Abo
CEO-Ranking

Green Running

CEOs vor! Das «Green Business CEO»-Rating bewertet erstmals nicht nur Facts & ­Figures zur Nachhaltigkeit, sondern stellt die CEOs ins Rampenlicht.

Iris Kuhn Spogat

Werbung

Vor zehn Jahren erntete Christian Mumenthaler von Politikerinnen und Wirtschaftskapitänen maximal ein mildes Lächeln, wenn er den Klimawandel und die drohenden Folgen für Gesellschaft und Wirtschaft thematisierte. So sie denn überhaupt zuhörten.

Partner-Inhalte

Entmutigen liess sich der CEO des Rückversicherers Swiss Re, deren Geschäft es unter anderem ist, Versicherungen gegen Grossschäden bei Naturkatastrophen abzusichern, nicht. Denn der Blick über den Tellerrand ist in diesem Geschäftsmodell existenziell. In Kenntnis der Dringlichkeit ist aus dem einsamen Rufer in der Wüste inzwischen ein Vorreiter geworden. Dafür erhält der 51-jährige promovierte Physiker nun eine Auszeichnung.

Verliehen wird sie ihm von Green Business Switzerland. Die Initiative, die von der Schweizerischen Umweltstiftung und vom Verein «Go for Impact», dem unter anderem Economiesuisse und Swissmem angehören, getragen wird, kürt Mumenthaler in ihrem ersten «Green Business CEO»-Rating zum Sieger.

Werbung

 

«Unternehmerische Nachhaltigkeit ist die ganz grosse Chance – und der einzige Weg.»

Platz 2 belegt Migros-Chef Fabrice Zumbrunnen, gefolgt von Novartis-CEO Vas Narasimhan, Vierter und Fünfter sind Coop-Präsident Joos Sutter und Logitech-Lenker Bracken Darrell. Die CEOs auf den Plätzen sechs bis zehn erscheinen in alphabetischer Reihenfolge.

So verschieden ihre Branchen und so unterschiedlich ihre Charaktere – etwas haben die Top-10-CEOs gemeinsam: Sie steuern Unternehmen, die nach eingehender Analyse ihres Nachhaltigkeitsmanagements das Attribut «wirkungsvoll» erhalten haben.

In diesem «wirkungsvoll» steckt mehr, als gut darin zu sein, Risiken und negative Auswirkungen der Geschäftstätigkeit – wie CO2-Emissionen und Abfall – zu reduzieren. In diese Kategorie sind von den 56 grossen Schweizer Unternehmen, die untersucht wurden, nur jene aufgenommen worden, die Nachhaltigkeit nicht nur managen, sondern sich mit Produkten und Dienstleistungen aktiv für Nachhaltigkeit engagieren und damit zur Lösung drängender Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft beitragen.

Werbung

Swiss Re hat schon früh die hohen Kosten von Natur- und Klimaschäden – für die Gesellschaft und sich selbst – erkannt und daraus strategische Konsequenzen abgeleitet. Migros und Coop sind in ihrem Business direkt mit ökologischen und gesellschaftlichen Herausforderungen konfrontiert, von den Erwartungen der Konsumenten ganz zu schweigen.

Migros schreibt ihr soziales Engagement seit eh und je gross. Und bei Coop bestimmt mit Joos Sutter, bei der Bewertung noch CEO, heute Präsident, ein Überzeugungstäter die Stossrichtung: «Wir führen 13'000 nachhaltige Produkte und verdienen damit 5,4 Milliarden Franken», sagt er, «2 Milliarden erreichen wir allein mit Bioprodukten. Damit sind wir in der Schweiz mit Abstand die Grössten in beiden Bereichen und auch international outstanding.» Der Gesamtumsatz von Coop betrug im vergangenen Jahr 30,2 Milliarden Franken.

Werbung

«Green Business CEO» – mehrstufige Methode

Die Methodik, die dem «Green Business CEO»-Rating zugrunde liegt, stammt von den Wissenschaftern des Institute for Business Sustainability (IBS) in Luzern. Sie ist weltweit einzigartig in Tiefe und Aussagekraft. Und darauf ausgelegt, dem Denken in Nachhaltigkeit eine neue Richtung zu geben: «Unternehmerische Nachhaltigkeit ist die ganz grosse Chance für die Wirtschaft – und gleichzeitig der einzige Weg», ist Cédric Habermacher überzeugt.

Die Betonung legt der Direktor von Green Business Switzerland aufs Wort «unternehmerisch». Thomas Dyllick, Direktor des IBS fügt an: «Echte unternehmerische Nachhaltigkeit fokussiert darauf, dass Unternehmen Lösungen für die globalen Probleme entwickeln.»

Green Running – das sind die Verfolger

Der CEO der Geberit Gruppe Christian Buhl spricht anlässlich der Jahresmedienkonferenz der Geberit Gruppe vom Dienstag, 15. März 2016, in Zürich.
Fotomontage eines Geräts und Arnd Kaldowski.
Porträt von Patrick Frost, CEO der Swiss Life Group, aufgenommen am Swiss Life Hauptsitz in Zürich.
Porträt von Urs Schaeppi, CEO der Swisscom, aufgenommen am Firmenhauptsitz in Worblaufen im Kanton Bern.
Portrait von Mario Greco, CEO der Zurich Insurance Group CEO, aufgenommen am Sitz in Zürich.
1 / 5

Wurde von der Jury ebenfalls gut bewertet: Christian Buhl, CEO der Geberit Gruppe.

Keystone

Werbung

Der Vater dieses Gedankens ist Peter Drucker: Vom Vordenker stammt die Aussage, dass jedes ungelöste gesellschaftliche oder ökologische Problem eigentlich nichts anderes ist als eine grosse unentdeckte Marktchance.

Der Appell an die Wirtschaft kommt nicht von ungefähr: «Wir haben in den letzten Dekaden erkennen müssen, dass Regierungen allein nicht in der Lage sind, unsere Probleme zu lösen», sagt Katrin Muff, Direktorin des IBS, «dazu braucht es auch die Innovationskraft von Unternehmen.»

Und weil der Mindset des CEO ausschlaggebend ist für die Prioritäten in einem Unternehmen und auch für dessen gesellschaftliche Orientierung, wurden für das «Green Business CEO»-Rating die Scheinwerfer auch auf die Firmenlenker selbst gerichtet.

Green Running – das letzte Wort

Am Ende der mehrstufigen Evaluation für das «Green Business CEO»-Rating wurden Vorgehen und Ergebnisse von einer Jury diskutiert und das Rating validiert. Es galt: Ausstand bei Interessenkonflikt. In der Jury sassen:

Mirjam Staub-Bisang, Blackrock-Schweiz-CEO; Jurypräsidentin.

Anton Affentranger, Ex-Chef Implenia, heute selbstständig.

Barbara Frei-Spreiter, Europachefin Schneider Electric.

André Hoffmann, Vizepräsident Roche Holding.

Vincent Kaufmann, CEO Ethos Stiftung.

Barbara Kux, Multi-Verwaltungsrätin.

Doris Leuthard, Alt-Bundesrätin, diverse VR-Mandate.

Thomas Vellacott, CEO WWF Schweiz.

 

Werbung

Die Leader der 32 bestbewerteten Unternehmen waren aufgefordert, sich online durch den Kompetenztest zur verantwortungsvollen Führung (CARL*) des IBS zu klicken. Er ist wissenschaftlich validiert und liefert innert Minuten die Analyse, wie jemand tickt und taktiert, etwa in Bezug auf Ethik, Know-how und Selbsterkenntnis. Obendrauf wurden die CEOs noch von externen Nachhaltigkeitsexperten unter die Lupe genommen und beurteilt.

Das allerletzte Wort für die finale Rangliste hatte schliesslich eine hochkarätige Jury. Da das achtköpfige Gremium unter Vorsitz von Mirjam Staub-Bisang unethisches Verhalten zum Ausschlusskriterium erklärt hatte, wurde die Credit Suisse disqualifiziert: Die gebeutelte Grossbank wurde wegen «bedeutender Fehlentscheide» in der Endrunde von der Liste gestrichen.

Facettenreiche Bewertung beim «Green Business CEO»

Werbung

So vielschichtig für das «Green Business CEO»-Rating analysiert wurde, so facettenreich ist die Rangierung zustande gekommen. Das zeigt ein Blick ins Dossier von Green Business Switzerland: Der fünftplatzierte Bracken Darrell brillierte beim Kompetenztest CARL und glänzte auch bei den Experten: Er erhält Bestnoten für sein Feuer in Nachhaltigkeitsfragen und sein Talent, Funken zu versprühen.

Mumenthaler verdankt seinen Sieg zu einem guten Teil natürlich der soliden Swiss-Re-Performance in Nachhaltigkeit, zum andern sind sowohl die beigezogenen Experten wie auch die Jury von Mumenthalers Glaubwürdigkeit beeindruckt.

Werbung

Auch Fabrice Zumbrunnen profitiert zum einen von den Bestnoten, die der orange Riese regelmässig in international durchgeführten Nachhaltigkeitsvergleichen erzielt. Zum andern weiss der Migros-Chef, der von sich sagt, er fühle sich «künftigen Generationen verpflichtet» und trage «eine Verantwortung dafür, dass die Erde auch in Zukunft intakt und lebenswert ist», offenbar genau, was das erfordert.

Der 51-jährige CEO hat im Onlinetest von allen CEOs am besten abgeschnitten. Sein Rivale Joos Sutter schaffte es alles in allem nur auf Rang vier. Wäre Sutter nur als CEO bewertet worden, hätte er gewonnen: Die Experten haben eine sehr hohe Meinung von ihm, erachten ihn als glaubwürdigen Überzeugungstäter und das, was er bewirkt, als beispielhaft.

Bilanz: Green Running, Matrix The Big Picture

Eine Matrix zeigt die datenbasierte Bewertung von Corporate Switzerland auf einen Blick.

The Big Picture: Schweizer Firmen und ihr Verhalten in puncto Nachhaltigkeit auf einen Blick.

Bilanz/The Institute for Business Sustainabilty
Eine Matrix zeigt die datenbasierte Bewertung von Corporate Switzerland auf einen Blick.

The Big Picture: Schweizer Firmen und ihr Verhalten in puncto Nachhaltigkeit auf einen Blick.

Bilanz/The Institute for Business Sustainabilty

Werbung

Weniger gut als die Migros schneidet Coop aber im Unternehmens-Rating ab. Es wird fürs Endergebnis zu zwei Dritteln gewichtet, die CEO-Bewertung zu einem Drittel.

Horizonterweiterung bei den CEOs

Vas Narasimhan und Novartis rangieren auf Platz drei. Narasimhan, Arzt und Wissenschaftler, ist mit Visionen am Start. «Ich will die Welt gesünder machen», führt er aus, «unsere Investitionen in Umweltschutz und Nachhaltigkeit sind auf unser Ziel ausgerichtet, die Medizin neu zu denken, um den Menschen zu einem besseren und längeren Leben zu verhelfen.»

«Zu denken, «the business of business is business», ist nicht mehr opportun.»

Und: «Angesichts des Umfangs und der Dringlichkeit der Herausforderung, vor der wir alle gemeinsam stehen, muss jeder seinen Teil beitragen.» Er und Novartis gelten als top. Wobei «top» mit diesem Rating gerade neu definiert wird.

Werbung

Zu denken, «the business of business is business», wie der US-Ökonom Milton Friedman vor 50 Jahren postulierte, ist nicht mehr opportun. Studien zeigen, dass wir heute bereits vier von neun sogenannten «planetarischen Grenzen» überschritten haben, die ein dauerhaft sicheres Leben erlauben.

Damit gehört auch der andere berühmte Satz von Friedman, dass die einzige soziale Verantwortung von Unternehmen die Gewinnmaximierung sei, in die Mottenkiste. «Der Zustand der Erde ist eine Tragödie», sagt Logitech-Chef Darrell, «ein Unternehmen hinterlässt immer eine Spur – eine gute oder eine schlechte.»

Seine soll gut sein: «Wir arbeiten hart daran, Nachhaltigkeit ins Zentrum von allem zu rücken.» Die ergriffenen Initiativen reichen von CO2-neutralen Gaming-Produkten über Strom aus erneuerbaren Quellen bis hin zur Aufforstung indonesischer Wälder. Gefragt nach weiteren geplanten Schritten, sagt er nur: «Wir werden viel weiter gehen als alles, von dem Sie je gehört haben.»

Werbung

Viel Luft nach oben

Leader wie Darrell haben erkannt, dass Unternehmen den Schlamassel, den sie mit angerichtet haben, mit aufzuräumen haben. Auf gutem Weg sind die 17 «Wirkungsvollen». Indes: Echt mustergültig ist von den untersuchten Konzernen keiner.

Der Mittelwert, den Corporate Switzerland in der IBS-Analyse erreicht, liegt auf der Zehnerskala gerade mal bei 4. Und auch die Endnote der Top-10-CEOs liegt bei jedem näher bei 5 als bei 10. «Wir wären sehr zufrieden, wenn die Hälfte der CEOs und der Unternehmen eine 8 erreichen würde», sagt Katrin Muff.

Blick hinter die Kulisse des «Green Business CEO»-Ratings

Das «Green Business CEO»-Rating ist nach dem Green Business Award der zweite Streich von Green Business Switzerland (greenbusiness.ch). Hinter der Initiative, die von der Schweizerischen Umweltstiftung und vom Verein «Go for Impact» getragen wird, stehen Akteure aus Umweltschutz und Wirtschaft.

Das erklärte Ziel: Firmenlenker inspirieren, Nachhaltigkeit als Chance statt als Risiko zu begreifen und sie zur Chefsache zu erklären. Im «Green Business CEO»-Rating sind daher die Scheinwerfer auf sie gerichtet.

Dem Rating liegt eine vielschichtige Methodik zugrunde. Bewertet wurde in einem mehrstufigen Prozess und aus verschiedenen Perspektiven. Die Methodik des «Green Business CEO»-Ratings haben die Wissenschaftler Katrin Muff und Thomas Dyllick vom Institute for Business Sustainability (IBS) in Luzern entwickelt und implementiert. Das IBS ist spezialisiert auf Forschung, Weiterbildung und Beratung im Bereich nachhaltiges Wirtschaften, Leadership und Innovation (theibs.net).

Die Persönlichkeiten hinter Green Business Switzerland sind Martina Loetscher, Kommunikation Green Business Switzerland; Cédric Habermacher, Direktor Green Business Switzerland; Jost Schumacher, Präsident Green Business Switzerland; Katrin Muff, Direktorin am Institute for Business Sustainabilty, und Thomas Dyllick, Direktor am Institute for Business Sustainability.

 

Werbung

Swiss Re und Co. steuern darauf zu. Wer aus den Ergebnissen schliesst, dass die Anforderungen zu hoch gesteckt waren, irrt: «Eine 10 zu erreichen, ist auf jeden Fall möglich», sagt Muff, «und wurde in Teilbereichen auch erreicht.» Sie macht sich keine Illusionen: «Verbesserungen können erst in den nächsten Jahren erwartet werden.»

Viel gutzumachen haben die passiven Unternehmen. Einige bedienen Märkte mit nur kleiner Relevanz für Gesellschaft und Umwelt wie etwa der Luxusgüterkonzern Richemont, andere wie die Swatch Group kommunizieren zu wenig transparent.

Und dann gibt es noch die, die agieren, als wäre nichts oder als ginge sie das alles nichts an. Das gehört gemäss Lehrbuch zum Schicksal zwingend anstehender Veränderungen: Die Notwendigkeit, sich zu ändern, wird grundsätzlich erst einmal verneint, irgendwann aber akzeptiert, gar zur Inspiration – und schliesslich zu einer sprudelnden neuen Umsatzquelle.

Werbung

*  Wie nachhaltig ist Ihre Firma, wie kompetent sind Sie? theibs.net/ceo (kostenlos).

Über die Autoren
Iris Kuhn Spogat

Iris Kuhn-Spogat

Iris Kuhn-Spogat

Auch interessant

Werbung