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Gespräch

Franklin-Templeton-CEO Jenny Johnson: «Die Volatilität eröffnet Chancen»

Um Frauen für die Geldanlage zu begeistern, braucht es mehr Frauen in der Fondsbranche, davon ist Jenny Johnson, CEO des US-Vermögensverwalters, überzeugt.

sdf

Jenny Johnson

DIE ZUKUNFT IST DIVERS: Johnson glaubt daran, dass nur gemischte Teams eine Firma wettbewerbsfähig machen.

Robert Houser

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Jenny Johnson befindet sich auf einer Reise durch Europa und den Nahen Osten, hetzt von einem Kundenmeeting zum nächsten. Schlafen kann sie auf solchen Reisen wegen der Zeitverschiebung auch nicht gut. Doch abgesehen davon, dass sie sehr heiser ist, merkt man der lebhaften CEO von Franklin Templeton die Strapazen nicht an, als sie im Zürcher Büro des US-Vermögensverwalters das Interview gibt. Besonders bei einem Thema ist sie kaum zu bremsen.

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Die Welt hält den Atem an wegen des Krieges in der Ukraine und der Angst, was sich daraus entwickeln könnte. Auch an den Märkten herrscht Nervosität. Worauf sollten sich Anleger einstellen?
Wir sind alle erschüttert von den jüngsten Ereignissen. Jedermann dachte, dass solche Krisen der Vergangenheit angehören. Je länger dieser Krieg anhält, desto länger wird er die Märkte beeinflussen. Ganz offensichtlich sind die Öl- und Gaspreise betroffen. Viele Anleger vergessen aber, dass auch die Lebensmittelpreise beeinflusst werden. All das führt zu einer höheren Inflation. Solange der Krieg anhält, bleiben die Marktschwankungen hoch.

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In unsicheren Zeiten werden Hoffnungen in aktiv verwaltete Portfolios gesetzt. Ist die Krise eine Chance für einen Vermögensverwalter wie Franklin Templeton?
Das stimmt zu einhundert Prozent. Aktives Management erblüht in Zeiten hoher Volatilität. In den vergangenen Jahrzehnten haben die Notenbanken auf der ganzen Welt massiv Liquidität in die Märkte gepumpt. Die Zinsen fielen unter null, und die Investoren kauften vermehrt Aktien. Die Kurse vieler Aktien sind gestiegen, und die Unterschiede zwischen einzelnen Titeln wurden immer kleiner. Diese Phase ist vorbei, die Auswahl von Einzeltiteln erhält wieder grösste Bedeutung. Und da können aktive Manager glänzen, da die Volatilität sowohl auf den Aktien- als auch auf den Bondmärkten Chancen eröffnet.

Aktives Management heisst häufig auch persönliche Anlageberatung – spricht das junge Kunden an?
Diese Altersgruppe ist sehr auf digitale Angebote fokussiert. Ich bin überzeugt davon, dass echte Menschen einem Roboter vorzuziehen sind. Einfach aus dem Grund, weil Anleger im Umgang mit ihrem Geld sehr emotional sind. Beispielsweise wollen viele Investoren in Phasen fallender Kurse verkaufen – zum schlechtesten Zeitpunkt. Der Finanzberater kann sie davon abhalten. Finanzanlagen sind eben nur dann erfolgreich, wenn man auch in volatilen Phasen an einer Strategie festhält.

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Junge Anleger verlassen sich also zu sehr auf digitale Angebote?
Ich bin schon glücklich, wenn Menschen mit 20 Jahren überhaupt anfangen zu investieren. Wer im Alter von 25 und 35 Jahren jedes Jahr 5000 Dollar anlegt und eine durchschnittliche Rendite von sieben Prozent pro Jahr erhält, wird mehr Geld verdienen als jemand, der erst mit 35 Jahren anfängt und sein Geld für 30 Jahre anlegt – einfach wegen des Zinseszinseffekts. Wenn junge Anleger zu Beginn einen Robo-Advisor wählen, dann ist das auch toll. Denn eines Tages werden sie sich eine anspruchsvollere und personalisierte Beratung wünschen.

Dritte Generation

Im Februar 2020 übernahm Jennifer - Jenny - Johnson den CEO-Posten des Vermögensverwalters Franklin Templeton. Das Unternehmen verwaltet weltweit rund 1,5 Billionen Dollar vor allem in aktiven Fonds sowie Private-Equity-Anlagen. Die 57-Jährige ist damit das vierte Familienmitglied, das die Firma leitet, seit ihr Grossvater Rupert es 1947 gegründet hat. Johnson, die seit 1988 bei Franklin Templeton arbeitet, gilt als eine der einflussreichsten Frauen im Fondsmanagement.

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Nicht nur Junge, sondern auch Frauen kümmern sich zu wenig um ihre Finanzen. Warum eigentlich?
Beim Thema Geldanlage sind viele Frauen immer noch zu wenig selbstbewusst. Ich rate jeder Frau, sich beim Investieren auf ihre Instinkte zu verlassen. Frauen sind bessere Investoren, als sie glauben.

In Umfragen geben Frauen an, dass ihre Bedürfnisse von Bankberatern nicht berücksichtigt oder sie in Gesprächen sogar ignoriert werden. Ist die Finanzindustrie mit daran schuld, dass sich viele Frauen nicht um ihre Finanzen kümmern?
Es ist eine verpasste Chance, wenn Frauen beim Anlagegespräch ignoriert und nur die Partner angesprochen werden. Mehrheitlich heiraten Frauen ältere Männer, haben zudem eine höhere Lebenserwartung, weshalb sie sich eines Tages doch um die Finanzen kümmern müssen. Viele Frauen feuern dann ihren Finanzberater, weil er sie vorher ignoriert hat.

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Nachvollziehbar. Braucht es mehr weibliche Anlageberater?
Wir empfehlen Beratern, immer beide Partner anzusprechen und die Bedürfnisse von beiden zu erfahren. Einige Frauen fühlen sich im Beratungsgespräch mit einer anderen Frau wohler, doch die meisten Frauen – genau wie Männer – wollen einfach den besten Finanzberater. Ganz gleich, ob es jetzt eine Frau oder ein Mann ist. Trotzdem würden mehr weibliche Mitarbeiter in der Finanzbranche auch mehr weibliche Anleger anziehen. Es ist daher sehr wichtig, den Frauenanteil in der Beratung und auch im Portfoliomanagement zu erhöhen.

Der Anteil der Frauen im Fondsmanagement ist mit zehn Prozent aber nach wie vor sehr gering – auch im Vergleich zum übrigen Finanzsektor.
Daran müssen wir tatsächlich arbeiten. Wir rekrutieren schon an den Highschools und Colleges Praktikanten. Nicht nur Frauen, sondern auch People of Color und andere Gruppen, die in der Branche ebenso unterrepräsentiert sind. Wir haben auch unsere Stellenbeschreibungen angepasst, um niemanden abzuschrecken. Auch in Vorstellungsgesprächen muss sichergestellt werden, dass es keinen Unconscious Bias – also eine unbewusste Voreingenommenheit – gibt.

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Ein gemischtes Team aufzubauen, ist das eine, diese Mitarbeitenden zu halten, das andere. Die Fluktuation von Frauen im Asset Management ist nach wie vor hoch.
Ja, das ist leider so. Man muss sich bemühen, die Talente zu halten. Wir gehen jedem Abgang auf den Grund. Hilfreich ist auch Vaterschaftsurlaub. Je mehr Männer für einige Zeit zu Hause sind und Verantwortung für Kinderbetreuung oder Hausarbeit übernehmen, desto weniger lastet auf den Schultern der Frauen. Das verbessert die Aussicht auf Beförderungen und mehr Einkommen.

Sie wollen, dass sich Ihre männlichen Vorgesetzten mehr bei der Hausarbeit einbringen?
Ja, und ich ermutige sie auch dazu, es zu kommunizieren, wenn sie ihre Kinder betreuen oder irgendeine Art von Hausarbeit übernehmen. Wenn es ganz normal ist, dass der Chef sagt: «Ich muss jetzt gehen, um meine Tochter zum Arzt zu bringen», dann wird es für die anderen Mitarbeiter auch selbstverständlich. Leider werden Männer, die sich so verhalten, immer noch stigmatisiert. Das müssen wir eliminieren, und zwar durch gute Vorbilder auf den obersten Hierarchiestufen.

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Jenny Johnson , CEO von Franklin Templeton

JENNY JOHNSON: «Kunden verlangen personalisierte, auf sie zugeschnittene Anlagelösungen. Das gab es früher nicht. Auch das Thema Nachhaltigkeit, das heute für uns eine ganz zentrale Rolle spielt, war damals ein Nebenschauplatz.»

Robert Houser
Jenny Johnson , CEO von Franklin Templeton

JENNY JOHNSON: «Kunden verlangen personalisierte, auf sie zugeschnittene Anlagelösungen. Das gab es früher nicht. Auch das Thema Nachhaltigkeit, das heute für uns eine ganz zentrale Rolle spielt, war damals ein Nebenschauplatz.»

Robert Houser

Warum ist es überhaupt so wichtig, gemischte Teams in der Finanzbranche zu haben?
Ich gebe Ihnen ein Beispiel: In den USA gehen weniger als zwei Prozent des Wagniskapitals an Start-ups von weiblichen Gründern. Und warum? Weil die männlichen Investoren deren Geschäftsmodell nicht verstehen. Wir haben früh in das sehr erfolgreiche, von Frauen gegründete Jungunternehmen Rent The Runway investiert, eine Plattform, auf der man Designermode mieten kann. Einer Frau leuchtet das Konzept sofort ein. Niemand möchte an zwei Galas oder Partys dasselbe Kleid tragen. Männer hingegen müssen sich nur darum sorgen, ob der 20 Jahre alte Smoking noch passt.

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Ob ein Geschäftsmodell Erfolg haben wird oder nicht, kann man also nur beurteilen, wenn man mit dem Problem vertraut ist?
Genau so ist es. Das war schon vor Jahrzehnten ein Thema. 1947 hat die Amerikanerin Marion Donovan die saugfähige Einwegwindel erfunden. Übliche Windeln liefen aus, oder die Babys bekamen Windelausschlag wegen der Feuchtigkeit. Also hat sie aus einem Duschvorhang eine Windel mit mehreren Lagen hergestellt und so die Idee zur völlig neuen, saugfähigen Windel entwickelt. Da es sehr gut funktionierte, stellte sie ihre Idee einem Geldgeber vor. Die Antwort, die sie bekam, lautete: «Dafür gibt es keinen Markt. Wir haben noch nie gehört, dass sich eine Frau über die herkömmlichen Windeln beschwert hat.» Wie viele Männer haben 1947 wohl Windeln gewechselt? Einige Jahre später machte Procter & Gamble mit einer ähnlichen Windel ein Vermögen.

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Diversität in der Start-up-Finanzierung ist offensichtlich nötig. Wie sieht es im Asset Management aus?
Auch dort ist es wichtig, denn diese Leute treffen die Anlageentscheidungen. Als Rent The Runway an die Börse gegangen war, haben traditionelle Vermögensverwalter darüber entschieden, ob die Aktien gekauft werden sollen oder nicht. Doch nicht nur auf der Investmentseite ist Diversität ganz entscheidend, sondern in allen Bereichen des Asset Managements. Beispielsweise im Marketing: Frauen wünschen sich andere Informationen und wollen anders angesprochen werden als Männer. Mit der Anzahl Meinungen im Raum steigt auch die Anzahl möglicher Lösungen. Diejenigen Firmen, die in Zeiten technologischen Wandels wettbewerbsfähig bleiben wollen, brauchen diverse Teams, um sicherzustellen, dass sie die besten Lösungen finden.

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Sehen Sie sich selbst als Vorbild für Frauen im Finanzbereich?
Das wäre ich gerne, aber da keine meiner drei Töchter in die Finanzbranche einsteigen möchte, bin ich es wohl eher nicht (lacht).

««Natürlich will ich das Unternehmen fit für die vierte Generation machen.»»

Jenny Johnson

Sind Frauen andere Chefs als Männer?
Jeder hat wohl einen individuellen Führungsstil. Während der Pandemie wurde aber deutlich, dass empathische Vorgesetzte sehr wertvoll sind. Solche Persönlichkeiten haben viel Rückhalt geschaffen. Früher sollten Vorgesetzte in Krisen stoisch sein, keine Gefühle oder Mitgefühl zeigen. Das hat sich nun geändert. Frauen fühlen sich wohler dabei, diese Art von Verletzlichkeit und Empathie zu zeigen.

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Welchen Rat würden Sie Ihrem jüngeren Ich geben?
Hab keine Angst zu scheitern, denn das lähmt dich. Aus Fehlern lernt man. Du musst es einfach immer weiter versuchen. Baue Netzwerke auf, und sei immer fair.

Sie leiten Franklin Templeton in dritter Generation. Was empfinden Sie dabei?
Ich bin unsagbar dankbar und glücklich. Gleichzeitig fühle ich eine enorme Verantwortung. Mein Vater sagte immer: Kümmere dich um die Kunden, und das Geschäft läuft von alleine. Wenn ich vor schwierigen Entscheidungen stand und ihn um Rat fragte, sagte er nur: Tu das Richtige, denn ein gutes Ansehen kannst du nie zurückgewinnen. Ich bin glücklich, dass dies die Werte unserer Firma sind …

… die Sie dann an die nächste Generation weitergeben?
Natürlich will ich das Unternehmen auch fit für die vierte und fünfte Generation machen. Heute befinden wir uns in einer Phase eines gewaltigen technologischen Wandels. Historisch betrachtet haben nur die wenigsten Firmen solche Phasen überlebt. Ich versuche, auf Probleme und Störungen fokussiert zu bleiben, aber natürlich kümmere ich mich auch um das Tagesgeschäft.

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In welchen Aspekten weichen Sie vom Weg Ihres Vaters ab und wählen neue Strategien und Ansätze?
Ich stehe heute vor ganz anderen Herausforderungen als mein Vater. Kunden verlangen personalisierte, auf sie zugeschnittene Anlagelösungen. Das gab es früher nicht. Auch das Thema Nachhaltigkeit, das heute für uns eine ganz zentrale Rolle spielt, war damals ein Nebenschauplatz.

Wurde bei Ihnen zu Hause am Abendbrottisch viel über Finanzen gesprochen?
Ich bin das sechste von sieben Kindern, bei uns gab es also immer eine Menge zu besprechen. Aber die Finanzbranche stand nicht im Fokus. Meine Mutter studierte Medizin in Stanford, und so sprachen wir eigentlich mehr über Themen aus der Medizin und Wissenschaft.

Über die Autoren
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Anne-Barbara Luft

Anne-Barbara Luft

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