zu integrieren. Diese können auf sehr einfache Weise an die GBS-Plattform angeschlossen werden.»Einen erhöhten Innovationsdruck bringen auch neue Kundenbedürfnisse mit sich. «Kunden kommen zu uns mit überraschenden Wünschen wie veganem Shampoo», sagt Eric Saracchi, Chief Digital and Information Officer bei Firmenich. Um dem Druck standzuhalten, wurde bei Firmenich in allen Teilen der Wertschöpfungskette, von der Kreation bis zum Verkauf, ein hohes Mass an Automatisierung und Digitalisierung implementiert.
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DIE CHEFS: Seit Gilles Andrier (l.) 2005 die Konzernleitung von Givaudan übernommen hat, wächst die Firma durchschnittlich 5% pro Jahr. Gilbert Ghostine (r.) ist der erste Firmenich-CEO, der nicht der Familie entstammt. Er leitet das Unternehmen seit 2014.
PDDIE CHEFS: Seit Gilles Andrier (l.) 2005 die Konzernleitung von Givaudan übernommen hat, wächst die Firma durchschnittlich 5% pro Jahr. Gilbert Ghostine (r.) ist der erste Firmenich-CEO, der nicht der Familie entstammt. Er leitet das Unternehmen seit 2014.
PDUnterstützt wird diese Transformation seit vier Jahren von den Wissenschaftlern, Flavoristen und IT-Experten des D-Lab, eines digitalen Labors auf dem Campus der ETH Lausanne. Dort wurde auch der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) bei der Kreation neuer Düfte und Aromen entwickelt.
Auf Vertriebsebene nutzt Firmenich zudem Online-Verkaufswebsites – was im Business-to-Business-Geschäft nicht unbedingt üblich ist. «Die neue Generation erwartet solche Lösungen», sagt Saracchi. Für China wurde die Site zusammen mit der grössten B2B-Handelsplattform Alibaba aufgesetzt.
Ende Juni hat Firmenich die KI-gestützte Plattform Scentmate lanciert. Diese soll die Entwicklung neuer Düfte deutlich vereinfachen und es so auch kleineren Unternehmen und unabhängigen Marken ermöglichen, einen massgeschneiderten Duft einzusetzen. «Immer mehr Start-ups brauchen hochwertige Düfte für ihre innovativen Produkte, sei es für Parfums, Seifen oder Kerzen», sagt Felix Frowein, Leiter des Bereichs Consumer Fragrances bei Firmenich und Initiant von Scentmate.
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«Parfümeure und Flavoristen wird es immer geben, aber künstliche Intelligenz wird sie unterstützen. »
Früher wären so kleine Kunden nicht für Firmenich in Frage gekommen – nur schon aufgrund der geringen Bestellmengen. Typische Kunden ordern Duftstoffe auf Tonnenbasis, die neuen Käufer benötigen hingegen oft nur einige Kilo. Mit Scentmate kann nun ein ganz neues Kundensegment effizient bedient werden.
Mit der Einführung künstlicher Intelligenz in der Aromen- und Duftstoffbranche kamen auch Bedenken auf, die Arbeit der hoch qualifizierten Flavoristen und Parfümeure könnte überflüssig werden. «Bei Firmenich arbeiten über 100 Parfümeure. Das wird auch in Zukunft so sein», sagt Frowein. Ihre Kreativleistung sei auch zukünftig relevant, aber KI könne eine wichtige Unterstützung etwa für technische Herausforderungen sein.
Über den kommerziellen Erfolg von Scentmate möchte Saracchi noch nichts sagen – er sei aber positiv überrascht, wie viele Kunden die Plattform bereits genutzt hätten. Eine davon ist Anne-Marie van der Lande, Gründerin von DTD Cosmetics. Die Absolventin der Parfümeurschule ISIPCA berät Firmen beim Aufbau der eigenen Duftidentität. «Kleine Firmen haben keinen Zugang zu grossen Parfumhäusern wie Firmenich», sagt van der Lande.
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Doch für Start-ups, kleine Modemarken oder Influencer würden massgeschneiderte Düfte immer wichtiger. Diese Firmen müssen auf Standarddüfte zurückgreifen oder sich an kleinere Parfumhäuser wenden, die keinen Zugang zu unzähligen Inhaltsstoffen und grossen Expertenteams verfügen. «Die neue Plattform schliesst diese Lücke und ist sehr einfach zu bedienen, selbst wenn man kein Duftexperte ist», sagt van der Lande. Kunden wählen Bilder, Stichworte und Inhaltsstoffe aus, mit denen Moodboards entstehen. Diese dienen dann als Grundlage für den Duft. Nach wenigen Tagen erhält man ein Muster – alles vollautomatisiert.
Dieser Artikel erschien erstmals am 20. August 2021
Symrise – der neue Champion.
HEINZ-JÜRGEN BERTRAM: Der 62-jährige CEO von Symrise ruht sich nicht auf seiner Erfolgsbilanz aus. «Es ist mein Job, nie zufrieden oder selbstgefällig zu sein und immer mehr zu wollen.»
PDHEINZ-JÜRGEN BERTRAM: Der 62-jährige CEO von Symrise ruht sich nicht auf seiner Erfolgsbilanz aus. «Es ist mein Job, nie zufrieden oder selbstgefällig zu sein und immer mehr zu wollen.»
PDVor zehn Jahren war Symrise noch ein KMU, weit abgeschlagen auf Platz vier der Branche – heute ist es ein Weltunternehmen mit 10 000 Mitarbeitenden und 100 Standorten weltweit, einem Umsatz von 3,5 Milliarden Euro und einem Marktanteil von zehn Prozent. Seit Heinz-Jürgen Bertram 2009 die Leitung übernommen hat, wächst das Unternehmen mit durchschnittlich zehn Prozent pro Jahr – sieben Prozent davon organisch. Der Aktienkurs ist in dieser Zeit auf das Neunfache gestiegen. Dieses Jahr werden die Symrise-Valoren in den DAX aufgenommen, da sind sich Marktbeobachter sicher.
So glänzend sah es nicht immer aus. 2002 übernahm der schwedische Private-Equity-Investor EQT den Aromenhersteller Haarmann & Reimer und fusionierte das Unternehmen ein Jahr später mit dem Wettbewerber Dragoco. Für die zwei Holzmindener Firmen, die im südlichen Niedersachsen auf zwei verschiedenen Strassenseiten seit vielen Jahrzehnten koexistiert hatten, war eine Fusion nie in Frage gekommen. Zu unterschiedlich erschienen Kultur und Struktur, zu tief verwurzelt war die Rivalität. Der Umbau und der Börsengang 2006 brachten viel Unruhe, zahlreiche Wechsel an der Firmenspitze prägten diese Phase. «Da musste man am Morgen schon mal prüfen, ob der Büroschlüssel noch passt», erinnert sich der heutige CEO Bertram. Von 2007 bis 2011 stand Andreas Schmid dem Verwaltungsrat vor. Seine Vision, Symrise mit dem Schweizer Konkurrenten Givaudan zu fusionieren, sei gescheitert und habe zu einem unrühmlichen Abgang geführt, heisst es in der Branche.
Doch diese Zeiten sind längst vorbei. Symrise präsentiert sich seit Jahren robust und ist in vielen Bereichen der Branche zum Pionier avanciert. Anders als Givaudan und Firmenich ist Symrise beispielsweise schon früh in neue Branchen vorgedrungen – die klassischen Bereiche machen nur noch zwei Drittel des Geschäfts aus. «Wir haben uns frühzeitig jenseits von Flavor und Fragrance orientiert und neue Geschäftsfelder wie Cosmetic Ingredients und Tierfutter besetzt», sagt Bertram. Diese Strategie hätten Wettbewerber belächelt – heute gehen sie selber diesen Weg. Vorreiter ist Symrise auch beim Thema Rückwärtsintegration. Viele wichtige Roh- und Inhaltsstoffe stellt das Unternehmen heute selber her. Die grössere Fertigungstiefe war vor allem während der Pandemie ein grosser Vorteil.
CEO Bertram kommt selbst aus der Forschung, sein akademischer Hintergrund wird wohl eines der Erfolgsgeheimnisse von Symrise sein. «Ich lese immer noch regelmässig wissenschaftliche Literatur und bringe mich bei Entwicklungsprojekten aktiv ein», sagt Bertram, der schon vor seinem Amtsantritt viele Jahre im Unternehmen war. Bei Investoren ist der bodenständige Manager sehr geschätzt. «Die Wiege der modernen Aromenindustrie liegt in Holzminden – glauben Sie es oder nicht», erklärt Bertram. Er spielt damit auf den Forscher Wilhelm Haarmann an, der vor 150 Jahren eine Technik entwickelte, aus Tannennadeln Vanillin herzustellen, und damit den Grundstein für das Unternehmen legte.
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