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Galderma boomt durch Corona und Abnehmspritze

Der Börsenneuling profitiert vom neuen Schönheits­bewusstsein – und mit ihm Private-Equity-Investor EQT.

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Unrecognizable woman having her lips and nasolabial folds done at private medical clinic. Syringe at focus.

Das stärkste Wachstum verzeichnet das Unternehmen aber mit injizierbaren Mitteln für ein jüngeres Aussehen.

Getty Images

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Was ist bloss los in Hollywood? Überall sieht man eingefallene Wangen und glanzlose Gesichter. Das neue Phänomen heisst «Ozempic Face» und ist eine der Schattenseiten des schnellen Gewichtsverlusts mithilfe von Abnehmspritzen wie Ozempic oder Wegovy. In der Boulevardpresse kann man sich davon überzeugen – wenn man sich nicht vor den skelettartigen Gesichtern ehemaliger Hollywood-Schönheiten fürchtet.

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Sharon Osbourne und Robbie Williams haben zuletzt besonders viel körpereigenes Füllmaterial verloren, entsprechend alt sehen sie nun aus.

Doch mit einem Ozempic-Gesicht muss man nicht leben. Denn auch dagegen gibt es Spritzen. Sie versprechen jugendliche Wangen, definierte Konturen und natürlich ganz viel Glow. Flemming Ørnskov, CEO der Schweizer Hautpflegefirma Galderma, ist der Mann der Stunde. Mit Fillern und Mitteln für mehr Elastizität hat Galderma alles im Angebot, was ein jugendlich aussehendes Antlitz braucht.

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Boost durch Abnehmspritze

Der Run auf die Abnehmspritze hat Novo Nordisk zum wertvollsten Unternehmen an Europas Börsen gemacht. Nun könnte dieser Trend in einer zweiten Wachstumswelle Galderma einen kräftigen Boost verleihen. «Viele Ärzte berichten uns von Patienten, die sehr schnell viel Gewicht verloren haben und nun unter schlaffer Haut im Gesicht und am Körper leiden», sagt Ørnskov.

«Die Erfolgsgeschichte von GLP-1 wird das Wachstum in der ästhetischen Dermatologie antreiben – und wir werden direkt davon profitieren, weil wir genau für diese Patientenbedürfnisse die Produkte haben», fügt er zufrieden hinzu.

Filler und Baby-Botox

Das Ozempic-Gesicht ist nur eines von vielen Phänomenen, die Galderma in die Hände spielen. Schon während der Corona-Pandemie erlebten Beauty-Eingriffe wie Botox oder Hyaluron-Spritzen einen Wachstumsschub. Wer ständig das eigene Gesicht im Videocall betrachtet, entdeckt dort Zornesfalten, Schlupflider oder Marionettenfalten und rennt zum nächsten Dermatologen. Wer einmal damit angefangen hat, hört auch nicht wieder auf – solange die Schwerkraft wirkt.

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Hinzu kommt, dass nicht nur Frauen dem natürlichen Alterungsprozess mit Injektionen den Kampf ansagen. Immer mehr Männer, vor allem in Asien und Südamerika, setzen auf minimalinvasive ästhetische Eingriffe. Flemming Ørnskov meint, er würde sich rein theoretisch auch die Produkte von Galderma injizieren lassen, denn von der Wirksamkeit und der Qualität ist er überzeugt. Ob er es tatsächlich tut, bleibt sein Geheimnis.Gleichzeitig werden die Kunden immer jünger. Frauen und Männer in ihren Zwanzigern nutzen Spritzen mit geringen Mengen Botox präventiv gegen Falten – sogenanntes Baby-Botox. Von all diesen Trends mag man halten, was man will: Dem Dermatologiekonzern und Börsenneuling Galderma haben sie in den letzten Jahren zu beneidenswerten Wachstumszahlen verholfen.

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Bei der Forschung und Entwicklung arbeitet Galderma mit einer globalen Plattform mit Synergien über alle Segmente hinweg.

Glenn Eisberg
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Bei der Forschung und Entwicklung arbeitet Galderma mit einer globalen Plattform mit Synergien über alle Segmente hinweg.

Glenn Eisberg

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Und auch im ersten Quartal dieses Jahres setzte sich der Wachstumstrend fort: Der Geschäftsbereich Injectable Aesthetics legte mehr als 19  Prozent zu. Über alle Segmente steigerte Galderma den Umsatz um über 12  Prozent.

Das Wachstumspotenzial der ästhetischen Dermatologie ist trotz der dynamischen Entwicklung der vergangenen Jahre hoch. Die Marktpenetration ist mit einstelligen Prozentzahlen nach wie vor gering. Laut einer Studie von McKinsey kann sich die Branche über jährliche Wachstumsraten von 14  Prozent bis 2026 freuen. Galderma ist bei mehreren Produkten Marktführer.

So etwa bei Biostimulatoren, welche die körpereigene Kollagenproduktion anregen. Auch bei Neuromodulatoren – dazu zählt etwa das bekannte Botox – rangiert Galderma auf einem der obersten Plätze.

Die Nadel im Heuhaufen

Galderma hat nicht immer in der Champions League gespielt. In den letzten fünf Jahren hat das 1981 gegründete Unternehmen den Sprung in die Top-Liga geschafft; mit einer neuen Führungsmannschaft, einer geschärften Strategie und hohen Investitionen.

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Das kam so: 2018 erarbeitet ein Team der schwedischen Private-Equity-Firma EQT eine Branchenstudie zum Dermatologiesegment in der Pharmabranche. Das Team um Michael Bauer, Schweiz-Chef von EQT und globaler Co-Leiter des Healthcare-Sektors, findet ein vernachlässigtes Geschäftsfeld mit viel Potenzial. Dabei stossen die Experten auf Galderma, die damals noch Nestlé Skin Health heisst und Teil des Nahrungsmittelkonzerns ist. Zum Verkauf steht Galderma nicht. Doch schon ein Jahr später sieht alles anders aus. Nestlé will sich von der Hautpflegesparte trennen – ursprünglich ein Joint Venture mit dem Kosmetikriesen L’Oréal.

«Im Nestlé-Konzern war Galderma ein Königreich innerhalb eines grösseren Königreichs», sagt Christoph Wirtz, Portfoliomanager bei der Rothschild & Co Bank. Weder L’Oréal noch Nestlé hätten einen starken Fokus auf das Segment gehabt. Für gut zehn Milliarden Franken wechselt das Dermatologieunternehmen 2019 ins Portfolio von EQT. Ein stolzer Preis – doch die Bieter standen Schlange, das Angebot an neuen Portfoliofirmen war rar und die Kriegskasse von EQT prall gefüllt.

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Old Boys Club

Dann begann die Knochenarbeit. «Als wir Nestlé Skin Health übernommen haben, war es bereits ein starkes und solides Unternehmen», betont Ørnskov. Doch erst die Investitionen und der Fokus auf Innovation hätten die Firma auf eine andere Ebene gehoben. Der Däne, aufgewachsen in der schönen Hafenstadt Esbjerg, zählt bereits zum EQT-Expertenpool, als er auf den CEO-Posten gesetzt wird.

Der Mediziner, der seine Karriere als Kinderarzt in einem Krankenhaus begann, hatte in den Jahren davor die Biotechnologiefirma Shire geleitet. Ørnskov richtete den Fokus auf die Behandlung seltener Krankheiten, machte Shire auf diesem Gebiet zum Weltmarktführer und leitete schliesslich den Verkauf an die japanische Takeda-Gruppe für mehr als 62  Milliarden Dollar ein.

Als CFO für Galderma holt Ørnskov seinen Kollegen Thomas Dittrich an Bord – die beiden waren bereits bei Shire ein eingespieltes Team. Einen weiteren Pharmaveteranen findet EQT für das Präsidium des Verwaltungsrats: VR-Präsident wird Thomas Ebeling, langjähriger Chef von Novartis Pharmaceuticals und Novartis Consumer Health.

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Von nun an wird viel Geld in Forschung und Entwicklung gesteckt. Im vergangenen Jahr sind es fast 300 Millionen Franken – als EQT das Unternehmen kauft, liegen die F&E-Ausgaben bei einem einstelligen Millionenbetrag. Doch in der Healthcare-Branche innovativ zu sein, ist nicht billig. Neben ästhetischer Dermatologie ist Galderma auch auf dem Gebiet der Hautpflege ein grosser Player. Mit Haut- und Sonnencrèmes, etwa Cetaphil und Alastin, macht das Unternehmen rund 30  Prozent des Umsatzes. Hier kämpft Galderma mit grossen Konzernen wie L’Oréal oder Beiersdorf um Marktanteile.

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Schönheitals Hautsache: In der Schweiz sind Daylong und Cetaphil (Bild) bekannte Marken von Galderma.

PD
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Schönheitals Hautsache: In der Schweiz sind Daylong und Cetaphil (Bild) bekannte Marken von Galderma.

PD

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Nicht ohne Erfolg. Auch dieses Segment wächst im ersten Quartal mit 8,4 Prozent. In den vergangenen Jahren haben sich die Bereiche für injizierbare Produkte und für Hautpflege dynamischer entwickelt als die dritte Sparte: rezeptpflichtige Medikamente. Hier liefen Patente von Galderma ab, was sich negativ auf die Umsatzentwicklung auswirkte. «Wir erwarten aber, dass sich diese Dynamik in den nächsten Jahren mit der Lancierung von Nemolizumab ändern wird», betont Michael Bauer von EQT. Das Medikament für die Behandlung von atopischer Dermatitis und Prurigo nodularis, beides chronische Hauterkrankungen, hat laut Analysten Blockbuster-Potenzial – das heisst, es wird ein Umsatz von mehr als einer Milliarde Dollar erwartet. Derzeit prüfen die Arzneimittelbehörden in den Vereinigten Staaten und Europa die Anträge für die Marktzulassung.

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In den ersten Monaten als CEO kauft Ørnskov die globalen Rechte an Sculptra, das bereits im Sortiment von Nestlé Skin Health vorhanden war. Sculptra ist ein sogenannter Biostimulator, der die Produktion von körpereigenem Kollagen ankurbeln soll – heute eine der am stärksten wachsenden Marken im Galderma-Portfolio. Das Produkt eignet sich für Wangenvergrösserungen und wirkt gegen mangelnde Konturen etwa bei GLP-1-Patienten. «Der Kauf der Rechte war aus heutiger Sicht nicht so schlecht», sagt Ørnskov, der sein Licht nicht gern unter den Scheffel stellt.

Nähe zu den Kunden

Ein weiterer Meilenstein ist der Aufbau einer weltweiten Verkaufsorganisation mit fast 2000 Vertriebsmitarbeitern. Nestlé Skin Health war in vielen Ländern von lokalen Distributoren abhängig, das wollte Ørnskov nicht mehr. Viel Geld fliesst auch in den Aufbau des E-Commerce und in Trainings für Dermatologen. Das ist in der Branche zwar üblich, doch kleinere Firmen können sich einen Aufwand für Weiterbildungen, wie Galderma ihn betreibt, nicht leisten. 2023 fanden 11 000 Trainingsanlässe statt – laut Ørnskov deckt kein anderes Dermatologieunternehmen so viele Ärzte ab.

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Ørnskov treibt seine Vision weiter voran: Galderma soll die weltweit führende Dermatologiefirma werden – kleiner geht es nicht. Für den 66-Jährigen, der im Laufe seiner Karriere diverse Führungspositionen bei Bayer, Novartis und Merck innehatte, ist Galderma wahrscheinlich das letzte Meisterstück.

Die Wachstumszahlen der letzten Jahre und vom ersten Quartal 2024 zeigen, dass die Strategie richtig ist. Flemming Ørnskov gilt als extrem fokussiert, auch bei früheren Stationen wie beispielsweise Shire war er erfolgreich. Doch was man auch über ihn hört: «Very high IQ, very low EQ.» Vielleicht mangelt es ihm tatsächlich an emotionaler Intelligenz, vielleicht sind aber seine direkte nordische Art und seine hohen Ansprüche einfach nicht jedermanns Sache.

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Erfolgreicher Börsengang: CEO Flemming Ørnskov (7. von links) und seine Mitarbeitenden läuten das grösste IPO der Schweiz seit 2017 ein.

PD
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Erfolgreicher Börsengang: CEO Flemming Ørnskov (7. von links) und seine Mitarbeitenden läuten das grösste IPO der Schweiz seit 2017 ein.

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Im März hat er erneut gezeigt, dass er abliefern kann. Das Börsendebüt von Galderma wird zum vollen Erfolg. Der Eröffnungskurs lag 15  Prozent über dem Zuteilungspreis. Seither ist der Kurs um fast 15  Prozent gestiegen. Über einen Börsengang von Galderma wird schon seit fast zwei Jahren spekuliert, und vermutlich hätte er den Investoren auch gut in den Kram gepasst, aber die Volatilität an den Märkten war zu hoch. «Galderma war bereits 2022 organisatorisch, strategisch und finanziell bereit für einen Börsengang», sagt Bauer.

Doch die Unsicherheit an den Aktienmärkten war damals für einen so grossen Börsengang noch zu hoch. Die Zeit wurde für Akquisitionen und Produktinnovationen genutzt und für ein Private Placement im vergangenen Jahr, bei dem eine Milliarde Franken Eigenkapital bei bestehenden und neuen Investoren aufgenommen wurde. «Das IPO von Galderma war mit einem Volumen von 2,3   Milliarden Franken der grösste Börsengang Europas seit dem Going-public von Porsche vor zwei Jahren. Da musste alles stimmen. Mit der vorgängigen Privatplatzierung haben wir das sichergestellt», so Bauer.

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Ein Exit auf Raten

Noch hält EQT rund 57 Prozent an Galderma. «Der Börsengang war für uns kein Exit, sondern ein weiterer Schritt in der Entwicklung des Unternehmens», erklärt Bauer. Über die Zeit werde sich EQT als Eigentümer zurückziehen, einen konkreten Zeitplan gebe es dafür aber nicht. Bis Anfang Oktober gibt es für EQT noch eine Sperrfrist, während deren keine Verkäufe möglich sind. Aktienexperte Wirtz geht davon aus, dass die Private-Equity-Firma ab dann alle Anteile innerhalb der folgenden zwei bis drei Jahre verkaufen wird.

Galderma wurde schon wenige Wochen nach dem IPO als SMI-Kandidat gehandelt. Das überrascht nicht, der Hautpflegekonzern ist bereits jetzt eines der grössten börsenkotierten Unternehmen in der Schweiz. Darüber hinaus wird der Titel laut Analysten gut gehandelt. «Eine Aufnahme in den SMI oder auch den MSCI Europe halte ich für denkbar, sobald der Free Float deutlich höher ist», urteilt Wirtz von Rothschild. Das hätte zwar signifikante Auswirkungen auf die Aktien, aber nicht auf den Wert des Unternehmens.

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Flemming Ørnskov hat auch ein ganz persönliches Interesse daran, dass die Galderma-Aktie in den kommenden Jahren gut performen wird: Angeblich hat er für sich ein sehr attraktives Bonuspaket ausgehandelt. Es überrascht daher nicht, dass er sagt: «Wir stehen erst am Anfang. Ich sehe noch so viel Potenzial.»

Über die Autoren
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Anne-Barbara Luft

Anne-Barbara Luft

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