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Jung, erfolgshungrig und bereit, die Geschäftswelt zu erobern. So bringen sich studentische Berater in Position.
WEGGEFÄHRTEN FÜRS LEBEN Philipp Binkert (l.), Basile Morel und Valeria Jannelli haben in den letzten Monaten intensiv zusammengearbeitet – das schweisst zusammen.
Dan CermakWerbung
Das Villenquartier oberhalb der Voltastrasse im Zürcher Kreis 7 ist ruhig, die Strassen gesäumt von alten Bäumen und teuren Autos. In zweiter Reihe, in einem Hinterhof, befindet sich das Büro der ETH Juniors. Eine Unternehmensberatung, geführt von Studierenden.
Sie sind leistungsorientiert, erfolgshungrig und die Macher von morgen, wie die Liste der Ehemaligen verrät. Darunter Gründer von Start-ups mit Einhornstatus wie Climeworks und GetYour-Guide sowie erfolgreiche Top-Manager wie V-Zug-CEO Peter Spirig. Bei den Juniors engagiert sich die Wirtschaftselite vonmorgen. Die intensive Arbeit schweisst die jungen Menschen zu einem engen Netzwerk zusammen, das Türen zu Jobs und Kapital öffnet. BILANZ wird ein Blick hinter die Kulissen gewährt.
In diesem Jahr feiern die ETH Juniors ein grosses Jubiläum: Seit 25 Jahren beraten sie Firmen, führen Marktstudien durch, optimieren und digitalisieren Prozesse und Produkte, reduzieren Kosten. Mehr als 100 Aufträge pro Jahr übernehmen die Juniors, erwirtschaften so mit über 50 Mitarbeitenden mehrere Millionen Franken Umsatz. Von der Geschäftsleitung bis zum Projektmitarbeiter arbeiten hier ausschliesslich Studierende, allesamt selektiert aus dem gigantischen Talentpool der verschiedenen Fachrichtungen der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich.
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An Ehrgeiz mangelt es den Jungberatern nicht. Das ETH-Studium bringt viele Studenten an die eigenen Grenzen, in einigen Studiengängen bestehen nur 40 Prozent das Basisjahr. Auch für dendarauf folgenden Bachelor sind überdurchschnittlicher Einsatz und Ausdauer nötig.
Wer sich zusätzlich zu diesen akademischen Herausforderungen noch ein extrakurrikulares Engagement als Berater gönnt, zählt eher nicht zur Gruppe der Durchschnittsstudenten. Was motiviert einen jungen Menschen zu so viel Einsatz? «Bei den Juniors schätze ich den Praxisbezug», «mich reizt diestarke unternehmerische Natur», «mir gefällt es, hier Verantwortung zu übernehmen», antworten sie artig. Musik in den Ohren jedes HR-Managers. Die Juniors denken schnell und antworten eloquent.
Foto: Dan Cermak
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Die Interview-Situation meistern sie souveräner als manch gestandener Manager. Doch das Sofa im Sitzungszimmer hat schon bessere Tage gesehen, auch die Schnappschüsse und Postkarten an den Wänden sowie der Teddybär mit Fussballtrikot verraten, dass hier keine gestandenen Manager, sondern junge Menschen arbeiten.
«Ich war positiv überrascht, dass wir Unternehmen tatsächlich einen derartigen Mehrwert bieten können», gesteht Basile Morel, Vizepräsident der zwölfköpfigen Geschäftsleitung, des sogenannten Main Board. Der 23-jährige Maschinenbaustudent betreut derzeit sechs Projekte, darunter eines für den Zolliker Brillenhersteller Luks Eyewear.
Morels Team wurde damit beauftragt, innovative und nachhaltige Materialien für Brillenfassungen zu finden. «Da wir so unvoreingenommen sind, kommen wir auf Ideen, die andere nicht haben», sagt er. Die Juniors präsentierten ihrem Kunden die gewünschten Materialien, in Kürze werden die ersten Prototypen gebaut und voraussichtlich bis Ende des Jahres ein völlig neues Modell in die Produktlinie aufgenommen.
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«Mit ETH Juniors habe ich einen professionellen und kompetenten Partner. Mit einer geringen Einarbeitungszeit konnte das Projektteam den Auftrag strukturieren und umsetzen», lobt Inhaber und Geschäftsführer Ilan Luks die Arbeit der Studenten. Kunden, die mit den Juniors zufrieden waren, engagieren das junge Team regelmässig. Rund die Hälfte der Projekte wird von bestehenden Klienten in Auftrag gegeben, darunter die Migros, Uster Technologies und mehrere Banken.
Vor gut 25 Jahren findet der ETH-Student Frank Floessel vor dem Hörsaal am Hönggerberg einen Flyer. Werbung für die studentische Unternehmensberatung der Universität Zürich. «Das ist es!», denkt er. Zu der Zeit ist er auf der Suche nach einer Geschäftsidee: «Beratung passt zu uns. Als Studenten können wir schnell denken, schnell lernen.»
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Zusammen mit vier Kommilitonen gründet er 1997 die ETH Juniors. Den Namen dürfen die engagierten Studenten nach Rücksprache mit dem damaligen Kommunikationschef der ETH nutzen – vor seinem O.K. prüft er, ob das ETH-Zeichen im Juniors-Logo ausreichend lesbar ist. Dann stellen sie einen Unterstützungsantrag an die ETH für Computer und einen Drucker.
«Zwischen all den Anträgen von Lehrstühlen und Doktoranden für Forschungsförderung, die an der ETH schnell im sechsstelligen Bereich sind, war unser Gesuch lächerlich bescheiden und wurde genehmigt», erinnert sich Floessel, der heute als Investor und Berater tätig ist. Nun fehlt nur noch ein Büro. «Wenn ihr freie Räume findet, dann dürft ihr die nutzen», lautet die Ansage der Verwaltung.
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Floessel und seine Mitstreiter durchkämmen die gesamte Hochschule, schauen hinter jede Tür. Im Hauptgebäude werden sie tatsächlich fündig. Dort beziehen sie ihr erstes Büro – mit Blick aufs Unispital und einem Schlüssel zum Hauptportal.
Mit dem ersten Projekt fängt es für die frischgebackenen Berater gleich spektakulär an: Auftraggeber ist Nokia. Das finnische Telekom-Unternehmen erstellt damals für Diax, die heutige Sunrise, das neue 3G-Netzwerk. Die Juniors werden damit beauftragt, die Stabilität des Netzes zu prüfen. Also setzen sie sich in ein Auto, einer fährt den ganzen Tag herum, während der Beifahrer mit einem Laptop auf dem Schoss kontrolliert, ob die Verbindungen von Zelle zu Zelle reibungslos wechseln oder der Anruf abbricht.
Die Juniors sind nicht die einzige studentische Beratungsfirma (siehe Box) – von ihrer Konkurrenz, etwa von den Unis Zürich und St. Gallen, heben sie sich mit technischem Know-how ab. «Smart solutions and technical support», lautet ihr Slogan, während die BWL-Studenten der anderen Hochschulen sich eher mit Aufträgen in den Bereichen Marktforschung und Marketing einen Namen machen.
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In den darauffolgenden Jahren bauen sich die Juniors zwei weitere Standbeine auf: Sie engagieren sich im Hochschulmarketing und bieten Firmen eine Plattform, sich als potenzielle Arbeitgeber zu präsentieren. Die Juniors stellen zudem Firmen über ihre Kanäle Studierende für begrenzte Zeit im Teilzeitpensum zur Verfügung. Über diesen Personalverleih bekommen Firmen Zugriff auf das Wissen der ETH-Studierenden. Diese wiederum können Firmen kennenlernen und werden nicht selten abgeworben. 2014 wird der jFund ins Leben gerufen. Überschüsse der Juniors, die als Verein organisiert sind, fliessen in diesen Fonds. Mit den Mitteln werden ehemalige Juniors bei der Gründung unterstützt. Schon über 1000 Arbeitsplätze wurden dank der Mittel aus diesem Fonds geschaffen.
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Über die Höhe ihrer Tagessätze möchten die Juniors nicht sprechen, aber sie haben selbstverständlich ein völlig anderes Preisschild als etablierte Beratungen. Die Projektmitarbeiter erhalten zwischen 35 und 45 Franken pro Stunde. Oft werden die Juniors gerufen, wenn es sich um Innovationsprojekte handelt, wenn ganz neue Ideen gesucht oder geprüft werden sollen. Doch die Preisstruktur ist nicht das wichtigste Verkaufsargument der Jungberater.
«Alleinstellungsmerkmale sind die Schnelligkeit und der Zugriff aufs Talent», sagt Flavio Pfaffhauser, von 2006 bis 2008 bei den Juniors und heute CTO und Mitgründer des Tech-Start-ups Beekeeper – seit diesem Jahr auf der Liste der «Top 100 Next Unicorns». Mit einem neuen Projekt kann normalerweise innerhalb einer Woche begonnen werden, kompetente Mitarbeiter aus zahlreichen Fachbereichen sind im Netzwerk und halten sich auf Abruf bereit.
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Hinzu kommt, dass die studentischen Consultants junge Menschen kennen und verstehen – ein Vorteil gegenüber etablierten Beratungen. Zudem verfügen die ETH Juniors über ein sehr breites Spektrum. «Wir schrecken vor nichts zurück», lacht Pfaffhauser. Probleme zu lösen, egal wie komplex sie sind, das lerne man an der ETH, und bei den Juniors werde dies umgesetzt.
«Beratung passt zu uns. Studierende denken schnell und lernen schnell.» Frank Floessel, Co-Gründer ETH Juniors
ZVG«Ich kenne keinen Junior, der Probleme hatte, einen Job zu finden.» Valentin Vogt, Präsident Arbeitgeberverband
ZVG«Es wurden schon über 1,5 Milliarden Franken in Startups von Juniors investiert.» Flavio Pfaffhauser, Gründer Beekeeper
Tom Davis
Wer bei den ETH Juniors im Main Board arbeitet, der verpflichtet sich für wenigstens ein Jahr – ein Jahr, während dessen kaum Zeit für das Studium bleibt. Ein bis zwei Semester fallen dem Extra-Engagement zum Opfer. Für Valeria Jannelli endet diese arbeitsintensive Zeit im September, dann wird sie sich wieder voll dem Studium widmen. In vier Semestern will die 24-Jährige dann den Master in Management, Technologie und Ökonomie in der Tasche haben.
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Jannelli leitete neben anderen Projekten ein IT-Projekt für eine Softwarefirma, die Webseiten hostet, darunter zahlreiche Tourismus-Sites. Der Kunde suchte ein Paket, das für alle diese Webseiten genutzt werden könnte. «Sie kamen ganz ohne konkrete Vorstellung auf uns zu», erinnert sich Jannelli. Sie und ihr Team kamen auf die Idee, ein Empfehlungssystem zu entwickeln.
Die zahllosen Artikel mit Beschreibungen der Feriendestinationen und der Sehenswürdigkeiten vor Ort sollten mit Hilfe von Natural Language Processing gefiltert und sortiert werden. Computer werden mit Machine-Learning-Algorithmen in die Lage versetzt, menschliche Sprache zu verstehen und zu interpretieren. Für diese anspruchsvolle Aufgabe konnte die Studentin ihr Wissen aus dem Informatik-Grundstudium einbringen – alles andere war Learning by Doing.
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Neue Projekte akquirieren, diese mit dem Kunden besprechen, die Projektphasen definieren, eine Kostenschätzung erstellen und das alles dem Kunden präsentieren – das lernen Studierende weder an der Uni noch in einem Praktikum. «Als Praktikant und auch als Juniorberater bei einer grossen Consulting-Firma fängt man ganz unten an», sagt Philipp Binkert, Präsident der ETH Juniors. Das heisse: Excel Sheets berechnen, Slides machen, recherchieren – bei den Juniors hingegen sei man von Anfang an eine Art Partner.
Genau dieses Learning by Doing macht die Juniors fit für die Arbeitswelt, sei es als Berater, in einem Konzern, bei einem Startup oder als Gründer. Bei Recruitern stehen sie auf der Liste der Wunschkandidaten daher weit oben. «Sie haben schon an Projekten und an der Kundenfront gearbeitet, wissen, wie man ein Team steuert, wie man eine Problemstellung strukturiert, und sind daher interessante Kandidaten für uns», sagt Joachim Stephan, Schweiz-Chef der renommierten Beratung Boston Consulting Group.
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KULTUR WIE BEI EINEM START-UP Philipp Binkert, Antonia Unger (beide hinten), Basile Morel, Chiara Koopmans und Urban Hofstetter (v.l.) ist die unternehmerische Denkweise gemein.
Dan CermakKULTUR WIE BEI EINEM START-UP Philipp Binkert, Antonia Unger (beide hinten), Basile Morel, Chiara Koopmans und Urban Hofstetter (v.l.) ist die unternehmerische Denkweise gemein.
Dan CermakEr schätzt die Führungserfahrung, das kaufmännische Ermessen, den Eigenantrieb und denUnternehmergeist der Juniors. «Die Chancen stehen gut, dass sie erfolgreich durch unseren Bewerbungsprozess kommen und bei uns eine gute Karriere machen», sagt Stephan.
«Ich kenne keinen ETH Junior, der nach dem Studium Probleme hatte, einen Job zu finden», sagt Valentin Vogt, Präsident des Schweizerischen Arbeitgeberverbands und seit 18 Jahren Mitglied des Aufsichtsgremiums, einer Art Verwaltungsrat. Es gebe ETH-Absolventen, die trotz ihrer exzellenten Ausbildung mit dem Einstieg in die Arbeitswelt Mühe hätten, weil sie diese nicht kennen, weiss Vogt. Ein Engagement bei den Juniors könne wegen des besseren Netzwerks und des Praxisbezugs eine grosse Hilfe sein.
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Auch für Investoren ist die Erfahrung bei der studentischen Beratung ein Qualitätssiegel. Risikokapitalgeber investieren gerne in Jungunternehmen von ETH Juniors. «Es wurden bereits über 1,5 Milliarden Franken in Start-ups investiert, die von uns gegründet wurden», freut sich Pfaffhauser, der Vorsitzender des Alumni-Clubs ETH Seniors ist. Seine Zeit bei den Juniors hat ihm viel Selbstvertrauen gegeben. So jung schon viel Verantwortung zu übernehmen und mit einem Team hochgesteckte Ziele zu erreichen, bestärkte ihn darin, selber Unternehmer zu werden.
Pfaffhauser denkt gerne an die Zeit zurück: Das Büro der Juniors war auch ein Treffpunkt. Dort gab es immer etwas zu arbeiten. Aber die Studierenden trafen sich dort auch abends, nach dem gemeinsamen Nachtessen ging es zurück ins Büro, und es wurde weitergearbeitet. Das klingt gar nicht nach Studentenleben. Wo bleibt da der Spass? «Den haben wir», beteuert Jannelli. So werde bei den wöchentlichen Sitzungen viel diskutiert, viel gelacht. «Wir arbeiten intensiv zusammen und kennen uns inzwischen so gut, dass wir alle Freunde geworden sind», erzählt dieStudentin. So sieht das auch Pfaffhauser: «Ich habe mich gefragt, was mehr Spass bringt und wo ich am meisten lerne. Bei den Juniors war die Lernkurve so steil, da stand das Studium oft an zweiter Stelle.» Auch er hat dort enge Freunde gewonnen. Während der Startphase von Beekeeper waren die Alumni seine Kartei für Partnerschaften.
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Das Fotoshooting in ihren Büros bringt den Juniors grossen Spass, aber zu viel Zeit haben sie nicht dafür. Die Arbeit wartet schon. Jannelli muss zu einem Meeting mit einem neuen Kunden und möchte perfekt vorbereitet sein. Dem guten Ruf, den sie sich in den vergangenen 25 Jahren aufgebaut haben, wollen sie gerecht werden.
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